Vertrauen ist gut…

Opfer einer Hacker-Attacke kann jeder werden. Wird das Nutzerkonto manipuliert, etwa bei ebay, stellt sich eine simple Frage: Wer haftet für den Schaden?

Das Landgericht Gießen lehnt es in einer aktuellen Entscheidung ab, den Inhaber eines ebay-Accounts zur Kasse zu bitten. Der Mann hatte angeblich bei einem anderen ebayer ein Notebook erworben. Der vermeintliche Käufer behauptete allerdings, nichts damit zu tun gehabt zu haben. Sein Account sei gekapert worden.

Das Gericht nahm ihm das ab. Der Kontoinhaber habe belegen können, dass sein Nutzerkonto mit Schadsoftware missbraucht wurde. Der angebliche Käufer hatte nach eigenen Angaben selbst erst von der Sache erfahren, als von seinem Konto Geld abgebucht wurde.

Damit sind wir bei den Besonderheiten des Falles. Der Verkäufer hatte das Notebook zur Abholung angeboten. Bei der persönlichen Übergabe verlangte der Verkäufer allerdings kein Bargeld, sondern ließ sich auf Abbuchung ein. Er vergewisserte sich auch nicht, dass er es tatsächlich mit dem Inhaber des ebay-Kontos zu tun hatte. Der Verkäufer hätte sich, so das Gericht, doch auch den Personalausweis zeigen lassen und auf Barzahlung bestehen können. 

Die Richter kreideten dem Kontoinhaber auch nicht an, dass er nicht sofort den Hack bemerkt hatte. Es gebe keine Pflicht, das eigene E-Mail-Postfach in kurzen Abständen zu prüfen. Demgemäß habe dem Kontoinhaber auch nicht früher auffallen müssen, dass jemand in seinem Namen auf Einkaufstour war (Urteil vom 14. März 2013, Aktenzeichen 1 S 337/12).

Keine Sonderregeln fürs Jobcenter

Auch das Jobcenter muss im Zweifel belegen, dass Schreiben den Leistungsempfänger erreicht haben. Gelingt dies nicht, darf gegen einen Kunden nicht einfach eine Sperrzeit verhängt werden, so das Sozialgericht Karlsruhe in einer aktuellen Entscheidung.

Geklagt hatte eine 30-Jährige, der die Leistungen gekürzt werden sollten. Angeblich hatte das Jobcenter der Frau einen Termin für ein Bewerbungsgespräch geschickt. Diesen Brief hat die Frau jedoch nach eigenen Angaben nie bekommen. Fest steht jedenfalls, dass sie sich nicht in der Firma beworben hat. Deshalb sollte das Arbeitslosengeld II für vier Monate gekürzt werden.

Das Jobcenter argumentierte auf zwei Ebenen. Einmal sei der Brief nicht zurückgekommen, folglich habe die Frau ihn erhalten. Mit dieser simplen Begründung hielt sich das Sozialgericht Karlsruhe nicht lange auf. Es komme bekanntlich schon mal vor, dass auf dem Postweg Briefe verloren gehen. Demgemäß lasse sich nichts daraus herleiten, dass es es keinen Postrückläufer gab.

Auch mit dem zweiten Argument drang das Amt nicht durch. Es berief sich darauf, Verwaltungsakte gälten drei Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt. Diese gesetzliche Zustellungsfiktion hielt das Sozialgericht aber schon gar nicht für anwendbar. Ein Aufforderungsschreiben zur Bewerbung sei nämlich kein Verwaltungsakt. Überdies stehe im Gesetz, dass die Fiktion nicht eingreift, wenn das Schriftstück den Empfänger nicht erreicht hat.

Da der Empfänger kaum beweisen kann, dass er ein Schriftstück nicht erhalten hat, bleibt es nach Auffassung des Gerichts Aufgabe der Arbeitsagentur, den Zugang des Briefes plausibel nachzuweisen. Diesen Beleg gab es aber nicht. Deshalb war die Sperrzeit zu Unrecht verhängt worden.

Gegen das Urteil ist noch Berufung möglich (SG Karlsruhe, Urteil vom 27. März 2013, Aktenzeichen S 12 AS 184/13).

Bitte senden Sie kein Geld!

Mit Ratenzahlung haben wir normalerweise keine Probleme. So lange die Raten in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen, die wir bereits erbracht haben. Allerdings achten wir nach Möglichkeit darauf, die Raten per Lastschrift einziehen zu dürfen.  Da fällt es schneller auf, wenn Mandanten mal mit den Raten “aussetzen”, ohne Bescheid zu sagen.

Bei einem Mandanten habe ich es letztes Jahr anders gemacht. Und siehe da, er belohnt mein Vertrauen jetzt mit üppigen Extrazahlungen. Bereits zum x-ten Mal zahlt er die vereinbarte Rate – obwohl er gar keine Schulden mehr bei uns hat.

Unsere Gebühren sind nämlich mittlerweile bezahlt, die Abschlussrechnung übersandt. Geld kommt trotzdem weiter. Jetzt schreibe ich schon zum dritten Mal an den Mandanten, er möge doch die Zahlungen bitte einstellen. Ich fürchte allerdings, es kommt weiter Geld. Denn aus irgendeinem Grund ist er auch telefonisch nicht erreichbar. War das der, der was von einer Weltreise erzählte?

Natürlich bekommt der Mandant sein Geld zurück, sobald er sich mal meldet und mir Gelegenheit dazu gibt. Allerdings werde ich höflich fragen, ob ich das Geld vielleicht als Spende weiterleiten darf, da er es ja anscheinend nicht braucht. Ich kenne eine kleine, arme Partei, die würde sich freuen.

Drosselung: Verbraucherschützer mahnen Telekom ab

Gegen die Telekom-Drossel bringen Verbraucherschützer das Wettbewerbsrecht in Stellung. Die Verbraucherzentrale NRW hat der Telekom eine Abmahnung geschickt. Sie fordert, dass die geplante Drosselung der Anschlüsse aus den Neuverträgen gestrichen wird. Alternativ soll die Telekom nicht mehr mit “Flatrates” werben dürfen.

Die Verbraucherschützer sehen Kunden benachteiligt, wenn der Internetzugang auf 384 kbit/s gedrosselt werden darf. So steht es in den neuen Telekom-Verträgen, sobald ein bestimmtes Datenvolumen im Monat überschritten wird. Dies bedeutet nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW beispielsweise für VDSL-Kunden ("bis zu 50 MBit/s") eine Reduzierung der Surfgeschwindigkeit um bis zu 99,2 Prozent – und das im Rahmen einer Flatrate.

Die verbleibende Übertragungsrate von 384 kbit/s ist zu gering, um das Internet noch zeitgemäß nutzen zu können. Die Verbraucherzentrale: “Während die Geduld der Kunden bereits beim Aufruf von Internetseiten oder dem Versenden von E-Mails oder Dateien auf eine harte Geduldsprobe gestellt wird, sind manche Online-Dienste praktisch überhaupt nicht mehr nutzbar.”

So dürften Videos kaum noch anschaubar sein. Musikhören oder Internettelefonie in gewohnter Qualität scheide ebenfalls aus.

Dass all dies zu einer nicht hinnehmbaren Benachteiligung der Verbraucher führt, liegt nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW auf der Hand. "Die Anbieter übertreffen sich in der Werbung für Internettarife seit jeher mit Flatrate- und Geschwindigkeitsversprechen", kritisiert NRW-Verbraucherzentralenvorstand Klaus Müller das Verhalten der Telekom. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Telekom vorne groß mit vollmundigen Versprechen für ein tolles Internet arbeite, ihren Kunden dann aber übers Kleingedruckte den Saft abdrehe.

Die Telekom kann nun bis zum 16. Mai 2013 entscheiden, dass sie künftig auf die Verwendung der Klausel verzichtet oder sich einen klareren Namen für ihre Produkte überlegt. Sonst müssen die Gerichte entscheiden, denn die Verbraucherzentrale ist notfalls zu einer Klage entschlossen.

Herausgefordert

Es ist auf den ersten Blick durchaus verständlich, dass die Vertreter der Nebenklage sich im NSU-Prozess verstimmt über die Verteidiger zeigen. Die Anwälte Beate Zschäpes haben mit ihrem Befangenheitsantrag den Prozess erst mal ein kleines bisschen ins Stocken gebracht. Allerdings hat das Gericht – ohne Not – für den Antrag eine Steilvorlage geliefert.

Im Kern geht es um die Frage, wer sich am Eingang des Gerichtssaals durchsuchen lassen muss, und zwar auch körperlich. Hier setzt der Vorsitzende auf eine ganz harte Linie. Lediglich Richter und Staatsanwälte bleiben von Kontrollen verschont, die bis zur regelrechten Leibesvisitation gehen können.

Das Bundesverfassungsgericht billigt – so kann man aktuelle Beschlüsse jedenfalls interpretieren – solche Praktiken mittlerweile auch gegenüber Verteidigern. Allerdings nur unter engen Voraussetzungen. Hierbei ist sehr fraglich, ob diese Voraussetzungen im NSU-Prozess erfüllt sind.

Dass Verteidiger sich aber entschieden gegen solche Kontrollen wehren, ist eine Frage des Selbstverständnisses. Durch die Maßnahmen werden sie nämlich zu potenziellen Verdächtigen degradiert, denen man per se Waffenschmuggel zutraut.

Damit verabschiedet man sich aber deutlich von der eigentlichen Rolle, die ein Anwalt hat. Er ist Organ der Rechtspflege, also ein notwendiger Teil des Justizbetriebs. Er steht zwar in der Sache dem Angeklagten bei, aber er ist nicht sein Komplize. Dementsprechend hat er einen Vertrauensvorschuss verdient, ganz im Gegensatz etwa zu “normalen” Zuschauern.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Anwälte schon Waffen für ihre Mandanten geschmuggelt oder zumindest dabei geholfen haben (Fall Pinzner). Auch in den RAF-Prozessen sollen Anwälte Waffen weitergegeben haben. Angesichts der Zahl von Strafsachen, die Tag für Tag in deutschen Gerichtssälen verhandelt werden, Prozessen, handelt es sich aber um Einzelfälle. Sie rechtfertigen es nicht, einen ganzen Berufsstand in Misskredit zu bringen.

Jedenfalls sind dem Bestreben nach größtmöglicher Sicherheit Grenzen gesetzt. Das ist auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Anwälte, die sich nach Belieben des Gerichtsvorsitzenden durchsuchen lassen müssen, können nicht mehr frei und unbefangen arbeiten. Die Kontrollen bauen ein Machtgefälle auf, das in mehrfacher Hinsicht schlicht unwürdig ist – jedenfalls für einen Rechtsstaat.

Wohlgemerkt: Es geht um verdachtsunabhängige Kontrollen. Natürlich sieht es anders aus, wenn der Polizei oder dem Gericht Erkenntnisse vorliegen, dass Verteidiger sich an konkreten Taten beteiligen. Dann hätte ich auch nichts gegen Kontrollen, wobei diese ja dann im Erfolgsfall ohnehin der Anfang vom Ende des Mandates und auch der Anwaltslaufbahn wären.

So fordert der Gerichtsvorsitzende aber die Verteidiger offen heraus. Über die Reaktion darf man sich deshalb kaum wundern. Eher wäre es auch für die Nebenklägervertreter eine Überlegung wert gewesen, ob man sich nicht auch entschieden gegen die Münchner Kontrollen wehrt.

Letztlich sind sie alle Anwälte, und sie haben gleichermaßen viel zu verlieren – jedenfalls über das aktuelle Verfahren hinaus.

Ein Spielchen

Da hat ein Mandant was verwechselt. Die Staatsanwaltschaft hat ihn vorgeladen. Als Beschuldigten. “Da gehe ich einfach nicht hin”, mailte er mir. “Muss ich ja nicht, wie ich aus Ihren Vorträgen weiß.”

Vielleicht habe ich mich da irgendwo missverständlich ausgedrückt. Denn die Annahme des Mandanten ist falsch. Wenn er der Staatsanwaltschaft die kalte Schulter zeigt, kann er ordentlich Ärger kriegen. Zum Beispiel zwangsweise vorgeführt werden.

Die Aussage, die mein Mandant meinte, gilt für die Polizei. Mit der muss schlicht niemand reden, weder als Zeuge, Beschuldigter oder Eichhörnchen. Das einzige, was Polizeibeamte verlangen dürfen, sind Angaben zur Person. Also im wesentlichen Name, Geburtsdatum und Anschrift.

Mit der Polizei muss man darüber hinaus schlicht nicht sprechen. Ebenso wenig haben Polizeibeamte die Möglichkeit, Bürger auf eine Wache oder ein Kommissariat zu zitieren. Es gibt keine Pflicht, einer “Vorladung” der Polizei Folge zu leisten.

Deshalb ist das Wort Vorladung im Kern auch eine ziemliche Irreführung, wenn es auf einem Polizeibriefbogen steht. Es sollte eigentlich richtigerweise “Einladung” heißen. Einladungen kann man folgen, aber man muss es nicht.

Wenn der Brief aber vom Staatsanwalt kommt, sieht die Sache etwas anders aus. Der Staatsanwalt darf Beschuldigte nicht nur einladen. Er darf sie vorladen. Sie sind dann zum Erscheinen verpflichtet. Allerdings – und hier wird’s dann wieder interessant – muss ein Beschuldigter zwar hingehen. Gleichwohl muss er auch dem Staatsanwalt nur seine Personalien angeben.

Zur Sache darf der Beschuldigte auch schweigen, obwohl ihn der Staatsanwalt vorladen kann. Das bedeutet mit anderen Worten, dass der Beschuldigte sich zwar auf den Weg zu machen hat. Seine Vernehmung dürfte aber recht kurz ausfallen, wenn er sich auf sein Schweigerecht beruft.

Bei Zeugen sieht es noch ein wenig anders aus. Die müssen zwar nicht auf Einladungen der Polizei reagieren. Oder gar zwischen Tür und Angel mal ganz schnell Auskunft geben, wie es Polizeibeamte gerne verlangen. Zitiert der Staatsanwalt aber höchstselbst Zeugen herbei, müssen sie nicht nur kommen, sondern Auskunft geben. Es sei denn wiederum, sie sind mit dem Beschuldigten verwandt sind, können sich selbst belasten oder haben ein ein besonderes Schweigerecht haben, zum Beispiel als Arzt oder Anwalt.

Es ist in jedem Fall gut, die mögliche Pflicht zum Erscheinen nicht mit der Frage zu vermengen, ob man als Zeuge dem Staatsanwalt Rede und Antwort stehen muss. Es kann auch hier gut sein, dass man zwar hingehen muss, aber trotzdem schweigen darf.

Gut, so komplex habe ich es meinem Mandanten nicht erklärt. Er muss nur wissen, dass er den Termin nicht einfach ignorieren kann. Aber über das, was der Staatsanwalt wohl von ihm wissen will, kann er einfach schweigen.

Falls jetzt jemand fragt, was das Spielchen mit der Einladung soll, wenn der Beschuldigte nichts zu sagen gedenkt. Ich weiß es nicht.

Danke, Herr Richter

Ich gebe zu, ich klage oft über Ermittlungsrichter. Deshalb heute ein Beispiel dafür, dass es auch anders geht. Zwar nur ein kleiner Fall, aber trotzdem wichtig für den Mandanten. Es geht um seinen Führerschein – und damit um die berufliche Existenz.

Die Polizei hatte den Verdacht, mein Mandant sei angetrunken Auto gefahren. Zuvor hatte zu später Stunde jemand einen kleinen Blechschaden gemeldet, an dem das Auto meines Mandanten beteiligt gewesen sein soll. Wie in solchen Fällen üblich, fuhren Beamte zur Wohnung meines Mandanten. Sie schauten sich den Wagen an, der in der Einfahrt stand. Sie stellten frische Kratzer fest.

Der Mandant war freundlich, aber nicht kooperativ. Auf das übliche Fragespielchen, wer das Auto genutzt hat, ob er selbst der Fahrer war und was er möglicherweise getrunken hat, ließ er sich nicht ein. Er erklärte gleich, dass er von seinem Recht Gebrauch macht, die Aussage zu verweigern. Daran hielt er sich auch.

Er weiß nicht mehr, ob die Beamten überhaupt auf die Idee kamen, seine (auf zwei Ebenen verteilte) Wohnung zu betreten. Sicher ist jedoch, dass er es ihnen untersagt hat, sofern sie es wollten. Jedenfalls kamen die Polizisten nicht über die Türschwelle hinaus.

Nachdem sie die Schweigsamkeit meines Mandanten akzeptierten, bestanden die Polizisten auf einer Blutprobe. Die fiel positiv aus. Das waren ausreichende Beweise für die Staatsanwaltschaft. Sie beantragte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

Die Beweismittel waren allerdings mehr als dürftig. Das fiel auch dem Ermittlungsrichter auf. Er stellte fest, mein Mandant sei eben bis dato nicht hinreichend als Fahrer identifiziert. Der Zeuge konnte den mutmaßlichen Unfallfahrer nämlich nur sehr vage beschreiben. Kurz gesagt, es hätte jeder weiße Mitteleuropäer mit braunen Haaren im Alter von 20 bis 60 Jahren gewesen sein können.

Zu allem Überfluss hat mein Mandant auch noch blondes Haar. Gegen ihn sprach also nur der Umstand, dass er Halter des Autos ist und alkoholisiert zu Hause war. Das reicht aber nun mal nicht. Aus der Haltereigenschaft darf ohnehin nur auf den Fahrer geschlossen werden, wenn weitere belastbare Indizien vorliegen. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon etliche Male klargestellt.

Da die Polizeibeamten ja noch nicht mal auf die Idee kamen, dass mein Mandant Besuch gehabt haben könnte, der vielleicht auch mit dem Auto unterwegs war, lagen solche Indizien aber nicht vor. Und frische Kratzer am Auto sagen auch nicht, wer Fahrer war.

Na ja, der Führerschein ist also nicht weg. Erst mal, denn möglicherweise erhebt die Staatsanwaltschaft noch eine Anklage und die Sache muss vor Gericht verhandelt werden.

Aber dann eben in Ruhe – und mit offenem Ausgang.

Entschlüsselungsbefehl

In den Niederlanden wird überlegt, einen “Entschlüsselungsbefehl” einzuführen. Auf dieser Grundlage hätten Behörden die Möglichkeit, die Herausgabe von Passwörtern zu erzwingen.

Ein juristisches Gutachten habe bereits grünes Licht gegeben, berichtet heise online. Der offenkundig mit einer Passwortpflicht verbundene Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip, sich nicht selbst belasten zu müssen, soll danach abgemildert werden. So sollen Passwörter zwar herausverlangt, aber nicht in Verfahren gegen Betroffene eingesetzt werden dürfen.

Auslöser des Gutachtens soll die beliebte Software Truecrypt sein. Mit Truecrypt kann jeder Computernutzer seine Daten ohne großen Aufwand wirksam verschlüsseln. Nur bei schlechten Passwörtern oder im Einzelfall unter Aufwand enormster  Rechnerzeit ist es derzeit für Strafverfolgern möglich, Datenträger Beschuldigter zu entschlüsseln.

Als juristischer Türöffner dient in den Niederlanden das Problem Kinderpornografie. Hinter dem Vorstoß steckt also letztlich dieselbe Debatte wie um Netzsperren: Was ist im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie notwendig, verhältnismäßig und fordert keinen unzumutbar hohen rechtsstaatlichen Preis?

Dass ein Entschlüsselungsbefehl weit über das Ziel hinausschießt, zeigt schon die dürftige Rechtfertigung des vermeintlichen Anliegens. Wenn aufgefundene Daten nicht gegen den Betroffenen verwendet werden dürfen, bleibt nur die Hoffnung, über erzwungene Passwörter an die Hersteller von Kinderpornografie zu kommen.

Selbst wenn auf einem Rechner tatsächlich Kinderpornografie sein sollte, spricht nach meiner Erfahrung in solchen Fällen wenig bis gar nichts dafür, dass der Betroffene selbst Kinder missbraucht hat. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass auf den Datenträgern brauchbare Spuren gefunden werden, die auf die Hersteller der Missbrauchsbilder hindeuten.

Strafbare Kinderpornografie wird über viele Ecken verbreitet, zum Beispiel mit Tauschbörsen und Filehostern. Die Herkunft des Materials ist in diesem Geflecht kaum aufzuklären. Deshalb besteht auch kaum Hoffnung, dass die mögliche Spur von einer verschlüsselten Festplatte zu einem tatsächlichen Missbraucher führt.

Deshalb bleibt es dabei: Nicht alles, was möglich ist, darf umgesetzt werden. Auch wenn ein Entschlüsselungsbefehl keine unmittelbaren Folgen für den Betroffenen hätte, wäre es doch nur eine Frage der Zeit, bis Informationen, die vielleicht gar nichts mit dem Vorwurf zu tun haben, eben doch verwendet werden dürfen. Überdies wäre dann weiteren Begehrlichkeiten die Tür geöffnet. Vom Finanzamt bis zur Contentindustrie würden dann andere behaupten, auch in ihrem Fall müssten die Grundrechte des einzelnen hinter dem Aufklärungsinteresse zurückstehen.

Sogar der Staat muss gewisse Grenzen beachten. So lange jedenfalls, wie er den 99,99 Prozent der Bevölkerung, die absolut nichts mit Kinderpornografie am Hut haben, noch einen letzten Rest Freiheit zugestehen will. 

Kündigung per Mail darf nicht ausgeschlossen werden

Nutzer von Partnerbörsen sind künftig besser vor unfairen Vertragsbedingungen geschützt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte eine Partnerbörse verklagt, weil diverse die Vertragsklauseln Nutzer benachteiligten. Das Landgericht Hamburg hat den Einwänden des vzbv stattgegeben.

Rund sieben Millionen Deutsche nutzen Online-Portale, um nach einem Partner zu suchen. Immerhin 1,6 Millionen Bundesbürger zahlen für solche Dienste, so der IT-Verbands BITKOM. Die Branche verdient gut an der Sehnsucht nach Liebe – im Jahr 2011 lag der Umsatz bei mehr als 200 Millionen Euro. Doch die Vertragsbedingungen sind nicht immer zum Vorteil der Nutzer. Bei dem verklagten Unternehmen, einen der Marktführer, gab es nach Ansicht des vzbv gleich mehrere Verstöße gegen die Rechte von Verbrauchern.

Kurz vor der Verhandlung hatte das Unternehmen zumindest teilweise eingelenkt und erklärt, fünf von sechs beanstandeten Klauseln künftig nicht mehr zu verwenden. Am 30. April hat das Landgericht Hamburg nun eine weitere Klausel für unzulässig erklärt, die es Verbrauchern verwehrt, sich per E-Mail vom Vertrag zu lösen.

Die Bedingungen des Unternehmens verlangten für eine wirksame Kündigung eine schriftliche Erklärung. Die elektronische Form war ausgeschlossen, ein Telefax hingegen möglich. Dieses Wirrwarr verunsichert nach Ansicht des vzbv Verbraucher. Vielen Nutzern sei unklar, auf welchem Wege sie ihren Vertrag kündigen können.

Kündigungen per E-Mail lehnte das Unternehmen stets mit Verweis auf die im Kündigungsklausel im Kleingedruckten ab – obwohl die Anmeldung online möglich war.

Das Urteil könnte weit über Partnerbörsen hinaus bedeutsam werden. Auch zahlreiche andere Unternehmen versuchen noch immer, die Hürden für eine Kündigung möglichst hoch zu setzen. Während für den Vertragsschluss ein Klick genügt, wird zum Beispiel oft Schriftform oder zumindest ein Fax verlangt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. April 2013, Aktenzeichen 312 O 412/12,

NSU-Prozess: Online-Presse darf ignoriert werden

Mit einer Verfassungsklage hat Medienanwalt Ralf Höcker türkischen Zeitungen Berichterstatter-Plätze im Gerichtssaal erkämpft. Nun versuchen andere Verfahrensbeteiligte im NSU-Prozess auch solche Husarenstücke. Allerdings mit weniger Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht wies bislang alle nachfolgenden Beschwerden zurück.

Nun gaben die Karlsruher Richter bekannt, dass ein Journalist keinen Anspruch auf einen Platz im NSU-Prozess hat. Der Reporter hatte geltend gemacht, das Auswahlverfahren sei ungerecht. Er arbeitet für die Online-Presse – für dieses Medium hat der Gerichtsvorsitzende überhaupt keine Plätze auslosen lassen.

Auch wenn die Benachteiligung gegenüber Printmedien und dem Rundfunk greifbar ist, halten die Verfassungsrichter das für zulässig. Der Vorsitzende im NSU-Prozess habe, so das Gericht, angesichts der knappen Sitzplätze “ein weites Ermessen” bei der Frage, welche Medien er zulässt. Dass die Online-Presse schlicht nicht berücksichtigt wird, hält das Gericht für vertretbar.

Damit ist allerdings nichts darüber gesagt, ob die Vergabe der Sitzplätze tatsächlich gut gelaufen ist. Die Karlsruher Richter selbst weisen in dem Beschluss ausdrücklich darauf hin, sie seien nicht für die Frage zuständig, ob der Gerichtsvorsitzende im Rahmen seines Spielraums auch die bestmögliche Entscheidung getroffen hat.

Das Gericht lehnte auch den Antrag ab, das Verfahren für die Presse in einen weiteren Saal zu übertragen. Hierfür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Schon vor Tagen waren Nebenkläger mit ihrem Versuch gescheitert, eine Videoübertragung des Prozesses durchzusetzen (Aktenzeichen 1 BvQ 13/13).