Sieben Jahre Geschlossene – womöglich zu Unrecht

Gustl Mollath ist frei. Das Oberlandesgericht Nürnberg ordnete heute die Wiederaufnahme seines Verfahrens an. Damit ist die vom Landgericht Nürnberg-Fürth im Jahre 2006 angeordnete Unterbringung in der Psychiatrie nicht mehr wirksam. Mollath hatte sieben Jahre in der Anstalt gesessen. Wahrscheinlich zu Unrecht.

Erst vor wenigen Tagen hatte das Landgericht Regensburg die Wiederaufnahme des Verfahrens noch abgelehnt. In einer über hundert Seiten umfassenden Entscheidung sahen die Richter keine Gründe, um die Causa Mollath neu aufzurollen. Interessanterweise hatten sowohl Mollath als auch die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Beide blitzten mit ihren Argumenten ab.

Das Oberlandesgericht Nürnberg korrigierte diese Entscheidung nun binnen kürzester Zeit. Das Oberlandesgericht kippt Mollaths Unterbringung mit einem einzigen Punkt. Im Prozess sei eine unechte Urkunde als Beweismittel verwendet worden. Schon deswegen sei der Prozess neu aufzurollen. So sieht es die Strafprozessordnung ausdrücklich vor.

Dreh- und Angelpunkt ist ein ärztliches Attest, das Mollaths früherer Frau Verletzungen bescheinigt. Diese soll ihr Mollath zugefügt haben. Jetzt stellte sich aber heraus, die Ärztin hatte Mollath nie untersucht; es war vielmehr ihr Sohn. Dieser ist zwar auch approbierter Arzt, aber aus dem Attest ging nicht hervor, dass es nicht von der Ärztin stammte.

Den – angeblichen – Unterschriftenzusatz “i.V.” hält das Oberlandesgericht Nürnberg für unbeachtlich. Er sei nämlich allenfalls bei enormer Vergrößerung des Dokuments erkennbar. Das Landgericht Nürnberg-Fürth sei aber davon ausgegangen, dass die Ärztin selbst Mollath untersucht und das Attest ausgestellt hat.

Im Ergebnis bejaht das Oberlandesgericht Nürnberg deshalb eine unechte Urkunde. Das sei ein gesetzlicher Grund, um das Verfahren neu zu führen. Eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth muss nun klären, ob die Vorwürfe gegen Mollath tatsächlich richtig sind. Daran gab es zuletzt starke Zweifel. Einiges spricht dafür, dass Mollath Opfer einer Intrige wurde.

Sollten sich die Tatvorwürfe erneut bestätigen, müsste anschließend noch geprüft werden, ob Mollath als “gefährlich” anzusehen ist. Auch hieran gibt es große Zweifel. Mollath war zwar die Misshandlung seiner Frau vorgeworfen worden, außerdem soll er Autoreifen zerstochen haben. Ob das überhaupt zu einer Gefährlichkeit führen konnte, die eine Unterbringung in der Psychiatrie erforderlich machte, war ebenfalls schon länger bezweifelt worden.

Mollath hatte auf Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau, einer Bankerin, hingewiesen. Damals war ihm mit keinem Wort geglaubt worden. Erst die Folgen einer Bankaffäre brachten später ans Licht, dass Mollaths Vorwürfe wahrscheich einen realen Hintergrund hatten.

Heute hat sich das Unbehagen an Mollaths Wegsperren als begründet erwiesen. Mollath soll zunächst bei einem Freund unterkommen. Nach Medienberichten wird er gegenüber dem Land Bayern Schadensersatzansprüche geltend machen.