Geschätzt und abgerechnet

Seit September 2007 haben wir einen schönen Digitalkopierer. Das Gerät ist ins Netzwerk eingebunden, erstellt auch PDFs und erweist sich als ziemlich pflegeleicht. In der Wartungspauschale, die wir jeden Monat zahlen, sind 4.000 „Freikopien“ enthalten. Eventuelle Mehrkopien sollen halbjährlich abgerechnet werden. Wobei wir laut Vertrag verpflichtet sind, den Zählerstand nach Halbjahresende zu melden, und zwar „jeweils bis zum 5. Werktag der folgenden Abrechnungsperiode“.

Wie nicht anders zu erwarten, haben wir in den letzten drei Jahren nur einmal den Zählerstand gemeldet. Das war vor knapp zwei Wochen. Die vom Aufsteller wohl sonst versandte Mail mit der Anfrage nach dem Zählerstand scheint ausnahmsweise nicht im Spamfilter hängengeblieben zu sein. Meine Sekretärin hat die Anfrage brav beantwortet und den Zählerstand mit 86.140 angegeben.

Schon zwei Tage später flatterte uns eine Rechnung ins Haus. Für 68.003 Fotokopien. Abzüglich der 6 x 4.000 Freikopien für Januar bis Juni 2010 sollten wir 44.003 Kopien bezahlen. Das macht immerhin knapp 500,00 Euro aus. Eine Summe, bei der dem Kanzleiverwaltungshansel dann auch mal die Rechnung vorgelegt wird. Der Hansel bin ich.

Nach der Logik des Aufstellers haben wir also im Zeitraum September 2007 bis Dezember 2009 lediglich 18.137 Kopien gemacht. Das wären stolze 671 Kopien pro Monat. Die restlichen 68.003 Kopien sollen dagegen auf den Zeitraum des ersten Halbjahres 2010 entfallen. Das wären dann 11.333 Kopien pro Monat.

Da wir kontinuierlich arbeiten, kann das nicht sein. Das Inklusivvolumen von 4.000 Kopien pro Monat haben wir seinerzeit auch nicht ohne Grund vereinbart. Deshalb war für mich klar, dass die Rechnung Murks ist. Ich schrieb also ein kleines Fax an den Aufsteller. Kurz darauf meldete sich eine Sachbearbeiterin, die mir ihre internen Belege für die zurückliegenden Zeiträume faxte.

Interessant daran war auf dem ersten Blick, dass wir unsere Freiseiten in der Vergangenheit nicht mal ansatzweise aufgebraucht zu haben scheinen. Jede Halbjahresabrechnung wies rund 22.000 unverbrauchte Freikopien auf. Weil sich deshalb kein Saldo ergab, hat der Aufsteller uns diese Abrechnungen auch nicht geschickt. Hätten wir sie bekommen, hätte mich die geringe Menge an Kopien sicherlich stutzig gemacht.

Für die Mitarbeiterin alles kein Problem. „Sie haben die Zählerstände nicht gemeldet“, belehrte sie mich. „Also haben wir Sie geschätzt.“ Dazu ist der Aufsteller nach dem Vertrag tatsächlich berechtigt. Allerdings, und das wusste die Angestellte offensichtlich nicht, ist die Klausel nicht ganz so einseitig wie sie es gerne hätte. In den Bedingungen steht nämlich:

Kommt der Kunde seiner Mitteilungspflicht nicht nach, sind wir berechtigt, in unserer Abrechnung vom Durchschnittsverbrauch der letzten drei Abrechnungszeiträume auszugehen.

Die Regelung will natürlich genau das vermeiden, was jetzt eingetreten ist. Dass Zahlen genommen werden, die keinen Bezug zum tatsächlichen Verbrauch haben. Da wir aber von Anfang an gar keine Meldungen machten und die Schätzungen sofort mit der Aufstellung begannen, gibt es auch keinen „Durchschnittsverbrauch der letzten drei Abrechnungszeiträume“. Vielmehr hätte der Aufsteller, so jedenfalls meine bescheidene Meinung, nachfragen oder den Zählerstand selbst ablesen können. Diese Rechte behält er sich ohnehin vor – und zwar neben der Schätzung.

Wenigstens konnte mir die Mitarbeiterin erklären, wie es zu der absurd niedrigen Schätzung gekommen ist. Knapp zwei Wochen nach der Inbetriebnahme des Kopierers war ein Techniker da, der das Gerät ins Netzwerk einband. Der Techniker hat den Zählerstand in seinem Rapport vermerkt. Diese knapp 2.000 Kopien wurden dann zur Grundlage der Halbjahresschätzung gemacht. Die Kopienzahl von zwei Wochen entsprach dann also der eines Halbjahres. Ein ziemlicher Schnitzer, und zwar in Höhe des Faktors 12.

Wer jetzt glaubt, mein freundlicher Hinweis auf die falsche und unzulässige Schätzung könne eine kaufmännische Angestellte nachdenklich stimmen, wird leider getäuscht. Was SAP am Ende auswerfe, das unterliegt für die Dame keinem Zweifel. Schuld hätten einzig und allein wir. Sie, das klang jetzt ein wenig drohend, werde den Rechnungsbetrag jedenfalls abbuchen.

„Und wir werden die Lastschrift zurückgehen lassen“, sagte ich. Damit war das Gespräch dann auch an einem Nullpunkt angelangt, der von gegenseitigem Unverständnis geprägt war. Immerhin hat es die Mitarbeiterin dann noch geschafft, den Rückruf unseres Kundenbetreuers zu organisieren. Das ist der Mann, der uns im Spätsommer nächsten Jahres ein neues Gerät hinstellen möchte, wenn der bisherige Vertrag ausläuft.

Der Kundenbetreuer hat sich wenigstens Gedanken gemacht. Er sah ein, dass wir die Freikopien schon mit der Wartungspauschale vergüten. Und dementsprechend wenig Lust haben, sie noch einmal zu bezahlen. Weiter stimmte er mir zu, dass wir damals das Kontingent Freikopien ziemlich gut getroffen haben. Berücksichtigt man nämlich die nicht verbrauchten Freikopien aus den alten Abrechnungszeiträumen, sind wir ziemlich exakt im Limit.

Er will sich jetzt mal im Haus umhören, wie man die Rechnung „irgendwie“ aus dem System bekommt. Das System scheint aber ziemlich allmächtig zu sein. Sonderlich zuversichtlich klang er nämlich nicht.