Zwei Jahre: nichts

Die Polizei nimmt heute bei fast jeder Hausdurchsuchung Computer, Datenträger und Handys mit. So schnell die Sachen eingepackt werden, so lange dauert mitunter die Auswertung. Die personelle Austattung der Fachdienststellen hinkt jedenfalls weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. So muss man dann mitunter schon mal ein, zwei Jahre warten, bis die Datenträger ausgewertet sind.

Aber gut, als Beschuldigter sollte man normalerweise gar keine Eile haben. Was auch immer am Ende rauskommt, die Zeit ist im Strafverfahren ein wichtiger Faktor. Zu Gunsten des Betroffenen. In Ausnahmefällen kann es aber schon mal sinnvoll sein auf den Tisch zu hauen. Das habe ich neulich für einen Mandanten gemacht, dessen Computer vor zwei Jahren beschlagnahmt wurden.

Seit der Hausdurchsuchung hat sich kaum was getan. Die Hardware ging an ein großes Sachverständigenbüro in München. Von dort kamen dann nur noch Hochwassermeldungen. Man sei überlastet, neues Personal komme bald, es dauere wegen super eilbedürftiger Aufträge in Haftsachen noch. Und so weiter. Und so fort.

Ich habe pünktlich zum Zweijährigen jetzt doch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Und zwar unter anderem mit dem Argument, dass die Auswertung von Beweismitteln ja eigentlich erst mal eine eigene Aufgabe der Polizei ist. Zwar dürfen Sachverständige beauftragt werden, aber dann sollte es hierfür einen guten Grund geben. Der Fall bot technisch absolut keine Besonderheiten, so dass an sich auch die Polizei die Aufgabe bewältigen konnte.

Für einen externen Sachverständigen sprach dann eigentlich nur der schon erwähnte Umstand, dass die Polizei überlastet ist. Hier war es aber nun merkwürdigerweise so, dass die Polizei in der betreffenden Region mittlerweile wesentlich schneller arbeitet als die auswärtigen Sachverständigen. Das weiß ich aus anderen Fällen.

Ich hätte das Ganze gerne mal gerichtlich geklärt. Insbesondere auch die Frage, wieso dieses Münchner Büro immer so prächtig beschäftigt zu sein scheint, während andere Sachverständige nur ab und an mal einen Auftrag erhalten. Dazu wird es nun aber nicht kommen. Der Vorwurf gegen meinen Mandanten wurde nach Eingang meines Antrags kurzerhand zu einer Bagatelle runterdefiniert. Seine Hardware kriegt er unausgewertet zurück. Das Verfahren wurde eingestellt.

Das ist natürlich auch ein Ergebnis…

Es geht auch kostenfrei

Vor einigen Tagen hatte ich den Mitarbeiter eines Gerichts am Telefon. Er teilte mir unwirsch mit, mit einem von mir gestellten Antrag könne er nichts anfangen. Wenn ich Akteneinsicht wolle, solle ich es doch einfach schreiben. Dann werde er mir als Verteidiger die Gerichtsakte zuschicken, natürlich gegen die übliche Auslagenpauschale von 12 Euro.

Ich sagte ihm, mein Antrag ist genau so gemeint, wie er formuliert ist. Dass ich nämlich lediglich um Übersendung einer Kopie des Hauptverhandlungsprotokolls eines soeben beendeten Strafprozesses bitte. Und nicht um komplette Akteneinsicht.

Das kann man problemlos machen, und dann ist die Übersendung auch kostenlos. So steht es nämlich in Ziff. 9000 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz. Danach hat jeder Beteiligte eines Verfahrens kostenlosen Anspruch auf diverse Unterlagen. Das Urteil zum Beispiel. Oder eben auch auf eine kostenlose Kopie „jeder Niederschrift über eine Sitzung“.

Der Herr vom Gericht klang reichlich skeptisch. Aber dann hat er wohl doch jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Oder einfach mal ins Gesetz geguckt. Das Protokoll kam heute in einem Briefumschlag. Das ist weiß Gott angenehmer, als wenn wieder die gesamte Akte, die immerhin fünf Aktenordner umfasst, von uns aus als Paket auf die Rückreise gehen muss.

Gastro-Ampel in Gefahr

In Nordrhein-Westfalen wird es vorerst keine „Gastro-Ampel“ geben. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stoppte die Pläne der Landesregierung, Daten von Lebensmittelkontrollen online zu stellen – und zwar in Form von pauschalen Bewertungen nach dem Ampelsystem.

Gegen das Projekt hatten vier Duisburger Gastronomen geklagt. Sie empfinden die geplante Ampel als eine Art Pranger. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hatte davor gewarnt, dass die Daten von Restaurantkontrollen relativ alt und Mängel bereits abgestellt sein können.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sieht keine Rechtsgrundlage für die Gastro-Ampel in der geplanten Form. Die Vorschriften sähen nur konkrete Warnungen vor. Bei der Ampel wüssten die Gäste aber gar nicht, warum das betreffende Lokal eine mittelmäßige oder gar schlechte Bewertung erhalten hat (Aktenzeichen 26 K 4876/13, 26 K 5494/13, 26 K 5722/13, 26 K 8686/13).

Knöllchen für Gaffer?

Die Kölner Polizei geht ganz praktisch gegen Gaffer vor. Polizisten notierten nach einem schweren Verkehrsunfall auf der A 57 die Kennzeichen von Gaffern, die über die gegenüberliegende Spur geschlichen sein sollen. Dabei soll es sogar zu einem Stau gekommen sein.

Allerdings gibt es in der Straßenverkehrsordnung keinen besonderen Gafferparagrafen. Dennoch sieht die Polizei Handlungsmöglichkeiten, heißt es in diesem Bericht. Man könnte tatsäclich an Straßenverkehrsgefährdung denken, wenn jemand abrupt bremst. Auch Fahrzeuginsassen, die ihr Handy zückten und die Szene filmten, geraten möglicherweise ins Visier.

Allerdings wird es natürlich interessant, ob und wie die Polizei einem einzelnen Autofahrer Fehlverhalten nachweisen will. Wenn es nämlich schon einen Rückstau gab, wären die Autos ja aus gutem Grund langsamer gefahren. Und selbst wenn der Verkehr noch eingermaßen zügig lief, handelt es sich um eine Gefahrenstelle. Dass sich Blaulicht und Sirenen nur auf den anderen Fahrstreifen beziehen, sieht man mitunter ja wirklich oft erst spät.

Ein Bußgeld ist aber natürlich unvermeidlich, wenn Autofahrer mit ihren Handys filmen. Denn das Handyverbot gilt auch, wenn das Handy als Kamera dient. Ganz anders sieht es aber aus, wenn Beifahrer ihr Handy hochhalten, während das Auto die Unfallstelle passiert. Das ist nicht verboten, jedenfalls so lange die Clips nicht auf Youtube landen.

Ganz abgesehen davon ist es ja auch nie ganz einfach, den wirklichen Fahrer zu überführen, wenn die Autos gar nicht angehalten werden. Eine eigene Videoaufnahme des Geschehens scheint die Polizei ja nicht gefertigt zu haben. Noch nicht…

Letztlich wird es interessant, ob solche Knöllchen tatsächlich vor Gericht Bestand haben. Gaffen ist sicher nicht in Ordnung, aber es ist und bleibt Aufgabe der Polizei, den Vorwurf auch im Einzelfall zu erhärten. Einfach wird das nicht. Aber vielleicht ging es ja auch nur um Abschreckung…

Kein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen

Muslimische Lehrerinnen, die mit Kopftuch an öffentlichen Schulen unterrichten, waren über viele Jahre ein kontroverses Thema. Die meisten Bundesländer haben das Kopftuch im Unterricht mittlerweile generell untersagt. Zu Unrecht, entschied heute das Bundesverfassungsgericht. Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist grundgesetzwidrig, weil es die Religionsfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt.

Laut der Entscheidung muss im Einzelfall geprüft werden, ob eine religiöse Kopfbedeckung tatsächlich geeignet ist, den Schulfrieden zu stören. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass das äußere Erscheinungsbild einer einzelnen Lehrerin nicht mit dem Erscheinungsbild der Schule insgesamt gleichzusetzen sei. Bei einer zurückhaltenden Auslegung seien die Vorschriften noch verfassungsgemäß. Konkret ging es um das Kopftuchverbot im Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10).

Freiheit steht nur auf dem Etikett

Beim öffentlichen WLAN soll ja alles besser werden. Aber dass es wirklich so weit kommt, daran hat sicher niemand ernsthaft geglaubt. Der nun veröffentlichte Gesetzentwurf der Bundesregierung bestätigt die Befürchtungen.

Für die Betreiber privater WLANs soll es zur Pflicht werden, die Namen jeder Person zu kennen, der sie Zugang gewähren. Außerdem müssen sie ihre Zugänge mit wirksamen Passwörtern absichern. Wie so eine Kontroll- und möglicherweise sogar Dokumentationspflicht die Verbreitung „freier“ Netze fördern soll, ist mir schleierhaft.

Die jetzigen Vorschläge beinhalten im Ergebnis sogar eine erhebliche Verschärfung. Für mich klingt das Ganze so, als werde auf diesem Weg versucht, den Filesharing-Abmahnern ihr lukratives Geschäftsfeld zu erhalten. Kaum dreht sich allerorten die Rechtsprechung zu Gunsten der Betroffenen, sollen Betreiber jetzt plötzlich Personalien kontrollieren. Was dann praktisch darauf hinauslaufen wird, dass Jugendliche beim Besuch ihrer Freunde erst mal den Eltern einen Personalausweis zeigen müssen, bevor sich ihr Handy ins heimische Netz einloggen darf.

Auch für Cafés, Restaurants und Hotels bringt der Entwurf keine Verbesserung. Auch sie werden ihre Kunden weiter mit Zugangshürden nerven müssen, um nicht selbst in die Haftungsfalle zu tappen. Einige kluge Autoren haben sich heute schon näher mit dem Entwurf beschäftigt, so dass ich gerne auf ihre Beiträge verweise:

Thomas Stadler: „Verschlimmbesserung“

Niko Härting: „Mehr Haftung als Erleichterung“

Golem.de: „Namentliche Anmeldung bei privaten WLANs erforderlich“

SB-Sonnenstudios sind nicht erlaubt

In Sonnenstudios muss mindestens immer eine Fachkraft anwesend sein. Reine Selbstbedienungs-Solarien sind unzulässig, heißt es in einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

Der Betreiber eines Sonnenstudios in Landsberg am Lech wehrte sich gegen ein Betriebsverbot. Er hatte Kunden auf die Sonnenbank gelassen, ohne dass ein qualifizierter Mitarbeiter anwesend war. Die Vorschriften der UV-Schutz-Verordnung sind nach Auffassung des Gerichts wirksam. Es sei sinnvoll, wenn fachkundige Personen als Berater und Aufsicht anwesend sind, um unnötige Selbstgefährdung der Kunden zu vermeiden (Aktenzeichen 22 BV 13.2531).

Gericht: RTL-Shows sind erträglich

RTL-Sendungen wie „Familien im Brennpunkt“ oder „Verdachtsfälle“ sind zwar schrecklich, aber noch nicht schrecklich genug. Das Niveau ist noch nicht so tief, dass echte Polizeibeamte in diesen Formaten nicht mehr als Experten auftreten dürfen. Der Dienstherr muss ihnen eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilen, entschied das Verwaltungsgericht Aachen.

Einem Beamten war die Genehmigung versagt worden, weil seine Auftritte das Ansehen der öffentlichen Verwaltung schädigen könnten. Nach Auffassung der Richter muss aber unterschieden werden zwischen Öffentlichkeitsarbeit der Polizei und dem Auftritt eines einzelnen Beamten, berichtet die Legal Tribune Online. So lange sich der Polizist sachlich äußere und auch nur außerhalb der Spielszenen eingeblendet werde, gebe es keine Bedenken.

Ausdrücklich weist das Gericht aber darauf hin, dass die Genehmigung auch widerrufen werden könnte, wenn sich das Niveau der Sendungen auf ein unerträgliches Maß verschlechtere.

Nicht jugendfrei

+++ Der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting klagt beharrlich gegen die deutschen Geheimdienste. Im Cicero-Interview erklärt er seine Beweggründe. +++

+++ Die Zustände in ungarischen Haftanstalten verstoßen gegen die Menschenwürde. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Chronische Überbelegung führt dazu, dass den weitaus meisten Gefangenen weit weniger als drei Quadratmeter zur Verfügung stehen. Das ist die Mindestfläche nach EU-Regeln. Außerdem konstatiert das Gericht einen Mangel der Intimsphäre bei den sanitären Anlagen, fehlende Schlafmöglichkeiten, Insektenplagen, schlechte Belüftung und kaum gewährten Hofgang. Gegen Ungarn sind noch 450 wegen der Haftbedingungen anhängig. +++

+++ Der US-Bundesstaat Utah möchte Todeskandidaten künftig erschießen, wenn – auch aufgrund der EU-Sanktionen – künftig kein Gift zur Verfügung steht. Schon die Todesstrafe selbst ist mit der Menschenwürde nicht vereinbar. Aber die jetzigen Pläne wären ein abscheulicher Rückfall in die Barbarei. Dazu braucht man sich nur die plastische Schilderung auf Spiegel Online durchzulesen, die eigentlich eine FSK-18-Freigabe braucht. +++

+++ Zwischen dem Namen des Bekleidungshauses „Anson’s“ und der Textilmarke „Asos“ besteht keine Verwechslungsgefahr, so ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg. Die Richter verweisen insbesondere darauf, dass die beiden Begriffe wegen des Buchstabens n schon komplett anders klingen. +++

+++ Der Kinderfeuerwehrverband Niedersachsen hat verstanden, was dem Deutschen Kinderschutzbund nicht gelang. Zu verstehen, dass gerichtlich auferlegte Zahlungen zur Beendigung eines Strafprozesses kein „schmutziges“ Geld sind. Die Kinderfeuerwehr jedenfalls nimmt die 5.000 Euro an, die der frühere Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy zahlen muss. +++

Keine Ohrlöcher beim Apotheker

+++ Im Vorfeld der Blockupy-Proteste am 18. März in Frankfurt erkundigt sich der Staatsschutz bei Busunternehmen, wer die Fahrzeuge für wie viele Reisende angemeldet hat und wann mit einer „Ankunft“ zu rechnen ist. Einige Reiseveranstalter haben schon kalte Füße bekommen und die Busverträge gekündigt, berichtet die Frankfurter Rundschau. +++

+++ Wegen eines Parkremplers sollte ein Düsseldorfer 52,5 Jahre auf seine Fahrerlaubnis verzichten. Der zuständige Amtsrichter verhängte in einem Strafbefehl eine Sperre von 630 Monaten. Der Betroffene hätte erst wieder mit 101 Jahren Auto fahren dürfen. Wie sich herausstellte, hatte sich der Staatsanwalt im Antrag vertippt, der Richter merkte nichts. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt. +++

+++ Der Bezahlsender Sky hat keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn ein Gastwirt ohne besondere Lizenz in seinem Lokal die Übertragung eines Fußballspiels zeigt – sofern es sich um eine „geschlossene Gesellschaft“ (hier: Dartrunde und Skatclub) handelt. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden. +++

+++ Ein Apotheker darf nicht für das Stechen von Ohrlöchern werben, hat das Landgericht Wuppertal entschieden. Apotheken sei es gesetzlich nur erlaubt, „übliche“ Dienstleistungen anzubieten. Ohrlöcher gehören laut dem Gericht nicht dazu. +++

+++ Ein Schalker Fußballfan muss für anderthalb Jahre ins Gefängnis. Sein Vergehen: Er hat gemeinsam mit anderen Ultras bei einem Heimspiel zwölf Seenotrettungsfackeln gezündet. Dadurch, so das Landgericht Essen, seien Leben gefährdet worden. +++

+++ Zwei deutsche Sprayer sind in Singapur zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Außerdem sollen sie je drei Stockschläge auf den nackten Hintern erhalten. +++

Nichtstun ist eine Option

Einem Kanadier droht Haft, weil er den Grenzbeamten bei der Rückreise in sein Heimatland das Passwort für seinen Blackberry nicht sagen wollte. Einzelheiten in diesem Bericht auf Mobile Geeks.

Solche Geschichten sind für mich immer gerne Anlass, daran zu erinnern: Derartige Diskussionen braucht man bei uns weder mit Grenzbeamten noch mit Polizisten zu führen. Es gibt derzeit keine Rechtsgrundlage, die jemanden dazu zwingt, auf Verlangen der Behörden aktiv Passwörter preiszugeben.

Nichtstun ist also immer noch eine völlig legale Option. Das gilt zum Beispiel auch für die Verweigerung eines Atemalkohol- oder Drogentests.

Nur gegen eine Beschlagnahme der Hardware kann man sich im Zweifel vor Ort nicht wehren. Aber auch hierfür bedarf es natürlich einer gesetzlichen Grundlage. Ob diese eingreift, lässt sich später (meist) gerichtlich überprüfen.

Lieber gehen als kommen

An dem Amtsgericht, von dem ich heute erzähle, herrscht gepflegtes Chaos. Jedenfalls in der Abteilung für Bußgeldsachen. Ich freue mich immer wieder, wenn einer meiner Mandanten in dem Ort in eine Radarfalle gerauscht ist. Oder sonst was Böses gemacht hat, für das man normalerweise ein Knöllchen kriegt.

Natürlich freue ich mich nicht über die Tat als solche. Sondern als Anwalt, wegen der offenkundig guten Chancen, dass die Sache ohne großartiges weiteres Zutun in der Verjährung endet. Für Bußgeldsachen, das muss man wissen, gilt in den weitaus meisten Fällen eine maximale Verjährungsfrist von zwei Jahren. Dazu gehören auch alle Verkehrsdelikte. Ist bis dahin kein Urteil ergangen, ist die Sache vorbei.

An dem betreffenden Gericht herrscht seit Jahren ein fröhliches Bäumchen-wechsel-dich. Richter kommen und gehen. Man kann getrost davon ausgehen, dass die Richter, die es in die Bußgeldabteilung verschlägt, lieber gehen als kommen. In der Tat ist die Verweildauer auf solchen Posten ohnehin extrem gering. Da kann es einen der vielen Interimsrichter schon verleiten, großzügig Termine anzuberaumen. Und zwar stets bis an die Sechs-Monats-Frist, innerhalb der eine Verfahrenshandlung erforderlich ist, damit die Sache nicht schon früher verjährt. Das Spiel lässt sich auch mehrfach wiederholen, gern auch durch den jeweiligen Nachfolger.

Normalerweise ist das alles kein Problem, denn an den weitaus meisten Gerichten ist man vom Bearbeitungsstand her doch weit von der Zwei-Jahres-Obergrenze entfernt. Nicht so hier, denn offenbar haben sich über die Jahre schlicht zu viele Altfälle aufgestaut. Da verliert man die Zwei-Jahres-Frist halt auch mal aus dem Auge, wenn man sie überhaupt gesehen hat. Und passiert das einem nicht selbst, dann halt dem Nachfolger.

Jedenfalls ist es bei dem Gericht ein Vergnügen, als Verteidiger tätig zu sein. Den Ort behalte ich allerdings lieber für mich – vermutlich gibt es ihn ohnehin ein paar Mal in dieser Republik.

Da bleibt nur eins

Dass Herr S. zur Polizei ging, basierte auf einem gewissen Leidensdruck. Jahrelang, so sagt er selbst, hat er die Unterschriften seiner Großmutter auf Überweisungsformularen gefälscht. Und sich so in den Besitz größerer Summen gebracht, die diese ihm gar nicht zukommen lassen wollte.

Schließlich plagte Herrn S. das schlechte Gewissen zu sehr. Er ging also vor kurzem zur Polizeiwache und zeigte sich selbst an. Herausgekommen ist ein sechs Seiten langes Vernehmungsprotokoll. Am Ende des Gesprächs auf dem Polizeirevier fiel Herr S. allerdings aus allen Wolken. Sicher, sagte ihm der Polizeibeamte, werde die Justiz seine neu entflammte Ehrlichkeit zu würdigen wissen.

In Form eines Strafrabatts.

Dumm nur, dass Herr S. etwas ganz anderes erwartet hatte. Nämlich, dass er komplett straflos ausgeht, wenn er eine Selbstanzeige erstattet. Immerhin stehe doch jeden Tag in den Zeitungen, wie viele Sünder von der „strafbefreienden“ Selbstanzeige Gebrauch machten. Es war dann meine Aufgabe ihm zu erklären, dass es dieses Privileg eigentlich nur im Steuerrecht gibt. Und dass es selbst da kaum noch möglich ist, ungeschoren davon zu kommen. „Da habe ich wohl was falsch verstanden“, sagt Herr S. heute.

Vorbestraft sein möchte Herr S. aber auf gar keinen Fall. Das soll ich jetzt richten. Sofern mir nicht noch was Grandioses einfällt, bleibt nur eins. Ich werde für eine Einstellung gegen eine Geldauflage ganz altmodisch auf die Tränendrüse drücken. Dafür mache ich wohl besser gleich einen persönlichen Termin beim zuständigen Staatsanwalt.

Die Bundespolizei weiß Bescheid

Für Schlagzeilen sorgt der Rauswurf eines dunkelhäutigen Mannes aus der Waldbahn im Landkreis Regen. Ein Schaffner hatte mit Hilfe von zwei weiteren Männern den Fahrgast gewaltsam aus dem Zug auf den Bahnsteig befördert. Allerdings gibt es noch andere interessante Aspekte in dem Fall – etwa das Verhalten der Bundespolizei.

Die Bundespolizei ermittelt zwar gegen die drei Betroffenen, will ein Video aus dem Zug aber nicht zur Kenntnis nehmen. Dieses sei nicht „beweisfähig“, erklärte ein Behördensprecher gegenüber den Medien. Grund sei der Umstand, dass das Video „geheim“ aufgenommen worden sei. Deshalb könne es mit Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte nicht herangezogen werden.

Zu dem Video ist bekannt, dass es ein pendelnder Schüler im Abteil mit seinem Handy aufgenommen hat. Später hat er es der Bundespolizei übergeben. Bei dieser Sachlage verwundert es, dass die Bundespolizei heute schon weiß, dass das Video nicht genutzt werden kann.

Zunächst ist es schon mal gar nicht Aufgabe der Bundespolizei, ihr vorliegende Beweismittel juristisch zu bewerten. Das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und des Gerichts, wenn es zu einem Prozess kommt. Die Bundespolizei ist also gar nicht berufen, über Beweisverwertungsverbote zu entscheiden.

Auch in der Sache ist es ziemlich absurd, hier gleich mal so einfach von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen. Die Aufnahme ist in einem öffentlich zugänglichen Bereich gemacht worden, und der Schüler hat sich dabei offensichtlich auch nicht versteckt.

Selbst wenn man eine Gefahr für die ins Spiel gebrachten Persönlichkeitsrechte des Schaffners und der anderen Akteure sieht, hat dies rein gar nichts mit der Frage zu tun, ob das Video Beweismittel bei strafrechtlichen Ermittlungen sein kann. Das sind juristisch zwei Paar Schuhe. Überdies werden bei uns Beweisverwertungsverbote allenfalls in krassen Fällen bejaht. Selbst schwere Rechtsverletzungen bei der Gewinnung von Beweismitteln werden regelmäßig ignoriert – das Strafinteresse des Staates hat fast immer Vorrang. Über die „Verletzung“ von Persönlichkeitsrechten in diesem Umfang dürfte jeder Strafrichter nur milde lächeln.

Andererseits stirbt die Hoffnung ja zuletzt. Es wäre im Ergebnis natürlich zu begrüßen, wenn von bayerischem Boden ein generelles Verwertungsverbot für „illegale“ Videoaufnahmen ausginge. Dann könnte schon mal ein Großteil der ohne ausreichende Kennzeichnung arbeitenden Überwachungskameras abgehängt werden.

Bald-Ex-Abmahnanwälte

Am Filesharing-Geschäft haben sich etliche Anwälte die Finger verbrannt. Mittlerweile dürften nur noch wenige Anwaltsbüros in dem Marktsegment auf lukrative Fallzahlen kommen. Doch der (Rück-)Schritt von der Abmahnkanzlei zur Anwaltskanzlei scheint mitunter nicht einfach zu sein. Google vergisst bekanntlich nur sehr eingeschränkt.

Wie hier nachzulesen ist, möchte nun eine – zumindest einstmals – emsige Abmahnkanzlei mit ihrer Vergangenheit brechen. Früher waren die Anwälte eine feste Größe im Filesharing-Zirkus. Sie haben auch engagiert für Pornoproduzenten abgemahnt, worüber natürlich auch berichtet wurde.

Deswegen müssen potenzielle Mandanten beim Anwerfen der Suchmaschinen jetzt wohl zu oft was von Ficken und Blasen lesen, und zwar dort, wo sie sich eigentlich Infos über die juristischen Vorzüge der betreffenden Anwälte erhoffen.

Wie es sich für eine Abmahnkanzlei gehört, greift man auf das bewährte Instrumentarium zurück. Und mahnt erst mal ab. Derzeit geht es wohl um Google-Werbung anderer Anwälte, die den Namen der betreffenden Bald-Ex-Abmahnkanzlei im Zusammenhang mit Abmahnungen erwähnen. Es, so wird argumentiert, schrecke potenzielle Mandanten ganz doll ab, wenn sie auf eine Homepage gelangen, auf der „im großen Stil über Abmahnung von X und Y im Bereich des Filesharings“ berichtet wird.

Die abgemahnten Anwälte wollen nicht nachgeben. Das wird lustig.