Wikileaks.de: Doppelter Freispruch in Dresden

Die Vorwürfe klangen schwer. Theodor Reppe, der die Domain Wikileaks.de und einen TOR-Server betreibt, musste sich gestern vor dem Amtsgericht Dresden gegen den Vorwurf verteidigen, Kinderpornografie heruntergeladen, jedenfalls aber zu ihrer Verbreitung Beihilfe geleistet zu haben. Am Ende stand ein Freispruch. Ich habe mit Theodor Reppe über die Hintergründe des Verfahrens gesprochen.

Was hat Ihre Seite Wikileaks.de mit Kinderpornos zu tun?

Die Frage führt gleich zu einem Missverständnis, das auch im Prozess eine Rolle spielte. Ich betreibe auf Wikileaks.de keine eigene Internetseite. Ich leite auf die Hauptseite von Wikileaks weiter. Ich verändere die Inhalte nicht und füge auch keine eigenen hinzu.

Aber auch bei Wikileaks selbst finden sich doch wohl kaum Kinderpornos.

Natürlich nicht. Aber Wikileaks hat seine Arbeit gemacht und unter anderem die australische Liste gesperrter Webseiten veröffentlicht. Diese Liste wurde dann auch bei Wikileaks.de angezeigt. Eine Bürgerin hatte beim Hessischen Landeskriminalamt angerufen und das gemeldet. Eine Richterin segnete die Hausdurchsuchung mündlich ab. Kurz darauf stand die Polizei bei mir vor der Tür. Mir wurde allerdings zunächst nur gesagt, es gehe um pornografische Angebote. Von Kinderpornos war nicht die Rede.

Sie hatten also bis zur Durchsuchung gar keine Kenntnis von den Sperrlisten, die Wikileaks online gestellt hatte?

Nein, auf Wikileaks fanden sich ja seit jeher viele Dokumente. Die Sperrlisten waren nicht auf meinem Radar.

Wie haben Sie sich nach der Durchsuchung verhalten?

Wikileaks erschien mir als zu wichtiges Projekt, um hier sang- und klanglos nachzugeben. Außerdem ging es mit der Veröffentlichung ja um grundsätzliche politische Fragen. Die Sperrdiskussion wird ja auch in Deutschland geführt. Das wollte ich dann doch lieber grundsätzlich geklärt haben.

Das Amtsgericht war offenbar Ihrer Auffassung und hat Sie freigesprochen.

Der Richter unterschied zwei Phasen. Bis zur plötzlichen Hausdurchsuchung konnte er schon gar keinen Vorsatz erkennen, da ich nichts von den Listen wusste. Nach der Polizeiaktion sah er wohl eher Fehler bei den Behörden. Man hätte mich schon konkret darüber informieren müssen, welche Links nun genau beanstandet werden. Der Hinweis, einzelne Links führten zu strafbaren Inhalten, sei zu pauschal gewesen. Mir könne kaum zugemutet werden, alleine rund 3.000 Links aus der australischen Liste zu prüfen.

Zumal Sie sich durch Anklicken einschlägiger Angebote möglicherweise unmittelbar zum “Besitzer” strafbarer Inhalte gemacht hätten.

Genau. Ich habe die Urteilsbegründung so verstanden, dass die Behörden bei einer bloßen Adressweiterleitung nicht einfach pauschal monieren dürfen.

Welche Konsequenzen hat das für Wikileaks.de?

Ich hoffe zunächst, dass die schriftliche Urteilsbegründung etwas konkreter ist. Der Richter hat selbst eingeräumt, dass er die technischen Hintergründe nicht ganz durchschaut. Ich richte mich jedenfalls darauf ein, dass ich bei entsprechenden Hinweisen genauer nachschauen muss. Ob und wie ich dann die Inhalte auf Wikileaks.de beeinflusse, wird sich zeigen. Ich hoffe jedoch, dass es dazu gar nicht kommt.

Neben dem Komplex Wikileaks ging es auch um einen TOR-Server, den Sie beitreiben.

Ja, auch wegen des TOR-Servers habe ich eine Hausdurchsuchung gehabt. Die IP-Adresse meines Exit-Nodes war angeblich beim Tausch strafbarer Inhalte registriert worden.

War der Polizei nicht bekannt, dass die IP-Adresse zu einem TOR-Server gehört?

In diesem Fall anscheinend nicht. Ich nahm bis dahin an, dass vor Ermittlungen schon geprüft wird, ob es sich um einen TOR-Server handelt. Immerhin gibt es ja ein öffentliches Verzeichnis aller Server. Normalerweise scheint das zu passieren, denn vor der Durchsuchung erhielt ich schon öfter Mails von Landeskriminalämtern, die sich erkundigten, ob ich als Serverbetreiber vielleicht doch Daten des eigentlichen Nutzers besitze.

Das haben Sie sicher auch den Beamten vor Ort erklärt.

Ja, genützt hat es aber nichts. Die haben meine Hardware eingepackt. Auch die Staatsanwaltschaft ließ sich nicht davon beeindrucken, dass ich den Betrieb eines TOR-Servers nachweisen konnte. Es dauerte dann 22 Monate, bis ich meine Computer zurück erhielt. Gefunden wurde bei mir nichts.

Sie waren also nachweislich nicht im Besitz von Kinderpornos, wurden jetzt aber trotzdem angeklagt?

Ja, offenbar war die Staatsanwaltschaft der Meinung, dass eine IP-Adresse allein solche Taten beweist und es auch keine Rolle spielt, ob ich einen Anonymisierungsdienst betreibe oder nicht. Der Richter sah das aber ganz anders. Die Sache war wesentlich einfacher vom Tisch als der Komplex Wikileaks.

Für Teilnehmer am TOR-Netzwerk sind das aber trotzdem keine guten Nachrichten.

Das Ergebnis stimmt, aber offenbar besteht ein gewisses Risiko, ins Visier ahnungsloser Behörden zu kommen. Wenn die Beamten einen TOR-Server nicht erkennen oder nicht wissen, was das ist, wird eben nachgeguckt und die Hardware beschlagnahmt. Darauf sollte man emotional vorbereitet sein. Ein vernünftiges externes Backup der eigenen Daten dürfte überdies nicht schaden.

Was macht die Staatsanwaltschaft?

Ich schließe eine Berufung nicht aus, hoffe aber, die Sache ist jetzt zu Ende. Weder Wikileaks.de noch ein TOR-Server verletzen Gesetze. Das könnte man ja auch akzeptieren.

Google Street View rechtlich zulässig

Hauseigentümer können nicht verhindern, dass Google für den Bilderdienst Street View Fassaden und Gärten fotografiert. Das Kammergericht Berlin lehnte den Antrag einer Hausbesitzerin ab, die sich gegen die Aufnahmen wehrte. Zuvor war die Frau schon in erster Instanz gescheitert.

Die Hauseigentümerin hatte befürchtet, ihre Familie und der private Bereich ihres Vorgartens könnten auf den Bildern zu erkennbar sein. Weder das Land- noch das Kammergericht stellten aber einen Rechtsverstoß fest.

Die bloße Abbildung von Häuserzeilen oder Straßenzügen, wie sie jeder Fußgänger oder Autofahrer vom öffentlichen Grund aus machen könne, sei rechtlich nicht relevant. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für darüber hinausgehende unerlaubte Aufnahmen habe die Antragstellerin nicht dargelegt. Insbesondere habe sie nicht plausibel gemacht, dass die erhöhte Position der Google-Kameras wesentlich andere Einblicke ermöglicht, als sie auch für einen Fußgänger möglich sind.

Es handelt sich um das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Hauseigentümerin kann also noch den normalen Rechtsweg beschreiten.

Landgericht Berlin, Beschluss vom 13. September 2010 – 37 O 363/10
Kammergericht, Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 10 W 127/10

Unsere Schönwetter-Rechte

Es ist traurig, aber wahr. Das Bundesverfassungsgericht tritt den Bürgerrechten mal wieder in den Rücken. Gleichzeitig ermutigt es jene Polizisten, Staatsanwälte und Richter, die gerne ein Auge zudrücken, wenn die Strafprozessordnung ihren Ermittlungen im Wege steht. Im Falle rechtswidrig entnommener Blutproben und der damit verbundenen Umgehung des Richtervorbehalts sehen die Karlsruher Richter nämlich überhaupt keinen Anlass, die dadurch gewonnen Beweise für unverwertbar zu erklären.

Dabei schockiert mich weniger das Ergebnis im Einzelfall als die Begründung, die das Gericht hierfür findet.

Ausgangspunkt waren Verkehrskontrollen. In einem Fall war streitig, ob Polizeibeamte überhaupt versucht haben, für die Blutprobe bei einem Autofahrer einen Richter zu fragen. Sie behaupteten das zwar, der Kontaktversuch war aber in der Akte nicht dokumentiert. In einem anderen Fall konnte ein Richter nicht erreicht werden, weil es keinen nächtlichen Eildienst gab.

Das Bundesverfassungsgericht sieht zwar einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richtervorbehalt, lässt die Verwertung der Blutproben aber uneingeschränkt zu. Das Gericht erläutert zur Begründung mal wieder seine grundsätzliche Haltung. Eben diese Haltung ist für mich der Grund, dass die Rechte des Beschuldigten bei uns immer weniger geachtet werden. Das gilt nicht nur für Verkehrskontrollen, sondern auch für heftigere Maßnahmen. Hausdurchsuchungen zum Beispiel. Oder Festnahmen. Das Verfassungsgericht:

Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, willkürfreier … Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist.

Der Grund, warum ein Verstoß gegen Vorschriften keine Konsequenzen hat, ist das Strafverfolgungsinteresse des Staates. Dieses wird bei uns eben über alles gesetzt. Oder, um es mit den Worten des Gerichts zu sagen:

Die Annahme eines Verwertungsverbots schränkt …  eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle hierfür bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat.

Das hat folgende Konsequenz:

Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist.

Übersetzt bedeutet dies: Wenn beispielsweise eine Wohnung zu Unrecht durchsucht, ein Zeuge illegal zum Reden gebracht oder ein Beschuldigter ohne tragfähige gesetzliche Haftgründe zur Erzielung eines Geständnisses in Untersuchungshaft gesteckt wird, verstößt dies gegen die Strafprozessordnung, bleibt aber für das Verfahren ohne Folgen. Das gesetzeswidrige Verhalten hat laut Gericht nur “im Einzelfall” und “ausnahmsweise” Konseqenzen.

Solche Vorgaben kann man ruhig mal auf andere Lebensbereiche übertragen. Bußgelder für Wirte und Bäcker werden nicht fällig, wenn die Kunden kotzen, sondern erst ab drei Wochen stationärer Behandlung. Autofahrer zahlen für Tempoverstöße nur, wenn die Raserei zu einem Blechschaden über 5.000 Euro führt.  Mir fallen noch andere Beispiele ein, aber ich will nicht ausfallend werden.

Bei den Blutproben sattelt das Bundesverfassungsgericht auf seine bekannte Haltung sogar noch auf. Die Richter widmen sich nämlich genüsslich der Frage, ob der Richtervorbehalt zum “rechtsstaatlich Unverzichtbaren” gehört. Das verneinen sie, was im Ergebnis sicher richtig ist. Das führt, und das ist der wirklich perfide Hintergedanke, zu einer Einführung von Bürgerrechten zweiter Klasse:

Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht – auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte – ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde.

Dies macht das Bundesverfassungsgericht dann an der Frage fest, wie tief die Blutprobe ohne richterliche Zustimmung in Grundrechte eingreift. Die Schlussfolgerung überrascht kaum:

Eine Blutentnahme zum Zwecke der Aufklärung eines Sachverhalts tastet das Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt an und stellt auch keinen so schwerwiegenden Eingriff dar, dass aus dem Gesichtspunkt der Eingriffstiefe heraus ein Richtervorbehalt zu verlangen wäre. Der Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO beruht auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, nicht auf einer zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgabe.

Mit anderen Worten: Bürgerrechten, mit denen der Bundestag über die Minimal-Vorgaben des Grundgesetzes hinausgeht, haftet der Geruch der Minderwertigkeit an. Wir dürfen sie offenbar als Zuckerbrot verstehen. Eine Art juristischer Boni, die unter dem ständigen Vorbehalt des Widerrufs oder gar der nachträglichen Aberkennung durch den zuständigen Polizeibeamten stehen.

Ich wiederhole es: Jene Beamte, die sich bei passender Gelegenheit nicht für Verfahrensrechte interessieren und denen der Zweck die Mittel heiligt, lesen solche Beschlüsse wie eine Gebrauchsanleitung. Sie bekommen hier von ganz oben erklärt, dass Fehlverhalten nur in krassen Ausnahmefällen (das Verfassungsgericht nennt diese “Willkür”) zu Konsequenzen führt. Das ist eine grob fahrlässige Ermutigung, den Rechtsstaat im Interesse der “Wahrheitsfindung” zu strapazieren.

Und so passiert es auch Tag für Tag. Nach meiner Erfahrung nimmt die Zahl der Beamten zu, für die die Strafprozessordnung ein Schönwetter-Kompendium ist. Wer kann es ihnen auch verdenken? Schließlich rechtfertigt der “Erfolg” in Form einer Verurteilung nachträglich (fast) jede Verletzung von Bürgerrechten. (Und führt im übrigen auch dazu, dass die verbleibende Dienstpflichtverletzung nicht zu hoch gehängt wird, sofern sich überhaupt jemand dafür interessiert.)

An dieser Erosion unserer Rechte wird sich so lange nichts ändern, wie die Verantwortlichen weiter damit rechnen können, dass Gesetzesverstöße nachträglich abgenickt werden. Was aus Karlsruhe aber kommt, bestärkt die schwarzen Schafe sogar noch. Das ist übrigens auch ein Schlag ins Gesicht all jener Ermittler, die sich nach Kräften ans Gesetz halten. Zum Glück stellen sie noch die Mehrheit. Am Ende sind sie aber auch die Blöden, neben uns Bürgern.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Februar 2011, Aktenzeichen 2 BvR 1596/10

Lebenslänglich geht nur einmal

Das frühere RAF-Mitglied Knut Folkerts muss keine weitere 20-jährige Haftstrafe in den Niederlanden absitzen. Das Landgericht Hamburg lehnte die Vollstreckung einer im Nachbarland gegen Folkerts verhängten Freiheitsstrafe nun ab. Folkerts soll in Holland einen Polizisten erschossen und einen weiteren lebensgefährlich verletzt haben.

Folkerts wurde wegen der Schüsse auf die Polizisten von einem Utrechter Gericht am 20.12.1977 zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt. Er befand sich dann bis zum 17.10.1978 im niederländischen Gefängnis. Dann wurde er nach Deutschland überstellt. Am 31.07.1980 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Stuttgart wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und weiterer Straftaten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Das Oberlandesgericht Stuttgart beschäftigte sich nicht mit Folkerts Tat in den Niederlanden. Nach dem Stuttgarter Urteil wurde Folkerts aber auch nicht wieder in die Niederlande überstellt. Seine ursprünglich vorläufige Auslieferung wurde in eine endgültige umgewandelt.

Im November 1995 wurde Folkerts vorzeitig aus der deutschen Haft entlassen. Fünf Jahre später war auch seine Bewährung erledigt. Weitere fünf Jahre später, im Juli 2005, verlangten die niederländischen Behörden nun die Vollstreckung der 20-jährigen Haftstrafe. Folkerts wehrte sich hiergegen juristisch in Holland, seine Beschwerde wurde jedoch dort vom obersten Gericht zurückgewiesen.

Nun musste die 5. große Strafkammer des Landgerichts Hamburg entscheiden, ob das niederländische Urteil in Deutschland vollstreckt werden kann.

Die Hamburger Richter halten die "Vollstreckungshilfe" für unzulässig. Die Umsetzung des niederländischen Urteils sei mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen. Die zwei Einzelstrafen würden für Folkerts zu einer unerträglich langen Freiheitsstrafe führen, die mit dem deutschen Recht nicht im Einklang stehe.

Folkerts kommt dabei zu Gute, dass die Tat in den Niederlanden mit den Delikten aus Deutschland an sich gemeinsam hätte verhandelt und abgeurteilt werden können. Dann wäre eine Gesamtstrafe gebildet worden, wobei die einzelnen Strafen nicht einfach addiert werden dürfen.

Das deutsche Gericht hätte auch dann nicht über das verhängte “lebenslänglich” hinausgehen können, selbst wenn es die Schüsse auf die Polizisten mitverhandelt hätte. Ein mehrfaches lebenlänglich kennt das deutsche Recht nämlich nicht.

Das Landgericht Hamburg geht davon aus, dass Folkerts bei Einbeziehung der in den Niederlanden begangenen Taten wegen der Schwere seiner Schuld nicht bereits nach 17, sondern erst nach etwa 20 Jahren Haft auf Bewährung entlassen worden wäre. Würde jedoch jetzt neben der bereits verbüßten Strafe von 17 Jahren eine weitere Strafe von 20 Jahre festgesetzt, ergäbe sich eine Verbüßungsdauer von 37 Jahren. Damit wäre fast das Doppelte der Straflänge erreicht, die bei einer Verurteilung in Deutschland höchstens zu erwarten gewesen wäre. Dies hält das Landgericht Hamburg für unzumutbar.

Die Richter sehen allerdings, dass Folkerts jetzt besser da steht, da die niederländische Strafe komplett unter den Tisch fällt. Nach geltender Rechtslage dürfe sich jedoch das deutsche Gericht nicht über die Souveranität eines ausländischen Staates hinwegsetzen und die Strafhöhe eigenmächtig ändern. So müsse eine Alles-oder-nichts-Entscheidung getroffen werden.

Landgericht Hamburg, Beschluss vom 8. März 2011, Aktenzeichen 605 StVK 640/05

Atomkraft: Heute Mahnwachen in 320 Städten

In ganz Deutschland sollen heute abend Mahnwachen gegen die weitere Nutzung der Atomkraft stattfinden. Außerdem wollen die Teilnehmer der Opfer in Japan gedenken. Obwohl erst am Samstag zu den Mahnwachen aufgerufen wurde, sind bereits Veranstaltungen an 320 Orten angemeldet. Die nachfolgende Karte zeigt alle derzeit geplanten Mahnwachen:


Anti-Atom-Mahnwachen am Mo. 14.03.: alphabetische Liste und auf einer größeren Karte anzeigen

Die Mahnwachen beginnen zwischen 18 und 18.30 Uhr. Nähere Informationen hier

Gericht: Auch für uns gelten Grenzen

Forenbetreiber müssen keine E-Mail-Adressen ihrer Nutzer an Dritte herausgeben. Dies gilt nicht nur für Private, die sich über missliebige Kommentare ärgern. Nein, nicht mal ein Zivilgericht kann die Herausgabe von Nutzerdaten anordnen, denn dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. So hat es das Landgericht Düsseldorf in einem aktuellen Beschluss entschieden.

In dem Verfahren klagt eine Glücksspielfirma gegen einen früheren Mitarbeiter. Dieser soll angeblich geschäftsschädigende Aussagen unterlassen, die er in einem Forum über seine frühere Arbeitgeberin gemacht haben soll. Die  betreffenden Kommentare sind unter Pseudonym veröffentlicht. Aus dem Text ergibt sich lediglich, dass hier wohl ein “Insider” schreibt.

Der Beklagte streitet ab, die Kommentare geschrieben zu haben. Darauf hin beantragte die Glücksspielfirma, das Gericht möge vom Betreiber des Forums die E-Mail-Adresse sowie alle weiteren Daten anfordern, die der betreffende Nutzer bei seiner Anmeldung oder später hinterlassen hat. Diesen Antrag stützte die Klägerin auf § 142 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auch von Dritten die Vorlage von Urkunden verlangen, die für das Verfahren bedeutsam sind.

Das Landgericht Düsseldorf weist zunächst darauf hin, dass es sich bei hinterlegten Daten nicht um Urkunden im Sinne des Gesetzes handelt. Aber auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheide aus, weil das Telemediengesetz dies ausdrücklich untersage:

Die E-Mail-Adresse des Nutzers unterfällt den Bestandsdaten des von dem Dritten betriebenen Mediendienstes. Eine Auskunft ist daher nur für Zwecke der Strafverfolgung … zulässig. Hier liegt keiner der genannten Fälle vor. … Eine Auskunftserteilung aus Interessenabwägung oder Störerhaftung kommt nicht in Betracht.

Soweit durch die streitgegenständlichen Äußerungen eine Verwirklichung des Straftatbestandes der Beleidigung oder Verleumdung in Betracht zu ziehen sein sollte, ermächtigt dies auch nicht zur Auskunftserteilung an das Zivilgericht; die Kläger müssten sich ggf. staatsanwaltschaftlicher Hilfe bedienen.

Mal ein praktischer Fall von wohltuendem judicial self-restraint.

(Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 11. März 2011, Aktenzeichen 12 O 161/10)

Bloß keine Vernehmung

Die Polizei übersendet meinem Mandanten einen Anhörungsbogen. Der Mandant erhält Gelegenheit, sich zu einem Vorwurf schriftlich zu äußern. Nichts ungewöhnliches, dafür gibt es ein Muster. Der zuständige Beamte scheint allerdings besonders darauf bedacht, seine Arbeitsbelastung zu minimieren. Er hat den Vordruck teilweise geschwärzt.

110311a

Unter dem Balken steht:

Ich möchte bei der Polizei vernommen werden.

Sportstudio darf nicht in Intimsphäre schnüffeln

Verträge mit Sportstudios sind schnell geschlossen. Bei der Kündigung stellen sich die Betreiber gerne quer. Selbst bei ernsten Erkrankrungen von Mitgliedern wird gemauert, wie eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts Drieburg zeigt. Ein Sportstudio wollte die Kündigung eines Mitgliedes schon deshalb nicht anerkennen, weil dieser keine “geeigneten Belege” für seine Krankheit präsentiert habe.

Bei dem Freizeitsportler war unerwartet Rheuma festgestellt worden. Sein Arzt riet ihm selbst von leichtestem Sport für mindestens ein Jahr ab. Dem Fitnessstudio reichte das Attest nicht aus. Über seinen Anwalt verlangte es nähere Informationen zur Krankheit. Nach den Bedingungen des Clubs sei jedes Mitglied verpflichtet, eine unplanmäßige Kündigung mit “geeigneten Belegen” zu untermauern.

Das Amtsgericht Drieburg befand schon die Klausel für unwirksam. Sie verstoße gegen das Transparenzgebot. Letztlich maße sich der Studiobetreiber die Auslegung an, welche Unterlagen nun gemeint seien. Dies könne übermäßig in die Persönlichkeitsrechte des Mitglieds eingreifen. Schließlich habe jeder Betroffene ein berechtigtes Interesse, dass persönlichste Daten nicht an Dritte gelangen.

Überdies habe der verhinderte Sportler auch alles getan, was von ihm verlangt werden könne. Mehr als eine ärztliche Bescheinigung mit einer klaren Aussage könne ein Studiobetreiber unter keinen Umständen verlangen. Der Schutz der Intimsphäre wiege nämlich schwerer als das Umsatzinteresse des Studiobetreibers.

Das Studio hatte noch argumentiert, der Kunde könne jedenfalls die anderen Angebote nutzen. Etwa Sauna, Solarium oder Entspannungskurse. Dem folgte das Gericht nicht. Der Kunde eines Sportstudios müsse sich nur auf Nebenangebote verweisen lassen, wenn es ihm bei Vertragsschluss wesentlich darauf angekommen sei. Für das Gericht spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kunde eines Sportstudios in erster Linie Sport machen will. Das Gegenteil konnte der Betreiber nicht beweisen.

Die außerordentliche Kündigung wurde demgemäß anerkannt.

Amtsgericht Drieburg, Urteil vom 9. Februar 2011, Aktenzeichen 211 C 44/09 (via)

Lotto-Kläger: “Wir haben Testkäufer geschickt”

Haben Hartz-IV-Empfänger Lottoverbot? Die Frage wird seit gestern abend heftig diskutiert, nachdem eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln bekannt wurde. Zu den Hintergründen habe ich mit Rechtsanwalt Andreas Okonek aus der Bonner Kanzlei Redeker gesprochen. Er vertritt die Klägerin, den Sportwettenanbieter Tipico mit Sitz in Malta. Hier das Interview:

Dürfen Hartz-IV-Empfänger jetzt wirklich nicht mehr Lotto spielen?

Wir haben unseren Verbotsantrag so gestellt, dass damit in erster Linie “Glücksspiele durch Sportwetten” für bestimmte Personen untersagt werden sollen. Zu diesem Kreis gehören Minderjährige und Überschuldete. Aber auch Menschen mit so niedrigem Einkommen, dass sie durch Glücksspiel überfordert werden. Diese Personengruppe umfasst auch Hartz-IV-Empfänger.

Also geht es derzeit “nur” um Sportwetten und Lotto ist außen vor?

Das kann man nicht so einfach sagen. Der Gerichtsbeschluss bezieht sich zunächst nur auf Glücksspiel durch Sportwetten. Allerdings kennt man im Wettbewerbsrecht den “kerngleichen Verstoß”. Ein gerichtliches Verbot kann demnach auch Geschäftspraktiken umfassen, bei denen die rechtlichen Rahmenbedingungen gleich sind. Bei Lotto reden wir zwar über Unterschiede in den Nuancen, aber dennoch sind die Sachverhalte mit den Sportwetten vergleichbar. Wir werden in Ruhe prüfen, ob und wie wir mögliche Verstöße auch beim Lotto verfolgen.

Wie ist es eigentlich zu dem Antrag gekommen?

Glücksspiel ist in Deutschland fest in staatlicher Hand. Das europäische Recht billigt so ein Monopol aber nur dann, wenn es zum Schutz der Bevölkerung nötig ist. Die staatlichen Glücksspielanbieter rechtfertigen ihre Sonderstellung mit den Gefahren der Spielsucht. Leider halten sie sich dann aber nicht an die selbst gewählten Maßstäbe.

Sie meinen also, Ihr Gegner Westlotto tut nicht genug für den Spielerschutz?

Das ist keine Meinung, sondern Fakt. Wir haben etliche Testkäufer in Lottoannahmestellen geschickt und den Ablauf protokolliert. Die Ergebnisse waren ernüchternd. In 40 % der Fälle wurden Minderjährigen Sportwetten verkauft. Überschuldete oder Hartz-IV-Empfänger konnten alle ihren Spielschein abgeben.

Schulden oder Hartz IV sieht man aber auch niemandem an?

Die Testkäufer haben sich vor dem Verkaufspersonal laut unterhalten. Etwa so:

“Wieso tippst du schon wieder für 50 Euro? Du hast doch Schulden bis über beide Ohren!” “Ach lass mal, etwas Spaß muss sein.” Oder: “Du kannst doch hier kein Glücksspiel machen, wenn du schon mit dem Geld vom Amt nicht klarkommst?” “Aber das ist doch der einzige Weg, wie ich von Hartz IV runterkommen kann.”

Die Verkäufer haben meist gelacht und noch viel Glück gewünscht. Die Sportwette abgelehnt hat keiner.

Aber warum sollte der Verkäufer das auch tun?

Weil das geltende Recht es so verlangt! Nach den Vorschriften muss der Glücksspielanbieter nicht nur Minderjährige, sondern auch finanziell schwache Personen vor einer Überforderung schützen. Diese Regeln haben wir uns nicht ausgedacht, sondern die Politik.

Wie konnten Sie das Gericht davon überzeugen, dass Hartz-IV-Empfänger sich nicht ab und zu doch mal einen Spielschein leisten dürfen?

Wir haben uns an der jüngsten Debatte um Hartz IV orientiert. Es wurde ja ausführlich diskutiert, ob in der Grundsicherung auch ein Betrag für Glücksspiel enthalten sein soll. Am Ende wurde das abgelehnt. Ausgaben für Glücksspiel sind also nicht vorgesehen und damit logischerweise eine finanzielle Überforderung.

Hartz-IV-Empfänger fühlen sich nun diskriminiert. Ist da nicht eine Entschuldigung angebracht?

Es geht meiner Mandantin nicht darum, ganze Gruppen der Bevölkerung zu stigmatisieren. Nicht die privaten Glücksspielanbieter haben sich die extrem strengen Vorschriften ausgedacht, sondern die deutschen Politiker in dem Bestreben, das Glücksspiel weiter rein staatlich zu betreiben. Wenn etwas diskriminierend wirkt, dann höchstens die momentan gültigen Vorschriften.

Diese Vorschriften werden aber nicht umgesetzt, wenn man Ihren Tests vertrauen darf.

Das ist doch genau der Punkt. Die Politik verhindert privaten Wettbewerb durch strengste Schutzvorschriften, aber die eigenen Monopolbetriebe halten sich dann nur mangelhaft daran. Man kann es privaten Glücksspielanbietern, die rigoros vom Markt gedrängt werden, wohl kaum verübeln, dass sie die Verantwortlichen beim Wort nehmen.

Man kann nicht Wasser predigen, aber gleichzeitig Wein trinken. Das gilt für jeden, sogar für den Staat.

NRW: Unmenschliche Haft bleibt Thema

151 Tage hat ein Gefanger unter menschenunwürdigen Bedingungen in zwei nordrhein-westfälischen Gefängnissen verbracht. Die Zellen für zwei Personen waren sowohl in Köln wie in Hagen gerade mal acht Qudratmeter groß; die Kloschüssel in einer Ecke war nur durch eine verstellbare Holzwand abgedeckt, einen Meter davon entfernt musste gegessen werden – dreiundzwanzig Stunden täglich hockte so der Gefangene in einem Gemisch von Fäkaliengeruch, Tabakrauch von wechselnden Mithäftlingen und deren Schweißdünsten.

Vier Jahre später endlich darf das Land NRW, so hat es jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden, auf Schadensersatz für diese Zustände verklagt werden – dem Gefangenen jedenfalls steht für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu (Aktenzeichen 1 BvR 409/09).

Der Bielefelder Rechtsanwalt Dirk Thenhausen hat das Urteil erstritten. Zuvor hatte das Landgericht Köln seinen Mandanten abblitzen lassen. Dem Gefangenen stehe Prozesskostenhilfe nicht zu, weil eine Entschädigung für die erlittenen Bedingungen erst gar nicht infrage komme. Dem hatte sich das Oberlandesgericht Köln angeschlossen.

Beide Beschlüsse kassierten nun die obersten Richter in Karlsruhe. Die Kölner Gerichte hätten sich zu weit aus dem Fenster gelehnt und „im Vorfeld“ eines Schadensersatzprozesse dessen Ergebnis vorweggenommen. Das verstoße gegen das Prinzipg der „Rechtsschutzgleichheit“.

Das Verfahren muss nun vor dem Landgericht Köln verhandelt werden und notfalls alle weiteren Instanzen – über das Oberlandesgericht Köln bis hin zum Bundesgerichtshof – durchlaufen.

Nicht nur damit wird das Land in Sachen menschenwürdige Haftbedingungen beschäftigt sein. Momentan sind bei den Landgerichten noch 99 Klagen anhängig, bei den Oberlandesgerichten 104 Verfahren. Dazu kommen noch Prozesskostenhilfeverfahren. 82 solcher Klagen stehen noch bei den Landgerichten und 12 bei den Oberlandesgerichten aus.

Bei den Landgerichten sind bislang 88 Klagen rechtskräftig abgewiesen worden, bei den Oberlandesgerichten 16. Das Land NRW ist bei den Landgerichten in 23 Fällen rechtskräftig verurteilt worden und bei den Oberlandesgerichten in 17 Fällen. Außerdem haben sich die Parteien in 450 ähnlicher Fälle geeinigt und Vergleiche geschlossen.

Diese offiziellen Zahlen kann allerdings Rechtsanwalt Dirk Thenhausen nicht nachvollziehen: „Ich alleine habe noch wenigstens 300 unerledigte Fälle“. (pbd)

Keine Lottoscheine für Hartz-IV-Empfänger

Es klingt nach einem vorgezogenen Aprilscherz, scheint aber wahr zu sein: Hartz-IV-Empfänger dürfen momentan kein Lotto spielen. Das Landgericht Köln hat es “Westlotto” untersagt, Spielscheine oder Rubbellose an Empfänger von Sozialleistungen abzugeben. Ein Gerichtssprecher soll die einstweilige Verfügung gegenüber der Westdeutschen Zeitung bestätigt haben.

Geklagt hat ein Glücksspielanbieter aus Malta. Seine juristische Stütze findet der Vorstoß offenbar im ewigen Streit um das Glücksspielmonopol und die von den Gerichten geforderte Spielsuchtprävention. Gerade die öffentlichen Lottoveranstalter rechtfertigen ihre Quasi-Monopol mit den hohen Suchtgefahren des Glücksspiels. In diesem Rahmen ist es den Klägern wohl gelungen, das Landgericht Köln davon zu überzeugen, dass nur Lotto spielen darf, wer über Sozialhilfeniveau verdient. Die Richter untersagten Westlotto nämlich, Spiel- oder Wettscheine oder Rubbellose an Personen zu verkaufen, die “Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen, insbesondere Hartz-IV-Empfänger sind”. So zitiert die Westdeutsche Zeitung aus dem Gerichtsbeschluss.

Bei Westlotto sei man über die Entscheidung schockiert, meldet die Zeitung. Ein Firmensprecher wird mit den Worten zitiert, man wolle die Entscheidung selbstverständlich respektieren, aber alle Rechtsmittel ausschöpfen.

Wie die Lottoveranstalter die Vorgaben praktisch umsetzen wollen, wird (noch) nicht erklärt. Immerhin wird ja kein Hartz-IV-Empfänger freiwillig seinen Bewilligungsbescheid vorlegen – um dann kein Los verkauft zu erhalten. An sich ist nur der umgekehrte Weg denkbar: Potenzielle Lottospieler müssen durch Vorlage geeigneter Belege nachweisen, dass sie über ein Einkommen verfügen, bei dem die Kosten für einen Spielschein noch “im Verhältnis” stehen.

Fragt sich nur, wie viel Prozent der Lottospieler zu einem Finanzstriptease bereit sind. Aber auch Hartz-IV-Empfänger werden sich die Teilnahme überlegen. Sie müssen ja damit rechnen, dass ihnen ein möglicher Gewinn wegen Verstoßes gegen das Glücksspielrecht gar nicht ausgezahlt wird.

Auf Seiten der Betroffenen regt sich bereits Widerstand. Das Erwerbslosen Forum Deutschland rügt offene Diskriminierung und spricht von Kastendenken. Eine ganze Bevölkerungsgruppe werde instrumentalisiert, um den Streit über privates und öffentliches Glücksspiel in Deutschland auszutragen. Die Hartz-IV-Lobby ruft Betroffene auf, sich in einem Forum als Lottospieler zu outen und so gegen die “absurde und skurrile Entscheidung” zu protestieren.

Nachtrag: Nach einem Bericht der Welt bezieht sich die einstweilige Verfügung auf Sportwetten (Oddset). Nachtrag zum Nachtrag: Die einstweilige Verfügung soll sich doch auf öffentliches Glücksspiel insgesamt beziehen. Dazu gehört auch Lotto (dpa-Bericht).

Müssen Blogger Nutzerdaten preisgeben?

Blogger und Forenbetreiber haften nicht unmittelbar für Kommentare, die Dritte auf ihren Seiten abgeben. Es reicht normalerweise, wenn sie auf begründete Beanstandungen reagieren und die Inhalte zügig entfernen.

Der Streit ist damit aber oft noch nicht vorbei. Denn “Geschädigte” wollen dann häufig persönliche Daten, die der Autor des Kommentars hinterlassen hat. Auch die möglicherweise gespeicherte IP-Adresse wird herausverlangt. Dabei wird auch gern mit Klagen gedroht und die Kostenkeule geschwungen.

Wie groß die Erfolgsaussichten in einem solchen Fall sind, musste jetzt das Amtsgericht München entscheiden. Autohändler hatten in einem Forum missliebige Kommentare entdeckt. Der Forenbetreiber löschte die Äußerungen. Er weigerte sich aber unter Berufung auf den Datenschutz, Kontaktdaten herauszugeben.

Damit verhielt er sich korrekt, befand das Amtsgericht München. Aus dem Telemediengesetz ergebe sich nämlich eindeutig, dass Internetanbieter nur Behörden auskunftspflichtig sein können, und das auch nur “auf Anordnung” und “im Einzelfall”. Private hätten dagegen keinen Auskunftsanspruch. Weder das Telemediengesetz noch eine andere Rechtsvorschrift gäben ihnen dieses Recht. Der Gesetzgeber habe dies auch bewusst so geregelt, so dass sich die Kläger nicht auf Treu und Glauben, den juristischen Notnagel wenn sonst nichts mehr geht, berufen können.

Den Autohändlern stellte das Gericht frei, eine Strafanzeige zu erstatten. Möglicherweise nehme sich die Staatsanwaltschaft der Sache an, so dass sie auf diesem Weg an die Daten kommen.

Amtsgericht München, UIrteil vom 3.2.11, Aktenzeichen 161 C 24062/10