Hirnscan soll Pädophile entlarven

Zwei Millionen Euro investiert allein das Forschungsministerium in den nächsten zwei Jahren in ein Projekt, mit dem Experten mehr über Pädophilie herausfinden wollen. Einige der Wissenschaftler legen bereits handfeste Ergebnisse vor. So wollen Forscher an der Universität Kiel mit Hirnscans ermitteln, ob jemand pädophil veranlagt ist.

Auf der Wissenschaftsseite spektrum.de vermeldet Arbeitsgruppenleiter Jorge Ponseti, sein Team habe Pädophile mit “erstaunlicher Genauigkeit” an ihrer Hirntätigkeit erkannt:

Bei der Studie im fMRT-Labor täuschten wir uns nur bei drei der 24 untersuchten Pädophilen und hielten sie fälschlicherweise für nicht pädophil. An sämtlichen Gehirnen der 35 gesunden Kontrollprobanden erkannten wir richtigerweise, dass diese sexuell nicht an Kindern interessiert waren.

Die Forscher zeigen Probanden Bilder von nackten Kindern. Mit der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) messen sie, wie sich die Hirnaktivität verändert. Sie gehen dabei von der Prämisse aus, dass die Aktivität in gewissen Hirnteilen – insbesondere Nucleus caudatus und in der Substantia nigra – größer ist, “wenn die abgebildeten Genitalien der sexuellen Orientierung des Probanden entsprachen”. Hierbei stützen sie sich auch auf Studien, die ähnliche Ergebnisse bereits bei homo- und heterosexuellen Frauen und Männern ergaben.

Die Forscher betonen zwar, ihre Methode sei längst nicht ausgereift und ausreichend erprobt. Dennoch sehen sie bereits praktischen Nutzen, sollte die fMRT tatsächlich zuverlässig pädophile Neigungen nachweisen können.

Gerade bei der Frage nach der richtigen Therapie sei es wichtig zu wissen, ob ein Täter tatsächlich pädophil ist. Sei das der Fall, müsse sich ein Therapie auf Vermeidungsstrategien richten, das heißt der Täter müsse lernen, sein Verlangen zu beherrschen.

Es gebe aber auch Kindesmissbrauch durch Täter, die gar nicht pädophil seien. Bei diesen komme es in der Therapie darauf an, die Sexualität in die “richtige” Bahn zu lenken, damit sie künftig nicht straffällig werden.

Auch bei der Rückfallprognose könne es eine Rolle spielen, ob ein Täter pädophil ist oder nicht. Für einen Richter, der über einen Wiederholungstäter zu entscheiden habe, falle die Entscheidung leichter, wenn er sich nicht allein auf die Beteuerung des Angeklagten verlassen müsse, nicht pädophil zu sein.

Was erst mal nachvollziehbar klingt, bringt allerdings auch das Risiko mit sich, rechtsstaatliche Grenzen zu überschreiten. So liegt der Gedanke nicht fern, Menschen vorsorglich per Reihentest zu untersuchen und jene mit Sanktionen zu überziehen, denen mit dem Gütessiegel naturwissenschaftlicher Gewissheit eine pädophile Neigung attestiert wird. 

Allerdings, und das macht so etwas problematisch, kann niemand etwas für seine sexuellen Neigungen, auch nicht für pädophile.

Außerdem ist nicht gesagt, dass jede sexuelle Neigung früher oder später auch ausgelebt wird. Es gibt beispielsweise auch Menschen mit sadistischen Neigungen, die Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien nicht ausleben – sei es nun aus Respekt vor dem Gesetz oder ihren potenziellen Opfern. Ebenso dürfte auch ein guter Teil von Menschen mit pädophiler Neigung durchaus in der Lage sein, sich wirksam zu steuern.

Die Forscher sehen selbst, dass ihre Diagnosemöglichkeit unbescholtene Menschen in die Gefahr brächte, stigmatisiert zu werden.

Ob und inwieweit fMRT vor Gericht Bestand haben könnte, lässt sich noch gar nicht absehen. Traditionell steht die Justiz rein messenden Methoden skeptisch gegenüber. Ein Beispiel sind Lügendetektortests, die selbst mit Zustimmung des Angeklagten nicht als Beweismittel akzeptiert werden dürfen.

Sofern die fMRT aber anders bewertet würde, müssten Beschuldigte besonders auf ihre eigenen Rechte achten. Und sorgfältig abwägen, ob sie zu der Untersuchung bereit sind.

Gezwungen werden könnten sie nach heutiger Rechtslage nicht. Zwar ist sogar die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, um ein Gutachten anfertigen zu lassen. Der Sachverständige darf den Beschuldigten aber nur beobachten, sofern dieser anderen Untersuchungen nicht zustimmt. Die fMRT wäre deshalb nur freiwillig möglich.

In jedem Fall wäre das auch für einen Verteidiger eine extrem kniffelige Frage. Es könnte einem Beschuldigten natürlich helfen, wenn das Ergebnis “nicht pädophil” lautet. Umgekehrt wäre es für den Beschuldigten eine juristische Katastrophe, wenn er sich durch eigene Beteiligung selbst belastet.

Bei Mandanten würde ich wahrscheinlich bei einem anderen Arzt, der ja der Schweigepflicht unterliegt, diskret eine Privatuntersuchung organisieren. Ist das Ergebnis bekannt, fällt die Entscheidung natürlich leichter. Allerdings klappt das natürlich nur, wenn das nötige Kleingeld vorhanden ist. Außerdem müsste der Mandant auf freiem Fuß sein – was bei solchen Delikten auch nicht gerade selbstverständlich ist.

Zum Artikel auf spektrum.de