Der Fahrgasts dort drüben

Ich wundere mich mitunter über die Dienstfertigkeit meiner Mitmenschen.

Im Bus oder der Straßenbahn wird der Fahrausweis schon gezückt, wenn es nur noch Kontrolleuren riecht. Wobei ich das zumindest für die Düsseldorfer Rheinbahn, mit der ich recht viel fahre, nur bedingt doppeldeutig meine. Für eine perfekte Tarnung muss man als engagierter Mitarbeiter halt auch persönliche Opfer bringen. Vielleicht treffe auch aber immer nur auf die merkwürdigen Gestalten, die es in jeder Belegschaft gibt.

Doch das ist nur Alltag. Heute morgen hatte ich dagegen ein Erlebnis, das mir noch nicht vergönnt war. Ich fuhr mit dem ICE. An meinem Sitzplatz fiel ich, der frühen Stunde geschuldet, sofort ins Schafkoma. Weshalb ich die laut gestellte Frage des Schaffners, ob denn in Düsseldorf noch jemand zugestiegen sei, schlicht nicht hörte. Oder jedenfalls keinen Anlass sah, nach meinem Ticket zu kramen. 

Den Schaffner nahm mich entweder nicht als neuen Fahrgast wahr. Oder er kennt seine Pappenheimer, die Müdigkeit nur vortäuschen. Er ließ mich jedenfalls in Ruhe und ging gleich zur nächsten Reihe im Waggon, wo eine Reisegruppe älterer Herrschaften schon aufgeregt mit ihren Fahrscheinen wedelte.

Von links ertönte die Stimme eines Mannes, der auf dem Einzelplatz schräg gegenüber saß. “Der Fahrgast dort drüben ist an der letzten Station zugestiegen”, meldete er. Mit einem Unterton, der deutlich machte, dass er hier und jetzt einen Schwarzfahrer zur Strecke bringen würde.

Der Zugbegleiter, offensichtlich ein netter Kerl, schaute ebenso entgeistert wie ich. Und die Reisegruppe war sehr interessiert, was denn nun passieren würde Der aufmerksame Mitmensch bekam jedenfalls nicht das, was er sich erhoffte. “Machen Sie sich keine Sorgen”, sagte der Schaffner. “Der Herr ist nicht zugestiegen, er hat vorher nur im Nebenabteil gesessen. Selbstverständlich habe ich mich dort bereits vergewissert, dass der Kunde über einen gültigen Fahrausweis verfügt.”

Damit war das Gespräch beendet. Notgedrungen, denn der Zugbegleiter schritt von dannen. Er hat mich auch für den Rest der laaangen Fahrt nicht nach meinem Fahrausweis gefragt. Der Blockwart stieg wenig aus. Aber nicht, bevor er sich noch mit der Servicekraft angelegt hatte, weil der Kaffee angeblich nur lauwarm war.