Von oben wird gemeckert

Für meinen Mandanten ging es darum, ob er nach zwei Dritteln seiner Haftstrafe entlassen wird. Oder ob er weitere viereinhalb Jahre im Knast sitzt. Das Landgericht war so freundlich, mich als Pflichtverteidiger beizuordnen, weil man auch dort die Sache offensichtlich nicht als Bagatelle angesehen hat. Die Staatsanwaltschaft hat meiner Beiordnung zugestimmt. 

Daran mäkelt jetzt das Oberlandesgericht Hamm herum:

… merkt der Senat an, dass es angesichts des für ein Vollstreckungsverfahren einfachen Sachverhalts nicht nachvollziehbar ist, weshalb dem Verurteilten vorliegend ein Verteidiger beigeordnet worden ist. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen hätte hierzu keine Veranlassung bestanden.

Ja, klar. Wir reden hier über einen Mann, den die langjährige Haft selbst nach Meinung der Gefängnisleitung in eine dauerhafte Depression getrieben hat. Sein Allgemeinzustand ist so schlecht, dass er nicht in der Lage ist, den Anstaltsalltag strukturiert zu bewältigen. Er ist dämmert tatsächlich mehr so dahin und lässt sich treiben.

Schon diese Umstände deuten darauf hin, dass der Betroffene wohl kaum in der Lage sein wird, seine Interessen in so einem ja nicht ganz unwichtigen Verfahren zu vertreten.

Aber was soll’s, ich bin sicher, dass die umsichtigen Richter am Landgericht und die Staatsanwälte sich von solchen Seitenhieben nicht beeindrucken lassen. Aufheben kann das Oberlandesgericht die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nämlich auch nicht, jedenfalls nicht rückwirkend.

Sollen sie also ruhig meckern, die Herren im zuständigen Strafsenat.

Kino.to: Drohen tausende Durchsuchungen?

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden plant möglicherweise, gegen zahlende Nutzer des hochgenommenen Portals kino.to vorzugehehen. Die Fahnder sollen Zahlungsdaten sogenannter Premiumnutzer des Streamingdienstes auf den beschlagnahmten Rechnern gefunden haben. Das Nachrichtenmagazin Focus will erfahren haben, dass diesen zahlenden Kunden, die PayPal genutzt haben, nun Strafverfahren drohen. In diesem Rahmen kann es gegebenfalls auch zu Hausdurchsuchungen kommen – wenn die Strafverfolger sich auf glattes Parkett begeben.

Es ist nämlich noch keineswegs ausgemacht, dass sich auch die Nutzer von kino.to strafbar gemacht haben. Es ist nach wie vor höchst umstritten, ob es sich beim Anschauen eines Streams, etwa eines aktuellen Kinofilms, im Internet überhaupt um eine Urheberrechtsverletzung handeln kann. Das Urheberrechtsgesetz verlangt nämlich eine Vervielfältigung des ursprünglichen Films.

Die eine Meinung weist darauf hin, dass es bei einem Stream gar nicht zu einer Vervielfältigung kommt. Es wird nämlich keine dauerhafte Kopie auf einem Datenträger des Nutzers erstellt. Stimmt nicht, sagt die Gegenmeinung, die Daten werden zumindest im Cache zwischengespeichert und womöglich sogar Pufferdateien auf der Festplatte abgelegt. Schon das sei eine Vervielfältigung, wie es sie das Gesetz verlangt.

Bislang können sich die Rechtejäger von der GVU und auch die Staatsanwaltschaft für ihre Ansicht nur auf die Entscheidung des Amtsgerichts Leipzig stützen, das die Macher von kinto.to zu Haftstrafen verurteilte. In diesem Urteil steht wohl auch, Streaming verstoße gegen das Urheberrecht. Man darf aber nicht vergessen, dass sich das Gericht mit der Anbieterseite beschäftigte und nicht mit den Nutzern. Auf der Anbieterseite stellt sich die Sache aber als relativ unproblematisch dar.

Überdies haben die Verurteilten, so weit bekannt, sich nicht gegen das Urteil gewehrt. Die Auffassung des Amtsgerichts Dresden wird also nicht in den nächsten Instanzen überprüft, so dass es bislang an der Entscheidung eines höheren Gerichts fehlt.

Das kann für Premiumnutzer aber natürlich nicht dazu führen, dass sie nun darauf hoffen dürfen, die Generalstaatsanwaltschaft Dresden werde die Chance vorüber ziehen lassen, sich mit einem weiteren, wenn auch aus meiner Sicht zweifelhaften, Schlag in Szene zu setzen. Sofern Nutzer identifiziert sind, gibt es im Kern zwei Möglichkeiten:

– Die Verfolger achten auf die unsichere Rechtslage und vor allem auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Sie lassen Betroffene deshalb von der Kriminalpolizei zur Vernehmung vorladen, so wie das bei kleineren Delikten üblich ist.

– Man geht in die Vollen und besorgt sich Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen der Beschuldigten.

Für den ersteren Fall lautet die Empfehlung jedes Strafverteidigers: Auf keinen Fall den Vernehmungstermin selbst wahrnehmen. Man ist nicht zum Erscheinen verpflichtet. Außerdem muss man als Beschuldigter nicht mit der Polizei sprechen. (Als Zeuge auch nicht, aber das ist ein anderes Thema.)

Eine schnelle Aussage birgt immer die Gefahr, dass sich der Beschuldigte selbst überführt. Die weitaus meisten Delikte, gerade im Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität, blieben erfahrungsgemäß unaufgeklärt, wenn Beschuldigte von ihren Rechten Gebrauch machen und sich nicht selbst um Kopf und Kragen reden würden.

Am besten ist es, bei einer Vorladung einen Anwalt zu beauftragen. Dieser kann den Termin absagen und zunächst Akteneinsicht nehmen. Das mit der Akteneinsicht geht auch ohne Anwalt, ist aber nicht immer so einfach. Wenn die Akte der Staatsanwaltschaft da ist, besteht zumindest kein informationelles Ungleichgewicht mehr. Auf dieser Basis lässt sich dann viel besser überlegen, ob und was man sagt. Das gilt insbesondere für die Frage des Vorsatzes. Immerhin streiten sich ja sogar die Juristen, ob das Anschauen eines Streams strafbar sein kann. Es liegt also nicht ganz fern, dass Nutzer durchaus “guten Glaubens” gewesen sein können.

Gerade in einem Fall wie kino.to liegt es auch aus einem weiteren Grund auf der Hand, dass Ermittler auf schnelle Geständnisse aus sein werden. Auch wenn die Zahlung an den Streamingdienst vielleicht einen Anfangsverdacht rechtfertigt, belegt sie noch keine Urheberrechtsverletzung. An kino.to Geld zu überweisen ist jedenfalls nicht strafbar. Es wäre Aufgabe der Polizei, dem Nutzer nachzuweisen, ob er tatsächlich urheberrechtlich geschützte Filme geguckt hat. Wenn er sich dazu nicht äußert, was sein gutes Recht ist, könnte dies schwierig werden.

Wobei wir genau bei dem Punkt sind, der Hausdurchsuchungen wahrscheinlich macht. Natürlich sind die absehbaren Beweisprobleme auch Polizisten und Staatsanwälten bekannt. Sofern sie die Sache wirklich durchziehen wollen, besteht also ein Interesse daran, auf die Hardware der Beschuldigten zuzugreifen. Möglicherweise finden sich ja im noch Datenspuren, die Aufschluss darüber geben, ob und was für Filme geguckt wurden.

Möglicherweise. Das Problem bei solchen Hausdurchsuchungen mit Ansage ist natürlich, dass Betroffene sich darauf einstellen können. Faktisch haben die Behörden derzeit keine Möglichkeit zu verhindern, dass informierte Premiumnutzer geeignete Maßnahmen ergreifen und dann der Dinge harren, die da kommen mögen. Das ist auch nicht strafbar, denn es gibt keine Strafvereitelung in eigener Sache.

Auch im Fall einer Hausdurchsuchung raten Verteidiger dazu, zunächst eisern zu schweigen. Man muss die Ermittler zwar machen und einpacken lassen, aber selbst ist man zu gar nichts verpflichtet. Vielmehr gelten dann genau die gleichen Regeln, wie wenn eine Vorladung durch die Polizei ins Haus flattert.

Sollte es tatsächlich zu hunderten, wenn nicht sogar tausenden Durchsuchungen kommen, wage ich eine Prognose: Die Sache wird für die Ermittler zum Desaster. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sich das Anschauen von Streams in letzter Instanz als nicht strafbar erweist.

Den Scherbenhaufen müsste man dann erst mal zusammenkehren.

Katholische Kirche darf “Kinderficker-Sekte” genannt werden

Die katholische Kirche darf als “Kinderficker-Sekte” bezeichnet werden – zumindest in der aktuell laufenden Debatte über die Missbrauchsfälle in dieser Religionsgemeinschaft. Ein Debatteneintrag mit so einer Aussage sei nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, befand nun eine Berliner Amtsrichterin. Sie lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Blogger Jörg Kantel ab, den die Staatsanwaltschaft wegen Gotteslästerung angeklagt hatte.

Kantel hatte die katholische Kirche in seinem Blog Schockwellenreiter als “Kinderficker-Sekte” bezeichnet. Eine Beschimpfung vermochte die Richterin sicherlich noch zu erkennen. Aber eben nicht, dass die Äußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören – dies jedoch verlangt das Gesetz ausdrücklich.

Kantel zitiert aus dem Ablehnungsbeschluss des Amtsgerichts, es gäbe in der Tat heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche. In diesem Zusammenhang sei auch durchaus Vertrauen erschüttert worden, insbesondere in die Institution »katholische Kirche«. Hieran sei die katholische Kirche aber eben nicht unschuldig, denn die öffentliche Diskussion sei bedingt durch die in den letzten beiden Jahren bekannt gewordenen zahlreichen Fälle von Missbrauchshandlungen von katholischen Geistlichen und anderen Mitarbeitern der katholischen Kirche.

Laut Kantel schildert die Richterin einige der schlimmsten Missbrauchsfälle, welche in letzter Zeit bekannt geworden sind. Vor diesem Hintergrund sei auch eine starke Äußerung wie dies Bloggers nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Die Meinungsfreiheit reicht in diesem Bereich also so weit, dass die katholische Kirche als “Kinderficker-Sekte” bezeichnet werden darf.

Die Staatsanwaltschaft kann gegen die Entscheidung Beschwerde einlegen.

Mehr, auch zur Vorgeschichte, beim Schockwellenreiter

Richter kämpft mit Facebook

Ein Reutlinger Jugendrichter möchte den Facebook-Account eines Angeklagten beschlagnahmen, stößt aber auf Hindernisse. Facebook beruft sich nämlich darauf, dass es in Deutschland keine Mitarbeiter gibt, die auf Nutzerdaten zugreifen können. Jetzt will der Richter die Mitarbeiter der irischen Zentrale als Zeugen laden.

Wie der Reutlinger General-Anzeiger berichtet, geht es im Prozess darum, ob ein 20-Jähriger an einem Einbruch beteiligt war. Der Angeklagte bestreitet das. Der Richter erhofft sich von dem Zugriff auf Facebook nähere Aufschlüsse darüber, ob der Angeklagte die anderen Täter kennt und vielleicht sogar mit ihnen über Facebook kommuniziert hat.

Juristisch ist der Zugriff auf einen Facebook-Account nichts anderes als eine “Durchsuchung” beim E-Mail-Provider. Mails und Kontaktdaten, die sich auf dem Server des Providers befinden, können auf richterliche Anordnung beschlagnahmt werden. Ein deutscher Provider muss die Daten dann herausgeben – wenn die Polizei nicht ohnehin an die Zugangsdaten gekommen ist.

Interessant ist allerdings, dass Facebook jedenfalls nicht eilfertig ist, solche Beschlüsse abzuarbeiten. Die deutsche Dependance erklärt sich für unzuständig und verweist auf die Europazentrale in Irland. Außerdem, so zitiert die Zeitung den Richter, habe Facebook darauf verwiesen, dass die Daten auf Rechnern in den USA liegen. Möglicherweise können also selbst die irischen Mitarbeiter nichts für die deutschen Behörden tun.

Wenn das Rechtshilfeersuchen tatsächlich in die USA geht, wird der Jugendrichter einen langen Atem brauchen. Die amerikanischen Behörden erwarten zwar von ihren deutschen Freunden zackig alle gewünschten Auskünfte. Dies werden unter Vernachlässigung formaler Fragen auch meist beflissen und schnellstmöglich erteilt – so zumindest meine Erfahrung in mehreren Fällen mit USA-Bezug.

Andersrum läuft das alles viel zäher, jedenfalls wenn es um kleine Fische geht. Der Reutlinger Richter wäre nicht der erste , der aus den USA von den dortigen Behörden monate- oder sogar jahrelang schlicht keine Antwort kriegt – und am Ende auch noch abschlägig beschieden wird. Facebook wäre dann noch gar nicht involviert.

Es wird sich also erst noch zeigen, ob Facebook-Accounts eine “unerschöpfliche Quelle” sind, wie es der Richter sich erhofft. Für nicht sonderlich schlau halte ich übrigens die Idee, den Angeklagten auch noch über die Aktion zu informieren. Der hat ja jetzt ausreichend Zeit, seinen Account so weit plattzumachen, wie es bei Facebook nur irgendwie möglich ist.

Internet-Law zum gleichen Thema

Der Heymanns Strafrecht Online Blog hat den Beschluss vorliegen

FRA wird von Google nicht unterstützt

Auf Google Maps gibt es die Möglichkeit, interessante Orte zu bewerten. Man könnte annehmen, dass der Flughafen Frankfurt am Main ein solcher Ort ist. War er auch – bis vor drei Tagen. Bis dahin konnte man Kommentare zum Airport hinterlassen. Nun erklärt Google:

Der Standort Frankfurt Flughafen wird derzeit nicht unterstützt.

Kurz vor der Abschaltung hatten Anwohner im Rhein-Main-Gebiet, die ja gegen die Belastungen durch eine neue Landebahn protestieren, dazu aufgerufen, die Situation auch auf Google Maps zu kommentieren. Nun sollen ihre Äußerungen dem Publikum offenbar vorenthalten werden – auf wessen Veranlassung auch immer.

Allerdings scheint Google nur sein deutsches Publikum vor den Beiträgen der Flughafengegner schützen zu wollen. Der Link über Google.com zur Bewertungsseite des Flughafens Frankfurt funktioniert nämlich weiter tadellos. Dort sind die kritischen Kommentare auch zu lesen.

Wieso ein Gesetz für die Justiz nicht gilt

An dem Verbot gibt es nichts zu deuteln. Dennoch verstoßen noch immer Gastwirte dagegen, Taxifahrer oder Kioskbesitzer. Auch Kulturinstitute sind unter den Sündern, sogar die Justiz macht fleißig mit. Denn es war ja schon von jeher so: Wer seine Zeche nicht zahlen kann, macht einen Deckel und lässt seinen Personalausweis an der Theke.

Diese Art von Pfand ist eben landauf, landab beliebt. Wer den Ausweis abgibt, muss ihn wiederhaben und wird deshalb zahlen oder Geliehenes zurückgeben. Sicherheit hin, Sicherheit her: Wer hier mitmacht, verstößt gegen das Recht, nämlich § 1 Bundespersonalausweisgesetz: „Vom Ausweisinhaber darf nicht verlangt werden, den Personalausweis zu hinterlegen oder in sonstiger Weise den Gewahrsam aufzugeben.”

Die Praxis sieht anders aus. Besucher von Gefängnissen etwa kennen sie. Wer jemanden hinter Gittern sprechen will, wird nach seinem Personalausweis gefragt, der gefälligst beim Pförtner zu hinterlegen ist. Diese Gewohnheit rechtfertigt das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen mit gleich zwei „Sicherheitsargumenten“.

Erstens, so erklärt Behördensprecher Peter Marchlewski den illegalen Alltagsbrauch, soll die Identität des Besuchers beim Verlassen des Gebäudes noch einmal kontrolliert werden. Zweitens soll kein Gefangener auch nur auf die Idee kommen, „an ein fremdes Ausweisdokument gelangen zu können“.

Den Verstoß gegen das schon immerhin gut zwei Jahre alte Personalausweisgesetz rechtfertigt der Sprecher des Justizministeriums auf Art und Weise dieses Hauses. Er verweist auf ein anderes Gesetz, das für den Strafvollzug. Und nach dessen Vorschriften, nicht wahr, können Besucher von Gefängnissen durchsucht werden.

Da sei doch, gibt Marchlewski zu bedenken, die Hinterlegung des Ausweises „das mildere Mittel“. Dass dennoch durchsucht werden darf und durchsucht wird, erwähnt er nicht.

Soviel Entblößung müssen die Gäste der beiden Kunstsammlungen in Düsseldorf nicht über sich ergehen lassen. Wenn sie aber mit Audio-Guide die Ausstellungen durchstreifen wollen, wird ihnen dafür regelmäßig der Ausweis abverlangt. Täglich geben bis zu 200 Menschen ihre Dokumente an fremdes Personal weg. Das pappt eine Nummer darauf und rückt erst damit wieder raus, wenn das Gerät zurück gegeben wurde.

„Wir wussten wirklich nicht“, sagt Museumsmanager Gerd Korinthenberg, „dass das verboten ist“. Die Kunstsammlung will demnächst entscheiden, wie sie ihre gesetzeswidrige Tauschpraxis ändert – und ob sie dann Glasperlen, Bargeld oder andere Sicherheiten verlangt (pbd)

Apple verliert im Tablet-Streit

Niederlage für Apple: Samsung darf das neu gestaltete Galaxy Tab 10.1 N in Europa weiter verkaufen. Das Landgericht Düsseldorf lehnte es heute ab, auf Apples Antrag eine einstweilige Verfügung gegen Samsung zu erlassen.

Das Gericht meint, das in der Gestaltung gegenüber dem Vorgängermodell geänderte Galaxy Tab 10.1 N unterscheide sich nun ausreichend von Apples eingetragenem europäischen Designrecht, das die Gestaltung eines Tablet-PCs zeigt. Mithin liege keine Schutzrechtsverletzung vor.

Aufgrund der Änderungen im Design verstoße Samsung auch nicht gegen das Wettbewerbsrecht. Bei Apples iPad-Geräten und Samsungs „Galaxy Tab 10.1 N“ handele es sich um gleichwertige Konkurrenzprodukte.

Nachdem das Gericht noch im November den Verkauf der ersten Version des Samsung „Galaxy Tab 10.1“ aufgrund der Verletzung von  Apples eingetragenem Geschmacksmuster vorläufig untersagt hatte, nahm Samsung verschiedene Änderungen am Design des Gerätes vor. So wurde der Rahmen an den Querseiten des Samsung „Galaxy 10.1 N“ verbreitert, die Lautsprecher nach vorne gezogen und der „Samsung“ Schriftzug auf der Vorderseite deutlicher hervorgehoben.

Das Landgericht Düsseldorf verneint nach den Änderungen auch die Gefahr, dass es zu “Prestigeübertragungen” kommt. Die Käufer seien durchaus in der Lage, die Produkte zweier bekannter Unternehmen zu unterscheiden, zumal die Marke ja nun auch ganz deutlich auf Samsungs Tab zu lesen sei. Das Galaxy Tab 10.1 sei zwar in seiner Gestaltung an die iPads angelehnt; es weise aber dennoch genug eigenständige Merkmale auf.

Die Entscheidung erging im Eilverfahren. Gegen die Entscheidung kann Apple nun Berufung zum Oberlandesgericht einlegen. Außerdem ist noch eine Hauptsacheklage von Apple anhängig. Über diese wird das Landgericht Düsseldorf aber erst am 25. September 2012 verhandeln.

LG Düsseldorf, Urteil vom 09. Februar 2012, Aktenzeichen 14c O 292/11

Die (fast) perfekte Tarnung

Besonders eifriger Mitwirkung des möglichen Täters selbst ist es zu verdanken, dass die Frankfurter Polizei einen versuchten Betrug aufklären konnte.

Der Mann hatte an der Börsenstraße in Frankfurt einen Geldautomaten manipuliert, um an die Kartendaten anderer Kunden zu kommen. Allerdings wurde er dabei von einem Zeugen beobachtet, der die Polizei rief. Diese stellte den 38-Jährigen kurz darauf in der Nähe der Bank.

Mit einfachem Leugnen wird der Verdächtige kaum weiterkommen. Er hat nämlich tolle Beweise gegen sich selbst geschaffen. So fand die Polizei in seinem Handy Fotos der Bank. Aber es ergab sich noch auch eine weitere Übereinstimmung, die kaum mit Zufall zu erklären ist.

Der Täter hatte seine eigene Bankkarte vor die Überwachungskamera im Automatenbereich gehalten, um nicht gefilmt zu werden. Dummerweise machte die Kamera von der Bankkarte so gute Bilder, dass die Karte zu erkennen ist. Selbst die Kontonummer war zu lesen. Ausgerechnet eine Karte mit der gleichen Kontonummer fand die Polizei in der Tasche des Verdächtigen…

Gut gewulfft

Neuerdings nennt man es wulffen, was die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main auf ihrer Internetseite macht. Die Ausführungen zur “Einsicht in Ermittlungsakten” auf der Hinweisseite sind zwar juristisch korrekt und somit unangreifbar. Jedoch bleibt doch einiges ungesagt, was das rechtssuchende Publikum interessieren dürfte. Absicht? Arbeit spart es auf jeden Fall…

Unter “Einsicht in Ermittlungsakten” informiert die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main folgendermaßen:

Beschuldigte oder Opfer haben selbst keinen Anspruch auf Einsicht in die Strafakten. Die Strafprozessordnung sieht vor, dass nur ein Rechtsanwalt Akteneinsicht erhält.

Jetzt stellen wir uns vor, das liest ein Beschuldigter, der sich keinen Anwalt leisten kann. Oder will. Was ist seine Erkenntnis? Ohne Anwalt kriege ich keine Informationen aus der Akte. Er wird also möglicherweise mit der Polizei reden, ohne zu wissen, was genau gegen ihn vorliegt. Oder er schreibt im Zustand der Nullinformation gleich selbst eine flammende Verteidigungsschrift an den zuständigen Staatsanwalt. Die Chancen stehen gut, dass er sich mit der einen wie der anderen Lösung selbst aufs Kreuz legt.

Hoffen wir deshalb, dass der Beschuldigte die Auskünfte der angeblich objektivsten Behörde der Welt mit Googles Hilfe gegencheckt. Dabei wird er sehr schnell auf § 147 Strafprozessordnung stoßen. In dessen Absatz 7 steht:

Dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, sind auf seinen Antrag Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen, soweit dies zu einer angemessenen Verteidigung erforderlich ist, der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.

Das steht im Kern schon seit 13 Jahren im Gesetz. Von der Grundaussage liest es sich doch etwas anders, als es die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main online vermittelt. Auch ein Beschuldigter kann also beantragen, Informationen aus der Akte zu bekommen. Und dieses Recht dürfen ihm die Ermittler nur verweigern, wenn sie gute Gründe haben.

Trotzdem kann die Staatsanwaltschaft Frankfurt, wenn auch in Wulffscher Tradition, einwenden: Unsere Aussage auf der Homepage ist korrekt. Das Recht des Beschuldigten besteht nur darin, Auskünfte und Abschriften aus der Akte zu erhalten. Die Aushändigung von Kopien und das Recht, die Originalakte einzusehen, sind doch verschiedene Dinge.

Indem man sagt, der Beschuldigte habe kein Recht auf Akteneinsicht, schließt man in der Tat nicht aus, dass der Betroffene vielleicht Auskünfte oder Kopien erhalten kann. Man erwähnt es halt nur nicht, obwohl es ja vielleicht doch ein klitzekleines bisschen naheliegt. Diese Information wäre jedenfalls nicht nur für einen unbedeutenden Kreis interessant; die Mehrzahl der Verfahren läuft ohne Verteidiger ab.

Am fehlenden Platz auf der Seite oder der Angst, das Internet könnte überlaufen, kann es ja kaum liegen, dass man sich auf einer Seite mit “Allgemeinen Hinweisen” in so einem ersichtlich wichtigen Punkt wortkarg gibt. Möglicherweise aber daran, dass Beschuldigte ohne Anwalt durchaus auch Arbeit machen können, eben auch mit Anträgen auf Abschriften aus den Ermittlungsakten.

Dass die Beschuldigten sich dann auch noch besser verteidigen könnten, ist demgegenüber ja fast geschenkt. 

DNA am Bierglas

Vor fünf Monaten hat ein 44-Jähriger in Schriesheim einen Diebstahl begangen. Er nahm den Geldbeutel eines Mannes mit, der wie er in einem Eiscafé saß. Nun konnte die Polizei ihn ermitteln – per DNA-Analyse.

Zeugen hatten beobachtet, dass der Täter in dem Eiscafé selbst ein Bier getrunken hatte. Die Polizei sicherte am Glas DNA. Diese wurde mit der zentralen Kartei beim Bundeskriminalamt verglichen – Treffer. Der Verdächtige musste bereits früher auf richterliche Anordnung sein DNA-Profil hinterlegen. Oder er hat sich freiwillig damit einverstanden erklärt.

Der Fall widerlegt praktisch eine verbreitete Fehlannahme: Für einen DNA-Abgleich ist es keineswegs erforderlich, dass es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Vielmehr kann die Polizei auch bei Delikten, die im Bagatellbereich angesiedelt sind, DNA-Spuren sichern und auswerten. Und sie darf die Daten mit dem DNA-Zentralregister abgleichen. Auch hierfür spielt es keine Rolle, wie schwer die Straftat ist.

Wer die DNA abgegeben hat, muss also damit rechnen, dass seine Daten auch bei Bagatellstraftaten durchs Raster gezogen werden. Wenn man überlegt, wo man täglich überall DNA hinterlässt, ist das keine angenehme Perspektive. Vor allem dann nicht, wenn man gar nichts angestellt hat, aber möglicherweise an späteren Tatorten war.

Für den Schriesheimer Verdächtigen gilt das allerdings nicht. Er hat den Diebstahl eingeräumt.

Bericht auf morgenweb.de  

(Danke an Daniel G. für den Hinweis)

Richter glaubt an die Kraft der deutschen Poesie

Wenn Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden, sind Auflagen an der Tagesordnung. Dahinter steckt immer die Erwägung, dass es dem Angeklagten ja ansonsten nicht weh tut. Er wäre, sofern er in der Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird, gar besser gestellt als jemand, der eine an sich mildere Geldbuße (tatsächlich) zahlen muss.

Das Gericht kann auch noch sogenannte Weisungen erteilen, wenn der Angeklagte Hilfe braucht, um künftig keine Straftaten zu begehen. Im Jugendstrafrecht haben Richter sogar noch weitergehende Möglichkeiten. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ein Jugendrichter im bayerischen Mühldorf seinen Spielraum nicht etwas überdehnt hat. Er ließ zwei 20-Jährige nicht nur im Gerichtssaal verhaften, sondern möchte sie auch noch ein Gedicht auswendig lernen lassen.

Den beiden und einem 17-jährigen Mittäter wurde Brandstiftung zur Last gelegt. Motiv soll Eifersucht gewesen sein, die sich gegen den Vater der Angebeteten richtete. Auf dem Hof von dessen Gebrauchtwagenhandel haben die Angeklagten, so der Vorwurf, drei Autos angezündet.

Wegen der Brandstiftung steckte verurteilte das Gericht die beiden Älteren nicht nur zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren und zwei bzw. vier Monaten. Ohne Bewährung, weil diese bei Strafen von mehr als zwei Jahren nicht möglich ist. Vielmehr ließ der Richter auch im Gerichtssaal gleich die Handschellen klicken, obwohl die Betroffenen gegen die Urteile Berufung einlegen können.

Wie die Passauer Neue Presse berichtet, beließ es der Richter nicht bei dieser schon drakonischen Aktion. Er ordnete vielmehr auch noch an, dass die jungen Männer Eduard Mörikes Gedicht “Feuerreiter” auswendig lernen und es ihm am 29. Februar vortragen.

Bei dem dritten Täter, der mit seinen 17 Jahren noch eine Bewährungsstrafe erhielt, könnte ich die Weisung ja noch verstehen. Auch wenn sie schon sehr an altertümliche Erziehungsmethoden erinnert. Eine selbst verfasste Interpretation des Werks wäre ja auch eine Alternative zum sturen Auswendiglernen – wenn das Gericht schon meint, dass Poesie Jugendliche zu besseren Menschen macht.

Aber die beiden Jungs, die jetzt in den Knast gewandert sind? Sie könnten sich vielleicht zu Recht etwas verhöhnt vorkommen. Wobei ihnen letztlich aber auch rechtliche Schritte bleiben, um sich den Feuerreiter zunächst nicht antun zu müssen. Wenn sie Berufung einlegen, wird die Weisung nicht rechtskräftig. Dann war es das vorerst mit dem 29. Februar als Lyrikvormittag auf dem Amtsgericht.

Das letzte Wort zur Weisung hätte dann das Landgericht. Es wäre schon überraschend, wenn Mörike auch dort so große Verehrung fände.

(Danke an Waltraud Becker für den Link)