Rosa Aussichten für Nivea-Blau

Bleibt das Nivea-Blau exklusiv? Nivea-Hersteller Beiersdorf hat einen Teilerfolg errungen. Der Bundesgerichtshof erklärte die vom Bundespatentgericht angeordnete Löschung der Marke „Blau“ für Körperpflegeprodunkte für unwirksam.

Die Richter weisen darauf hin, dass Farben an sich nicht schutzfähig sind. Eine Ausnahme gelte aber dann, wenn mehr als 50 Prozent des Publikums die Farbe bereits mit dem konkreten Produkt gleichsetzen. Das Bundespatentgericht war der Meinung, die Akzeptanz müsse bei mindestens 75 Prozent liegen.

Ob das Nivea-Blau wirklich so eine durchschlagende Wirkung hat, muss jetzt zunächst ein Gutachten klären (Aktenzeichen I ZB 65/13).

„Wollen Sie mich ficken?“

Mal wieder ein interessanter Fall zu der Frage, was man zu Polizisten sagen darf. Und was nicht. Bei der Frage „Wollen Sie mich ficken?“ würde man sicher zuerst darauf tippen, dass der Angeklagte eher schlechte Karten hat. Doch das Amtsgericht Augsburg gibt eine andere, juristisch zutreffende Antwort.

Es ging um einen 71-jährigen Autofahrer, der sich von einer Verkehrskontrolle gegängelt fühlte. Nachdem er nach eigenen Angaben einen Alkoholtest verweigerte, hätten die Beamten penibel sein Auto durchsucht und ihm einen Vortrag gehalten, wie gefährlich ungesicherte Ladung ist. „Das ist wohl ein Unbelehrbarer. Mach du mal weiter“, soll ein Polizist darauf gesagt haben. Sein Kollege verlangte dann Wanrdreieck, Warnweste und Verbandkasten zu sehen.

Darauf entrutschte dem Rentner die kernige Frage „Wollen Sie mich ficken?“ Keine Beleidigung, urteilte das Amtsgericht Augsburg. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft habe das F-Wort heute schon längst nicht mehr einen eindeutig sexuellen, noch dazu beleidigenden Bezug. Vielmehr sei es in diesem Fall vorrangig um die Art und Weise der „Behandlung“ durch die Staatsmacht gegangen. Und Kritik hieran darf auch mal harscher ausfallen.

Schlau war der Rentner in jedem Fall. Immerhin hat er den Beamten nicht geduzt oder gar als „Mädchen“ tituliert, dann wäre er wohl eher dran gewesen.

Bericht in der Augsburger Allgemeinen

Zschäpes vierter Anwalt

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, erhält einen vierten Pflichtverteidiger. Das ist schon eine stattliche Zahl an staatlich vorfinanzierten Anwälten, aber auch nicht dramatisch viel.

Kaum ein Großverfahren beginnt heute, in dem der Angeklagte nicht mindestens zwei Verteidiger hat. Gerade wenn viele Verhandlungstage absehbar sind, kann das Gericht so riesigen Problemen vorbeugen, wenn es zu Terminskollisionen kommt. Viele Anwälte haben ja doch mehr als einen Mandanten, den sie vertreten müssen.

Ansonsten bestehen natürlich ähnliche Risiken, wie wenn eine Richterbank zu dünn besetzt ist. Fällt der Solo-Anwalt wegen Krankheit oder gar Tod aus, darf der Prozess von vorne beginnen. Dass Zschäpe von Anfang an drei Verteidiger bekam, war sachlich sicher angemessen. Schon wegen des Umfangs der Akten und der absehbaren Prozessdauer.

Die Zahl der Pflichtverteidiger ist nach oben übrigens gar nicht begrenzt. Nur bei Anwälten, die der Mandant selbst beauftragt und bezahlt, gibt es seit RAF-Zeiten eine Obergrenze von drei Verteidigern. Die bis zu drei Wahlverteidiger werden auch nicht irgendwie auf die Zahl der Pflichtverteidiger angerechnet, so dass Beate Zschäpe momentan jederzeit also auch von sich aus noch bis zu drei Anwälte ins Rennen schicken könnte. Die müsste sie dann allerdings auch direkt selbst bezahlen.

Apropos bezahlen, auch Zschäpes nunmehr vierter Verteidiger ist nicht „kostenlos“. Bei Pflichtverteidigern tritt der Staat nur in Vorleistung. Wird der Angeklagte später rechtskräftig verurteilt, muss er die gesamten Kosten des Verfahrens tragen. Dazu gehören auch die Kosten aller Pflichtverteidiger. Eine andere Frage nach einer Verurteilung ist natürlich, ob der Angeklagte die Kosten auch tatsächlich aufbringen kann. Aber das ist bei „normalen“ Schulden ja auch nicht anders.

Im Sockel des Weinregals

Mit einem bizarren Fall muss sich derzeit das Landgericht Bonn beschäftigen. Es geht darum, wer für den Geruch einer Leiche verantwortlich ist, welche die Polizei 2013 gefunden hat – eingegossen in den Beton-Sockel eines Weinregals im Keller.

Bei der Toten handelt es sich um Sigrid P. aus Königswinter. Die Frau war im Jahr 2008 spurlos verschwunden. Ihr Mann, der mit ihr gemeinsam das Haus gemietet hatte, behauptete, seine Frau sei ausgezogen, um ein neues Leben zu beginnen. Tatsächlich hatte er seine Gattin getötet und im Keller vergraben, so besagt es jedenfalls das gegen ergangenen Strafurteil (acht Jahre Haft wegen Totschlags).

Die Vermieterin hat nun das Land Nordrhein-Westfalen verklagt. Sie möchte 26.000 Euro Schadensersatz, weil die Polizei bei ihren tagelangen Ermittlungen nicht verhindert haben soll, dass der intensive Leichengeruch durch das ganze Haus zieht. Deswegen sei eine Sanierung erforderlich gewesen.

Das Prozessziel der Klägerin ist sicher reichlich ambitioniert, da sie ja immerhin ein Verschulden der Polizei nachweisen muss. Das Landgericht Bonn wird voraussichtlich im Herbst über den Fall verhandeln, berichtet der Kölner Stadtanzeiger.

Reporter ohne Grenzen verklagen den BND

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) verklagt den Bundesnachrichtendienst wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses. Die Klage wurde diese Woche beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht.

ROG wirft dem Bundesnachrichtendienst vor, den E-Mail-Verkehr der Organisation mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung ausgespäht zu haben. Dies beeinträchtige massiv die Arbeit von ROG und verletze die Interessen der Organisation.

Für zahlreiche Journalisten aus Deutschland und aus autoritären Staaten wie Usbekistan, Aserbaidschan oder China ist ROG ein regelmäßiger und wichtiger Ansprechpartner, an den sie sich mit schutzwürdigen Anliegen oder vertraulichen Informationen wenden. Die Ausforschung der Kommunikation durch den BND bedeutet jedoch, dass sich die Journalisten mit ihren persönlichen Anliegen nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt.

Wie aus dem jährlichen Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 08. Januar 2015 hervorgeht, hat der BND im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung im Jahr 2013 wohl hunderte Millionen Mails mit Suchbegriffen durchforstet und schließlich mehr als 15.000 Mails mit Treffern ermittelt, die genauer untersucht wurden.

Reporter ohne Grenzen vertritt die Auffassung, dass diese Überwachungspraxis unverhältnismäßig ist und vom Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10-Gesetz) nicht gedeckt ist. Angesichts dieser Überwachung sieht ROG den Informantenschutz für Journalisten nicht mehr garantiert und die freie Berichterstattung in Deutschland bedroht. Den Medien sei es nicht mehr ausreichend möglich, ihrer Rolle als vierte Gewalt in einer demokratischen Gesellschaft nachzukommen.

Reporter ohne Grenzen klagt deswegen auch gegen den Einsatz des Verkehrsanalysesystems „VerAS“. Mit diesem Programm erhebt und verarbeitet der BND seit dem Jahr 2002 Metadaten auch von deutschen Bürgern, die im Zusammenhang mit ihrer Kommunikation anfallen. Dabei erfasst der Nachrichtendienst neben Telefonverbindungen, SMS und E-Mails auch das Surfen im Internet sowie die Nutzung von sozialen Netzwerken. Für diese Art von Datensammlung und -analyse gibt es nach Auffassung von Reporter ohne Grenzen keine gesetzliche Grundlage.

Kein Herz für Gänse

Ich weiß nicht, ob es einen Trend zur Gänsehaltung gibt. Wenn ja, dann hat das Verwaltungsgericht Köln ihn allerdings jetzt gedämpft. In einem normalen Wohngebiet haben Gänse nach Auffassung der Richter nichts verloren, entschieden sie gestern.

Ein Ehepaar hielt auf seinem Grundstück in Pulheim-Stommeln zwei Gänse. Es handelt sich bei der Siedlung um ein reines Wohngebiet, das allerdings „ländlich“ geprägt sein soll. Immerhin 1.000 Quadratmeter eigenen Grund konnten die Gänseeltern ihren Tieren zur Verfügung stellen.

Was die Nachbarn allerdings nicht gut fanden. Sie beschwerten sich vor allem über das Geschnatter der Gänse. Die Tierhalter machten zwar geltend, nachts seien die Gänse sogar in einem Stall untergebracht und damit kaum hörbar. Doch die Richter stellten eher grundsätzliche Überlegungen zur Tierhaltung im Wohngebiet an – und Gänse kommen dabei schlecht weg.

Kleintierhaltung sei im Wohngebiet zwar nicht generell ausgeschlossen, so das Gericht. Allerdings dürften nur solche Tiere gehalten werden, die regelmäßig in Wohngebieten anzutreffen sind. Dies sei bei Gänsen jedoch nicht der Fall, anders als etwa bei Hunden, Katzen oder Kaninchen. Lediglich zusätzlich sei davon auszugehen, dass Gänse als besonders schreckhafte Tiere die Wohnruhe stören.

Gegen das Urteil ist Berufung möglich (Aktenzeichen 23 K 42/14).

Youtube und GEMA streiten weiter

Der juristische Streit zwischen Youtube und der GEMA schwelt munter weiter. Diese Woche gab es mehrere Urteile.

Das Oberlandesgericht Hamburg bejaht eine Verpflichtung von Youtube, Videos zumindest nach einer entsprechenden Beschwerde zu sperren. Allerdings sehen die Hamburger Richter keine Pflicht von Youtube, selbst intensiv nach Urheberrechtsverletzungen in den Videos zu suchen, die Nutzer einstellen.

In einem Prozess vor dem Landgericht München hatte die GEMA rund 1,6 Millionen Euro eingeklagt, weil Youtube die Vergütung für GEMA-pflichtige Videos schuldig geblieben sein soll. Allerdings sehen die Richter keine Rechtsgrundlage für die Forderungen der GEMA und wiesen die Klage ab.

Die Prozesse werden sicher noch in die nächsten Instanzen gehen.

Näheres in der Süddeutschen Zeitung.

Mediendienste: Bremse für Regulierer

Online-Angebote von Tageszeitungen sind keine „audiovisuellen Mediendienste“, befindet der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof. Diese Bewertung hat Folgen für die Regulierung dieser Angebote nach EU-Recht.

„Die Tiroler Tageszeitung“ wehrt sich dagegen, dass ihr Angebot als audiovisueller Mediendienst eingestuft wird. Das hätte zur Folge, dass der Service in Österreich „anzeigepflichtig“ wird.

Nach Auffassung des Generalanwalts ist die entsprechende EU-Richtlinie aber nur auf Produkte des klassischen Fernsehens zugeschnitten, die nun als Video-on-Demand-Dienste einen Platz im Internet suchen. Kennzeichnend hierfür seien komplette Sendungen. Die „Tiroler Tageszeitung“ biete vielmehr eine Art Videokatalog mit internen und externen Inhalten, die meist Bezug zur ihrer redaktionellen Berichterstattung haben.

Der Europäische Gerichtshof folgt normalerweise den Vorschlägen des Genralanwalts. Für Deutschland wird ein entsprechendes Urteil sicher deswegen interessant, weil es es den Spielraum der Regulierungsstellen bei uns jedenfalls nicht erweitern wird (Aktenzeichen C-347/14).

Richter muss Fixierung genehmigen

Patienten können sich in Vorsorgevollmachten nicht vorab pauschal und verbindlich damit einverstanden erklären, dass sie künftig in Pflegeheimen mit gravierenden Sicherungsmaßnahmen einverstanden sind, etwa einer Fixierung in ihrem Bett. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Laut dem Gericht können Betroffene zwar solche Regelungen in Vorsorge- und Generalvollmachten aufnehmen, doch bleibe eine richterliche Genehmigung in jedem Fall notwendig (Aktenzeichen 2 BvR 1967/12).

Knabberfische haben Zukunft

In Kosmetikstudios dürfen sogenannte „Knabberfische“ ihre Arbeit verrichten. Die kleinen Saugbarben (Garra rufa, Kangalfische) knabbern bei Kunden Schuppen und Hautreste ab, wenn diese ihre Füße oder Arme in die Fischbecken halten.

Das Verwaltungsgericht Meinungen hat hiergegen keine tierschutzrechtlichen Bedenken, heißt es in einem aktuellen Urteil. Es müsse allerdings gewährleistet sein, dass die Tiere artgerecht gehalten werden. Das sei in dem betreffenden Kosmetikstudio in Eisenach aber grundsätzlich möglich (Aktenzeichen 2 K 143/15 Me).

Älterer Beitrag im law blog

Robe ist Pflicht – in Augsburg

Im bayerischen Robenstreit ist jetzt ein Urteil gefällt worden. Wieso bin ich nicht überrascht, dass es zu Lasten des klagenden Anwalts ausgefallen ist?

Es ging um die Frage, ob ein Anwalt vor dem Amtsgericht Augsburg nur dann ein Anwalt ist, wenn er auch eine Robe trägt. Weitere Einzelheiten habe ich in diesem Beitrag geschildert. Das Landgericht Augsburg bejaht jetzt in seinem Urteil vom Dienstag die Robenpflicht. Angeblich, so die bayerischen Richter, gibt es hier ein „Gewohnheitsrecht“.

Gewohnheitsrecht kann es normalerweise nur dort geben, wo keine ausdrückliche Regelung besteht. Genau diese findet sich aber in der Berufsordnung der Rechtsanwälte. Dort ist ausdrücklich festgelegt: Vor dem Amtsgericht muss der Anwalt keine Robe tragen, wenn es sich um einen Zivilprozess handelt.

Das mit dem Gewohnheitsrecht ist auch deswegen merkwürdig, weil zum Beispiel in München am Amtsgericht die meisten Anwälte schon seit langem keine Robe tragen, ohne ständig vom Prozess ausgeschlossen zu werden. Ähnlich sieht es in Baden-Württemberg aus.

Selbst wenn man aber eine Robenpflicht bejaht, macht dies das Urteil nicht richtiger. Der Anwalt war nämlich in Begleitung seines Mandanten erschienen. Vor dem Amtsgericht herrscht aber kein Anwaltszwang. Der Mandant hätte sich also selbst vertreten und einen Antrag stellen können. Jedenfalls gab es keinen Grund, ihm wegen der fehlenden Robe seines Anwalts rechtliches Gehör zu versagen und ihn einfach wieder nach Hause zu schicken.

Überdies ist es ja auch möglich, sich am Amtsgericht durch einen Beistand vertreten zu lassen. Der Beistand muss nicht unbedingt Rechtsanwalt sein. Aber es gibt auch keine Regelung, wonach ein Anwalt nicht auch einfacher Beistand sein kann. Da hätte man ja auch mal drüber nachdenken können, ob der Anwalt nicht zum einfachen Beistand downgegraded wird, wenn es schon ohne Robe nicht gehen soll.

Aber gut, jetzt wissen wir halt mehr. Zumindest in Augsburg heißt es ab sofort für Anwälte besonders aufpassen, ob sie ihre Berufstracht auch wirklich dabei haben.