Respekt lässt sich nicht erzwingen

Es gibt mal wieder einen Vorstoß, Polizisten besonders vor körperlicher Gewalt zu schützen. Hessens Innenminister Boris Rhein und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wollen einen “Schutzparagrafen” einführen. Dieser soll erhöhte Strafdrohungen mit sich bringen.

Der Innenminister beklagt, 2012 seien zehn Prozent mehr Polizisten Opfer von Gewalttaten geworden, 60.294 insgesamt.  Deshalb müssten Angriffe “besondere Konsequenzen” nach sich ziehen. Er und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, haben eine Ursache dafür ausgemacht: abnehmenden Respekt gegenüber der Polizei.

Ich stelle in Frage, dass man “Respekt” mit den Mitteln des Strafrechts erhöhen kann. Respekt kann man sich verdienen, ihn aber nicht erzwingen. Diskutieren lässt sich allenfalls, ob höhere Strafen einen abschreckenden Effekt haben. Dazu muss man zunächst wissen, dass das Strafgesetzbuch bereits jetzt für Körperverletzung – um die geht es ja in der Masse der Fälle – kein zahnloser Tiger ist.

“Einfache” Körperverletzung wird bereits jetzt mit Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren geahndet. Auf gefährliche Körperverletzung steht Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten. Angesichts dessen kann man sicher nicht behaupten, Gerichte hätten keinen Spielraum, um Körperverletzung ausreichend zu sanktionieren – und zwar gegenüber jedermann.

Schon heute dürfte es einem Richter schwerfallen, diesen Strafrahmen auszuschöpfen. Irgendwann kommt man nämlich in einen Bereich, in dem die juristische Folge nicht mehr in einem erträglichen Verhältnis zum Anlass steht. Offensichtlich unangemessene Strafen zerstören nämlich einen Respekt, der momentan noch so leidlich existiert. Nämlich den in ein funktionierendes Rechtssystem.

Zudem hat sich schon seit jeher erwiesen, dass höhere Strafen keinen nennenswerten Abschreckungseffekt haben. So ist Ende November 2011 eine Vorschrift verschärft worden, die vorrangig auch Polizeibeamte schützt. “Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte” wird seitdem mit maximal drei statt bisher zwei Jahren bestraft. Interessanterweise hat dies den von Minister Rhein beklagten Anstieg von Gewalttaten im Jahr 2012 offensichtlich nicht gestoppt.

Angesichts dessen müssen sich Minister wie GdP fragen lassen, um was es ihnen in Wirklichkeit geht. Wer Polizeigewalt anzeigt, muss schon heute damit rechnen, dass die Gegenanzeige der Polizei quasi automatisch erfolgt. Wenn sie nicht sogar vorbeugend erstattet wird. Je höher das Risiko ist, hier ungerechtfertigt und unverhältnismäßig unter die Räder zu kommen, desto eher werden berechtigte Anzeigen gegen Polizeibeamte im Keim erstickt. Dazu kann ich nur sagen, dass man sich mit Einschüchterung Respekt ganz sicher nicht erhöht.