Kein generelles Hausverbot gegen Postboten

Ein Grundstückseigentümer kann Zustelldiensten wie der Post nicht einfach Hausverbot erteilen. Er muss vielmehr einen plausiblen Grund haben, wenn er Briefträger am Betreten seines Grundstücks hindern will. Das hat das Amtsgericht Gummersbach entschieden.

Ein Hausbesitzer hatte sich daran gestört, dass ihm Post zugestellt wird. Warum, ist nicht bekannt. Aber sein Ärger war so groß, dass er gegenüber der Post ein generelles Hausverbot aussprach. Die Bediensteten der Post hielten sich aber nicht daran, sondern warfen weiter Briefe bei ihm ein.

Das Amtsgericht Gummersbach musste nun klären, wie weit das Eigentumsrecht reicht. Es entschied gegen den Betroffenen, weil dieser nach Auffassung des Gerichts sein Recht zu sehr strapaziert. Die Post sei nämlich gesetzlich verpflichtet, Sendungen ordnungsgemäß zuzustellen. Deshalb komme ein Hausverbot nur in Betracht, wenn es wirklich zu ernsthaften Problemen mit dem Postboten gekommen ist.

Der Kläger hatte aber selbst gar nicht behauptet, dass sich sein Postbote falsch verhalten hat.

Amtsgericht Gummersbach, Urteil vom 12. April 2013, Aktenzeichen 11 C 495/12

Lebensmittelpranger in NRW vorerst am Ende

Die nordrhein-westfälischen Behörden dürfen mangelhafte Hygiene in Betrieben derzeit nicht online anprangern. Das Oberverwaltungsgericht Münster gab in letzter Instanz einer Bäckerei recht, die gegen ihre Nennung im Internet geklagt hatte.

Auf der Seite “Lebensmitteltransparenz.nrw.de” konnten Ämter aus ganz Nordrhein-Westfalen aktuelle Meldungen über schlechte Hygieneverhältnisse und die Überschreitung von Grenzwerten in Lebensmittelbetrieben, Gaststätten, Bäckereien und anderen Firmen veröffentlichen.

Die Städteregion Aachen hatte im Oktober 2012 in einer Bäckerei zahlreiche Hygienemängel festgestellt; im Kreis Mettmann ergaben sich im Dezember 2012 Verstöße gegen Hygienevorschriften in einer Gaststätte; ebenfalls im Oktober 2012 ermittelte der Märkische Kreis, dass in einem lebensmittelverarbeitenden Betrieb der zulässige Grenzwert für einen Lebensmittelzusatzstoff überschritten wurde.

Alle drei Firmen kriegten daraufhin die Information, dass die Öffentlichkeit auf dem Lebensmittelpranger über die Mängel informiert werde, und zwar unter Nennung der Firmendaten. Das sollte nach dem Willen der Ämter auch geschehen, obwohl die Firmen die meisten Mängel selbst abgestellt hatten.

Um dies zu verhindern, beantragten die drei Unternehmen bei den Verwaltungsgerichten einstweilige Anordnungen. Sie bekamen jeweils in der Sache recht. Jetzt entschied auch das Oberverwaltungsgericht Münster gegen die Behörden – und zwar in letzter Instanz.

Der Hygienpranger ist nach Auffassung der Richter so nicht zulässig. Er verletze die Rechte der Unternehmen auf informationelle Selbstbestimmung. Derzeit gebe es nämlich keine ausreichende Grundlage, um die Firmennamen online zu nennen.

Dabei halten die Richter die Idee des Prangers gar nicht für grundsätzlich unzulässig. Sie monieren im Kern lediglich, dass es keine verbindlichen Vorgaben für die Dauer der Veröffentlichung gibt. Nach einer angemessenen Frist müssten die Daten wieder gelöscht werden, um die Firmen nicht in ihrer Existenz zu gefährden.

Das NRW-Verbraucherministerium hat bereits erklärt, dass die Vorschriften nach Möglichkeit nachgebessert werden. Eine Mitschuld an der juristischen Niederlage gibt Nordrhein-Westfalen Bundesverbraucherministerin Aigner. Diese mache stets große Ankündigungen, die von ihr erlassenen Rahmenvorschriften seien aber oft mangelhaft.

Oberverwaltungsgericht Münster, Beschlüsse vom 24. April 2013, Aktenzeichen 13 B 192/12, 13 B 215/13, 13 B 238/13

Hätte ich besser nichts gesagt…

Schon sehr lange fuhr ein Mann aus dem bayerischen Pocking Auto. Problem: Er hat seit mindestens 56 Jahren keinen Führerschein.

Es war allerdings kein Fahrfehler oder gar ein Unfall, der die Beamten auf die Spur brachte. Vielmehr führte ein anonymer Hinweis die Beamten zum Haus des Betroffenen. Wie es der Zufall will, wollte der Rentner gerade mit dem Auto wegfahren.

Ebenso alltäglich wie die Geschichte ist der Fehler, den der Mann gemacht hat. Ich meine nicht das Fahren ohne Fahrerlaubnis, das ist offensichtlich.

Vielmehr hat der Betroffene den Polizisten an Ort und Stelle bereitwillig Auskunft gegeben. Dabei räumte er selbst ein, all die Zeit Auto gefahren zu sein. Hätte der Mann von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, würde es womöglich gar nicht leicht fallen, ihm mehr als die eine Fahrt mit dem Auto nachzuweisen.

Immerhin war das Auto sogar auf seine Frau zugelassen. Die muss mit Sicherheit auch nicht sagen, wie oft sie ihren Mann ans Steuer gelassen hat. Wenn sie von den Eskapaden ihres Gatten wusste, ist die Fahrzeugüberlassung strafbar und sie kann jede Aussage verweigern. Unabhängig davon steht ihr auf jeden Fall das Aussageverweigerungsrecht eines Angehörigen zu. Das läuft im Ergebnis auf das Gleiche raus.

Natürlich kann man sich gegebenenfalls darüber ärgern, wenn jemand auf diesen Weg den Kopf aus der Schlinge zieht. Allerdings ist das halt das gute Recht jedes Beschuldigten. Jetzt kann der Mann wohl eher nur noch darauf hoffen, dass ihn die Beamten über seine Rechte nicht oder unvollständig belehrt haben. Dann sind seine voreiligen Angaben vielleicht unverwertbar.

Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

Bericht in der Passauer Neuen Presse

Mehr Dope

Ab und an habe ich Gelegenheit, meine Mandanten ins Staunen zu bringen. Wenn beim Auftraggeber zum Beispiel Rauchwaren beschlagnahmt wurden, ist die festgestellte Menge natürlich von höchstem Interesse. Mitunter ist der Mandant dann schwer irritiert, wenn ich mit ihm das Sicherungsstellungsprotokoll durchgehe.

“Bei Ihnen wurden laut Ermittlungsakte 23,4 Gramm gefunden. Hier steht’s…”

“23,4 Gramm? Das waren aber 35 Gramm. Mindestens.”

Natürlich liegt es in solchen Fällen nahe, dass sich der Mandant vertut. Oder seine digitale Feinwaage. Vielleicht hat ihn auch sein Lieferant betuppt. Andere Möglichkeiten kommen mir jedenfalls kaum in den Sinn. Wiegefehler wären vielleicht noch eine Möglichkeit, drängen sich aber nicht auf. Eine deutsche Polizeidienststelle hat vielleicht nicht unbedingt Internet, aber zum Wiegen sichergestellter Drogen reicht das Equipment in aller Regel aus.

Die meisten Mandanten freuen sich natürlich, dass einige Gramm fehlen. Aus welchen Gründen auch immer. Diejenigen, die nicht so schnell schalten, sich tatsächlich aufregen und vielleicht sogar die beteiligten Polizisten anzeigen wollen, beruhige ich schon.

Ich erkläre ihnen, dass es wenig sinnvoll ist, das festgestellte Gesamtgewicht anzuzweifeln, so lange es niedriger ist als erwartet. Zum einen steht es schwarz auf weiß im Protokoll. Außerdem ist es natürlich nicht sinnvoll, sich strafrechtlich ohne Not noch mal 10 oder 15 Gramm ans Bein zu binden. Am Ende kommt noch eine “nicht geringe Menge” raus, für die man sich ein Schüppchen mehr abholt. Außerdem macht es sich erfahrungsgemäß nicht gut, von möglichen strafbaren Handlungen durch Amtspersonen zu sprechen, wenn man sie nicht beweisen kann. Da wird ja gleich die nächste Akte angelegt.  

In den, wie gesagt, ganz, ganz wenigen Fällen, in denen so was vorkommt, lautet das Ergebnis unserer Besprechung immer: Wir erwähnen den möglichen Schwund nicht, sondern sehen das Ergebnis als glückliche Fügung. Eine Win-Win-Situation also, bei der am Ende nur offenbleibt, wo der zweite Win entstanden ist.

Mit zu wenig Gras habe ich also gewisse Erfahrung. Neu war für mich nun ein Fall, in dem sich die beschlagnahmten weichen Drogen vermehrt haben. Laut Protokoll hatte die Polizei bei einer Verkehrskontrolle den Rucksack meines Mandanten durchsucht. Gefunden wurde folgendes:

48,8 Gramm in einer Plastikbox

19,8 Gram in einem Griptütchen

11,8 Gramm in einem Griptütchen.

Das macht 80,4 Gramm. So stand es im Protokoll, das die Polizeibeamten angefertigt haben. In der Asservatenliste tauchten die gleichen Zahlen auf.

Umso verwunderter war ich, dass die Anklageschrift meinem Mandanten nun den Besitz von 105,74 Gramm Marihuana zur Last legt. Das ist nämlich die Menge, die beim Landeskriminalamt gewogen und wieder an die Polizei zurückgeschickt wurde. So steht es jedenfalls im Protokoll, das der Sachverständige im Drogenlabor ausgefüllt hat.

Wo die wundersame Drogenvermehrung stattgefunden hat, ist aus meiner Sicht völlig unklar. Aus der Ermittlungsakte ergibt sich aber immerhin, dass die Betäubungsmittel noch über den Schreibtisch eines Dritten gegangen sind, der bei der Durchsuchung gar nicht dabei war. Weggeschickt hat die Drogen laut offiziellem Vermerk nämlich ein bis dahin unbeteiligter Drogenfahnder

Aus meiner Sicht spricht einiges dafür, dass was verwechselt wurde. Wer schon mal auf einem Polizeipräsidium war, weiß, dass die Beamten sich natürlich Mühe geben, die Beweismittel sauber zu katalogisieren und zu verwalten. Allerdings sind das keine Vorgänge, die nach einer DIN-Norm passieren – um es mal vorsichtig zu sagen. Ich könnte jedenfalls aus dem Stand eine beachtliche Menge Kommissariate aufzählen, in denen – teilweise auch aus räumlicher Not geboren – eher rustikal mit Beweismitteln umgegangen wird.

Den zuständige Staatsanwalt scheint die wundersame Drogenvermehrung allerdings weniger zu verwirren. Er behauptet in der Anklageschrift lapidar, die Polizeibeamten vor Ort müssten halt falsch gewogen oder sich verschrieben haben. Das ergebe sich ja daraus, dass die Beweismittel ansonsten sauber aufgelistet seien.

Letztlich, so der Staatsanwalt, stimme insbesondere die akkurate Beschreibung des Verpackungsmaterials. Das finde ich besonders interessant. Erinnern wir uns daran, was im Protokoll steht: “Griptütchen”. Eine echt seltene Sache, zumal in Asservatenkammern.

Ich würde über die bestechende Beweisführung gern lachen, aber die Sache hat einen zu ernsten Hintergrund. Die 105,74 Gramm sind juristisch eine nicht geringe Menge. Dafür kann mein Mandant in den Knast gehen. Die ursprüngliche Menge von 80,4 Gramm liegt dagegen unter dem Grenzwert. Da dürfte es eher auf eine Geldstrafe oder zumindest Bewährung hinauslaufen.

Das wird also voraussichtlich eine spannende Gerichtsverhandlung. Beim nächsten Mal habe ich übrigens für Mandanten eine Erklärung mehr, wo das eine oder andere Gramm abhanden gekommen sein könnte. Von einer Win-Win-Situation kann man dann allerdings nicht mehr sprechen.

Arm oder Täter

Die Staatsanwaltschaft hat extra einen Gutachter beauftragt. Der Experte, immerhin ein Informatik-Professor, wertete die Hardware meines Mandanten aus. Er kam zu einem recht eindeutigen Ergebnis:

Auf den untersuchten Beweismitteln wurde weder Bild- noch Videodateien mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten gefunden. … Es gibt keine konkreten Hinweise auf den Empfang und das zur Verfügung stellen von Bild- und Videodateien mit kinderpornografischen Inhalten.

Als “belastend” können höchstens folgende Umstände gewertet werden:

– Die IP-Adresse meines Mandanten soll bei einer Internetüberwachung aufgefallen sein. Allerdings konnte lediglich der wenige Sekunden dauernde Teilupload einer Datei über die IP-Adresse dokumentiert werden.

– Mein Mandant besitzt eine SD-Karte, die verschlüsselt ist und von der Polizei nicht gelesen werden kann.

Auch dem zuständigen Staatsanwalt und dem Gericht ist natürlich bekannt, dass die IP-Adresse also solche nichts darüber sagt, wer über den Anschluss online war. Die Möglichkeit, dass Mitbewohner, Besucher oder auch WLAN-Hacker den Upload gemacht haben, liegt ja auch nicht gerade fern.

Auch ein verschlüsselter Datenträger ist kein tragfähiges Indiz für eine Straftat. So lange nicht klar ist, was sich auf der SD-Karte befindet, kann jedenfalls nicht einfach so vermutet werden, es handele sich um strafbares Material.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschuldigte sein Passwort nicht verrät. Das ist sein gutes Recht.

Dennoch hat die Staatsanwaltschaft nun einen Strafbefehl beantragt. Der zuständige Amtsrichter hat ihn abgenickt. Das ist an sich nicht bemerkenswert. So was ist man als Strafverteidiger gewöhnt.

Interessant ist allerdings, dass es bei einer Geldstrafe bleiben soll, und zwar bei einer auffällig niedrigen. Das ist auf der einen Seite erfreulich, denn bei solchen Vorwürfen geht heute regelmäßig nichts mehr im Geldstrafenbereich. Wir reden da eher über Haftstrafen und streiten manchmal sogar, ob diese Strafen noch bewährungsfähig sein können.

Aber gerade deswegen erscheint mir der Strafbefehl fragwürdig. Es sieht so aus, als habe der Staatsanwaltschaft schon gesehen, dass er am Ende aller Voraussicht nach nichts beweisen kann. Statt jedoch das Verfahren einzustellen, macht er halt ein Angebot, das der Angeklagte womöglich nicht ablehnen kann.

Der Betroffene muss jetzt nämlich überlegen, ob er mit einem “blauen Auge” davon zieht – selbst wenn er in Wirklichkeit unschuldig ist. Ein Prozess kostet Zeit und auch eine Stange Geld. Vor allem wenn er durch die Instanzen geht.

Außerdem weiß natürlich niemand, ob es am Ende nicht noch schlimmer wird. Sollte es doch zu einer Verurteilung in einer Hauptverhandlung kommen, wäre der Richter vor allem nicht mehr an die Strafe gebunden, die er im Strafbefehl verhängt hat. Er kann, im Rahmen seiner Möglichkeiten, auch deutlich höher gehen. Außerdem wäre eine härtere Strafe auch im Führungszeugnis ersichtlich. Keine schöne Aussicht für jemanden, der sich demnächst auf Stellen bewerben will.

Keine einfache Situation für meinen Mandanten. Und ein Beispiel dafür, wie jemand womöglich am Ende als Straftäter da steht, obwohl er in Wirklichkeit unschuldig ist.

Auf der Suche nach Conni

Der Buchhandel, darüber ist wohl nicht zu diskutieren, erfährt in den letzten Jahren einen dramatischen Bedeutungsverlust.

Da ist zunächst das Internet, in dem sich Wissen leichter als jemals zuvor recherchieren lässt. Und zwar – jedenfalls bei Fachbüchern – mitunter auch gleich andere Quellen, die den gedruckten Inhalt ersetzen. Wikipedia ist nur das herausragende Beispiel.

Geht es wirklich nicht ohne Buch, ist es jedenfalls nicht mehr nötig, erst bei einer Fachkraft im stationären Handel vorzusprechen und darauf zu hoffen, dass sie in Geheimkatalogen genau das Richtige findet (was man dann regelmäßig erst nach dem Kauf prüfen kann). Die Verzeichnisse, in denen der Buchhändler nachschaut, sind längst ebenfalls online zugänglich.

Zudem bietet der Schwarm unzähliger Berufs- und Hobbyrezensenten im Internet selbst dem enzyklopädischen Wissen des hervorragend ausgebildeten Buchhändlers im Laden um die Ecke Paroli. Natürlich kann man heutzutage auch mal die Erfahrung machen, dass dass Personal sich wirklich gut mit der Spiegel-Bestseller-Liste auskennt. Jedenfalls mit den ersten zehn Plätzen. Was natürlich zumindest in den Fällen völlig reicht, wenn man auf die Schnelle ein Geburtstagsgeschenk benötigt.

Und dann ist da noch die wirtschaftliche Bedrohung durch die Online-Shops, vor allem Amazon. Dazu gehört auch die absehbare, allerdings selbst erarbeitete Dominanz von Amazon auf dem E-Book-Markt. Zweifellos alles sehr bedrohlich. Reden sollte man allerdings über die Art und Weise, mit der Teile des Buchhandels anscheinend in die Überlebensschlacht ziehen wollen.

Nun wurde bekannt, dass der Carlsen Verlag ein Buch seiner erfolgreichen “Conni”-Reihe ändert, weil es Gegenwind aus dem Buchhandel gibt. Im Band "Mein Leben, die Liebe und der ganze Rest” kriegt die Protagonistin von einer Freundin einen Amazon-Gutschein geschenkt, den sie online einlösen kann. Nach – offenbar nicht nur belanglosen – Protesten aus dem Buchhandel hat sich die Autorin nach Angaben ihres Verlages entschlossen, den Text in der nächsten Auflage zu ändern. Freiwillig, wie man betont. Conni kriegt in der Neuauflage nur noch einen “Geschenkgutschein”, von online oder gar Amazon ist nicht mehr die Rede.

Ich persönlich ging bisher davon aus, der Buchhandel beziehe sein Selbstverständnis zu einem guten Teil daraus, für Vielfalt und insbesondere Meinungsfreiheit zu stehen. Von einem g-u-t-e-n Buchhändler erwarte ich eigentlich, dass er mir alles besorgt, was nicht auf dem Index steht. Von ihm erwarte ich aber insbesondere nicht, dass er beleidigt Boykott ruft, wenn aus seiner subjektiven Sicht die Shoppingsitten der Jugend zu verderben drohen.

Neulich sollen Buchhändler sich übrigens auch mokiert haben, weil ein öffentlich-rechtliches Geldinstitut drei Amazon-Kindle verloste. Ich muss echt mal wieder in den Buchladen um die Ecke gehen und sondieren, wie schlimm die Lage wirklich ist. Vielleicht verkauft mir ein echter Freigeist ja doch noch ein Exemplar des absolut freiwillig und ohne jeden Druck zensierten “Conni”-Bandes, auch wenn ihn Buchhändler ab sofort kostenlos retournieren können. Vielleicht wird es ja mal wertvoll.

Bücher wegen ihres Inhalts einstampfen lassen. Liebe Buchhändler, ihr merkt es selbst.

Hoeneß und die 50.000-Euro-Grenze

Im Fall Uli Hoeneß wird viel spekuliert. Vor allem auch, weil so manches eher nicht zusammen zu passen scheint. So ist es eher ungewöhnlich, dass gegen jemanden, der eine strafbefreiende Selbstanzeige gemacht hat, noch ein Haftbefehl ergeht. Und dass dieser Haftbefehl dann auch noch gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wird.

Um auch hier ein wenig zu spekulieren, nenne ich zwei Aspekte, auf denen die Zurückhaltung der Strafverfolger bei Hoeneß Selbstanzeige beruhen kann.

Zum einen ist es möglich, dass Hoeneß die Karten nicht vollständig auf den Tisch gelegt hat. Die Strafverfolger haben seine Angaben sicher überprüft. Womöglich sind sie auf Ungereimtheiten gestoßen und hegen einen weitergehenden Verdacht gegen die Fußballikone. Bevor sich die Diskussion auf das von Hoeneß selbst eingeräumte Schwarzgeldkonto reduzierte, war ja schon von weit höheren Beträgen die Rede.

Ein anderer Aspekt ist, dass strafbefreiende Selbstanzeigen nur noch bis zu einer finanziellen Obergrenze möglich sind. Überschreitet der Schaden einer Tat 50.000 Euro, kann von Gesetzes wegen keine Strafbefreiung eintreten. Die Bundesregierung hat diese Einschränkung erst 2011 ins Gesetz eingefügt. Steuersünden ab solchen Dimensionen sollten nicht mehr “einfach so” erledigt werden können.

Natürlich kann man lange darüber diskkutieren, was nun eine “Tat” im Sinne des Gesetzes ist. Bei den Dimensionen, die bislang bekannt sind, könnte die 50.000-Euro-Grenze aber auf jeden Fall gerissen sein. Was beim Ex-Postchef damals noch leidlich geklappt hat, ist heute zumindest nicht mehr denkbar. Bei Hinterziehungssumen über 50.000 Euro müssen sich also die Gerichte mit den möglichen Verfehlungen beschäftigen – und im Regelfall darüber urteilen.

Es gibt zwar noch die Möglichkeit, dass auch bei Straftaten mit einem Schaden von über 50.000 Euro von der Verfolgung abgesehen wird. Das setzt aber voraus, dass der Steuerschuldner zusätzlich zu den ohnehin fälligen Zahlungen einen weiteren Aufschlag von 5 % der hinterzogenen Steuer zahlt. So lange das aber nicht geschehen ist, steht ein erheblicher Tatverdacht im Raum. Wodurch der Haftbefehl sich dann eigentlich ganz gut erklären würde.

Spezialist contra Fachanwalt

Seit etlichen Jahren gibt es den Titel “Fachanwalt für Familienrecht”. Auch auf anderen Rechtsgebieten können sich Anwälte spezialisieren. Insgesamt gibt es 20 Fachanwaltstitel, vom Agrarrecht bis zum Verwaltungsrecht. Welchen Platz haben daneben Bezeichnungen wie “Spezialist für Familienrecht”, mit denen sich Anwälte mitunter schmücken? Keinen, meint das Oberlandesgericht Karlsruhe. Das Gericht verbot es einem Anwalt, sich als “Spezialist für … “ auszugeben.

Der Anwalt machte geltend, er sei seit 30 Jahren als Familienrechtler tätig. Durchschnittlich bearbeite er 130 familienrechtliche Mandate pro Jahr. Deshalb dürfe er sich durchaus Spezialist für dieses Rechtsgebiet nennen, schon wegen seiner riesigen praktischen Erfahrung. Außerdem sei der Begriff “Spezialist” nur eine Selbsteinschätzung. Das sei eventuellen Mandanten auch klar.

Diese Einschätzung teilt das Oberlandesgericht Karlsruhe jedoch nicht. Der durchschnittliche Verbraucher könne eben nicht klar zwischen Fachanwalt und Spezialist unterscheiden. Er werde deshalb möglicherweise irregeführt, weil er die Bezeichnung “Spezialist” für mindestens ebenso wertig halte wie den Fachanwaltstitel. Fachanwälte müssten aber eine umfassende theoretische Ausbildung (mindestens 120 Stunden) machen, sich jährlich fortbilden und praktische Kenntnisse nachweisen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 01. März 2013, Aktenzeichen  4 U 120/12).

Geprüfter Mehrfachstecker

Die “Prüfung ortsveränderlicher Betriebsmittel” ist etwas, um das kein Unternehmen herumkommt. Vermutlich ernähren die dahinter stehenden Vorschriften ein ganzes Heer von Elektrikern, die sich den ganzen Tag Stecker anschauen. Nach den Arbeitsschutzvorschriften muss in Firmen und Behörden nämlich jedes Teil überprüft werden, das einen Stecker hat. Vom Computer über die Bürokaffeemaschine bis zum simplen Mehrfachstecker muss jedes Elektroteil regelmäßig gecheckt werden. Auch für Gerichtssäle gilt natürlich keine Ausnahme.

Dem scharfen Auge eines Rechtsanwalts ist es nun nicht entgangen, dass die offiziellen Mehrfachstecker, an denen Verfahrensbeteiligte ihre Notebooks einstöpseln können, nicht korrekt geprüft sind. Jedenfalls vermisste er an dem Mehrfachstecker das offizielle Prüfsiegel, welches die Betriebssicherheit des “ortsveränderlichen Betriebsmittels” dokumentiert.

Offenbar sorgte sich der Anwalt tatsächlich um die Sicherheit im Saal oder wenigstens das Wohlergehen seines Notebooks. Denn er rügte in der Gerichtsverhandlung hochoffiziös, der Justiz-Mehrfachstecker, den zu nutzen man ihn ansinne, entspreche nicht den Vorschriften. Der Kollege hatte auch die passende, extrem beeindruckende Normenkette parat. Die umfasste Paragrafen aus dem Arbeitsschutzgesetz und den berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriten .

Maßgeblich, so wissen wir jetzt, ist insbesondere die “BGV A3”. Die Vorschrift definiert ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel als solche, "die während des Betriebs bewegt werden oder die leicht von einem Platz zum anderen gebracht werden können, während sie an den Versorgungsstromkreis angeschlossen wurden." Diese Geräte müssen regelmäßig technisch überprüft werden und ein Siegel erhalten.

Das Gericht reagierte darauf ganz und gar nicht ungehalten. Jedenfalls ließ sich niemand auf der Richterbank was anmerken. Vielmehr wurde für die Mittagspause der Haustechniker angefordert. Der überprüfte – ich war wie alle anderen essen – offenbar alle Mehrfachstecker und verzierte sie mit hübschen Aufklebern.

Darunter war auch der Stecker, den ich vorsorglich immer in der Notebooktasche habe. Den Stecker hatte ich nämlich am Morgen auch an unserem Anwaltstisch eingestöpselt, weil es sonst immer Gerangel um die wenigen offiziellen Steckdosen gibt. Ich besitze jetzt also auch in meinem Arbeitswerkzeug einen Stecker, den ich guten Gewissens mit ins Gericht nehmen kann. Dafür vielen Dank.

Allerdings hoffe ich nicht, dass die Aufschrift “Saal 128”, die der Techniker gleich neben dem Prüfsiegel anbrachte, mich eines Tages als Dieb dastehen lässt.

Warum darf ich mein E-Book nicht verkaufen?

Der Gedanke kam sicher schon vielen E-Book-Lesern. Warum kann ich das für gutes Geld erworbene Werk nicht nach der Lektüre weiter verkaufen – bei gebrauchten Büchern ist das ja auch zulässig. Die Antwort liegt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter. Diese schließen die Weitergabe oder gar den Verkauf ausdrücklich aus. Ob das rechtmäßig ist, musste jetzt das Landgericht Bielefeld entscheiden.

Die Verbraucherzentralen hatten gegen einen E-Book-Anbieter geklagt, in dessen Geschäftsbedingungen folgendes stand:

Im Rahmen dieses Angebotes erwirbt der Kunde das einfache, nicht übertragbare Recht, die angebotenen Titel zum ausschließlich persönlichen Gebrauch gemäß Urheberrechtsgesetz … zu nutzen. Es ist nicht gestattet, die Downloads für …  Dritte zu kopieren, … sie weiterzuverkaufen oder für kommerzielle Zwecke zu nutzen.

Die Verbraucherschützer monieren, dass solche Bedingungen den E-Book-Käufer über Gebühr benachteiligen. Sie berufen sich insbesondere auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Das Gericht hat vor einiger Zeit entschieden, Softwarehersteller dürften den Gebrauchtverkauf ihrer Produkte nicht einfach ausschließen. Das gelte unabhängig davon, ob die Software auf einem Datenträger ist oder heruntergeladen wurde.

An sich ist die Parallele zwischen Software und E-Book offenkundig. Das Landgericht Bielefeld kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Allerdings argumentieren die Richter auf recht fragwürdiger Basis. Sie betonen etwa, ein Kunde wolle E-Books in erster Linie lesen und nutzen, diese aber nicht verkaufen.

Auch die anderen Erwägungen sind eher zielorientiert. So meint das Landgericht Bielefeld, bei einem zulässigen Weiterverkauf von E-Books würde der Anbieter, also in der Regel ein Verlag, nicht mehr am Erlös profitieren. Allerdings könnte man mit diesem Einwand jeden Gebrauchtmarkt strangulieren.

Außerdem zeigen sich die Richter skeptisch, dass E-Book-Käufer tatsächlich ihre eigene Kopie des Werkes löschen, wenn sie es weiterverkaufen. Darin kommt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Verbraucher zum Ausdruck. So hätte auch der Europäische Gerichtshof argumentieren können, als er sich mit gebrauchter Software beschäftigte. Hat er aber nicht.

Es ist also zumindest fraglich, ob höhere Instanzen die Rechtslage ebenso bewerten. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kann jedenfalls in Berufung gehen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat das Urteil begrüßt. Die Buchhändler befürchten nach eigenen Angaben, dass bei einer Freigabe des E-Book-Weiterverkaufs der “Primärmarkt” zusammenbricht.

Lesenswerte Urteilsanalyse bei Rechtsanwalt Sebastian Dosch

Link zum Urteil

Terrordatei muss nachgebessert werden

Der Bundestag hat bei Errichtung der Antiterrordatei den Boden des Grundgesetzes teilweise verlassen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die sogenannten Verbunddateien für die Terrorbekämpfung in einem heute verkündeten Urteil für rechtswidrig.

Allerdings beanstanden die Karlsruher Richter nur einzelne Regelungen. Grundsätzlich halten sie die staatliche Datensammlung bei der Bekämpfung des Terrorismus allerdings für zulässig. Deshalb geben sie dem Gesetzgeber die Möglichkeit, die Antiterrordatei bis Ende 2014 rechtmäßig zu gestalten. Bis dahin gelten die beanstandeten Regelungen weiter.

Gegen die Antiterrordatei, die 2006 eingerichtet wurde, hatte ein ehemaliger Richter geklagt. Derzeit sind nach offiziellen Angaben rund 16.000 Personen erfasst, von denen die wenigsten in Deutschland leben sollen. Die Datensammlung erfasst folgende Lebensumstände:

Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen

Waffenbesitz

Telekommunikations- und Internetdaten

Bankverbindungen und Schließfächer

Schul- und Berufsausbildung – Arbeitsstelle

Familienstand – Religionszugehörigkeit

Verlust von Ausweispapieren

Reisebewegungen und bekannte Aufenthalte an Orten mit terroristischem Hintergrund (bspw. Ausbildungslagern).

Auf die Datei haben 38 Sicherheitsbehörden in Deutschland Zugriff, und zwar sowohl Geheimdienste als auch die Polizei und Staatsanwaltschaften. Alle beteiligten Stellen liefern auch Informationen. An sich sind Geheimdienste und Polizei streng getrennt. Nach dem Vorbild der Antiterrordatei wurden mittlerweile auch andere Datensammlungen angelegt. Diese richten sich zum Beispiel gegen etwa gegen Visamissbrauch und Rechtsextremisten.

Die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts liegt noch nicht vor. Der Beschwerdeführer hatte im wesentlichen gerügt, dass die Datei die bisher praktizierte Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufhebt. Außerdem könnten auch unbescholtene Bürger in die Datei geraten, ohne je davon zu erfahren. Dies werde durch die schwammigen Regelungen des Gesetzes begünstigt.

Wikipedia-Eintrag “Antiterrordatei”

Vorratsdaten durch die Hintertür

Die Telekom wird die Internetflatrate abschaffen. Telekomkunden müssen also für mehr Bandbreite künftig extra zahlen. Oder mit einem lahmen Anschluss leben. Doch die Tarifänderungen werden womöglich auch gravierende Änderungen im Datenschutz mit sich bringen. Für Internetverbindungen droht faktisch eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür.

Wenn die Telekom künftig teilweise Anschlüsse drosselt oder nach Verbrauch extra kassiert, wird sie hierfür Rechnungsdaten benötigen. “Um die Abrechnungsmodalitäten nachzuweisen, müssen Telekom und die nachfolgenden Marktteilnehmer laut Gesetz Abrechnungsdaten aufheben, falls jemand gegen die Rechnung Einspruch erheben will”, schreibt der Kölner Journalist Torsten Kleinz.

Das Gesetz lässt ausdrücklich zu, dass Provider Verbindungsdaten speichern dürfen, sofern sie diese für die Abrechnung benötigen. Mit Einführung der Flatrates hatten sich Kunden  erfolgreich gegen die Datenspeicherung vor Gericht gewehrt. Daraufhin reduzierten die meisten Internetanbieter die Speicherfristen deutlich, etwa im Fall der Telekom von damals 80 auf aktuell 7 Tage.

Eine Rückkehr zu verbrauchsabhängiger Abrechnung würde bedeuten, dass erheblich mehr Verbindungsdaten auf Vorrat lagern. Hierauf können Ermittlungsbehörden natürlich jederzeit zugreifen – auch ganz ohne gesetzliche Vorratsdatenspeicherung.