Im Licht der Taschenlampen

Übereifrig ist ein zurückhaltender Ausdruck für das, was sich Polizeibeamte meinem Mandanten gegenüber geleistet haben. Obwohl die Polizisten einen einen ganz anderen Einsatz in der Nachbarschaft hatten, fielen sie nachts in den Garten meines Auftraggebers ein, der auf einem völlig anderen Grundstück liegt.

Das geschah nur deswegen, weil die Polizisten im Schein ihrer Taschenlampen ein Gewächshaus sahen, durch dessen milchige Scheiben – Überraschung – “Pflanzen” zu erkennen waren. Messerscharf folgte hier der Rückschluss, dass man ja – nun vielleicht aus Langeweile – auf gut Glück mal nachsehen könnte, ob in dem Gewächshaus nicht Marihuana blüht.

Ich habe die Vorgeschichte für den Staatsanwalt in einer Verteidigungsschrift aufgedröselt:

Die durch die „Durchsuchung“ des Gartens meines Mandanten erlangten Erkenntnisse unterliegen einem Beweisverwertungsverbot.

Die Polizei hat bereits rechtswidrig die Wohnung des Herrn F., den mein Mandant gar nicht kennt, in einem Haus in der Nachbarschaft durchsucht.

Das Verhalten der Beamten ist schon deshalb rechtswidrig, weil sie sich noch nicht einmal darum bemüht hatten, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, obwohl Gefahr im Verzuge nicht vorlag.

Dass den Beamten die Rechtswidrigkeit ihres eigenen Verhaltens klar war, ergibt sich aus folgender Formulierung in der Anzeige (Bl. 6):

“Zudem würde die Einholung einer richterlichen Anordnung zur Wohnungsdurchsuchung über die Staatsanwaltschaft aufgrund des grundsätzlich schriftlich zu begründenden Antrags darüber hinaus zu einer unverhältnismäßigen Dauer einer Freiheitsentziehung des Beschuldigten führen. Aus diesem Grunde wurde auch auf die Hinzuziehung von noch aufzufindenden und bereitwilligen Zeugen verzichtet.”

Die Beamten haben hier sämtliche von der Strafprozessordnung verpflichtend aufgestellten Regeln aus Gründen der Bequemlichkeit zurückgestellt. Die Hilfserwägung, dass dies ja letztendlich auch im Interesse des Beschuldigten passiert, damit dieser nicht länger auf der Polizeiwache sitzen müsse, vermag derartige Verstöße gegen zwingende Normen nicht zu rechtfertigen.

Wenn man der Polizei erlauben würde so zu arbeiten, wären die Vorschriften der Strafprozessordnung zur Hausdurchsuchung und damit das Grundrecht aus Art. 13 GG obsolet.

Die anschließende Durchsuchung des Kellers war ebenfalls rechtswidrig. Auch hierfür gelten die vorstehenden Gründe.

Sodann drangen die Beamten ohne nachvollziehbaren Grund in den Garten ein, der zum rückwärtigen Teil des Grundstücks N.straße 89 gehört. Dieser Garten wurde durchsucht, obwohl die Beamten keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür hatten, dass der Garten von dem Beschuldigten F. genutzt wird.

Nachdem sie den Garten durchsucht haben, „testeten“ die Beamten an verschiedenen Garagentoren, ob sich diese mit einem noch nicht näher zugeordneten, rechtswidrig in der Wohnung des Herrn F. sichergestellten Schlüssel öffnen ließen. Hierbei handelte es sich bereits um Garagen, die ersichtlich zum Nachbargrundstück gehörten.

Während dieser Aktion schauten die Beamten dann über einen Zaun, der an diese Garagen grenzte. Es handelt sich um den Zaun des Grundstücks N.straße 85/87. Allerdings gehört dieser im rückwärtigen Teil des Hauses 85/87 liegende Garten ersichtlich auch gar nicht zu dem Grundstück 85/87, sondern zum Grundstück Hausnummer 85. Im Grundstück N.straße 85 wohnt mein Mandant.

Schon die Grundstücke N.straße 89 und N.straße 85/87 sind nicht nur durch die Garagen und Zäune, sondern auch durch eindeutig abgegrenzte Auffahrten voneinander abgetrennt.

Jedem unbefangenen Betrachter ergibt sich vor Ort sofort, dass es sich um völlig unterschiedliche Grundstücke handelt. Es ist also schon nicht ersichtlich, wieso sich die Beamten dem Grundstück N.straße 85/87 zuwandten. Ohnehin wäre desweiteren zu erkennen gewesen, dass der hinter dem Grundstück N.straße 85/87 gelegene Garten gar nicht zu diesem Haus gehört, sondern wiederum zum weiter rechts gelegenen Haus N.straße 85.

Insoweit war die polizeiliche Aktion in Bezug auf das Gartengrundstück N.straße 85 ohne jeden Anlass.

Insbesondere waren die Beamten nicht berechtigt, bloß aufgrund des Umstandes, dass sie im Licht der Taschenlampen ein Gewächshaus sahen, in dem wenig überraschend auch „Pflanzen“ wuchsen, wiederum das Gartengrundstück N.straße 85 zu betreten und das Gewächshaus auf gut Glück zu durchsuchen.

Spätestens für das Betreten des Grundstückes N.straße 85 und die Durchsuchung des Gewächshauses hätten die Beamten eine richterliche Anordnung einholen müssen. Der Garten gehört zum befriedeten Besitztum und unterfällt deshalb dem Art. 13 GG sowie den §§ 102, 103 StPO (Meyer-Goßner, StPO, § 102 Rdnr. 7).

Gefahr im Verzuge ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, sie ist überdies in der Ermittlungsakte auch nicht dokumentiert. Auch für die Beamten war klar, dass das Gewächshaus keinesfalls mit dem ursprünglichen Beschuldigten aus dem Haus N.straße 89 zu tun haben konnte, da es sich um ein völlig anderes Grundstück handelte.

Ohne richterliche Anordnung war es den Beamten also verwehrt, das Grundstück N.straße 85 zu betreten und insbesondere das Gewächshaus zu durchsuchen.

Angesichts des Ablaufs der Polizeiaktion gibt es keinen Zweifel, dass es sich hier nicht nur um gravierende Verfahrensverstöße durch die Polizei handelt. Vielmehr liegt Willkür im Sinne der Rechtsprechung vor, welche ein Beweisverwertungsverbot rechtfertigt.

Eine derartige Massierung von Gesetzesverstößen bei einer Polizeiaktion kann nicht mehr mit Arglosigkeit oder Gesetzesunkenntnis begründet werden. Dies gilt umso mehr, als die Beamten ja sogar vorsätzliche Verfahrensverstöße in der Akte zu rechtfertigen versuchen.

Im Ergebnis können also die gewonnenen Beweise nicht verwertet werden.

Ich beantrage deshalb, das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten nach § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts einzustellen.

Das hat die Staatsanwaltschaft dann auch gemacht.