Die Märchenstunde des Verlegeranwalts

Christoph Keese hat früher mal kluge Artikel für die Financial Times Deutschland geschrieben. Seit Jahren agiert er als Lobbyist für den Axel Springer Verlag. Da stellt er sich allerdings weit weniger schlau an. Sein wichtigstes Projekt, zumindest nach der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, ist das Leistungsschutzrecht. Manche sprechen sogar von einer Lex Keese. Anerkennend ist das nicht unbedingt gemeint. Und langsam fängt es sogar an, albern zu werden.

Keese präsentiert in seinem Blog heute das “Gutachten” eines Anwalts, der den Entwurf des Leistungsschutzrechts in höchsten Tönen lobt. Was sollte der Jurist auch sonst tun? Ausweislich des Vorspanns arbeitet er seit Jahren als Urheberrechtsexperte, beackert das Feld des Leistungsschutzrechts. Seine Mandanten und damit Brötchengeber sind die Verlegerverbände, seit jeher auch treibende Kräfte in Sachen Leistungsschutzrecht.

Auch wenn unklar bleibt, für wen der Anwalt das “Gutachten” geschrieben hat, einen Gefallen tut er seinen Auftraggebern damit jedenfalls nicht. Der Anwalt schwurbelt zwar weitgehend unverständlich und damit risikolos daher, versteigt sich aber immerhin zu folgender  Kernbehauptung:

Nur wer das Presseerzeugnis verwertet (und nicht lediglich seine Inhalte), greift in das Leistungsschutzrecht ein. Das Leistungsschutzrecht verletzt daher, wer zum Beispiel den elektronischen Scan einer Zeitung oder die technische Kopie einer Nachrichten-Website im Internet verfügbar macht. Keine Verletzung des Leistungsschutzrecht bewirkt, wer nur den Inhalt eines Presseartikels übernimmt – sei es in einem Blog, einem Tweet oder auf Facebook.

Der Anwendungsfall des Leistungsschutzrechts soll also darauf beschränkt sein, dass jemand einen Zeitungsartikel fotografiert und ins Netz stellt? Oder eine redaktionell gestaltete Onlineseite samt Layout übernimmt?

Ich rätsele wirklich, wo der Verleger-Anwalt diese Einschränkung herausinterpretiert. Davon steht im Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht kein Wort. Im Gegenteil: Die Begründung betont ausdrücklich, dass sogar kleinste Textfetzen auch vom Leistungsschutzrecht umfasst sein sollen, ähnlich wie dies der Bundesgerichtshof ja bereits für Songs entschieden habe.

Im Sinne des “Gutachters” hat sogar Lobbyist Keese das Leistungsschutzrecht bislang nicht verstanden. Er räumte mittlerweile ein, dass theoretisch auch URLs (die zum Beispiel den Text der Überschrift enthalten) oder bloße Linksammlungen vergütungspflichtig sein könnten. Von Scans oder Textübernahmen samt Layout ist bei Keese keine Rede. Sein einziger Trost: Die Verleger würden hierfür sicher keine oder nur eine sehr geringe Lizenzgebühr kassieren.

Aber sehen wir das Positive. Ein von den Verlegern bezahlter Jurist erklärt öffentlich, dass wir das Leistungsschutzrecht gar nicht brauchen. Das Veröffentlichen von Scans oder gar die komplette Übernahme ganzer HTML-Seiten, die Redaktionen (mühsam) gestrickt haben, ist bislang jedenfalls nicht als der Quell der Millionenverluste beklagt worden, welche der angebliche Textklau im Internet verursacht.

Jedenfalls dürfte der Schaden, den eingescannte Zeitungsseiten verursachen, kein eigenes Gesetz rechtfertigen. Zumal der Anwalt auch dezent verschweigt, dass beide von ihm angeführten Fälle das geltende Urheberrecht verletzen. Verlage können in diesen Fällen schon längst aus den ihnen übertragenen Nutzungsrechten vorgehen.

Wir haben es also seit heute aus berufenem Mund schriftlich, dass das Leistungsschutzrecht überflüssig ist. Es bleibt nur die offenkundige Absicht, auf Grund unsicherer Rechtslage eine Abmahnwelle loszutreten und durch Verunsicherung von Bloggern, Facebook- und Twitter-Usern die publizistische Hoheit im Netz zurückzuerobern. 

Für diese Erkenntnis dürfen wir Christoph Keese wirklich dankbar sein.

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Stefan Niggemeier