Geisterfahrer des Lebens

Die Nebenklägerin im Prozess gegen Jörg Kachelmann ist heute mit einem kleinen Schauspiel aufgefallen. Bei der Fahrt zum Gericht hielt sie ein Buch vors Gesicht und damit in die Objektive der versammelten Presse. Titel: „Der Soziopath von nebenan. Die Skrupellosen: ihre Lügen, Taktiken und Tricks.“

Die Aussage der amerikanischen Autorin Martha Stout: Mindestens einer von 25 Mitmenschen hat kein Gewissen und keine Gefühle gegenüber Mitmenschen. Ihm fehlt die Fähigkeit, Scham, Schuld oder Reue zu empfinden. Oft verbergen diese Soziopathen ihre Regungslosigkeit hinter einer Maske der Freundlichkeit und Verbindlichkeit.

Es lohnt sich, die Rezensionen bei Amazon zu lesen:

Dieses Buch kann eine Erklärungshilfe für die oft verständnislos zurückgebliebenen Opfer gewissenloser Menschen sein.

Es gibt „böse“ Menschen!

Sie sind die schaurigen Geisterfahrer des Lebens, die sich wundern, weshalb Ihnen alle entgegenkommen und noch frechgrinsend den Finger zeigen. Welch verstörender Gedanke. Umso mehr, als diese Persönlichkeitsstörung als unheilbar gilt und fast nie festgestellt wird, da der Otto-Normal-Soziopath (aus Funk und Fernsehen auch als Psychopath bekannt) nur selten serienkillend mit der Kettensäge durch die Nachbarschaft zieht. Viele bleiben strafrechtlich unauffällig…

Bei Amazon.com gibt es noch 291 weitere Besprechungen. Kostprobe:

After feeling the pain inflicted by a sociopath, this book gives cold comfort that to be human is to be naive in the eyes of a sociopath. Our humanity is our weakness and their ability to imitate humans is their strength. If you are the trusting sort it will be used against you and you will be duped and deceived again and again.

Das Signal war also überlegt und sehr gut inszeniert. Immerhin ist die Absenderin ja auch Journalistin. Der (innerliche) Katzenjammer dürfte sich aber schnell einstellen, wenn der Kick abgeklungen ist, den so ein inszeniertes Signal auslöst. Die Nebenklägerin dokumentiert nämlich ihren eigenen überbordenden Hass auf den Ex-Freund. Außerdem zeigt sie, dass sie sich zu einer Mission berufen fühlt: Aufklärung über die wirklich „bösen“ Menschen unter uns.

Ob die Botschaft ein paar Prozent Glaubwürdigkeit wert war, die der Frau mit dem heutigen Auftritt abhanden gekommen sind? Immerhin wird die Inszenierung ihrerseits in Fachbüchern fortleben. Als Musterbeispiel für Aggravation. Damit hätten wir womöglich schon zwei Geisterfahrer.