Die Weihnachtsgeschichte für Juristen

Bezugnehmend auf die aktuelle Jahreszeit und die damit in Verbindung stehende in Kürze sich ereignende Festlichkeit christlichen Ursprungs, stellt sich der Hergang der Ereignisse des 24. Dezembers im Jahre 0 unseres Erachtens nach wie folgt dar:

Kaiser Augustus, in Ausübung seiner Amtspflicht als legitime Legislativ- und Exekutivkraft, beschloss die zeitnahe Durchführung eines Zensus innerhalb des Gebietes seines Herrschaftsanspruches. Eine Anfechtung dieses verwaltungsrechtlichen Beschlusses war eingedenk des Alleinvertretungsanspruches für die Exekutivgewalt seitens des Kaisers A. nicht justiziabel, ebenso war ein Antrag auf Aufschiebung der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen am Geburtsort, beispielsweise aus als gewichtig zu wertenden persönlichen Umständen, aufgrund der hierzu fehlenden verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten als mit nur äußerst geringen Erfolgsaussichten zu bewerten.

In direkter Bezugnahme auf die ergangene Beschlussfassung seitens des Kaisers A., begaben sich somit Maria und Lebensgefährte Josef, welche sich in einer eheähnlichen Gemeinschaft (vgl. § 20 SGB XII) und durch eine beidseitig abgegebene Willenserklärung zur Eheschließung gemäß §§ 1297 ff. BGB bereits in einem Verlöbnis befanden, an den standesamtlich aktenkundigen Geburtsort des J., die Gemeinde Bethlehem.

M. befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Endphase ihrer Gravidität (beweisbar durch einzuholendes Sachverständigengutachten) und ein zeitnaher Beginn des Gebärvorganges war daher zu erwarten. Für M.s Gravidität war gemäß Zeugnis des Herrn Gabriel, hauptberuflich tätig als Engel und in dieser Eigenschaft betraut mit der Übermittlung von göttlichen Mitteilungen, nicht eine Beiwohnung durch Herrn J. ursächlich, vielmehr handele es sich um ein sakrales Phänomen, das aufgrund seiner Natur einmalig bleiben würde.

Inwieweit diese Version der Geschehnisse, welche zur Zeugung des noch ungeborenen Kindes Jesus geführt haben sollen, der allgemeinen Lebenswirklichkeit entspricht, braucht an dieser Stelle nicht näher erörtert zu werden, da J. zu diesem Zeitpunkt bereits rechtsverbindlich die Vaterschaft gemäß § 1594 BGB Abs. 4 präpartal anerkannt hatte.

Vor Ort suchte J. nun mehrere Betreiber ortsansässiger Beherbergungsunternehmen auf, zwecks Erlangung einer Übernachtungsmöglichkeit für sich und M., auch und gerade in Hinblick auf die sich in absehbarer Zeit in einer Entbindung befindliche M.

Sämtliche von ihm mittels einer invitatio ad offerendum zur Angebotsabgabe animierten Beherbergungsunternehmer konnten oder wollten jedoch kein derartiges Angebot über ein zeitlich auf eine Nacht begrenztes Mietverhältnis für eine Übernachtungsmöglichkeit abgeben und begründeten dies mit der Voll- bzw. Überbelegung ihres jeweiligen Beherbergungsbetriebes.

Ein etwaiger Verstoß gegen die Art. 3 und Art. 6 Abs. 4 GG kann den Herbergsbetreibern zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr nachgewiesen werden, zumal eine tatsächliche Voll- oder Überbelegung der Beherbergungsbetriebe nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Im Bestreben eine Lösung für die aufgrund des körperlichen Zustandes der M. als Notlage zu klassifizierende Situation zu finden, entschieden sich die Verlobten in ein nahegelegenes, landwirtschaftlich zum Zwecke der Nutzviehhaltung verwendetes Bauwerk auch ohne Einverständnis des Eigentümers zwecks Aufenthalt in der folgenden Nachtzeit und ggf. auch zur Durchführung des Gebärvorganges seitens Frau. M.s einzudringen.

Aufgrund fehlender Sicherungsmaßnahmen desselben und der Unmöglichkeit, innerhalb einer angemessenen Frist Rücksprache mit dem Eigentümer des Bauwerkes zu halten, geschah der Zutritt zu diesem Gebäude ohne Rücksprache mit dem oder Kenntnisnahme seitens des Eigentümers, zumal auch eine fernmündliche Konsultation des Gebäudeeigners aufgrund der zum Tatzeitpunkt eingeschränkten Telekommunikationsmöglichkeiten nicht praktikabel war.

Hierzu sei auch erklärt, dass die fehlenden Sicherungsvorrichtungen für das Nutzgebäude, auch aufgrund der akuten Notlage, in der sich M. und J. subjektiv und objektiv (im Zweifel belegbar über ein einzuholendes Sachverständigengutachten) befanden, als mutmaßliches Einverständnis des Gebäudeeigentümers zur sachfremden Verwendung des Gebäudes als behelfsmäßige Beherbergungsmöglichkeit für den Zeitraum bis zum folgenden Tage interpretiert werden könnte; in diesem Falle wäre auch zu prüfen, ob J. sich im Sinne einer Geschäftsführung ohne Auftrag im Namen des Gebäudeeigners selbst die Gestattung zum Zutritt erteilen konnte.

Hilfsweise erklären wir für den Fall einer eventuellen Anklageerhebung gegen J. wegen Verstoßes gegen § 123 StGB (Hausfriedensbruch), dass dieses Vergehen gemäß § 34 StGB aufgrund eines rechtfertigenden Notstandes unseres Erachtens nach straffrei zu bleiben hat. Es wäre ohnehin genau zu prüfen, ob überhaupt noch ein Strafantragsberechtigter lebt. Ein öffentliches Interesse an der Verfolgung als Antragsersatz scheidet von Gesetzes wegen aus. Überdies dürfte die noch heute erhebliche Beliebtheit von M. und den beiden J.s insbesondere zur Weihnachtszeit in weiten Teilen der Bevölkerung zu berücksichtigen sein. 

Schon kurz nach erfolgtem Betreten besagten Viehhaltungsnutzgebäudes durch M. und J. (s.o.) setzen bei M. Presswehen ein, welche den Beginn des Gebärvorganges somit irreversibel einleiteten. Trotz der widrigen Umstände konnte die Niederkunft der M. zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden, so dass M. und J. den Neonaten sogleich nach erfolgten geburtsnachbereitenden Maßnahmen zwecks Sicherstellung des für das Kind lebenswichtigen Wärmeerhalts in eine sich vor Ort befindliche Krippe verbrachten.

Trotz der aufgrund der Defäkationsvorgänge auf das sich auf dem Boden als Einstreu verwendete Strohmaterial durch das im Nutzviehunterkunftsgebäude untergebrachte Nutzvieh mangelhaften hygienischen Umstände, ist in diesem Falle des Verbringens eines Neugeborenen in eine Nutzviehfütterungsvorrichtung selbstverständlich auch nicht auf eine Kindswohlgefährdung durch M. und J. zu erkennen, da zu der Unterbringung des Neonaten in besagter Futterkrippe keine praktikable Alternative durchführbar war, zumal die medizinische Versorgung zum Zeitpunkt der dargestellten Sachverhalte als sich noch nicht auf heutigem Niveau befindlich beurteilt werden muss.

Zeitgleich zu den soeben dargestellten Sachverhalten befanden sich unweit der zweckentfremdeten Nutzviehunterkunft einige im Agrargewerbe als Hilfsarbeiter beschäftigte Personen, welche von ihrem Dienstherren mit der Beaufsichtigung einer Herde Hausschafe der Gattung Ovis orientalis aries betraut waren. Diese berichteten später übereinstimmend, dass ihnen eine sich im Flug befindliche, als Engel erscheinende Person am Himmel erschien, welche den Angesprochenen unaufgefordert mitteilte, dass ihnen ein König geboren worden sei, den (und auch seinen leiblichen Vater) es zu huldigen gelte.

Dass diese Äußerung bereits den Tatbestand des § 132a StGB (Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen) erfüllt, wird unsererseits vehement bestritten, zumal diese Äußerung inzwischen im Rahmen eines gesellschaftlichen Konsens von weiten Teilen der Bevölkerung als der Wahrheit entsprechend empfunden wird.

Aufgrund dieser Mitteilung verließen die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Hilfsarbeitskräfte des Nutzviehhalters ihren Arbeitsort ohne vorherige Rücksprache mit ihrem Dienstherren. Ob dieser im Nachgang auf arbeitsrechtliche Konsequenzen, deren Ergreifung ihm aufgrund der Pflichtverletzung seiner Angestellten de jure zweifelsfrei zugestanden hätten, verzichtete, ist nach derzeitigem, diesseitigen Kenntnisstand als nicht im Rahmen dieses Sachverhaltsberichts tradiert anzusehen.

Besagte Arbeitnehmer trafen kurz nach Entgegennahme der Botschaft durch die von Herrn Gott als Boten bestellte Person am durch M. und J. als Übernachtungsmöglichkeit verwendeten Bauwerk ein. Nachdem sie sich von der tatsächlichen Existenz des vom Mitteilungsüberbringer angekündigten zukünftigen Würdenträgers überzeugen konnten, erstatteten sie den Umstehenden Bericht von ihren Erlebnissen und kehrten anschließend an den Ort ihrer Arbeitsausübung zurück.

In der Annahme, dass es sich bei dem Neugeborenen um den „Retter der Welt“, „Messias“ bzw. „Heiland“ handele, begannen die besagten Personen mit rituellen Lobpreisungshandlungen zugunsten des Herrn Gott. Die Bezeichnung des Neugeborenen als beispielsweise „Retter der Welt“ ist unserer Rechtsauffassung nach nicht als Amtsanmaßung im Sinne des § 132 StGB zu werten, sondern als Äußerung der persönlichen Ansichten im Sinne der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs.1 GG; die kultischen Huldigungshandlungen zum Vorteil des Herrn G. sind durch die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG sowieso nicht justiziabel.

Auch ein Verstoß gegen die Pflichten als Arbeitnehmer ist in dieser Hinsicht nicht zu bejahen, da eine Durchführung von Huldigungs- und Lobpreisungsäußerungen den korrekten Ablauf der Beaufsichtigung der Hausschafsherde nicht beeinträchtigt und somit die geschuldete Arbeitsleistung seitens der Arbeitnehmer unserer Auffassung nach auch in dieser Situation vollumfänglich geleistet wurde. Für den Fall, dass es vorinstanzlich zu einer andersgearteten Bewertung kommen sollte, erklären wir bereits jetzt, das wir durchaus willens und bereit sind, gegen ein hierauf eventuell gründendes Urteil Rechtsmittel in Form von Revision oder Berufung einzulegen, da in Anbetracht der unserer Rechtsauffassung nach sehr eindeutigen Regelung in Art. 4 Abs. 1 GG mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Verböserung des erstinstanzlichen Urteilspruches gerechnet werden muß.

M. und J. wurden in Folge auch von drei ausländischen Würdenträgern aufgesucht, deren etwaige Rechtsverstöße an dieser Stelle jedoch nicht näher betrachtet werden müssen, da diese Herren als durch die diplomatische Immunität geschützt angesehen werden. Ihren Aussagen folgend, seien sie einem spontan aufgetretenen astronomischen Phänomen in Form eines neu aufgegangenen Sternes gefolgt, welcher ihnen den Weg gewiesen habe.

Diese Äußerungen sind nach unserem Kenntnisstand nicht wissenschaftlich fundiert und widersprechen auch der allgemeinen Lebenswirklichkeit, so das wir hier ein Ermittlungsverfahren gegen die fremdländischen Regierungsvertreter wegen eines eventuellen Verstoßes gegen das BtMG, der der Wahrnehmung eines solchen astronomisch nicht belegbaren Himmelskörpers Erklärung verschaffen würde, anregen würden, wenn diese Diplomaten denn nicht durch die ihnen garantierte Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt wären.

Des Weiteren wird für den Fall des Nachweises der tatsächlichen Existenz dieses astronomischen Himmelskörpers bestritten, daß dieser gemäß § 315 StGB Abs. 1 S.1 Nr. 2 (Gefährlicher Eingriff in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr) als Hindernis zu werten ist, da dieser sich schon dem Anscheinsbeweis nach zu hoch am Himmel befindlich ist, um eine Gefährdung des Luftfahrtverkehrs darzustellen, der zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Himmelskörpers nachweislich sowieso noch nicht erfunden war.

Es kam zu einer Schenkung gemäß § 516 Abs. 1 BGB durch die nicht einheimischen Potentaten zugunsten des neugeborenen Jesus, der jedoch aufgrund seiner altersbedingten Geschäftsunfähigkeit aufgrund des noch nicht vollendeten siebten Lebensjahres (vgl. §§ 104 S.1 und 106 BGB) die Annahme dieser Schenkungen nicht gemäß § 516 Abs. 2 S. 1 erklären konnte, so dass seine Eltern dies für ihn taten (gemäß § 1629 Abs.1 S.1 und 2 BGB). Hilfsweise wird die stillschweigende Annahme der Schenkung durch Nichtabgabe einer Ablehnung gemäß § 516 Abs. 2 S. 2 angeführt.

Es handelte sich bei den übereigneten Vermögenswerten im Einzelnen um eine beträchtliche Menge des Edelmetalls Gold, sowie Räucherwaren in Form von Weihrauch und Myrrhe. Diese Schenkung hat in Übereinstimmung mit dem ErbStG steuerfrei zu bleiben, da der steuerfrei zu bleibende Freibetrag für das Kind noch nicht überschritten war.

Abschließend beschuldigen wir Sie, werter Leser, der Kenntnisnahme dieses Sachverhaltsberichtes, ggf. sogar unter Äußerung diverser Laute der Belustigung, und halten hierfür die besinnliche und frohe Begehung des Weihnachtsfestes im Rahmen Ihrer Angehörigen für Tat, Schuld und dem Anlass angemessen.

Ein Gastbeitrag von rubinsegeberg@gmx.de