Bequemlichkeit im Dienst

Mit der Feststellung von Verfahrensfehlern haben deutsche Gerichte meist kein Problem. Hausdurchsuchungen werden für rechtswidrig erklärt, ebenso ohne Zustimmung eines Richters abgenommene Blutproben. Oder willkürliche Personenkontrollen. Dummerweise haben exakt die Gerichte, die Ermittlern einen Verfahrensfehler attestieren, in der Regel keinerlei Probleme damit, die im Rahmen der Maßnahmen gewonnenen Beweise zu verwerten. Was natürlich dazu führt, dass die Kritik vielleicht gehört, aber nicht ernstgenommen wird.

Es passiert ja doch nichts, lautet das so ständig an Polizisten und Staatsanwälte gesandte Signal. Ein solches sendet nun auch mal wieder der Bundesgerichtshof aus. Es geht um die Frage, wie eine Lichtbildvorlage abzulaufen hat. Bei so einer Vorlage werden dem Zeugen Fotos von Personen gezeigt. Er soll sagen, ob er den Beschuldigten wieder erkennt.

Dabei ist in einem Fall mal wieder was schiefgelaufen. Die Gerichte haben nun schon etliche Male festgestellt, dass dem Zeugen mindestens acht Fotos von verschiedenen Personen vorgelegt werden sollen, die sich nach Möglichkeit natürlich ähnlich sehen sollen. Daran hielt sich ein Polizeibeamter nicht. Nachdem der Zeuge auf Bild fünf den Beschuldigten “erkannt” hatte, sparte sich der Polizist die Bilder sechs bis acht. Er schaltete den Computer ab.

Ein klarer Fall von Bequemlichkeit im Dienst. Die Frage war für den Bundesgerichtshof nun, was man daraus macht. Die Verteidiger des Angeklagten sagten, so eine Lichtbildervorlage sei nichts wert, deshalb dürfe eine Verurteilung nicht darauf gestützt werden, dass der Zeuge den Angeklagten erkannt hatte. Doch der Bundesgerichtshof sieht das anders. Der Regelverstoß führe lediglich dazu, dass der Beweiswert der Lichtbildvorlage eingeschränkt sei. Unverwertbar sei sie jedoch nicht.

Dann attestieren die Karlsruher Richter, die Jugendstrafkammer, bei der zuerst verhandelt wurde, habe ja genau diesen verminderten Beweiswert erkannt. Sie habe nämlich gesagt, die Lichtbildvorlage sie zumindest “nicht wertlos” gewesen. Zusammen mit anderen Umständen habe das Urteil deshalb auch damit begründet werden dürfen, der Zeuge habe das Foto des Angeklagten erkannt.

Tja, mal wieder ein Regelverstoß, der im Ergebnis ohne fühlbare Folgen bleibt. Und damit ein Signal an Polizisten und Staatsanwälte, dass man im Zweifel schon damit durchkommt, auch wenn man die Spielregeln nicht ganz so ernst nimmt. Dabei handelt es sich ja noch um simple Vorgaben, die nun schon seit vielen Jahren bekannt sind. Wie schwer kann es sein, sich einfach mal daran zu halten? An die komplizierteren Regeln der Strafprozessordnung könnte man sich ja dann immer noch langsam herantasten.

Die Antwort ist so lange müßig, wie Gerichte Beweismittel trotz Rechtsverstößen ungerührt verwerten und die Verantwortlichen überdies keinerlei Sanktionen fürchten müssen. Mit Taten statt warmer Worte könnten die Gerichte deutlich mehr dazu beitragen, die rechtsstaatliche Qualität von Ermittlungen zu verbessern. Es ist nur die Frage, ob sie das wollen. Wenn ich solche Beschlüsse lese, habe ich wirklich Zweifel.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. November 2011, Aktenzeichen 1 StR 524/11

Gutachten: Vorratsdaten helfen nicht bei Aufklärung

Nach einem aktuellen Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht (MPI) in Freiburg  hat die Vorratsdatenspeicherung keinen messbaren Einfluss auf Aufklärungsquoten. Professor Hans-Jörg Albrecht, Direktor des Instituts und gesamtverantwortlich für das Gutachten, war am Mittwochvormittag zu Gast im Rechtsausschuss des Bundestags, um die Ergebnisse zu präsentieren. Auftraggeber des Gutachtens ist das Bundesministeriums der Justiz.

Ebenfalls für diesen Mittwoch wird Medienberichten zufolge die Bekanntgabe eines Ultimatums der EU-Kommission für Deutschland erwartet. Sie erwarte die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung binnen der kommenden vier Wochen, heißt es. Danach könne Deutschland ein Zwangsgeld drohen.

Vorangegangen war jedoch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im März 2010, das die Umsetzung einer europäischen Richtlinie für verfassungswidrig und nichtig erklärt hatte. In der Regierungskoalition herrscht bislang Uneinigkeit über das Für und Wider der EU-Richtlinie. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt Angaben ihres Ministeriums zufolge die verdachtsunabhängige Speicherung der Verkehrsdaten aller Bundesbürger für sechs Monate ab.

Das MPI-Gutachten ist der Frage nachgegangen, ob Schutzlücken durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung entstehen könnten. Ob diese immer wieder aufgestellte Behauptung tatsächlich zutrifft, haben Kriminologen in einer 270 Seiten umfassenden Studie auf Veranlassung des Bundesjustizministeriums eingehend untersucht.

Als Ergebnis ihrer Untersuchung etwa der deliktsspezifischen Aufklärungsquoten für den Zeitraum 1987 bis 2010 fassen die Autoren zusammen, dass der Wegfall der Vorratsdatenspeicherung nicht als Ursache für Bewegungen in der Aufklärungsquote herangezogen werden kann. Dieser Befund gilt insbesondere für die Bereiche der Computerkriminalität sowie der so genannten Internetkriminalität.

Das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, das als Kompromiss im Gespräch ist, wird laut Gutachten nicht als „taugliches Äquivalent zur Vorratsdatenspeicherung gesehen.“ In diesem Verfahren kann die Sicherung von Verkehrsdaten derjenigen Personen angeordnet werden, die einen hinreichenden Anlass dazu gegeben haben.

Wiedereinsetzung in den vorigen Strand

Auch wenn man im Frühjahr vielleicht ohnehin mehr zu lachen hat – eine extra Prise Humor kann zu keinem Zeitpunkt schaden. Zehn Leser des law blog dürfen in Kürze garantiert schmunzeln. Sie müssen nur das neue Buch des Richters und Cartoonisten Tim Oliver Feicke gewinnen, von dem ich zehn Exemplare verlosen darf.

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“Habt Ihr nichts Besseres zu tun?”, heißt das Werk. Wie schon der Vorgänger “Komme nicht zum Termin, bin in Südsee”  versammelt es Stilblüten und Anekdoten aus der Justiz.

Kostproben:

Anzeigenerpressung? Dieses nette Angebot eines Polizisten findet sich in einer protokollierten Strafanzeige: “Herr G. erstattete erst Strafanzeige, nachdem ihm offeriert wurde, dass gegen ihn eine Anzeige gefertigt würde…”

Diese Rechtsanwältin ist wohl selbst nicht so vom Erfolg ihres Antrags überzeugt: “Ich beantrage, dienstliche Erklärungen des Gerichts sowie der Staatsanwaltschaft einzuholen … , bevor über meinen Antrag abschlägig entschieden wird.

Aus dem Bescheid eines Sozialleistungsträgers: “Kinderbereuungskosten können nicht mehr berücksichtigt werden.”

Schreiben einer vermutlich urlaubsreifen Anwältin: “Ich beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Strand.”

Angereichert ist das Ganze mit zahlreichen Cartoons des Autors.

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Wie immer ist es einfach, eines der Bücher zu gewinnen. Es reicht ein Kommentar zu diesem Beitrag. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse hinterlassen, da die Gewinner ausschließlich über diese E-Mail-Adresse kontaktiert werden. Alle Kommentare, die bis einschließlich 28. März abgegeben werden, kommen in die Verlosung.

“Habt Ihr nichts Besseres zu tun?” gibt es für 7,80 € auch zu kaufen, auch als Kindle-Edition

Seite des Autors

Geburtstagsfeier im Kanzleramt ist keine Privatsache

Gut fünf Jahre ist es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel eine illustre Gästeschar im Bundeskanzleramt versammelte. Bei einem Abendessen wollte sie den 60. Geburtstag von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann feiern. Nun werden wir bald erfahren, wer der Einladung gefolgt ist und was der Abend gekostet hat. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verurteilte das Bundeskanzleramt nun in letzter Instanz zur Transparenz in Sachen Abendveranstaltungen.

Gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz hatten die Kläger wissen wollen, wer sich von der Bundeskanzlerin bewirten ließ, wie die Sitzordnung war, was in den Redemanuskripten steht und wie teuer der Abend zu Buche schlug. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte mit all diesen Punkten kein Problem, ebenso wie die erste Instanz. Es liegen nach Auffassung der Richter keine gesetzlichen Gründe vor, um der Öffentlichkeit Details zu dem Abend vorzuenthalten.

Insbesondere weisen die Richter darauf hin, dass eine Einladung bei der Bundeskanzlerin kein Privatsache ist. Vielmehr hätten sich die Gäste in einen Rahmen des öffentlichen Meinungsaustausches begeben, der nicht der geschützten Privatsphäre zuzurechnen sei. Das Informationsinteresse der Kläger über die Party überwiege jedes Geheimhaltungsinteresse. Das gelte auch für die Kosten der Veranstaltung. Deshalb muss die Küche des Kanzleramtes nun die Rechnungen vorlegen; nur Bankverbindung und Steuernummer dürfen geschwärzt werden.

In einem Punkt hatte die Klage keinen Erfolg. Die Bundeskanzlerin muss ihren Terminkalender nicht rückwirkend öffentlich machen. Das hatten die Kläger für einen Zeitraum von zwei Monaten verlangt. Das Gericht meint, derartige Informationen könnten die Sicherheit der Kanzlerin gefährden.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2012, Aktenzeichen OVG 12 B 27.11

Warum ich keine Bahncard habe

Bei der Onlinebuchung fragt bahn.de immer brav, ob man nicht unglaublich viel Geld sparen möchte. Mit der Bahncard. Grundsätzlich eine gute Idee. Ich habe nur noch keine Möglichkeit gefunden, die Bahncard beruflich einzusetzen, ohne selbst drauf zu zahlen.

Die Krux liegt darin, dass es bislang keine brauchbare Methode gibt, die Kosten der Bahncard auf diejenigen umzulegen, welche die Reisekosten erstatten. Bei einem Anwalt sind das in erster Linie die Mandanten. Aber auch Gerichte, zum Beispiel nach einem Freispruch. Oder eben Prozessgegner, welche die Kosten erstatten müssen.

Andere Anwälte haben schon mal versucht, den Preis der Bahncard anteilig in den jeweiligen Abrechnungen zu berücksichtigen. Problem: Am Anfang des Jahres steht bei den wenigsten Anwälten schon fest, wie oft sie die Bahncard einsetzen werden.

Schlägt der Anwalt also zum Beispiel im Februar in der Reisekostenabrechnung zehn Euro für eine Bahncard 50 (240,00 €) auf, darf er am Jahresende auf höchstens 24 Bahnfahrten kommen, für die er auch zehn Euro aufschlägt. Ab der 25. Reise hätte er den Mandanten aus dem Februar übervorteilt, weil er dann ja schon zehn Euro mehr hätte, als er überhaupt für die Bahncard ausgegeben hat.

Ab dem 25. Ticket nichts mehr zu berechnen, würde auch nicht gegen Ärger wappnen. Dann könnte der Mandant aus dem Februar einwenden, die Kosten seien eben nicht fair umgelegt worden, weil die Mandanten ab Oktober nichts berechnet erhielten.

Außerdem richtet sich die Höhe der Ersparnis ja nach dem Ticketpreis. Streng genommen müsste der Anwalt also sogar ermitteln, wie sich die Ersparnis des Auftraggebers zur Gesamtersparnis für alle Tickets im Jahr darstellt. Die Kosten der Bahncard müssten dann nach dieser Quote errechnet werden. Auch das wäre wieder erst nach Ablauf des Gültigkeitsjahres der Bahncard festzustellen, was natürlich praktisch gar nicht geht.

Schließlich finden es auch Mandanten nicht gut, wenn sie auf ihre Rechnung bis zu einem Jahr warten müssen. Und den Aufschlag für die Bahncard nachträglich zu berechnen, ist vom Aufwand her wirtschaftlich gar nicht zu machen. Abgesehen von den (verständlichen, aber zeitraubenden) Diskussionen, die Mandanten beginnen, wenn sie nach etlichen Monaten noch mal fünf, acht oder zwölf Euro “nachlösen” sollen.

Natürlich könnte man argumentieren, dass der Aufschlag dem Mandanten doch zumutbar ist, so lange er nicht insgesamt mehr als den Ticketpreis ohne Bahncard zahlen muss. So weit ich sehe, findet dieser logische Ansatz allerdings keine Anhänger. Das Kostenrecht stellt nämlich nur darauf ab, was der Anwalt für den konkreten Fall an Reisekosten aufwenden muss. Setzt er eine Bahncard ein, die er ja schon bezahlt hat, entstehen für den Auftrag halt nur die ermäßigten Ticketkosten.

So sehen es auch die Gerichte. Sie lehnen regelmäßig einen Anteil an der Bahncard ab, weil sie mit diesen Kosten nichts zu tun hätten. Allerdings erstatten sie anstandslos den normalen Ticketpreis. Allerdings nur, wenn es dafür auch eine Rechnung der Bahn gibt. Für das Argument, dass sie ja jedenfalls keinen Verlust machen, so lange der der ermäßigte Ticketpreis plus Bahncardanteil unter dem Tarif für eine normale Bahnfahrt liegt, sind die Justizbehörden taub.  So hört man jedenfalls von Kollegen, die es mitunter doch mal probieren.

Ist mir ehrlich gesagt alles zu doof. Freundlicherweise hat das Bundesverwaltungsgericht zumindest mal entschieden, dass Anwälte keine Bahncard haben müssen. Daran halte ich mich.

Sollten Sie keine Folge leisten …

Post von der Polizei. Ein Kriminalkommissar lädt meinen meinen Mandanten ein, am 26. März “bei der rechts oben aufgeführten Dienststelle” vorzusprechen.

In der Ermittlungssache gegen meinen Mandanten, so heißt es in dem Schreiben im schönsten Behördendeutsch, “ist Ihre Abgabe einer Speichelprobe auf freiwilliger Basis erforderlich”. In der Sache nur ein weiterer Satz:

Sollten Sie der Vorladung keine Folge leisten, wird die Staatsanwaltschaft einen richterlichen Beschluss erwirken.

Kein Wort darüber, wofür die Speichelprobe eigentlich benötigt wird. Es ist ja keineswegs so, dass Polizeibehörden den Speichel Beschuldigter sammeln, ihn in Röhrchen abfüllen und die Proben dann wie Weinsammler in langen Regalreihen deponieren. Vielmehr soll aus der Speichelprobe das DNA-Muster des Betroffenen ermittelt und dann im Computer gespeichert werden.

Nicht jedem Bürger ist das bekannt. Aber selbst wenn der Betroffen sofort Bescheid weiß, möchte er vielleicht doch noch Näheres erfahren. Zum Beispiel, ob es darum geht, seine DNA mit konkreten Tatortspuren zu vergleichen. Was bei negativem Ausgang bedeutet, dass die Daten gelöscht werden müssen.

Oder beabsichtigt die Polizei, die DNA dauerhaft in der DNA-Zentraldatei zu speichern, die beim Bundeskriminalamt geführt wird? Das wäre nur zulässig, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene künftig Straftaten begehen wird.

Statt einiger Basics als Erklärung nur ein markiges “ist erforderlich”. Verbunden mit der Drohung: Machst du nicht mit, wird ein Richter dich schon dazu zwingen. Das ist wirklich eine nette Art, jemanden davon zu überzeugen, dass er freiwillig das Richtige tut.

Mein Mandant geht jedenfalls schon deshalb nicht hin, weil er nach so einem Schreiben gar nicht mehr erwartet, dass ihm der Kommissar zumindest auf der Polizeiwache alles vernünftig erklärt, einschließlich seiner Rechte. Er rechnet eher damit, eingenordet zu werden. Das tut er sich dann lieber doch nicht an. 

So habe ich jetzt den Auftrag, die Speichelprobe zu verhindern. Was gar nicht so unmöglich erscheint, wie es in dem Schreiben der Polizei klingt. Nach dem was ich bisher weiß, wird ein abwägender Richter den Beschluss zumindest nicht einfach durchwinken.

Ein herzliches Dankeschön an die Polizei für die Vermittlung des Mandats. 

Es geht voran

Heute am späten Nachmittag habe ich ein eiliges Fax an die Geschäftsstelle eines Gerichts schicken lassen. Fax, weil die allermeisten Gerichte derzeit nur Eingaben auf Papier akzeptieren. Auch wenn das Papier auch dort nur aus dem Drucker kommt und lediglich das Faksimile der Absender-Unterschrift zeigt.

Der Richter war noch im Büro und bestätigte mir kurz den Eingang des Faxes. Per Mail. Es geht also voran, zumindest schon mal auf einer Seite.

Abgerissene Fingerkuppe führt zu Verdächtigem

Ein mutmaßlicher Tresordieb, der seine Fingerkuppe am Tatort verlor, ist identifiziert worden. Die Bochumer Polizei hat die DNA des hinterlassenen Körperteils analysiert und mit der Datenbank des Bundeskriminalamtes abgeglichen. Treffer, berichtet die Rheinische Post.

Der oder die Täter hatten in Wanne-Eickel probiert, den Tresor aus einem Bekleidungsgeschäft zu stehlen. Wahrscheinlich beim Versuch, den Geldschrank durch das Fenster zu heben, muss etwas schiefgegangen sein. Die Polizei fand nämlich später nicht nur den Tresor, sondern auch eine abgequetschte Fingerkuppe.

Der frühere Besitzer der Fingerkuppe soll ein 22-jähriger Sachse sein, der sich im Ruhrgebiet aufhält. Gegen ihn gab es schon vor dem Einbruch zwei Haftbefehle. Die Polizei fahndet nun nach dem Mann.

Früherer Beitrag im law blog

Die Akte Demjanjuk wird zugeklappt

Der Prozess gegen John Demjanjuk endete mit einem kollektiven Seufzer der Zufriedenheit. Vor allem deshalb, weil er gerne als der letzte lebende KZ-Scherge dargestellt wurde. Ich habe schon mal darauf hingewiesen, dass eines feststeht: Egal was Demjannjuk in Vernichtungslagern getan hat, er war kein originärer Nazi, sondern als Ukrainer bis 1942 Soldat in der Roten Armee. Er geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft und hat sich dort von der SS “anwerben” lassen.

So die Version der Anklage. Demjanjuk hat dagegen immer herausgestellt, selbst nur die Wahl zwischen Tod und Kooperation als “fremdländischer Wachmann” gehabt zu haben (unabhängig davon sei er auch niemals im Lager Sobibor gewesen, wo er Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen geleistet haben soll).

Gegen seine Verurteilung zu fünf Jahren Haft hatte Demjanjuk Revision eingelegt, ebenso die Staatsanwaltschaft. Nun ist Demjanjuk tot. Das hat auch juristische Konsequenzen. Die Frage von Demjanjuks Schuld wird nun nämlich nie abschließend geklärt werden. Mit dem Tod eines Angeklagten tritt aus Sicht der Juristen ein Verfahrenshindernis ein – es darf nicht weiterverhandelt werden.

Die Strafsache Demjanjuk wird nun also eingestellt, die Akte zugeklappt. Das Urteil gegen ihn wird demgemäß nie rechtskräftig werden.

Männlich, weiblich, unbekannt

Der Admin hat mit den Webmaster-Tools von Google gespielt und ermittelt, wer dem law blog so alles ein +1 gegeben hat. Die Verteilung nach Geschlecht fällt, nun ja, nicht sonderlich überraschend aus:

 

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Wer schrieb was ins Internet?

Das Schottern bei Castortransportern sorgte für heiße Debatten – auch im law blog. Jetzt gab es auch eine Verurteilung. Allerdings nicht, weil der Angeklagte selbst am Gleisbett gegraben hat. Er hatte vielmehr einen Aufruf zum Schottern im Internet unterschrieben. Ein strafwürdiges Verhalten, befand nun das Landgericht Lüneburg.

Für die Richter stelle sich das Manifest als “Öffentliche Aufforderung zu Straftaten” dar, berichtet die taz. Lediglich bei der Strafhöhe wollte das Gericht was drehen. Es habe sich “um ein nachvollziehbares, zu billigendes gesellschaftliches Gesamtanliegen“ gehandelt. Deshalb reiche eine Geldstrafe aus, die mit 15 Tagessätzen denkbar niedrig ausfiel.

Interessant ist, dass es bisher nur zu einer einzigen Verurteilung gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Bericht gegen insgesamt 1.800 Beschuldigte ermittelt. Wer sich vom Aufruf distanzierte, also Reue zeigte, dessen Verfahren sei eingestellt worden. Teilweise hätten Beschuldigte auch Geldauflagen gezahlt.

Offenbar gab es aber auch eine ganz andere Möglichkeit, zu einer Verfahrenseinstellung zu kommen. Wer gegenüber den Ermittlern schwieg oder jedenfalls nicht einräumte, dass er sich selbst in die Online-Liste eingetragen hatte, dem konnte die Tat ohnehin nicht nachgewiesen werden. Grund: Die Organisatoren überprüften natürlich nicht gerichtsfest, wer nun tatsächlich Namen und Adresse in der Liste hinterließ.

Mal wieder ein Beleg dafür, dass es nicht unbedingt sinnvoll ist, sich im Angesicht einer Beschuldigung allzu redselig zu verhalten.

(Danke an Martin M. für den Hinweis)

Reutlinger Showeffekte

Der Kampf eines Reutlinger Jugendrichters gegen Facebook ist nicht gerade ein Aushängeschild für die deutsche Justiz. So demonstriert man keine Schlagkraft. Das hatte ich schon neulich angemerkt. Nun geht die Sache weiter, und das Gericht macht dabei in bewährter Weise keine gute Figur.

Zuletzt hatte der Richter mangels eigener Erfolge die Idee entwickelt, der angeklagte Jugendliche solle sich seine Daten von Facebook selbst besorgen. Damit war der Betroffene, nach anfänglichem Zögern, auch einverstanden. Aber, oh Wunder, selbst der Angeklagte hatte bis zur jüngsten Verhandlung keine Post von Facebook gekriegt, wie der Reutlinger Generalanzeiger berichtet.

Eigentlich sollte der Richter fast froh darüber sein, dass Facebook auch seinem Nutzer bislang die kalte Schulter zeigt (wobei leider nicht berichtet wird, ob und was der Angeklagte wirklich bei Facebook eingefordert hat). Schließlich würde er ja noch düpierter da stehen, wenn das böse soziale Netzwerk ihn angeblich im Regen stehen lässt, seinen Nutzer aber prompt mit Daten bedient.

Anscheinend ist der Richter nach wie vor der Auffassung, er könne Facebook mit höflichen Mails zur Herausgabe von Kundendaten bewegen. Im eingangs verlinkten Artikel habe ich erklärt, warum das eine peinliche Selbstüberschätzung ist. Facebook verhält sich genau richtig, indem man dem Richter zwar mit “warmen Worten” antwortet, aber die Kundendaten nicht herausrückt. So ist nämlich die Rechtslage, auch wenn es für einen deutschen Richter schwer begreiflich sein mag, dass seine Macht an der bundesdeutschen Grenze endet.

Da hilft es dann auch nichts, wenn der Richter kokettiert. Indem er sich selbst als Vertreter der alten Dame Justitia darstellt, die sich nicht mit einem “Jugendlichen aus den USA” prügeln möchte. Offenbar scheint der Jugendrichter schlicht und einfach nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass er nur über die Einschaltung der irischen oder amerikanischen Behörden rechtmäßig an Auskünfte kommt. Auch wenn das, so ist es nun mal bei der internationalen Rechtshilfe, einige Zeit in Anspruch nimmt.

Stattdessen flüchtet sich der Richter in Aktionen, die wirklich daneben sind. So hat er nun eine Facebook-Lobbyistin als Zeugin geladen. Sofern sie in Deutschland lebt, wird sie bei Gericht erscheinen müssen.

Ebenso klar ist aber, was sie dem Richter sagen wird: Zu meinem Aufgabengebiet gehört nicht der Zugriff auf Nutzeraccounts. Zeugen müssen auch nur das aussagen, was sie wissen. Sie müssen sich kein neues Wissen beschaffen. Die Facebook-Mitarbeiterin wird also auch der Reutlinger Jugendrichter nicht dazu zwingen können, Daten zu besorgen, zu denen sie noch nicht mal Zugang hat.

Also schon jetzt eine vorhersehbar sinnlose Maßnahme. Nichts als ein Showeffekt, nach dessen Verpuffen mal wieder nicht Facebook düpiert sein wird, sondern unsere Justiz.

Früherer Eintrag im law blog

Internet-Law zum gleichen Thema

1,3,5,7

Hinweis meiner Mitarbeiterin:

Wir haben die Ermittlungsakte richtig kopiert. Sie ist wirklich von vorne bis hinten mit ungeraden Ziffern numeriert.

Das Interessante ist, dass die Seiten 1 – 25 zunächst richtig gekennzeichnet wurden. Also fortlaufend mit 1,2,3,4,5 … 25. Das muss bei der Staatsanwaltschaft gewesen sein. Nach Eingang bei Gericht hat sich dort offenbar jemand hingesetzt, die an sich korrekten Ziffern durchgestrichen und nach seinem ganz eigenen System numeriert: 1,3,5,7,9,11  …

Der Sinn der sogenannten Paginierung ist ein doppelter. Einmal kann man die Seitenzahlen natürlich schön aufrufen, so dass andere Beteiligte das Schriftstück schnell finden. Überdies soll verhindert werden, dass Blätter nachträglich eingefügt oder rausgenommen werden. Nur ungerade Zahlen zu vergeben öffnet da so manche Lücke.

Die eigenwillige Numerierung hielt der verantwortliche Gerichtsmitarbeiter aber trotzdem konsequent durch. Jede neue Seite erhielt eine ungerade Nummer. Mittlerweile ist die Akte bei Seite 213 angelangt, das Verfahren zieht sich über zwei Jahre. Damit ist zumindest klar: Ein Praktikant wird es kaum gewesen sein.

Demnächst steht der Verhandlungstermin an. Ich werde die Gelegenheit nutzen und mal fragen. Vielleicht hat der Richter ja noch gar nichts gemerkt.