Kontrolleur 2.0

Handschellen am Gürtel eines Fahrscheinkontrolleurs? Bei einer Beförderungsgesellschaft, die sich multikulturell nennt und für unbeschwerte Fahrten wirbt? Gerade darin sieht Beatrix G.H. Lourens keinen Widerspruch. Die Sicherheitsleiterin der Rotterdamse Electrische Tram (RET) verblüffte gestern im Essener Colosseum die Teilnehmer eines Kongresses, der das Verhältnis zwischen privaten Diensten im öffentlichen Personenverkehr (ÖPV) und staatlicher Gewalt diskutierte.

Die ideale Lösung scheint es in Rotterdam zu geben. Während der Polizeibeamte Udo Tönjann vom nordrhein-.westfälischen Innenministerium einräumte, es gebe zur Gewalt in Bahnen und Bussen noch immer „keine aussagekräftigen und belastbaren Lagebilder“ (= Erkenntnisse) und Gerd Neubeck, Sicherheitsleiter der Deutschen Bahn AG, die „gewaltfreie übernächste Generation“ suchend beschwor, lieferte Beatrix Lourens konkrete Beispiele aus offenbar bewährter Praxis.

Seit zehn Jahren, also seit der Änderung des niederländischen Personenbeförderungsgesetzes, gibt es in Rotterdam inzwischen 240 „außerordentliche Ermittlungsbeamte“. Die dürfen und tun was, berichtete Lourens. Die Mitarbeiter haben zwar geringere Befugnisse als Polizeibeamte, aber mehr als Sicherheitspersonal. So können sie beobachtete Gewalttaten amtlich protokollieren – so ein Dokument hat dann „eine stärkere Beweiskraft“ vor Gericht.

Sie ahnden auch selbst harmlos anmutende Delikte, etwa das achtlose Wegwerfen von Papierschnitzeln und die „Störung der öffentlichen Ordnung in angetrunkenem Zustand“. Dabei haben sie weitreichende Unterstützung: Der Notruf eines RET-Kontrolleurs kommt einem Polizei-Notruf gleich; binnen drei Minuten sei Verstärkung da, schilderte Laurens.

Jeden Abend schwärmen in Rotterdam Teams in Bussen und Bahnen aus. „Wir suchen nach Schwarzfahrern, die Polizei findet immer was, seien es Drogen oder Waffen.“ Laurens Fazit: „Wir haben vor Jahren gesehen, dass die Gewalt zu hoch war und Schutz her muss – unsere Botschaft dringt durch.“

Sichtlich beeindruckt lobte ein Aachener Verkehrsexperte den Realitätssinn der Niederläönder und fragte, ob das Konzept nur in Rotterdam gelte. Laurens Antwort, ganz bescheiden: „Die außerordentlichen Ermittlungsbeamte haben überregionale Ermittlungsbefugnis!“ (pbd)