EIGENE MESSLATTE GERISSEN

Sechs Jahre benötigte das Bundesverfassungsgericht, bis es über die Beschwerde einer verurteilten Mörderin entschied. Die Frau hatte Erfolg, ihr Fall ist deshalb wieder offen. Unter Berufung auf die überlange Verfahrensdauer wollen ihre Anwälte jetzt erreichen, dass der Haftbefehl gegen die Frau aufgehoben wird; sie sitzt seit neun Jahren in Haft.

Das Bundesverfassungsgericht hatte erst kürzlich selbst entschieden, dass ein Strafverfahren von über acht Jahren Dauer schlichtweg unzumutbar ist und den Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Mehrfachmörder aufgehoben.

Wie es aussieht, hat das höchste deutsche Gericht die eigene Messlatte gerissen. Die Verfassungsrichter können sich mit dem Argument aus der Affäre ziehen, dass die Frau bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde rechtskräftig verurteilt war. Denn mit der Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofes war das Strafverfahren zunächst wirksam beendet. Allerdings wäre so eine formale Argumentation eher peinlich. Sie erklärt nämlich nicht, wie ein derart gravierender Fall in Karlsruhe so lange unbearbeitet bleiben konnte.

(Bericht im Handelsblatt)