Lebenslänglich geht nur einmal

Das frühere RAF-Mitglied Knut Folkerts muss keine weitere 20-jährige Haftstrafe in den Niederlanden absitzen. Das Landgericht Hamburg lehnte die Vollstreckung einer im Nachbarland gegen Folkerts verhängten Freiheitsstrafe nun ab. Folkerts soll in Holland einen Polizisten erschossen und einen weiteren lebensgefährlich verletzt haben.

Folkerts wurde wegen der Schüsse auf die Polizisten von einem Utrechter Gericht am 20.12.1977 zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt. Er befand sich dann bis zum 17.10.1978 im niederländischen Gefängnis. Dann wurde er nach Deutschland überstellt. Am 31.07.1980 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Stuttgart wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und weiterer Straftaten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Das Oberlandesgericht Stuttgart beschäftigte sich nicht mit Folkerts Tat in den Niederlanden. Nach dem Stuttgarter Urteil wurde Folkerts aber auch nicht wieder in die Niederlande überstellt. Seine ursprünglich vorläufige Auslieferung wurde in eine endgültige umgewandelt.

Im November 1995 wurde Folkerts vorzeitig aus der deutschen Haft entlassen. Fünf Jahre später war auch seine Bewährung erledigt. Weitere fünf Jahre später, im Juli 2005, verlangten die niederländischen Behörden nun die Vollstreckung der 20-jährigen Haftstrafe. Folkerts wehrte sich hiergegen juristisch in Holland, seine Beschwerde wurde jedoch dort vom obersten Gericht zurückgewiesen.

Nun musste die 5. große Strafkammer des Landgerichts Hamburg entscheiden, ob das niederländische Urteil in Deutschland vollstreckt werden kann.

Die Hamburger Richter halten die "Vollstreckungshilfe" für unzulässig. Die Umsetzung des niederländischen Urteils sei mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen. Die zwei Einzelstrafen würden für Folkerts zu einer unerträglich langen Freiheitsstrafe führen, die mit dem deutschen Recht nicht im Einklang stehe.

Folkerts kommt dabei zu Gute, dass die Tat in den Niederlanden mit den Delikten aus Deutschland an sich gemeinsam hätte verhandelt und abgeurteilt werden können. Dann wäre eine Gesamtstrafe gebildet worden, wobei die einzelnen Strafen nicht einfach addiert werden dürfen.

Das deutsche Gericht hätte auch dann nicht über das verhängte “lebenslänglich” hinausgehen können, selbst wenn es die Schüsse auf die Polizisten mitverhandelt hätte. Ein mehrfaches lebenlänglich kennt das deutsche Recht nämlich nicht.

Das Landgericht Hamburg geht davon aus, dass Folkerts bei Einbeziehung der in den Niederlanden begangenen Taten wegen der Schwere seiner Schuld nicht bereits nach 17, sondern erst nach etwa 20 Jahren Haft auf Bewährung entlassen worden wäre. Würde jedoch jetzt neben der bereits verbüßten Strafe von 17 Jahren eine weitere Strafe von 20 Jahre festgesetzt, ergäbe sich eine Verbüßungsdauer von 37 Jahren. Damit wäre fast das Doppelte der Straflänge erreicht, die bei einer Verurteilung in Deutschland höchstens zu erwarten gewesen wäre. Dies hält das Landgericht Hamburg für unzumutbar.

Die Richter sehen allerdings, dass Folkerts jetzt besser da steht, da die niederländische Strafe komplett unter den Tisch fällt. Nach geltender Rechtslage dürfe sich jedoch das deutsche Gericht nicht über die Souveranität eines ausländischen Staates hinwegsetzen und die Strafhöhe eigenmächtig ändern. So müsse eine Alles-oder-nichts-Entscheidung getroffen werden.

Landgericht Hamburg, Beschluss vom 8. März 2011, Aktenzeichen 605 StVK 640/05