Ausweis zu Hause – kein Grund für Stress

Ein Leser berichtet, er sei auf der Autobahn von der Polizei durchsucht worden. Die Beamten seien etwas frustriert gewesen, weil sie rein gar nichts bei ihm fanden. Führerschein und Zulassung waren auch in Ordnung, sogar das Warndreieck befand sich an Ort und Stelle.

Trotzdem hat man nach seinen Angaben zehn Euro von ihm kassiert. Der Leser konnte nämlich seinen Personalausweis nicht vorzeigen, der lag bei ihm zu Hause.

Wenn das stimmt, hätte es der Betroffene wohl besser darauf ankommen lassen sollen. Die Beamten legten ihm einen Verstoß gegen die Ausweispflicht zur Last. Doch den er hat er gar nicht begangen.

Wie jeder Deutsche über 16 Jahren muss man zwar einen Personalausweis oder Pass besitzen. Es steht aber nirgends, dass man das Dokument auch bei sich führen muss. Vielmehr reicht es völlig, den Ausweis “auf Verlangen” vorzeigen zu können. Was durchaus auch beinhaltet, dass man den Ausweis halt später vorzeigt.

Oder sich, wenn’s denn gewünscht wird, von der Polizei nach Hause fahren oder begleiten lässt, um der Vorzeigepflicht zu genügen. In die Wohnung lassen muss man die Beamten deswegen aber nicht.

Der Leser kann sich jetzt nur noch über die Verwarnung beschweren. Sein Geld wird er eher nicht wieder bekommen, aber interessant wäre es schon, ob die Polizisten in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Chef tatsächlich auf dem Vorwurf beharren.

Loblied mit schalem Abgang

Wir erinnern uns gut, wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich den Bürgern eine Lösung des Überwachungsproblems präsentierte. Selbstverantwortung sei gefragt. Da die Kontrolle nun mal stattfinde, müsse man halt seine Daten verschlüsseln.

Diese Werbung für Kryptographie ist ja ganz nett. Allerdings stellt sich seit heute die Frage, ob der Innenminister seinen Vorstoß wirklich ernst gemeint hat. Der englische Guardian und die New York Times berichten nämlich unter Bezug auf Papiere des Whistleblowers Edward Snowden, jedenfalls die NSA und der britische Geheimdienst seien schon sehr erfolgreich, die aktuellen Verschlüsselungsmethoden nur noch als Fassade dastehen zu lassen.

So soll die NSA viel Geld aufwenden, um direkt bei der Entwicklung bzw. beim Einsatz von Verschlüsselungssoftware in Unternehmen “Einfluss” zu nehmen. So erhält die Behörde Zugang zu Daten, die nach den Versprechen der betreffenden Firmen “sicher” verschlüsselt sein sollen.

Nach den Informationen stellen gängige Standards wie HTTPS und SSL keine Hindernisse für die NSA dar. Gleiches gilt für vermeintlich sichere VoIP-Gespräche. Auch der britische Geheimdienst rühmt sich laut den Unterlagen damit, gerade bei den Online-Giganten Google, Yahoo, Facebook und Microsoft sehr erfolgreich Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation zu erlangen.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob der Innenminister wirklich so ahnungslos ist und jetzt auch über die Möglichkeiten der befreundeten Dienste staunt. Ungefähr so, wie das mit dem Überwachungsprogramm X-Keyscore gewesen ist, welches ja nun doch erstaunlicherweise schon in diversen Dienststellen des Bundes zumindest im “Testbetrieb” zur Verfügung steht – der anfangs zur Schau getragenen Unwissenheit zum Trotz.

Ausführlicher Bericht im Guardian

Sizilien ist woanders

Die Staatsanwaltschaft München I lehnt eine Gutachterin als befangen ab – weil sie sich in der Fernsehsendung “Beckmann” kritisch über den Fall Gustl Mollath geäußert hat.

Gleich in drei laufenden Prozessen macht ein Staatsanwalt geltend, seiner Behörde fehle nach dem Fernsehauftritt der Münchner Psychiaterin Hanna Ziegert das notwendige Vertrauen.

Ziegert sagte bei “Beckmann”, Gutachter würden in Bayern durchaus ergebnisorientiert ausgewählt. Die Mediziner seien auf Aufträge von der Staatsanwaltschaft angewiesen. Sie achteten deshalb darauf, nicht in Ungnade zu fallen. Das sei jedem, der in der Szene arbeitet, genau bekannt. Auch einen Vergleich Ziegerts, wonach der bayerische Maßregelvollzug vielleicht doch etwas anders sei als in anderen Teilen Deutschlands, beanstandet die Staatsanwaltschaft.

Von einer Äußerung Ziegerts, das Ganze erinnere sie manchmal eher an Mailand und Sizilien, wobei Bayern dann Sizilien wäre, scheint die Staatsanwaltschaft besonders aufgebracht. Ziegert attestiere der bayerischen Justiz damit “mafiöse Tendenzen” und eine “rechtsstaatsferne Ausgestaltung” des Verfahrens.

Die Gutachterin hält dagegen, sie habe nur auf ein gewisses “Nord-Süd-Gefälle” hinweisen wollen. Ziegert, die seit mehr als 30 Jahren als Gerichtsgutachterin arbeitet, will nun ihrerseits die Münchner Staatsanwaltschaft verklagen.

Interessant ist, dass das Verhalten des Staatsanwalts vieles von dem bestätigt, was Ziegert behauptet. Und überdies noch ein merkwürdiges Verständnis von Meinungsfreiheit dokumentiert. Aber so was fällt halt erst auf, wenn der Beißreflex wieder abgeklungen ist.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung

Es geht ums Grundvertrauen

Für die deutschen Datenschutzbeauftragten ist der NSA-Skandal weder aufgeklärt noch sonstwie beendet. In einer heute veröffentlichten gemeinsamen Erklärung ziehen sie Bilanz und stellen konkrete Forderungen auf.

Das Statement ist es wert, im Wortlaut veröffentlicht zu werden. Hier ist die Erklärung:

“Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder stellt fest, dass noch immer nicht alles getan wurde, um das Ausmaß der nachrichtendienstlichen Ermittlungen mithilfe von Programmen wie PRISM, TEMPORA und XKEYSCORE für die Bundesrepublik Deutschland aufzuklären.

Schon die bisherigen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die Aktivitäten u.a. des US-amerikanischen und des britischen Geheimdienstes auf eine globale und tendenziell unbegrenzte Überwachung der Internetkommunikation hinauslaufen, zumal große Internet- und Telekommunikationsunternehmen in die Geheimdienstaktionen eingebunden sind.

Da zahlreiche Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen, deren Server in den USA stehen, personenbezogene Daten der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verarbeiten, betreffen die Berichte, dass US-amerikanische Geheimdienste auf dem Territorium der USA personenbezogene Daten umfassend und anlasslos überwachen, auch ihre Daten. Unklar ist daneben noch immer, ob bundesdeutsche Stellen anderen Staaten rechtswidrig personenbezogene Daten für deren Zwecke zur Verfügung gestellt und ob bundesdeutsche Stellen
rechtswidrig erlangte Daten für eigene Zwecke genutzt haben.

Die staatliche Pflicht zum Schutz der Grundrechte erfordert es, sich nicht mit der gegenwärtigen Situation abzufinden. Die Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder sind dazu aufgerufen, das ihnen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Mögliche zu tun, um die Einhaltung des deutschen und des europäischen Rechts zu gewährleisten. Weiterlesen

Mollaths Richter haben schlampig gearbeitet

Gustl Mollath hat einen weiteren juristischen Erfolg errungen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Verlängerung von Mollaths Zwangsunterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem letzten Jahr für rechtswidrig.

Sowohl dem Landgericht Bayreuth als auch dem Oberlandesgericht Bamberg attestiert das Bundesverfassungsgericht schlampige Arbeit. Die für Mollath zuständigen Richter haben sich nach dem heute veröffentlichten Beschluss die Arbeit viel zu einfach gemacht. Das Verfassungsgericht vermisst die notwendige Aufklärung des Sachverhalts, ebenso aber eine nachvollziehbare Argumentation, warum von Mollath noch eine Gefahr ausgehen soll.

So habe der psychiatrische Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten Mollath eher nicht für gefährlich gehalten. Erst in der gerichtlichen Anhörung behauptete er dann, er habe “vielleicht eine etwas zu weiche Formulierung” gewählt. Wieso der Gutachter seine Ansichten wechselt, hätten die Richter nicht hinterfragt. Stattdessen seien sie seiner späteren Einschätzung, Mollath sei durchaus noch gefährlich, blind gefolgt. Hier, so das Verfassungsgericht, hätten die Richter zumindest eine eigenständige Entscheidung treffen müssen.

Außerdem hätten die angeblichen Verfehlungen Mollaths kritischer hinterfragt werden müssen. Selbst wenn der Betroffene seine Frau tatsächlich misshandelt haben sollte, habe es sich jedenfalls um Beziehungstaten gehandelt. Derartige Delikte sprächen eben eher nicht für eine allgemeine Gefährlichkeit. Dass Mollath mittlerweile geschieden sei und auch während seiner Einweisung nicht gewalttätig geworden sei, hätte bei der Gefahrenprognose berücksichtig werden müssen.

Im Ergebnis klingt das so, als hätten sich Mollaths Richter nicht mal ansatzweise mit Mollaths Fall auseinandergesetzt. Schon das ist beunruhigend genug. Hier geht es nämlich nicht um eine Fahrerflucht oder eine zu Unrecht angeordnete Durchsuchung. Sondern um das dauerhafte Wegsperren eines Menschen. Wenn die Justiz sich sagen lassen muss, hier nicht einmal Mindeststandards zu erfüllen, macht das schlichtweg Angst.

Beschluss vom 26. August 2013

Jacke wie Hose

Alltägliche Polizeiarbeit taugt immer für Erlebnisse der dritten Art. Schön zu erfahren, dass es nicht nur mir so geht, wenn ich öfter über Vorgehen unserer Ermittler den Kopf schütteln muss. Das Erlebnis, welches Dirk Olbertz in seinem Blog schildert, passt in dieses Bild.

Obertz betreibt seit urlanger Zeit die Plattform blogger.de. Nun erreichte ihn ein Schreiben der Polizeidirektion Ost. Ein Kriminaloberkommissar ermittelt wegen eines möglicherweise beleidigenden Online-Kommentars. Er wollte wissen, welche Daten Olbertz möglicherweise vom Absender des Kommentars gespeichert.

Kleines Problem: Der Kommentar fand sich laut Angaben der Polizei auf einer Blogseite, die unter www.namedesblogs.blogspot.com zu finden ist. Es bedarf keines besonderen Aufwandes, um festzustellen, dass “blogspot.com” nicht zum Internet-Imperium des Dirk Olbertz gehört, sondern zu Google (Blogger.com).

Wieso die Polizei nun Olbertz angeschrieben hat, ist unklar. Am naheliegendsten ist allerdings die Vermutung, dass für den Beamten Domains mit gleichem Namen, aber unterschiedlicher Endung Jacke wie Hose sind. Und das, obwohl Olbertz auf blogger.de sogar ausdrücklich noch mal drauf hinweist, dass blogger.de und blogger.com nichts miteinander zu tun haben.

Dass Daten zur “E-Mail-Adresse noreply-comment@blogspot.com” angefordert werden, erscheint natürlich auch wahnsinnig erfolgversprechend. Aber geschenkt. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass Olbertz anscheinend nur per Brief oder Fax antworten soll. Eine E-Mail-Adresse gibt der Beamte, der wegen Internetdelikten ermittelt, schon vorsichtshalber gar nicht an.

Das sind dann auch die Polizisten, welche nach dem neuen Recht online Bestandsdaten bei der Bundesnetzagentur abfragen dürfen. Also sensible Informationen wie Login-Daten, Passwörter und vieles andere mehr. Es bedarf keiner besonderen Fantasie, was solchen Recherchen schiefgehen wird.

Bericht im Blog von Dirk Olbertz

Gepflegte Antwort

In einer Filesharing-Sache hatten wir mit einem Anwaltsbüro die übliche Korrespondenz ausgetauscht. Wir machten klar, dass unser Mandant kein Geld überweisen wird. Auch nach der x-ten Aufforderung nicht.

Wie das heute so häufig vorkommt, kapitulierte die gegnerische Anwaltskanzlei schließlich. Allerdings meldete sich ein Inkassobüro, das so tat, als sei nichts gewesen. Ganz salopp wurden knapp 1.000 Euro gefordert.

Obwohl es ja nun weiß Gott nicht mehr nötig ist, nachdem die Forderung schon mal eindeutig zurückgewiesen wurde, schrieben wir auch dem Inkassobüro, unser Mandant werde nichts zahlen. Und empfahlen, sich doch mal an die früher tätigen Anwälte zu wenden, falls unsere Schreiben nicht vorliegen. Oder von uns auch direkt auch den Auftraggeber, eine große Plattenfirma.

Wir jedenfalls hätten nichts weiter zu sagen.

So antwortet das Inkassobüro:

… bitten wir um Übersendung der genannten Korrespondez in Kopie, damit wir die Angelegenheit ordnungsgemäß prüfen können.

Wieso sollen wir jetzt dem Laden auch noch helfen? Sollen die das doch unter sich ausmachen. Angesichts so einer Dreistigkeit, bin ich geneigt, doch noch eine Mail zu schicken. Nämlich einen gepflegten Stinkefinger.

Irgendwo muss ich die Vorlage noch haben.

Wohin mit den Geheimdiensten?

Heute abend nehme ich im taz Caf´e an einer kleinen Diskussionsrunde teil. Es geht darum, ob wir die Geheimdienste regulieren müssen – und wie dies gelingen kann. Dabei sind auch Daniel Domscheidt-Berg und Rechtsanwalt Markus Kompa, der ebenso wie ich für die Piratenpartei auf der Landesliste NRW für den Bundestag kandidiert.

Die Moderation übernimmt Mathias Bröckers von der taz. Das taz Caf´e ist an der Rudi-Dutschke-Straße 24 in Berlin. Der Eintritt ist frei.

Bewegung an der Abmahnfront

Erfreuliche Nachrichten für Abmahngeschädigte. Auch am Amtsgericht München, das bislang praktisch auch jede noch so überzogene Forderung aus dem Filesharing-Bereich durchwinkte, scheint eine Trendwende möglich.

Das Gericht weist einen Pornoverleger darauf hin, bei seiner Klage komme ein deutlich niedrigerer Streitwert in Betracht. Die Anwälte des Klägers haben 651 Euro Anwaltskosten gefordert. Ausdrücklich nimmt das Amtsgericht München Bezug auf einen aktuellen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, der Bewegung in die Sache zubringen scheint.  

Die Hamburger wenden schon jetzt im Ergebnis das neue Anti-Abzockgesetz an, das demnächst in Kraft tritt. Danach sind die Abmahnkosten auf 150 Euro gedeckelt, es sei denn, die Obergrenze erweist sich als “unbillig”.

Es war ja erwartet worden, dass diese Regelung wie schon bei gescheiterten Vorgängergesetz dazu genutzt wird, doch wieder höhere Anwaltsgebühren durchzudrücken. Denn natürlich ist jeder Fall aus Sicht des Abmahners besonders schwerwiegend oder kompliziert. Schon diese Argumentation könnte die 150-Euro-Hürde ins Wanken bringen.

Umso erfreulicher, dass auch das Amtsgericht München jedenfalls Notiz von der anstehenden Gesetzesänderung nimmt. Das wird den Massenabmahnern nicht gefallen.

Einfach an ein genehmes Gericht “ausweichen” können sie demnächst ohnehin hin nicht mehr. Für Filesharing-Klagen wird mit der Gesetzesänderung nämlich auch der fliegende Gerichtsstand abgeschafft. Zuständig ist vielmehr im Normalfall zukünftig das Gericht am Wohnsitz des Beklagten.