Wand, Ofen, Fußboden

Nur wenige Dinge reizen Staatsanwälte und Richter so, wie eine einfache Körperverletzung zu einer gefährlichen Körperverletzung aufzuwerten. Die Strafschärfung steht vor allem immer dann im Raum, wenn der Täter sich eines Hilfsmittels bedient hat. Er muss dann aber, so will es das Gesetz, ein „gefährliches Werkzeug“ verwendet haben.

Die Strafrechtskommentare sind voll von Dingen, die – zu recht oder auch nicht – schon als gefährliches Werkzeug herhalten mussten. Zitiert werden Urteile zu Scheren, Nadeln und Gabeln, zu fahrenden Autos, Klebeband und Kleiderbügeln. Aber auch Plastiktüten und Schnürsenkel waren schon Thema.

Praktischer Dauerbrenner ist der „beschuhte Fuß“. Wer mit schwerem, festen Schuhwerk zutritt, so die weit verbreitete Auffassung, nutzt ein gefährliches Werkzeug. Ich habe es allerdings schon erlebt, dass mit leichten Stoffturnschuhen gefährliche Körperverletzung möglich sein soll. Dem wollte aber schon die Berufungsinstanz nicht folgen, so dass es dieser Fall leider nicht in die Kommentare geschafft hat.

Auch das Landgericht Essen mag auf etwas Unsterblichkeit in Form einer Fußnote gehofft haben. Die Richter haben nämlich ein bislang schmählich ignoriertes „gefährliches Werkzeug“ ausgemacht: den eigenen Kopf. Mit eben diesem hatte der Angeklagte einer Frau „plötzlich und gezielt eine Kopfnuss“ versetzt, worauf sich „sofort eine schmerzhafte Schwellung bildete“.

Womöglich hätte es in Essen aber schon eine Warnung sein müssen, dass zumindest die obersten Richter den Begriff des „Werkzeugs“ eher eng auslegen. So sind sie zum Beispiel seit jeher unumstößlich der Auffassung, dass unbewegliche Gegenstände kein Werkzeug sein können. Nachzulesen in den Urteilen zu Wand, Ofen und Fußboden.

So wie sich feststehende Gegenstände sprachlich kaum als Werkzeug einordnen lassen, ist das eben auch mit den Körperteilen. Leisen Optimismus mögen die Essener Richter aus klugen Aufsätzen geschöpft haben, die sich vornehmlich Jurastudenten zu Gemüte führen müssen. Was ist etwa ist mit dem künstlichen Gebiss? Oder mit dem Piraten-Haken als Handprothese?

Gleichwohl konnte sich der Bundesgerichtshof nicht durchringen, den zweckentfremdeten Kopf straftechnisch aufzuwerten. Die Karlsruher Richter wiesen die Essener Kollegen nun in einem Beschluss ohne nähere Begründung darauf hin, Körperteile seien nach ständiger Rechtsprechung nur Körperteile und keine gefährlichen Werkzeuge.

Daran werden wir uns dann wohl halten müssen.