Ein bisschen Diebstahl

Die Jahresrückblicke der Medien sind meistens nicht besonders aufregend und eher als eine Art Last-Minute-Themen-Recycling zu sehen.
Dass das anders geht, hat heute die „Süddeutsche“ gezeigt. Die Zeitung hat mit der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts ein Interview geführt, und zwar zu den „Bagatell-Kündigungen“ in 2009. Mehrfach war die Republik erregt gewesen, weil Arbeitnehmer wegen Mini-Diebstählen (Frikadelle genascht usw.) gefeuert worden waren und Arbeitsgerichte das für richtig befunden hatten.

Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, hat in dem SZ-Interview nun deutlich gemacht, was dabei herauskäme, wenn solche Fälle ganz oben bei ihr landen. Die gleichen Urteile nämlich. Auszug SZ:

Statt die Arbeitgeber als herzlos zu kritisieren, griff Schmidt die betroffenen Arbeitnehmer an. „Wie kommt man eigentlich dazu, ungefragt Maultaschen mitzunehmen? Oder eine Klo-Rolle, oder stapelweise Papier aus dem Büro?“ Das habe „mit fehlendem Anstand“ zu tun, sagte die Präsidentin.

Sie bleibt damit genau auf der harten Linie, die das Bundesarbeitsgericht schon 1984 mit dem legendären Bienenstich-Urteil vorgegeben hat. Ein Diebstahl berechtigt demnach immer zur Kündigung – egal, um wie viel Wert es ging. Das Interview mit Frau Schmidt war heute dennoch, Achtung Kalauer, ein Stich ins Wespennest, wie die aufgeregten Reaktionen zeigen.

SPD und Grüne würden gerne eine Bagatell-Grenze für Diebstähle im Arbeitsrecht schaffen. Modern oder einfach nur populistisch? Ein bisschen Diebstahl erlauben?
M.E. ist das der falsche Weg. Wenn mir 1000 Leute jeweils nur 1 Euro wegnehmen, dann ist das für die Diebe eine Bagatelle, für mich sind es 1.000 Euro weniger. Anstatt Diebstahl zu verharmlosen wäre es vielleicht besser, darauf abzustellen, ob die Diebe am Arbeitsplatz später echte Reue zeigen und eine Wiederholung wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Wenn aber nur mit „Bagatelle“ argumentiert wird, könnte es sein, dass dem Arbeitnehmer schlichtweg das Unrechtsbewusstsein fehlt und der Arbeitgebe mit weiteren Diebstählen rechnen muss.