Die falsche Demo-Musik

Wer auf Demonstrationen für Beschallung sorgt, muss die Inhalte sorgfältig auswählen. Sonst landet er womöglich auf der Anklagebank. Das Amtsgericht Freiburg verurteilte gestern einen Demonstranten wegen Polizistenbeleidigung. Der Mann hatte auf einer Kundgebung ein Punklied abgespielt, in dessen Refrain “Wir wollen keine Bullenschweine” gesungen wird.

Die Verteidigerin des Mannes brachte natürlich die Meinungsfreiheit ins Spiel. Und außerdem den bekannten Umstand, dass Kollektivbeleidigungen in Deutschland nicht strafbar sind. Das hat das Bundesverfassungsgericht 1994 klargestellt, und zwar für den Ausspruch “Soldaten sind Mörder”.

Was eine Kollektivbeleidigung ist, darüber kann man allerdings streiten. Gerade dann, wenn sich wie in Freiburg ein Polizeibeamter durch die Aussage persönlich angegriffen fühlt. Der Beamte hatte den Refrain gehört und den Demonstranten wegen Beleidigung angezeigt.

Der Strafrichter sah es so, wie man es schon aus diversen ACAB-Entscheidungen kennt. An sich ist die Aussage zwar erlaubt, da sie sich gegen ein Kollektiv richtet. Aber das gilt nicht in Gegenwart von real existierenden Polizeibeamten, welche die Äußerung wahrnehmen und auf sich persönlich beziehen können.

Das ist natürlich reichlich haarspalterisch. Eine allgemeine Aussage wird nach dieser Auffassung nur dadurch zur personenbezogenen Aussage, weil die möglichen Adressaten sie – entgegen dem Wortlaut – persönlich nehmen. Wieso aber ein Missverständnis Dritter zu einer Strafbarkeit bei demjenigen führt, der für die an sich legale Aussage verantwortlich ist, lässt sich kaum nachvollziehbar begründen.

Hier ist mit Händen greifbar, wie Richter vom Ergebnis her denken. Es kann doch nicht sein, dass Polizisten mit so was konfrontiert werden dürfen. Also ist es auch verboten. Eine Begründung lässt sich dann schon finden – auch wenn sie reichlich pseudo ist. 

Bericht in der Badischen Zeitung

Twitter sperrt rechten Account – aber nur in Deutschland

Twitter hat heute den Account @hannoverticker gesperrt. Es soll sich dabei um das Konto des rechtsgerichteten Vereins “Besseres Hannover” handeln, den das niedersächsische Innenministerium am 25. September 2012 verboten hat.

Die Polizeidirektion Hannover hat sich daraufhin an Twitter gewandt und gefordert, @hannoverticker  sofort zu sperren. Zur Begründung weist die Polizei darauf hin, in der Verbotsverfügung werde die sofortige Schließung sämtlicher Benutzerkonten der Vereinigung "Besseres Hannover" in allen sozialen Netzwerken angeordnet.

Twitter hat das Schreiben der Polizeibehörde veröffentlicht und ist der Aufforderung heute nachgekommen. Das kann man als vorauseilenden Gehorsam empfinden, denn gegenüber dem in den USA ansässigen Unternehmen Twitter Inc. kann die deutsche Polizei erst mal allenfalls eine Bitte aussprechen.

Die Vollstreckung, zum Beispiel eine Verhängung von Zwangsgeldern, wäre ein Fall für die Rechtshilfe mit den USA. Diese läuft normalerweise reibungslos. Allerdings nur, wenn die US-Behörden was von Deutschland wollen. Umgekehrt dauert es oft endlos lang, bis amerikanische Behörden auf deutsche Gesuche reagieren – wenn sie es denn überhaupt tun. Da die USA ein grundlegend anderes Verständnis von Meinungsfreiheit haben, wäre es außerdem mehr als fraglich, ob man bereit ist, die Schließungswünsche aus Niedersachsen in den USA umzusetzen.

Allerdings kommt Twitter der Aufforderung aus Hannover nur teilweise nach. @hannoverticker ist nämlich außerhalb Deutschlands weiter abrufbar. Auch in Deutschland können die Tweets gelesen werden. Man braucht nur die Ländereinstellungen bei Twitter auf ein anderes Land zu ändern.

Der Umgang mit dem rechen Twitter-Konto ist laut Süddeutscher Zeitung der erste bekannte Anwendungsfall für Twitters neue Linie im Umgang mit Polizeibehörden. Danach will das Unternehmen offiziellen Sperranordnungen zwar nachgeben, aber nur im betreffenden Land.

Es wird sicher interessant, ob die Polizeidirektion Hannover sich das gefallen lässt. Und was sie gegebenenfalls zu tun gedenkt.

Flugbuchung: Kein Ticket für “noch unbekannt”

Auf die Idee muss man erst mal kommen. Bei einer Flugbuchung im Internet gab der Kunde zwar seinen Namen an, den Mitreisenden trug er jedoch als “noch unbekannt” ein. Der Bundesgerichtshof ist der Meinung, über das zweite Ticket sei kein Vertrag zustande gekommen. Dementsprechend dürfe der Kunde den bereits gezahlten Kaufpreis zurückverlangen. Die vorherige Instanz hatte einen Erstattungsanspruch noch verneint.

An sich waren die Bedingungen des Flugportals gut verständlich. Darin hieß es:

Bitte beachten Sie, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich ist und der Name mit dem Namen in Ihrem Ausweis übereinstimmen muss.

Der Bundesgerichtshof sah in dem Eintrag “noch unbekannt” aber lediglich das Angebot des Kunden, mit ihm einen Vertrag über ein Ticket zu schließen, bei dem der Name des Reisenden noch nachträglich benannt werden dürfe. Dieses Angebot habe das Flugportal nicht angenommen, so dass es nicht zu einem Vertragsschluss gekommen sei. Der Vertrag sei endgültig gescheitert, als der Anbieter sich geweigert habe, das Ticket von “noch unbekannt” auf eine bestimmte Person umzuschreiben.

Mit einem weiteren Wunsch kam der Kunde allerdings nicht durch. Er konnte für den Reisenden “noch unbekannt” keine Entschädigung nach der EU-Verordnung über die Fluggastrechte verlangen. Wegen Nichtbeförderung hatte der Mann den Pauschalsatz von 400,00 Euro verlangt. Laut Bundesgerichtshof setzt eine Entschädigung nach der EU-Verordnung voraus, dass der Kunde über ein bestätigte Ticket verfügt. Das sei hier gerade nicht der Fall.

Bundesgerichtshof, Urteil vom vom 16. Oktober 2012, Aktenzeichen X ZR 37/12

Auch Erstberatung kostet Geld

Um die Erstberatung beim Anwalt ranken sich einige Legenden. Unter anderem jene, wonach insbesondere der erste telefonische Kontakt stets kostenlos ist, selbst wenn der Anwalt schon mal Ratschläge erteilt. Das ist so nicht richtig; das Amtsgericht Wiesbaden stellt dies in einer aktuellen Entscheidung klar.

Ein Mandant will schon bei der telefonischen Terminvereinbarung und zu Beginn des persönlichen Gesprächs darauf hingewiesen haben, dass er den Anwalt nicht bezahlen kann. Das Amtsgericht Wiesbaden sieht den Anwaltskunden in der Pflicht, so einen Hinweis an den Anwalt zu beweisen. Und auch dessen Einverständnis, den Betreffenden kostenlos zu beraten.

Das gelang dem Mandanten nicht, weil das Gericht seine Beweismittel aus formalen Gründen ablehnte. Unabhängig vom Einzelfall weist das Amtsgericht Wiesbaden aber darauf hin, dass der Anwalt zumindest bei einer Erstberatung nicht von sich aus darauf hinweisen muss, dass er für seine Tätigkeit eine Rechnung stellen wird.

Das Gericht geht also davon aus, dass jeder potenzielle Mandant grundsätzlich davon ausgehen muss, dass schon die ersten Ratschläge eines Anwalts Geld kosten. Der Betreffende wurde dementsprechend verurteilt, eine Erstberatungsgebühr von 179,15 Euro an den Rechtsanwalt zu zahlen.

Ich persönlich weiß, dass es die Legende von der kostenlosen Erstberatung gibt. Deshalb sage ich gerade in Telefonaten immer, ab wann ich gerne bezahlt werden möchte. Das schafft klare Verhältnisse. Auch wenn es durchaus immer mal wieder Mandanten gibt, die sich an meine Worte später nicht erinnern können. Aber solche Erfahrungen sind doch eine seltene Ausnahme.

Amtsgericht Wiesbaden, Urteil vom 8. August 2012, Aktenzeichen 91 C 582/12 (18)

Meine täglichen Straftaten

Ich glaube, ich habe mich im letzten Monat vier bis fünf Mal strafbar gemacht. Das dürfte in etwa auch mein langjähriger Durchschnitt sein, so dass ich es auf hunderte Straftaten bringe – zumindest wenn es nach den Maßstäben der Würzburger Justiz geht. Die hat nämlich nun einen Anwalt verurteilt, weil dieser einen Durchsuchungsbeschluss kritisierte.

Der Jurist hatte in einer Hauptverhandlung moniert, ein Durchsuchungsbefehl genüge nicht den verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Der Richter habe keine eigenständige Prüfung vorgenommen. Obwohl der Richter, der den Beschluss erließ, die Sache als “erledigt” betrachtet, kam die Sache vor Gericht. Die Landgerichtspräsidentin stellte als Dienstherrin des Richters nämlich auch einen Strafantrag, dem die örtliche Staatsanwaltschaft offensichtlich mit einer Anklage nachgekommen ist.

Die Äußerungen des Anwalts betrachtet die zuständige Amtsrichterin nun als “üble Nachrede”, was sie mit einer Geldstrafe quittierte. Wenn das so stimmt, was im Bericht der Main Post steht, müssen sich Strafverteidiger künftig wohl überlegen, ob sie um Würzburg einen großen Bogen machen. Oder ihre Mandanten durch vorauseilende Bückhaltung gegenüber der örtlichen Justiz verraten.

Die zitierte Kritik ist nämlich nicht nur harmlos, sondern auch Alltag für einen Strafverteidiger. Ebenso wie für Richter, die solche Eingaben halt nun mal auf den Schreibtisch bekommen. Derartige Kritik an Durchsuchungsbeschlüssen formuliere ich, wie gesagt, ein paar Mal im Monat. Leider. Gerade bei Durchsuchungsbeschlüssen nicken halt nun mal viele Richter einfach ab, was ihnen die Staatsanwaltschaft vorlegt. Ich erspare mir hier Einzelheiten. Regelmäßige Leser wissen, wie viele fragwürdige Beschlüsse ich hier schon vorgestellt habe.

Aus der Kritik an einem Beschluss eine Beleidigung zu Lasten des Richters zu machen, ist schon ein starkes Stück. Noch heftiger wird das Ganze aber dadurch, dass die Amtsrichterin in der Urteilsbegründung die Argumente des Anwalts sogar noch bestätigt haben soll. So berichtet es die Main Post:

Die Vorsitzende sagt, dass der Beschluss vielleicht nicht den Vorgaben des BVerfG entsprochen habe. Aber die obersten Hüter der Verfassung hätten „keine Ahnung von der Realität“. Die Justiz habe weder genügend Zeit, noch genügend Personal, um Beschlüsse so zu prüfen, wie das Verfassungsgericht es sich vorstellt.

Aha, der Anwalt hatte in der Sache recht. Aber was er sagte, ist trotzdem eine Beleidigung, weil fehlende Zeit und zu wenig Personal es am Gericht unmöglich machen, Beschlüsse nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ordnungsgemäß zu prüfen. Schuld an der Misere sind also nicht Richter, die wegen des pünktlichen Feierabends schon mal Fünfe gerade sein lassen. Oder geizige Justizminister. Sondern der Überbringer der Botschaft.

Ich bin mir nicht sicher, ob der Richterin bewusst ist, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unmittelbare Bindungswirkung für alle Richter in Deutschland haben. Dass sie somit, ich begebe mich nun doch auf glattes Parkett, offen erklärt, die Würzburger Justiz verstoße sehenden Auges gegen geltendes Recht, weil die “Realität” wichtiger ist als das vom angeblich so weltfernen Bundesverfassungsgericht (mit-)geschaffene Recht.

Die Vorsitzende attestiert ihren örtlichen Richterkollegen also faktische Rechtsbeugung und findet das anscheinend auch noch in Ordnung. Vielleicht sollte man sich mal überlegen, ob darin nicht auch eine üble Nachrede liegt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jeder Würzburger Ermittlungsrichter so eine Dienstaufassung hat.

Ähnlich problematisch sind übrigens auch die Worte, welche die Richterin in Richtung Bundesverfassungsgericht sagt. Die Aussage, Verfassungsrichter hätten keine Ahnung von der Realität, ist ja auch nicht gerade von Pappe.   

Zum Glück kann die Richterin nicht über sich selbst urteilen und somit selbst im schlimmsten Fall auf einen Freispruch hoffen. Nämlich durch einen verständigeren Kollegen, der weiß, dass der Kampf ums Recht nicht nur mit Blümchen-Rhetorik ausgefochten werden kann. Man hätte sich nur gewünscht, der nun verurteilte Anwalt wäre auch sogleich an einen solchen Richter geraten.

Amtsblatt muss Amtsblatt heißen

Locker, flockig, bürgernah. Viele Stadtverwaltungen gehen neue Wege, wenn sie mit dem Bürger kommunizieren. Doch dem Wunsch nach weniger Bürokratendeutsch sind Grenzen gesetzt. So muss das Amtsblatt tatsächlich auch Amtsblatt heißen. Dies hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden.

Die Stadt Castrop-Rauxel hatte zwar den Aufstellungsplan für einen Bebauungsplan veröffentlicht. Dies geschah aber in einer Rathaus-Publikation, die sich „Aus dem Rathaus… Amtliche Bekanntmachungen der Stadt Castrop-Rauxel“ nannte. Nach der geltenden Rechtslage, unter anderem den Beschlüssen des Stadtrats Castrop-Rauxel, werden öffentliche Bekanntmachungen aber im “Amtsblatt der Stadt Castrop-Rauxel” bekanntgemacht.

Für das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist das eine wesentliche Formalie. Deshalb müsse das Amtsblatt auch Amtsblatt genannt werden – zumindest im Untertitel. Überdies sei stets der Geltungsbereich anzugeben. Im entschiedenen Fall hatte der etwas lockerere Titel die Folge, dass der Aufstellungsplan nicht als “ortsüblich bekanntgegeben” gilt. Deshalb darf die Stadt Castrop-Rauxel den Plan einer Bürgerin nicht entgegenhalten und ihre Bauvoranfrage deshalb zurückstellen.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 11. Oktober 2012, Aktenzeichen 9 L 954/12

Mappus wird baden gehen

Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus zieht vor Gericht, um die Löschung der Daten von seinem Dienstcomputer zu erzwingen. Dabei sollte das eigentlich gar nicht notwendig sein. Mappus selbst hatte nach Presseberichten bei seinem Abgang die Daten in einer fragwürdigen Aktion löschen lassen, die Löschung jedenfalls nicht verhindert. Doch dumm für den Politiker: Es fanden sich Kopien bei einem externen Dienstleister, welche die Staatsanwaltschaft prompt beschlagnahmte.

Mit seiner nunmehr angekündigten Klage gegen die aus seiner Sicht überraschend aufgetauchten Daten wird Mappus baden gehen. Für deutsche Strafverfolger ist es nämlich ziemlich unerheblich, aus welcher Quelle sie an die Daten gekommen sind.

Wenn die Staatskanzlei des früheren Ministerpräsidenten schlampte und nicht dafür sorgte, dass bei einer Computerreparatur von einer Firma erstellte Sicherungskopien wieder gelöscht wurden, ist dies zwar ein schlechtes Zeichen für den staatlichen Datenschutz. Der Fehler von Regierungsmitarbeitern ändert aber nichts daran, dass die Sicherungskopien vollwertige Beweismittel für die Strafverfolger sind.

Ein eventueller Datenschutzverstoß wäre strafprozessual nur interessant, wenn er auf die Kappe von Polizei und Staatsanwaltschaft ginge. Hätten die Ermittler etwa dafür gesorgt, dass Daten vorsorglich ausgelagert werden, wäre dies ohne richterlichen Beschluss kaum rechtmäßig. Zu dem Zeitpunkt, als der Dienstleister aber in Mappus Büro Daten sicherte, dürfte der ehemalige Ministerpräsident noch nicht wegen des EnBW-Deals beschuldigt gewesen sein. Es ist also mehr als unwahrscheinlich, dass Ermittler ihre Finger im Spiel hatten.

Ein Staatsanwalt haftet nur für eigene (Grund-)Rechtsverstöße. Von juristischen Fehlern Dritter darf er normalerweise bedenkenlos profitieren. Wenn Mappus jammert, eigentlich dürfte es die Daten gar nicht geben, ist das juristisch also ohne jede Substanz.

Ebenso sein Hinweis, es handele sich auch um private Daten. So what? Bei jeder Hausdurchsuchung sackt die Polizei alle Datenträger ein. Inhaltlich gibt es gar keine Unterscheidung zwischen privaten und geschäftlichen Daten, es sei denn vielleicht, es handelt sich um solche aus der Intimsphäre. Maßgeblich ist im Kern nur, ob die Informationen für den Fall von Bedeutung sind oder nicht.

Gut möglich, dass Mappus vielleicht später mal das Land oder die IT-Firma auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn es eine Datenschutzpanne bei der Erstellung der Sicherungskopien gab. Die Staatsanwaltschaft kann diese Frage aber kalt lassen. Dementsprechend ist auch nicht damit zu rechnen, dass ein Gericht dem ehemaligen Ministerpräsidenten nun zur Seite springt. Und das ist unabhängig davon, ob der Mann mittlerweile in Ungnade gefallen ist oder nicht.

Spiegel online / Welt online

Vielen Dank für den Hinweis

Vor kurzem habe ich von einer Polizeibeamtin erzählt, die sich an die Stelle eines Richters setzt. Jedenfalls erweckt sie im Brief an einen Mandanten den Eindruck, sie könne nicht nur eine erkennungsdienstliche Behandlung (Fingerabdrücke und Fotos) anordnen. Sondern auch eine Speichelprobe, damit das DNA-Muster meines Mandanten in der Wiesbadener Zentralkartei gespeichert werden kann.

Richtig ist, dass man einer Speichel- oder Blutprobe freiwillig zustimmen kann. Aber auch nur schriftlich. Leistet man freiwillig keine Unterschrift, hat die Polizei überhaupt keine eigene Kompetenz, die Probe durchzusetzen. Vielmehr muss ein Richter entscheiden.

Ich habe mich über das Schreiben etwas aufgeregt, weil es dem Bürger eine Pflicht gegenüber der Polizei vorgaukelt, die er so nicht hat. Immerhin fällt die Antwort auf meine Beschwerde versöhnlich aus. Die Polizistin schreibt:

Vielen Dank für den Hinweis. Sie haben Recht, die Entnahme der DNA-Probe ist nicht mit der Anordnung der ED-Behandlung in Verbindung zu setzen. Sie beruht auf freiwilliger Basis und darüber hinaus kann durch mich über die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Amtsgericht ein Beschluss zur Abnahme beantragt werden.

Ich interpretiere die mal so, dass die Beamtin künftig keine Speichelproben mehr “anordnet”.

Besonders erfreulich finde ich aber, dass es sogar in der Sache selbst Bewegung gibt. Nach “erneuter Prüfung” sieht die Polizei nämlich überhaupt keine Notwendigkeit mehr, die DNA meines Mandanten speichern zu lassen. Es wird also auch kein Antrag bei Gericht gestellt.

Und sogar auf die Fotos und Fingerabdrücke, welche die Polizei selbst hätte anordnen dürfen, wird laut dem Schreiben nun ausdrücklich verzichtet.

Noch mehr Polizisten beim Ku Klux Klan

Zwei deutsche Polizisten im Ku Klux Klan. Diese Nachricht löste vor einigen Wochen Bestürzung aus. Bedauerliche Einzelfälle, so lautete die Beschwichtigungsstrategie der verantwortlichen Stellen. So ganz wird sich das womöglich nicht halten lassen. In Verfassungsschutzpapieren soll von mindestens drei weiteren Beamten aus Baden-Württemberg die Rede sein, die sich dem „European White Knights of the Ku Klux Klan“ angeschlossen hatten. Das berichtet die Frankfurter Rundschau.

Quelle für die Informationen soll ein hochkarätiger V-Mann des Verfassungsschutzes sein. “Corelli”, auch als “HJ Tommy” bekannt, gehörte selbst zu den Mitbegründern des europäischen Rassisten-Netzwerks. Nach seinen Berichten hatten neben den bereits bekannten zwei Polizisten mindestens drei weitere Beamte Kontakt zum Ku Klux Klan oder waren sogar dort Mitglied. Unter diesen Polizisten soll auch eine Beamtin aus dem Drogendezernat in Stuttgart gewesen sein.

Bei den nun bekanntgewordenen Fällen wird sich auch die Frage stellen, wie die Polizeiführung darauf reagierte. Die ersten beiden Beamten erhielten immerhin eine Zurechtweisung, die denkbar niedrigste Sanktion bei der Polizei. Sie hatten sich intern damit gerechtfertigt, überhaupt nicht gewusst zu haben, dass der Ku-Klux-Klan rassistisch eingestellt ist.

Die drei weiteren Polizisten sollen laut Frankfurter Rundschau gänzlich unbehelligt geblieben sein. Wahrscheinlich haben sie zu Protokoll gegeben, dass sie den Ku-Klux-Klan mit einem Gesangverein verwechselt haben.

Aber im Ernst: Die Enthüllungen im Rahmen des NSU-Komplexes nehmen von Tag zu Tag neue Dimensionen an. Immer mehr wird deutlich, welche verhängnisvolle Triebkraft die deutschen Geheimdienste in der rechten Szene entwickelten. Man könnte ja auch mal die Frage stellen, wieso es ausgerechnet ein V-Mann ist, der solche Vereine wie den europäischen Ableger des Ku Klux Klan mitgründet. Womöglich sogar mit dem Geld, das ihm der Verfassungsschutz zahlte.

Natürlich kann man sich darauf herausreden, dass die Sachen schon rund zehn Jahre zurückliegen. Ein Trost wäre das aber nur, wenn sicher wäre, dass sich seitdem etwas verbessert hat. Angesichts der täglichen Enthüllungen, die bis in die jüngste Vergangenheit gehen, spricht dafür aber nun gar nichts.

Vielmehr stellt sich die Frage, ob Ausmisten überhaupt noch hilft. Selbst wenn, es dürfte bei den bestehenden Strukturen höchstens bei der Polizei möglich sein, aber nicht mehr beim Verfassungsschutz. Der Laden ist offensichtlich völlig aus dem Ruder gelaufen. Ich persönlich bin deshalb mittlerweile dafür, unsere Demokratie wirklich mal zu schützen – und den Verfassungsschutz aufzulösen. 

Wer hat hier ‘ne Macke?

Die Verkehrsüberwachung in Peine fühlt sich nicht nur für die Straßen zuständig. Sie kontrolliert die Bürger auch im Internet. So liest die Behörde mit, was Facbook-Nutzer auf der Seite “Blitzer Peine” zu sagen haben. Eine 24-Jährige, die via Facebook über eine mobile Radarkontrolle vor einem stationären Blitzer schimpfte, bekam die amtliche Kontrolldichte nun hautnah zu spüren. Der Behördenleiter drohte ihr höchstpersönlich in einem Brief die Vorladung zur medizinisch-psychologischen Untersuchung an.

Offenbar geriet der Blutdruck des Beamten ins Wallen, weil die Frau sich öffentlich über eine mobile Radarfalle ärgerte, die ausgerechnet kurz vor einer stationären Blitzkiste aufgebaut war. Auf Facebook machte sich die Frau wie folgt Luft:

Die spinnen doch ey … ich würde die am liebsten mit eiern beschmeißen … fahre da jeden Tag lang!

Der Landkreis Peine beließ es nicht dabei, die Äußerung zur Kenntnis zu nehmen. Nein, die hauseigene Internetstreife ermittelte offenbar die Adresse der Facebook-Nutzerin, und der Amtsleiter persönlich ließ ihr ein Schreiben zukommen. In dem hieß es unter anderem:

Ihren Äußerungen zufolge verfügen Sie über ein gewisses Maß an Konfliktpotenzial, welches im Straßenverkehr und als Führerin eines Kraftfahrzeugs nicht angebracht ist.

Falls die Frau weiter “auffällig” werde, müsse sie zum Idiotentest. Nachdem Medien diese amtliche Unverschämtheit aufgriffen, ruderte der Landkreis gestern zurück. Der Amtsleiter sei über das Ziel hinausgeschossen, vermeldete die Behörde. Ob der verantwortliche Beamte nun wegen seines schriftlich offenbarten Konfliktpotenzials selbst zur medizinisch-psychologischen Untersuchung geladen wird, wurde leider nicht gesagt.

Allerdings bleibt die Behörde dabei, dass ihre grundsätzliche Linie richtig ist. Wenn auf “Blitzer Peine” Beleidigungen oder gar Aufrufe zu Gewalt gegen Sachen zu lesen seien, würden die entsprechenden Facebook-Nutzer tatsächlich mit einem Idiotentest bedroht. Dass ein Straßenverkehrsamt sich für Äußerungen im Internet zuständig fühlt, die aller Wahrscheinlichkeit nicht am Steuer eines Wagens getippt wurden, befremdet mittlerweile sogar den niedersächsischen Verkehrsminister Jörg Bode. Dieser will sich die peinliche Praxis näher ansehen, denn:

Das ist schon ein Ding. Wir leben Gott sei Dank in einem freien Land, in dem jeder seine Meinung frei äußern darf.

Bericht in der HAZ