Ihr seid nicht systemrelevant

Schreib mal was zum Urheberrecht. Eine Bitte, die Redaktionen dieser Tage vielfach aussprechen. Gut denkbar, dass auch der eine oder andere Erstunterzeichner des Appells “Wir sind die Urheber!” gefragt worden ist. Immerhin handelt es sich meist um renommierte Autoren. Eines ist allerdings klar: Selbst Qualitätsblätter wie die Super Illu hätten den Abdruck abgelehnt und das Honorar verweigert, wenn einer der Mitwirkenden das platte Machwerk eingereicht hätte, mit dem sich die Schreiber nun kollektiv an die Öffentlichkeit wenden.

Die Autoren des Appells wählen einen historischen Einstieg. Das klingt erst mal nett:

Das Urheberrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit.

Noch besser wäre es natürlich, wenn die Behauptung auch stimmen würde. Tut sie aber nicht, zumindest nicht in dieser verkürzten Darstellung, wie schon ein schneller Blick in den Wikipedia-Artikel “Die Geschichte des Urheberrechts” zeigt. 

Merkwürdigerweise machen die Autoren dann sofort den Schwenk zu einem völlig anderen Thema. Sie nehmen Verlage, Galerien, Produzenten und Verwertungsgesellschaften (wie die GEMA) in Schutz, denn diese haben aus ihrer Sicht nur eine hehre Aufgabe im Rahmen der “arbeitsteiligen Gesellschaft”: die Interessen der Künstler bestmöglich zu vertreten und zu verteidigen.

Es kann sein, dass die Unterzeichner des Appells die Verwerterseite wirklich mit der Caritas gleichsetzen. Allerdings hat dies auch einen naheliegenden Grund. Die weitaus meisten, die nun ihre Stimme heben, gehören offensichtlich zur Riege der Besserverdiener im Kulturbusiness.

Der Fairness halber müsste dann aber auch der Hinweis erlaubt sein, dass zur Kunst nicht nur das zählt, was ordentlich Kohle abwirft. Die Heerschar jener Autoren, Musiker und Filmemacher, die sich mit ihren Werken (noch) keinen Platz in den Top-Rängen verdient haben, sieht das Wirken der Verwerter weitaus distanzierter.

Dass die Verwerter eine Abmahnindustrie ins Leben gerufen haben, die mit ihren aberwitzigen Auswüchsen mittlerweile nicht nur individuelle Angst, sondern längst sozialen Unfrieden stiftet, ist den Unterzeichnern des Appells keine Erwähnung wert. Für sie ist alles offensichtlich in Ordnung.  Allenfalls sollte es nach ihren Vorstellungen noch etwas rustikaler zugehen. Denn anders ist die ausdrücklich formulierte Forderung, das Urheberrecht noch weiter zu stärken, ja wohl kaum zu verstehen.

Immerhin trauen sich die Unterzeichner nicht zu sagen, wie sie sich die Anpassung des Urheberrechts an die Gegebenheiten des Internets denn so vorstellen. Merkwürdig, dass hier gar nichts Konkretes kommt. Aber hätte der Verfasser des Textes, der nach meiner bescheidenen Meinung garantiert kein Künstler, sondern Verwerter ist, Vorratsdatenspeicherung und ACTA reingeschrieben, wären einige der Teilnehmer vielleicht ja doch noch aufgewacht und hätten ihren Namen nicht hergegeben.

Ansonsten bleiben nur Platitüden. Der durchaus umstrittene Begriff des geistigen Eigentums wird so selbstverständlich im Mund geführt wie die Behauptung, das Anfertigen einer digitalen Kopie sei “profaner Diebstahl”. Wer so selbstvergessen auf  Maximalpositionen besteht, darf sich nicht wundern, wenn die Brüchigkeit seiner Position mit wenigen Worten belegt wird. Thomas Stadler hat dies heute bereits in seinem Blog erledigt, und zwar mit einigen zutreffenden Argumenten zur Sozialbindung des Eigentums.

Auch das “geistige Eigentum” unterliegt weitgehenden Schranken. Und es ist durchaus nicht vermessen und schon gar nicht illegal zu fordern, dass sich das Urheberrecht an die Gegebenheiten der digitalen Welt anpassen soll und nicht umgekehrt. Es könnten sich nämlich auch durchaus Mehrheiten finden, welche die jetzige oder gar künftig verschärfte Kontrolle und Überwachung des Internets wegen – gesamtwirtschaftlich bescheidener – finanzieller Interessen schlichtweg ablehnen.

Die heute noch so stolzen Urhebern müssten dann die bittere Erfahrung machen, dass das freie Netz wichtiger ist als ihr unbestrittener Beitrag zur Kultur. Das Motto wäre dann: Besser jeder kann frei online seine Meinung sagen, als dass alles den Bach runtergeht, bloß weil ein paar Schriftsteller meinen, sie hätten den unbedingten Anspruch an die Gesellschaft auf ein solides Auskommen pro Essay oder Roman. 

Klingt hart, ist aber nur eine verständliche Reaktion auf den Alles-oder-nichts-Kurs, den die Initiatoren des Appells offenkundig einschlagen. Man sollte ihnen rechtzeitig sagen, dass am Ende des Weges auch folgende Feststellung stehen könnte:

Ihr seid nicht (mehr) systemrelevant.

“Das war so üblich”

“Niemand hat sich dabei etwas gedacht.” Wenn Beschuldigte sich so äußern, stoßen sie bei der Polizei in der Regel auf wenig Verständnis. Allerdings gibt es mitunter offenbar keine Möglichkeit, sich schlauer aus der Affäre zu ziehen. Mit Ausnahme von Klappe halten, vielleicht. Dass selbst Beamten nichts Besseres einfällt belegt jetzt eine Ermittlungsverfahren innerhalb der Hamburger Polizei. Auch dort heißt es: “Niemand hat sich etwas dabei gedacht…”

Die Köche der Bereitschaftspolizei sollen in der Hansestadt einen privaten Partyservice hochgezogen haben. Arbeitsmaterial und Nahrungsmittel sollen aber zumindest teilweise vom Steuerzahler bezahlt gewesen sein. Die Köche, so der Vorwurf, bedienten sich aus den Polizeibeständen. Ihre Aufträge sollen sie vorwiegend von Polizeikollegen erhalten haben. Meist seien sie für private Feste gebucht worden, wo sie die Gulaschkanone auffuhren oder Schnittchen servierten.

Die Hamburger Morgenpost zitiert einen Beamten:

Ich habe meine Beförderung gefeiert. Für Suppe und Schnittchen zahlte ich zwölf Euro pro Kopf. Ich rief einfach bei der Bereitschaftspolizei an und gab die Bestellung auf – das war so üblich. Niemand hat sich dabei etwas gedacht.

Man sieht, es ist nicht immer leicht zu erkennen, ob man sich auf die schiefe Bahn begibt. Auch wenn die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, hat die Bereitschaftspolizei nach einem Bericht des NDR  die beiden beschuldigten Köche wieder zu “normalem Dienst” verdonnert. Wer den Partydienst alles geordert hat, ist im einzelnen noch nicht bekannt.

Richter greift zum Putztuch

Ein Delmenhorster Richter hat einen Rechtsstreit auf unkonventionelle Art und Weise gelöst – mit einem Putztuch und Politur.

Eine Frau war verklagt worden, weil sie an einem Auto den Lack zerkratzt haben sollte. Bei einem gerichtlichen Ortstermin, in dem das Auto besichtigt werden sollte, zückte der Jurist seine Putzutensilien. Er rubbelte den vermeintlichen Kratzer einfach weg.

Wie die Kostenfrage des Prozesses geregelt wurde, ist leider nicht überliefert.

Bereits im letzten Jahr hatte der Richter einen Nachbarschaftsstreit um überhängende Äste und Sträucher gelöst, indem er selbst zu Astschere und Bügelsäge griff und die Pflanzen stutzte.

Bericht auf Welt online

Erst Notwehr, nun Totschlag

Die Geschichte eines Rentners aus Sittensen, der einen jugendlichen Einbrecher auf der Flucht aus seinem Haus erschoss, ist mit 528 Kommentaren einer der meistdiskutierten Beiträge im law blog. Seinerzeit hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Hausbesitzer eingestellt, weil dieser in Notwehr gehandelt habe. Nun erhebt sie doch Anklage.

Ein Erzwingungsverfahren der Angehörigen des Getöteten hatte Erfolg. Im Rahmen dieses Verfahrens sollen sich neue Anhaltspunkte ergeben haben. Möglicherweise soll eben doch keine Notwehrlage vorgelegen haben, wie sie die Staatsanwaltschaft zunächst annahm. Welche neuen Erkenntnisse zu dem Meinungsumschwung geführt haben, wollte ein Behördensprecher dem Weser Kurier allerdings nicht verraten.

Der Rentner war von fünf jungen Männern in seinem Haus überfallen worden. Als die Alarmanlage auslöste, ergriffen die Täter die Flucht. Der Hausbesitzer konnte eine Pistole ziehen und schoss einem 16-Jährigen, der bereits über die Terrasse davonrannte, in den Rücken. Der 16-Jährige hatte den Mann vorher mit einer Waffe bedroht und ihn in Schach gehalten, während seine Komplizen das Haus nach Wertsachen durchsuchten.

Im Prozess gegen den Rentner wird es sicher darum gehen, ob der Angriff auf ihn noch “gegenwärtig” war. Nur in diesem Fall ist Notwehr nämlich zulässig. Ansonsten kann es sich um Totschlag handeln. Wegen dieses Delikts ist der Hausbesitzer nun angeklagt.  Das wird keine einfache Entscheidung für das Gericht.

Im Antreffungsfall

Es geht doch nichts über gepflegtes Bürokratendeutsch. Ich zitiere aus einer aktuellen Meldung, mit der die Kölner Polizei nach einer Vermissten sucht:

Im Antreffungsfall sollte die Notrufnummer 110 gewählt werden.

Aber wo kann man anrufen, um sich erklären zu lassen, was ein Antreffungsfall ist?

DNA-Test: Weigerung begründet keinen Verdacht

Dass es mit der Freiwilligkeit bei Massen-DNA-Tests nicht weit her ist, habe ich schon einige Male berichtet. Nun hat das Landgericht Bielefeld zu diesem Komplex eine wichtige Aussage gemacht. Die Weigerung, an einem freiwilligen DNA-Test teilzunehmen, darf nicht zur Grundlage eines Tatverdachts gemacht werden.

Der Fall könnte Präzedenzwirkung haben. Ins Rollen gebracht hat ihn der 57-jährige Axel S. Der Mann verweigerte eine freiwillige Speichelprobe, obwohl er in ein Fahndungsraster passte, welches die Polizei in Gütersloh ausgearbeitet hatte. Ermittelt wird im Mordfall einer 67-Jährigen, die 2009 tot in einem Getreidefeld gefunden wurde.

Das mögliche Täterprofil, so berichtet nw-news.de, war mehr als vage. Gesucht wurde ein männlicher Einzeltäter zwischen 14 und 80 Jahren, der Ortskenntnisse hat. Das Alter passte auf Alex S., und in den sechziger (!) Jahren hat er wohl auch mal in der Nähe des Opfers gewohnt.

Aus seiner Weigerung, an einem freiwilligen Test teilzunehmen, konstruierte die Staatsanwaltschaft Bielefeld einen Anfangsverdacht. Da Alex S. nun offiziell Mordverdächtiger war, stellte das Amtsgericht Bielefeld einen Beschluss aus, mit dem eine DNA-Probe erzwungen werden konnte. Alex S. wurde morgens im Schlafanzug und Handschellen zum Polizeipräsidium geführt. Er hatte sich handgreiflich gegen die Polizeiaktion gewehrt.

Das Landgericht Bielefeld untersagt es nun, aus einem verweigerten DNA-Test auf einen Tatverdacht zu schließen. Dies geschieht, so der Zeitungsbericht, schon wegen des allzu weiten Täterprofils. Die Vorgaben schlössen, so das Gericht, im wesentlichen nur Frauen aus.

Ein gekauftes Sorry

Mein Mandant fühlte sich auf den Schlips getreten – und das völlig zu Recht. Ich schrieb seinen Kontrahenten an und machte Unterlassungsansprüche geltend. Eigentlich ging ich davon aus, wir werden klagen, sofern der Gegner nicht einknickt.

Die Beweislage war jedenfalls hervorragend. Doch die Sache entwickelte sich anders als erwartet. Bevor ich überhaupt was vom Gegner hörte, hatte mein Mandant völlig abweichende Vorstellungen. Diese legte er mir  dar. Ich sollte dem Kontrahenten erneut schreiben. Erster Punkt war die Mitteilung, dass wir nichts unternehmen werden. Kein Problem. Ich dränge ja niemanden aufs Schlachtfeld.

Der zweite Punkt stürzte mich allerdings in gelinde Verwirrung. Ich sollte mich beim Gegner ausdrücklich entschuldigen. Nicht im Namen meines Mandanten, sondern persönlich. Nach dem Motto: Das Schreiben tut mir furchtbar leid, das hätte nicht passieren dürfen. Bitte verzeihen Sie mir noch mal.

Für mich war das eine komplett neue Situation. Ich fragte sicherheitshalber nach, ob ich alles richtig verstanden hatte. Entschuldigung? “Ja.” In Ihrem Namen? “Nein, Sie sollen sich selbst entschuldigen. Für den Brief insgesamt.” Näheres wollte mir der Mandant nicht erklären. Er sagte nur, die Sache müsse ein Ende haben, und sein Gegner bestehe nun mal auf einer persönlichen Entschuldigung vom Anwalt. Die solle er auch kriegen.

Klar kann er die kriegen – wenn es nur nach ihm ginge. Aber ich habe da ja wohl auch ein oder zwei Worte mitzureden. Zwar verstehe ich mich als Dienstleister. Deshalb mache ich gerne alles, was zu meinem Berufsbild gehört. Nach Möglichkeit sollte es allerdings auch keine Gesetze strapazieren. Aber eine persönliche Entschuldigung, noch dazu ohne erkennbaren sachlichen Grund?

Ich bat den Mandanten noch ein paar Mal, er solle mir doch verraten, was hinter dieser Idee steckt. Doch er rückte nicht mit der Sprache raus. Ich sah allerdings auch keine Möglichkeit, komplett über meinen Schatten zu springen. Deshalb saugte ich mir einen Text aus den Fingern, der den Wünschen des Mandanten so nah kam wie möglich, der aber auch meinen Vorbehalten noch einigermaßen gerecht wird. Das Ganze ist so verschwurbelt formuliert, dass man wahrscheinlich ohnehin alles reinlesen kann. Der Mandant fand das Schreiben sogar in Ordnung.

Ich hoffe, damit ist die Sache vom Tisch. Sonst muss ich doch noch mal verschärft darüber nachdenken, wo denn nun meine Grenzen sind. Ein gekauftes Sorry scheint mir bislang jenseits zu liegen.