Nicht das Ende des Internets

Ja, heute hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein Urteil zu der Frage verkündet, ob Webseitenbetreiber für beleidigenden Kommentare haften, die Nutzer auf die Seite eingestellt haben. Allerdings ist die Entscheidung weder das Ende der Meinungsfreiheit noch des Internets. Auch wenn so manche Berichte dies glauben machen.

Im Kern ging es um die Frage, ob ein Newsportal Schadensersatz an jemanden leisten muss, der sich zu Recht durch Beiträge von Kommentatoren auf der Webseite beleidigt fühlt. Wichtig ist zunächst zu wissen, dass nicht der Beleidigte vor dem EGMR geklagt hat, sondern das estländische Nachrichtenportal. Das Portal wehrte sich nämlich dagegen, dass es von einem estländischen Gericht dazu verurteilt worden war, an das „Opfer“ der beleidigenden Kommentare 320 Euro zu zahlen. Dies empfand das Portal als Einschränkung seiner Meinungsfreiheit.

Es ging also gerade nicht um die Frage, ob jetzt europaweit alle Seitenbetreiber verpflichtet sind, für jede Beleidigung auf ihren Portalen Schadensersatz zu zahlen. Sondern es ging lediglich um die Frage, ob das Urteil des estländischen Gerichts, das das Portal in diesem Einzelfall auf Grund der estländischen Gesetze verurteilte, die Rechte des Portals verletzt hat.

Genau das ist nach Auffassung des EGMR aber nicht der Fall. Gerade in den wesentlichen Punkten bringt die Entscheidung eigentlich nichts, was sich unmittelbar auf die Rechtslage in Deutschland auswirken könnte. Zahlen musste das Portal nämlich, weil es sich sechs Wochen Zeit gelassen hat, bis es den beleidigenden Kommentar entfernte. Zwar hatte es keine Beschwerde gegeben, aber der EGMR hält die Bewertung des estländischen Gerichts für zutreffend, wonach es sich bei dem Kommentar um „hate speech“ und Aufrufe zu Gewalt handelte.

Wir reden also über einen Inhalt, der nach deutscher Rechtslage „offensichtlich rechtswidrig“ gewesen sein dürfte. Derartige Kommentare müssen durchaus auch bei uns mit einer gewissen Priorität entfernt werden.

Problematisch an der Entscheidung ist aber sicherlich, dass der EGMR nicht unbedingt eine Beschwerde des Betroffenen für erforderlich hält, ab welcher für den Webseitenbetreiber die Uhr für die Entfernung des Kommentars zu ticken beginnt. Allerdings bedeutet die Entscheidung nur, dass dieser Mechanismus vom estländischen Gericht ohne Verstoß gegen europäische Grundrechte für verzichtbar angesehen wurde.

Man darf aber nicht den Schluss ziehen, dass es nun zum Beispiel zwingend auch deutsche Gerichte von ihrer Rechtsprechung abweichen müssen, wonach der Forenbetreiber bei uns normalerweise nur nach einer Beanstandung des Betroffenen haftet, wenn er nicht in angemessener Zeit reagiert.

Aus dem Urteil des EGMR ergibt sich überdies, dass die Entscheidung ausdrücklich nur für große, professionelle Nachrichtenportale gilt, die über entsprechende Redaktionen verfügen. Eine Aussage über die Haftung kleiner Forenbetreiber oder Blogger ist damit nicht getroffen.

Im übrigen dürfte sich das finanzielle Risiko ohnehin in Grenzen halten. Den Schadensersatz von 320 Euro hält der EGMR für gerade noch angemessen, weil der Betreiber der Seite ein großer gewerblicher Anbieter ist. Mit dem Betrag sei die Firma noch nicht übermäßig belastet. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die denkbare Haftung etwa eines Freizeitbloggers oder Forenbetreibers sehr weit unter diesem Betrag liegen müsste (Aktenzeichen ECHR 205 (2015)).

Die Meinung meines Kollegen Thomas Stadler

Automatische Vorschaubilder

Für eine Verurteilung wegen des Besitzes von Kinderpornografie reicht es nicht ohne weiteres aus, wenn lediglich im Thumbnail-Ordner des Betriebssystems verbotene Bilddateien gefunden werden. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden.

Das Gericht weist darauf hin, dass die Dateien im Vorschauordner automatisch abgelegt werden. Deshalb spreche nicht unbedingt eine Vermutung dafür, dass sich der Besitzwille ( = Vorsatz) des Täters auf diese Bilder richtet.

In dem Beschluss beweisen die Richter vertiefte Sachkenntnisse, die man leider nicht bei jedem Gericht antrifft. So heißt es:

Durch Internetrecherche ist leicht feststellbar und damit allgemeinkundig, dass die Vorschaubilder von dem hier verwendeten Betriebssystem Windows XP in der Standardeinstellung automatisch erzeugt werden, wenn gespeicherte Bilddateien erstmals in der Miniaturansicht aufgerufen werden.

In den betreffenden Ordnern wird dazu jeweils die Datei thumbs.db generiert. Hierbei handelt es sich um versteckte Systemdateien, die in der Standardeinstellung nicht im Windows-Explorer angezeigt werden. Werden die originären Bilddateien (jpeg-Format) gelöscht, bleibt die Datei thumbs.db, in der die Vorschaubilder gespeichert sind, in dem jeweiligen Ordner gleichwohl erhalten.

Die Kenntnis dieser computertechnischen Abläufe setzt ein weit überdurchschnittliches Computerwissen voraus.

Es ist also nicht ohne weiteres möglich, jemanden den „Besitz“ an Vorschaubildern zur Last zu legen. Eine Sicht der Dinge, die gerade von vielen Amtsgerichten (bislang) nicht geteilt wird.

Die Thumbnails, so das Oberlandesgericht, seien lediglich ein starkes Indiz dafür, dass sich der Beschuldigte die entsprechenden Originale heruntergeladen und abgespeichert hatte. Hier müsse allerdings festgestellt werden, wann die Thumbnails erzeugt wurden. Das sei wichtig, weil die ja nur noch nachweisbare Besitzverschaffung möglicherweise länger zurückliegen und damit verjährt sein könnte (Aktenzeichen III-2 RVs 36/15).

Urteil im Tugce-Prozess

Das Landgericht Darmstadt hat in dem Verfahren wegen des Todes der Studentin Tugce A. ein Urteil gesprochen. Der Angeklagte Sanel M. wurde heute wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Da die Strafe über zwei Jahren liegt, kann sie nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Gericht wandte Jugendstrafrecht an.

Sanel M. hatte zugegeben, die Studentin heftig geschlagen zu haben. Tugce prallte auf den Boden und verstarb später. Vorangegangen waren wohl wechselseitige Provokationen und Beleidigungen.

Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer gesagt, Sanel sei weder ausschließlich ein aggressiver „Koma-Schläger“ noch sei Tugce eine „nationale Heldin für Zivilcourage“.

Aus für das Kontaktsperregesetz?

Der Bundesminister der Justiz widmet seine Aufmerksamkeit derzeit einem wirklich interessanten Gesetzesvorhaben. Ausnahmsweise sollen die Bürgerrechte mal nicht eingeschränkt, sondern ganz eindeutig gestärkt werden. Allerdings nicht für sonderlich viele Betroffene. Es geht um das Kontaktsperregesetz.

Das Kontaktsperregesetz stammt aus der Zeit der Rote Armee Fraktion (RAF). Mit den Vorschriften sollte verhindert werden, dass Terrorverdächtige über ihre Anwälte oder andere Personen, mit denen sie auch als Gefangene Kontakt haben, vom Gefängnis aus Komplizen steuern. Die Vorschriften bieten einen ganzen Katalog von Maßnahmen. Diese führen faktisch dazu, dass Beschuldigte mit überhaupt niemandem mehr kommunizieren können, eingeschlossen ihre Verteidiger. Darüber hinaus werden strafprozessuale Rechte, zum Beispiel bei Vernehmungen und Haftprüfungen, nahe gegen Null geschraubt.

Nach einem Bericht der Welt folgt der Vorschlag zur Abschaffung des Kontaktsperregesetzes weniger später Einsicht, sondern eher der Erkenntnis, dass die Norm vor allem mit dem EU-Recht nicht mehr vereinbar ist. Insbesondere der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte würde wohl deutliche Worte finden, wenn das Kontaktsperregesetz wieder angewendet werden würde. Was seit RAF-Zeiten allerdings ohnehin nicht mehr geschehen ist.

Mein Fehler, dein Fehler

Heute habe ich mich vor Gericht bemüht, die Strafe eines Mandanten zu reduzieren. Neben vielen anderen Punkten wies ich darauf hin, dass das Verfahren mit knapp drei Jahren bislang ziemlich lange gedauert hat.

An sich hätte die Verhandlung locker nach einem Jahr stattfinden können. Da lagen die Ermittlungsergebnisse nämlich auf dem Tisch. Aber schon die Anklage ließ Monate auf sich warten. Als die Anklage da war, tat sich nichts bei Gericht – bis wir dann nach drei Jahren nun mal einen Termin bekamen.

Das könnte man recht problemlos unter folgenden Begriff packen: „rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung“. Die Sache hat allerdings einen Schönheitsfehler. Auch in meinem Büro war was schiefgelaufen. Anscheinend habe ich den Eingang der Anklage, die uns zur Stellungnahme zugesandt wurde, nicht ordnungsgemäß bestätigt. Normalerweise muss man da ein schriftliches Empfangsbekenntnis zurücksenden – was aus einem mir unbekannten Grund nicht geschehen zu sein scheint. Ein bedauerlicher Einzelfall, möchte ich betonen.

Aufgefallen ist mein Versäumnis erst, als das Gericht an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses erinnerte. Diese Nachfrage kam nach stolzen viereinhalb Monaten. So lange war also bei Gericht nicht aufgefallen, dass das Empfangsbekenntnis fehlt. Oder es hat sich niemand drum gekümmert.

Die Frau Staatsanwältin stellte sich in ihrem Plädoyer auf den Standpunkt, der rund viermonatige Stillstand wegen des fehlenden Empfangsbekenntnisses dürfe nicht der Justiz angelastet werden. Sondern ausschließlich mir als Verteidiger. Und damit dem Angeklagten (obwohl es eine ziemlich schwierige Frage ist, ob Angeklagte überhaupt für Fehler ihres Anwaltes haften müssen).

Ich dagegen erlaubte mir den Hinweis, dass in jedem Büro mal was schiefläuft. Überdies sei es ja wohl zu erwarten, dass nach angemessener Zeit kontrolliert wird, ob der Anwalt die erforderlichen Unterlagen eingereicht hat. Viereinhalb Monate bis zur Nachfrage seien da ja wohl doch etwas lang. Was im übrigen auch dafür spreche, dass in der Zeit wahrscheinlich ohnehin nichts passiert wäre.

Die Richterin löste die Sache salomonisch. „Die Sache hat ziemlich lange gedauert“, befand sie in der Urteilsbegründung. „Das habe ich bei meiner Entscheidung berücksichtigt.“ Vom Ergebnis her konnte mein Mandant sich nicht beschweren. Wir landeten bei der Strafe im unteren Drittel dessen, was wir uns erhofft hatten. Es war also jedenfalls kein Fehler, die Verfahrensdauer zu thematisieren, obwohl es ja zwangsläufig etwas peinlich werden musste.

Heftiger Dämpfer für unseriöse Ermittler

Für unseriöse Polizisten brechen unangenehme Zeiten an. Jedenfalls was die sogenannte Tatprovokation angeht. Das sind Fälle, in denen der Beschuldigte eine Tat gar nicht begangen hätte, wäre er nicht gezielt durch Verdeckte Ermittler angefüttert oder gar direkt unter Druck gesetzt worden. Der Bundesgerichtshof hat mit einem aktuellen Urteil seine Rechtsprechung zu dem Thema revolutioniert.

Bisher führte die Tatprovokation nur zu einer milderen Strafe. Ab sofort dürfte am Ende in der Regel die folgenlose Einstellung des Verfahrens stehen.

Der jetzt entschiedene Fall bot sich auch geradezu an, von einer Bestrafung des Täters abzusehen. Verdeckte Ermittler hatten zwei Männer über einen längeren Zeitraum immer wieder aufgefordert, für sie große Mengen Ecstasy in Holland zu besorgen. Erfolglos. Schließlich griffen die Polizisten zu Drohungen. Außerdem behauptete einer, seine Familie werde mit dem Tode bedroht, wenn er seinen Hinterleuten nicht Rauschgift besorge. Erst da knickten die Betroffenen ein.

Die zwei Polizeiopfer konnten vor Gericht lediglich eine Strafmilderung erkämpfen. Doch das reicht nicht mehr aus, sagt der Bundesgerichtshof. Das Gericht legt als Regellösung für solche Fälle ausdrücklich die Einstellung des Verfahrens fest.

Die Änderung basiert auf klaren Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hat die Bundesrepublik letztes Jahr in einem ähnlichen Fall verurteilt, weil am Ende des Verfahrens lediglich eine Strafmilderung erfolgte. Das möchte der Bundesgerichtshof künftig vermeiden. Die Richter erkennen es ausdrücklich als ihre Aufgabe an, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Deutschland umzusetzen.

Solche Urteile machen mir persönlich Hoffnung. Vielleicht kommt ja auch der Tag, an dem sich auch bei rechtswidrig erlangten Beweisen die Einsicht durchsetzt, dass ein Verwertungsverbot der Regelfall sein sollte. Und nicht, wie derzeit bei uns, die Ausnahme. Ebenso wie die Tatprovokation ist es ein Unding, dass Ermittler sehenden Auges die Strafprozessordnung missachten können, ohne dass dies spürbare Folgen hat (Aktenzeichen 2 StR 97/14).

Die Wanderhure ist nun geschützt

Darf die Wanderhure weiter wandern – und zwar unter dem Schutz des Markenrechts? Sie darf, dank einer durchaus verständigen, ja sogar humorvollen Entscheidung der zuständigen Richter beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt. Die Richter hoben die Entscheidung der zuständigen Prüferin auf. Diese hatte es abgelehnt, die Wanderhure zur Wortmarke zu machen.

Die Ablehnung erfolgte nicht, weil es im 15. Jahrhundert – nur um diesen Zeitraum geht’s – möglicherweise noch viele andere Wanderhuren gab. Deren Erlebnisse könnten es ja auch wert sein, zu Papier gebracht zu werden. Nein, die Prüferin befand den Begriff „Hure“ schlicht für zu vulgär.

Die Richter halten dagegen, dass die Protagonistin des Romans wohl eindeutig mobil war und überdies sexuelle Dienstleistungen erbrachte, und zwar bis in höchste kirchliche Kreise auf dem Konzil in Konstanz. Die Juristen vermissen schon einen vergleichbaren, politisch korrekten Begriff, welcher die Tätigkeit der Wanderhure alternativ beschreiben könnte:

Im gegenwärtigen Sprachgebrauch existiert der Begriff „Wanderdienstleistungserbringerin“ nicht.

Insgesamt befinden sie:

Die angefochtene Entscheidung vermischt die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst. Sie eignet sich hervorragend zum Verbot von Krimis mit dem Wort „Mord“ im Titel, denn bekanntlich sind Morde gemäß § 211 des eutschen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen, und es gibt nichts sittenwidrigeres als solche zu begehen, und sie eignet sich hervorragend, den Liedermacher Reinhard Mey dem Scheiterhaufen zu überantworten, weil mit dem Lied „Der Mörder war
immer der Gärtner“ letztgenannter Berufsstand sittenwidrig verunglimpft worden sei. Kurz: Die angefochtene Entscheidung versäumt die Unterscheidung von Fact und Fiction.

Die Folgen seiner Entscheidung sind dem Gericht bewusst:

Die Wanderdame darf also weiterwandern, und ihre Wanderwege können mit „wissenschaftlichen und Vermessungs-Instrumenten“ kartographiert, in „Loseblattsammlungen“ regelmäßig aktualisiert, mit „OCR-Zeichenerkennung“ aufbereitet, in „Chat-Rooms“ breitgetreten und zur „sportlichen Aktivität“ erklärt werden, wobei die Kammer selbstverständlich davon ausgeht, dass mit den beanspruchten „Erziehungs“-Dienstleistungen solche der gemeinnützigen Sozialarbeit gemeint sind und nicht solche der Erziehung zur Prostitution.

Link zum Beschluss

„Sie sind jetzt alle erpressbar“

+++ 7 Gründe , weshalb „Ich habe nichts zu verbergen“ die falsche Reaktion auf Massenüberwachung ist. +++

+++ Der Deutsche Anwalt Verein lehnt die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor ab. Mit guten Gründen. +++

+++ Der ausgehorchte Bundestag ist mehr als ein technisches Problem. „Sie sind jetzt alle erpressbar“, schreibt Michael Hanfeld in der FAZ über die aktuelle Situation der Volksvertreter. +++

+++ Rund 40.000 Syndikusanwälte gibt es in Deutschland. Ihre rechtliche Stellung ist in die Diskussion geraten. Auf Spiegel Online kann man verständlich nachlesen, worum es geht. +++

+++ In Deutschland haben Flüchtlinge oft Probleme, ein Konto zu eröffnen. Das wird sich bald ändern, denn eine neue EU-Richtlinie verlangt diskriminierungsfreien Zugang zu einem Girokonto. Die aktuelle Situation schildert ein eindrucksvoller Text in der Süddeutschen Zeitung. +++

Rücklastschrift darf nicht 50 Euro kosten

Das Reiseportal fluege.de langte kräftig zu, wenn die Lastschrift eines Kunden platzte. 50 Euro verlangte die Firma pauschal für jeden vergeblichen Abbuchungsversuch. Das ist unzulässig, urteilte jetzt das Landgericht Leipzig.

Fluege.de verwendete folgende Klausel:

Sollte es zu einem unberechtigten Zurückhalten bzw. einer unberechtigten Rückgängigmachung einer Zahlung (Lastschriftrückgabe / Rückgabe einer Kreditkartenzahlung / etc.) durch Sie kommen, so erhebt Unister hierfür für jeden Fall eine Gebühr in Höhe von bis zu 50,00 €. Es ist dem Nutzer aber unbenommen, nachzuweisen, dass ein wesentlich niedrigerer oder kein Schaden entstanden ist. Die Gebühr wird nur beansprucht, wenn den Nutzer ein Verschulden an der unberechtigten Zahlungsverpflichtung trifft.

In der Formulierung erkennen die Richter unschwer einen pauschalierten Schadensersatz. Der ist aber allenfalls zulässig, wenn er der Höhe nach dem ungefähr zu erwartenden Schaden entspricht. Das ist bei einer Summe von 50 Euro aber erkennbar nicht der Fall; der übliche Betrag liegt irgendwo zwischen 5 und 15 Euro. Im Zweifel muss das Unternehmen belegen, welche Kosten ihm tatsächlich entstehen (Aktenzeichen 8 O 2084/14).

Abgehakt

Die meisten meiner Mandate rechne ich nach Zeitaufwand ab. Das bedeutet, dass ich nach jedem Bearbeitungsschritt eines Falles immer gleich notieren muss, wie viel Zeit ich gerade aufgewandt habe.

Wenn man sich daran gewöhnt hat, ist das ein purer Automatismus. Der allerdings auch mal fehleranfällig ist, wie ich vorhin feststellen durfte. Ich glich den Entwurf einer Endabrechnung für den Mandanten noch mal mit den bisherigen Zwischenabrechnungen ab. Und stellte fest, dass sich in die zweite Zwischenabrechnung ein Fehler eingeschlichen hat.

Für eine Verteidigungsschrift habe ich „05“ Minuten eingetragen. An guten Tagen bin ich zwar ganz flott, aber viereinhalb Seiten Text, rechtliche Ausführungen eingeschlossen, kann ich in der Zeit eigentlich kaum geschafft haben. Ich bin mir sicher, es waren in Wirklichkeit 50 Minuten.

Na ja, besser so rum, als wenn es aussieht, ich würde bei der Zeiterfassung schummeln. Den Einnahmeverlust hake ich wohl besser gleich ab. Die Sonne scheint ja trotzdem.

0,117 Gramm

Mein Mandant ist nicht vorbestraft. Bei einer Kontrolle entdeckte die Polizei in seiner Hosentasche ein weißes, gefaltetes Papier mit Anhaftungen einer bräunlichen Substanz. Hierbei soll es sich um Cannabis handeln.

So weit, so schlecht, so alltäglich. Und letzteres versehe ich mit drei Ausrufezeichen, denn die angeblich gefundene Menge Cannabis beläuft sich auf 0,117 Gramm. Das ist so wenig, dass das Untersuchungslabor beim Landeskriminalamt eine nähere Analyse bedauernd ablehnte. Diese Analyse sei überhaupt erst ab 1,5 Gramm möglich, ließen die Chemiker die Staatsanwaltschaft wissen, bevor sie zum Lachen in den Keller gingen.

Dieser kleine Rückschlag bei der Beweismittelbeschaffung hielt den Staatsanwalt aber nicht davon ab, gegen meinen Mandanten einen Strafbefehl zu beantragen. Stolze fünf Tagessätze – weniger geht gar nicht – à 15 Euro soll er als Strafe zahlen. Ganz ehrlich, da frage ich mich, was der Staatsanwalt vor diesem Antrag so eingenommen hat. Gleiches gilt für den Amtsrichter, denn der winkte den Strafbefehl ohne großes Aufhebens durch. Was natürlich auch bedeuten kann, dass er ihn gar nicht gelesen hat.

All das ist schon ziemlich traurig, denn das Bundesverfassungsgericht hat die Strafbarkeit von Cannabis überhaupt nur für verfassungsgemäß gehalten, wenn der Eigengebrauch kleiner Mengen regelmäßig straflos bleibt. Gut, das betreffende Urteil hat jetzt schon einige Jahre auf dem Buckel, und richtige Fans findet es nur ganz selten unter Drogenstaatsanwälten.

Als Gedankenstütze gibt es deshalb landauf, landab ja nun schon länger interne Richtlinien, bis zu welcher Bruttomenge die Eigenbedarfsregelung gilt. In meinem Fall soll in dem betreffenden Bundesland, so weit ich das richtig sehe, bei nicht vorbelasteten Tätern das Verfahren regelmäßig eingestellt werden, wenn die Menge von 10 oder sogar 15 Gramm nicht überschritten wird.

Wenn da nicht doch noch jemand ein Einsehen hat, wird es in absehbarer Zeit eine Hauptverhandlung geben.

Ich überlege, ob ich gegen meine Gewohnheit doch mal etwas lauter werde.

Bitte, bitte keine Mails

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat eine E-Mail-Adresse. Sie lautet: STH-Poststelle@justiz.niedersachsen.de. So ganz wohl scheint sich die Behörde mit dieser, nun ja, irgendwie ja immer noch sehr neumodischen Form der Erreichbarkeit aber nicht zu fühlen. Denn jeder, der die E-Mail-Adresse nutzen möchte, wird auf der Homepage per Sternchenhinweis in aller Deutlichkeit gewarnt:

Es wird darauf hingewiesen, dass Nachrichten, die per E-Mail versandt werden, unverbindlich sind und keine Fristen wahren. Wenden Sie sich daher bitte mit Ihren Anträgen, Strafanzeigen, Rechtsmitteln und sonstigen Eingaben nur per Brief oder Fax an die Behörde.

Wenn wir es jetzt mit einer Firma zu tun hätten, würde man wohl von einer überraschenden Klausel sprechen. Allerdings ist das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ja nicht auf Behörden anwendbar. Leider. Sonst gäbe es an Abmahnungen einiges zu verdienen.

Belassen wir es deshalb bei der Einsicht, dass die Staatsanwaltschaft Hannover schlicht einen völlig falschen Eindruck erweckt, weil sie null Bock auf E-Mails hat. Die Strafverfolger müssen von Amts wegen jede Eingabe gleichermaßen ernst nehmen. Das ist völlig unabhängig vom Beförderungsweg und der Frage, ob eine Unterschrift drauf ist.

Eine Strafanzeige bleibt zum Beispiel eine Strafanzeige, auch wenn sie per Mail oder von einer Brieftaube überbracht wird. Es gibt überhaupt keine juristische Grundlage, dass E-Mails möglicherweise nur nachrangig bearbeitet oder gar gleich ungelesen in den Papierkorb verschoben werden. Oder dass man später sagt, ist ja alles nur unverbindlich, deshalb hat es uns halt nicht interessiert.

Die wenigen Fälle, in denen sich der Bürger wirklich schriftlich oder per Fax und noch dazu mit eigener Unterschrift an eine Staatsanwaltschaft wenden muss, lassen sich an einer Hand abzählen. Das sind vorrangig die erwähnten förmlichen Rechtsmittel – aber dafür ist dann jeweils eine besondere Form ausdrücklich vorgeschrieben. Das muss dann auch in der Rechtsmittelbelehrung drinstehen, die man erhalten haben sollte. Gibt es diese Vorschrift nicht, reicht eben auch eine Mail.

Aber vielleicht treibt die Staatsanwaltschaft Hannover auch nur der Umstand, dass sie wie viele Behörden in den letzten 20 Jahren darauf verzichtet hat, elektronische Kommunikation im eigenen Haus handelbar zu machen. Man könnte das ja sogar vorausschauend nennen, denn immerhin wird ja gerade jetzt mal wieder verstärkt der Tod der E-Mail ausgerufen.

Jedenfalls ergibt sich die eigentliche Sorge der Staatsanwaltschaft, nämlich die vor der eigenen Inkompetenz in zeitgemäßer Kommunikation, sehr schön aus dem Nachsatz des zitierten Hinweises:

Sonst geht möglicherweise etwas verloren.

Ehrlich sind sie. Immerhin.

Erst Facebook, dann Knast

Facebook-Einträge eines verurteilten Straftäters bringen den Mann wieder ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte den Widerruf seiner Bewährung, weil der Mann auf Facebook negative Kommentare über seine ehemalige Partnerin abgegeben hatte.

Der Mann war zu einer Freiheitsstrafe wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung an seiner damaligen Freundin zu 6 Jahren und 9 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach zwei Dritteln der Strafe wurde er entlassen, bekam jedoch vom Gericht ein striktes Kontaktverbot zu der Frau auferlegt.

Auf Facebook schrieb er jedoch negative Kommentare über die Frau. Das stellt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm einen Verstoß gegen das Kontaktverbot dar. Dem Mann sei klar gewesen, dass zumindest Angehörige und Freunde der Frau auf Facebook seine Einträge mitlesen und die Ex-Freundin darüber unterrichten (Aktenzeichen 3 Ws 168/15).

Heftige Worte

Massive Beleidigungen des Vermieters können wohnungslos machen. Dies merkte jetzt eine 70-jährige Münchnerin. Im Streit um eine Mieterhöhung hatte sie ihre Vermieterin als Quasi-Mörderin dargestellt. Außerdem verglich sie ihre eigene Situation in der Wohnung mit der Judenvernichtung im Dritten Reich.

Grund für die verbalen Ausfälle war das Gefühl der Mieterin, die Temperaturen in ihrer Wohnung seien zu hoch. Das kleidete die Frau unter anderem in folgenden Satz:

Die Situation erinnert mich an die Dokus, die man lfd. zu sehen bekommt, als die Deutschen die Juden in die Öfen geschoben haben und die übrige Bevölkerung jubelte wie die Weltmeister. Daran scheint sich wie man an meiner Situation erkennen kann, nicht viel geändert zu haben.“

Bei solchen Entgleisungen sei eine fristlose Kündigung gerechtfertigt, befand nun das Amtsgericht München. Die Wortwahl habe jedwede Vertrauensgrundlage zu der Vermieterin zerstört, zumal die Mieterin ihre Behauptungen diverse Male wiederholt hatte (Aktenzeichen 452 C 16687/14).

Flug geht früher, Airline muss zahlen

Bei erheblichen Flugverspätungen müssen Airlines eine Entschädigung zahlen. Das ist bekannt. Seit heute gibt es auch gute Aussichten auf Geld, wenn der Flug um mehrere Stunden vorverlegt wird.

Der Bundesgerichtshof verhandelte heute den Fall, in dem eine Flugreise um neun Stunden vorverlegt wurde. In den Vorinstanzen bekamen die Kläger kein Recht, aber jetzt. Die Bundesrichter sahen keinen Grund, dass die Entschädigung nicht auch bei einer nennenswerten Vorverlegung des Fluges gezahlt werden muss.

Zur Begründung hieß es, die Vorverlegung komme einer Annulierung des ursprünglich gebuchten Fluges gleich, verbunden mit dem Angebot auf den Neuabschluss eines neuen Beförderungsvertrages. Bei Annulierungen müssen auch Entschädigungen gezahlt werden.

Nach dem rechtlichen Hinweis des Gerichts erkannte die verklagte Airline den Anspruch an. Sicher ein schlauer Schachzug, da es nun jedenfalls kein schriftliches Präzedenzurteil geben wird (Aktenzeichen X ZR 59/14).