Polizei gegen Abgeordnete ist kein Grund zum Jubeln

Im sächsischen Landtag hat der Präsident heute die Polizei geholt, um alle Abgeordneten der NPD-Fraktion abführen zu lassen. Die Parlamentarier waren von der Sitzung ausgeschlossen worden, weil sie – entgegen der Geschäftsordnung – Kleidung des Labels Thor Steinar trugen. Erst als die Polizei kam, verließen die Abgeordneten den Saal.

Auch wenn die sächsischen NPD-Abgeordneten seit langem provozieren, ist das Vorgehen alles andere als eine Siegesmeldung für die parlamentarische Demokratie. Offensichtlich fehlt dem Landtagspräsidenten von der CDU und seinen Claqueuren auch aus anderen Fraktionen eine gewisse Sensibilität dafür, was es für ein veheerendes Bild es im Ergebnis vermittelt, wenn in einem Rechtsstaat die Polizei anrückt, um Abgeordnete notfalls mit Gewalt aus dem Plenarsaal zu entfernen.

Es mag einem gefallen oder nicht (mir nicht), aber die NPD-Parlamentarier sind gewählte Volksvertreter. Ihre Partei ist nicht verboten. Sie haben demnach ein Recht auf Anwesenheit im sächsischen Landtag. Ebenso haben sie die Pflicht, sich an die vom Landtag mehrheitlich beschlossene Geschäftsordnung zu halten. Wenn es die Mehrheit in Sachsen für erforderlich hält, Kleiderregeln in diese Ordnung aufzunehmen, ist das vielleicht nicht schlau, aber halt auch von der NPD zu beachten.

Es gibt also ein Spannungsfeld, das aufzulösen ist. Die Frage nach den zulässigen Mitteln ist keine juristische, sondern letztlich eine politische. Nimmt man wirklich in Kauf, dass die nachgeordnete Exekutive ( = Polizei) im Kernbereich der übergeordneten Legislative ( = Parlament) Gewalt gegen politisch inkorrekt gekleidete Abgeordnete anwendet?

Für mich steht der Anlass in keinem vertretbaren Verhältnis zum Glaubwürdigkeitsverlust, der notwendigerweise eintritt, wenn Volksvertreter andere Volksvertreter von der Polizei abholen lassen. Noch dazu aus so einem relativ unbedeutenden Anlass wie einem Verstoß gegen die Geschäftsordnung.

Keiner der NPD-Abgeordneten hat andere Parlamentarier am Reden gehindert, sie mit Waffen bedroht oder gar in Aussicht gestellt, eine Bombe zu zünden. In solchen Fällen bräuchte man über harsches Durchgreifen nicht zu diskutieren. Aber die Polizei wegen ein paar T-Shirts zu rufen und sie gegen – ja strafrechtlich noch dazu immune – Abgeordnete einzusetzen, offenbart für mich dramatische politische Kurzsichtigkeit, die offensichtlich auch den Blick auf historische Aspekte vernebelt.

Dass sich Demokraten ohne Not ausgerechnet der Mittel im Kampf gegen Rechte bedienen, mit denen sie unter anderen Vorzeichen einst von diesen verfolgt wurden, entbehrt jedenfalls nicht einer bitteren Ironie. Sicher ist das von der Motivation und den Folgen alles längst nicht zu vergleichen. Aber sehr wohl von der Optik – und selbst das müsste nicht sein.

Bericht der Süddeutschen Zeitung

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