Städte verzockten Steuergelder

Wer hat in diesem Mammut-Prozeß das Recht auf seiner Seite? Im Streit der Stadt Hagen gegen die Deutsche Bank AG um rund 50 Millionen Schadensersatz ist es gestern vor dem Landgericht Wuppertal zu keiner gütlichen Einigung gekommen. Die Zivilkammer vertagte die Verhandlung – sie will am kommenden Montag mit der Beweisaufnahme beginnen: „Das Gericht sieht weiteren Aufklärungsbedarf“, sagte Behördensprecher Michael Börsch. Tatsächlich ist die Lage verworren.

Es geht um riskante Geschäfte mit dem Geld der Steuerzahler. Die Stadt Hagen behauptet, sie sei vor drei Jahren beim Verkauf sogenannter Zinsswapgeschäfte von der Deutschen Bank nicht ausreichend über das hohe Risiko aufgeklärt worden. Kurz: Die Stadt hatte eine Wette um die Höhe von Zinssätzen verloren. Damit steht sie nicht allein. Remscheid machte mindestens 12,7 Millionen Euro Verluste, Neuss mehr als 10 Millionen, in Dortmund sind es 6 Millionen und in Solingen rund 1,5 Millionen Euro.

Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler (BDSt) kritisiert denn auch: „Gegen solche Finanz­manöver der öffentlichen Hand sind schwerwiegende Bedenken anzumelden“. Denn Kaminski bezweifelt, ob sich wirklich alle Politiker, gerade die ehrenamtlich täti­gen kommunalen Mandatsträger, mit den komplizierten Finanz-Erfindungen des Marktes auskennen.

Tun sie nicht, meint der Deutsche Städtetag in Berlin: „Solche Geschäfte sind so komplex, dass sie professionell begleitet werden müssen.“ Es gebe einen hohen Bedarf an Informationsaustausch. Denn im Gegensatz zur Aufnahme von Krediten gebe es weder gesetzliche, geschweige denn einheitliche Regeln.

Abgesehen davon ruft der BDSt nach einer „grundsätzlichen Kommunalaufsicht“. Allerdings sind den Kommunen Spekulationsgeschäfte schon seit 1994 im § 90 der Gemeindeordnung verboten worden. „Spekulation ist verboten!“, so heisst nochmal in einer Rede von Innenminister Ingo Wolf (FDP), die der Landtag vor einer Woche zu hören bekam. Weitere warnende Schlagworte: „Das Vorsichtsprinzip ist zu beachten“, „Es besteht die Pflicht zur Risikovorsorge“, „Es gilt der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“.

Das Ministerium habe „schon vor Jahren“ empfohlen, dass fachkundige Beratung unerlässlich ist. In diese Kerbe hieb auch gestern das Landgericht Wuppertal. Die Stadt Hagen sei keine alte Frau, die zum ersten Mal ein Aktiengeschäft macht. Andererseits ist wohl die Bank in einer deutlich besseren Position: „Die Risiken waren ungleich verteilt“, argwöhnen die Richter.

Bleibt also die Frage: Was eigentlich ist eine Spekulation? Die Antwort darauf sucht derzeit auch die Staatsanwaltschaft Hagen. Sie ermittelt wegen Verdachts der Untreue gegen die ehemalige Kämmerin und den Oberbürgermeister. Aber wenn es zur Anklage käme, wäre das ein anderer Prozeß. Dann ginge es nicht um Millionen, sondern um Strafen. (pbd)