Nicht mal was gemerkt

Auf den ersten Blick klang das Angebot verlockend. „Nehmen Sie doch lieber eine Bewährungsstrafe“, warb die Richterin. „Nach drei Jahren wird die Strafe erlassen, und sie haben noch nicht mal was gemerkt.“

Ich kann ja verstehen, dass die Richterin meinen Mandanten nicht mit einer Geldstrafe davonkommen lassen wollte. Das Delikt, welches im zur Last gelegt wurde, kann man halt so und so bewerten. Spielraum war vorhanden; nach oben und unten.

Eine Gefängnisstrafe auf Bewährung aber geradezu als Entgegenkommen anzupreisen, ist schon bemerkenswert. Zumal, wenn neben dem Angeklagten ein Strafverteidiger sitzt, der es besser wissen sollte.

Ich tue es zumindest. Deshalb rate ich jedem Mandanten: Kämpfe auf jeden Fall für eine Geldstrafe, falls diese im Bereich des Möglichen ist. Denn Bewährung klingt zwar erst mal harmlos. Aber sie ist es nur dann, wenn sich der Angeklagte tatsächlich sicher sein kann, dass er sich keinen strafrechtlichen Ärger mehr einhandelt.

Aber wer kann das schon? Ein Beispiel. Der Mandant akzeptierte gegen meinen Rat sieben Monate auf Bewährung. Es ging um kleinere Betrügereien. Er versprach zwar, künftig brav zu sein und nicht mehr Geld auszugeben, als er in seiner bürgerlichen Existenz verdient. Daran hielt er sich sogar.

Allerdings wurde er während der Bewährungszeit in eine Schlägerei verwickelt, bei der ein Mann verletzt wurde. Mein Mandant war angeblich der Aggressor. Das wäre von den Folgen her alles halb so wild gewesen, hätte er nicht schon die Bewährungsstrafe mit in die Verhandlung gebracht. Der Richter ritt (nicht ganz zu Unrecht) darauf herum, dass mein Mandant als Bewährungsversager vor ihm steht. Am Ende gab es eine neue Freiheitsstrafe von acht Monaten – ohne Bewährung. Und die Bewährungsstrafe von sieben Monaten wäre auch noch widerrufen worden. Am Ende hätten 15 Monate Knast gestanden. Das hatte sich der Betroffene so nicht ausgemalt.

Es ist also immer wichtig, das eigene Strafkonto nicht zu emsig aufzufüllen. Denn in die Zukunft kann niemand gucken. Das gilt selbst dann, wenn die Betroffenen knapp bei Kasse sind und die Strafe  Geldstrafe nicht einfach aus dem Ärmel schütteln können. Das einzige Risiko besteht dann allerdings darin, dass der Angeklagte die Geldstrafe am Ende nicht bezahlen kann und er doch ins Gefängnis kommt. Das nennt sich dann Ersatzfreiheitsstrafe. Der Umrechnungskurs beträgt einen Tag Haft für einen Tagessatz der Geldstrafe.

Den Mandanten im Ausgangsfall habe ich dann letztlich überzeugt, die Freiheitsstrafe nicht einfach zu schlucken. In der nächsten Instanz hatten wir Erfolg. Wir holten uns lediglich eine Geldstrafe ab.

Ich hoffe, der Mandant schläft jetzt besser.