Amtliches Pathos, greifbare Irreführung

„Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.“ Das steht als Überschrift fett in dem Brief, den mein Mandant erhalten hat. Absender ist die Kriminalpolizei in Nürnberg. Weiter heißt es, die erkennungsdienstliche Behandlung meines Mandanten sei „erforderlich“. Wenn er aus „zwingenden Gründen“ nicht zur Dienststelle kommen könne, möge er einen neuen Termin mit dem Sachbearbeiter vereinbaren.

Interessanterweise findet sich in dem Schreiben zunächst kein einziger klarer Hinweis, dass die Ladung so unverbindlich ist wie die Postwurfsendung der Asia-Massage um die Ecke. Mein Mandant muss zum jetzigen Zeitpunkt nämlich gar nichts. Denn es es geht um eine ED-Behandlung im Rahmen der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung. Bei dieser Form der ED-Behandlung muss man nur mitwirken, wenn die Polizei einen entsprechenden Bescheid erlassen hat – gegen den man je nach Bundesland Widerspruch einlegen oder klagen kann. Wobei beides im Regelfall aufschiebende Wirkung hat.

Deshalb ist es auch reichlich merkwürdig, dass in dem Schreiben der Eindruck erweckt wird, nur bei „zwingenden Gründen“ müsse der Betroffene nicht erscheinen. Nein, tatsächlich kann er wegbleiben, wenn er einfach keine Lust oder an dem Tag schon einen Massagetermin hat. Was ja auch eher kein zwingender Grund ist.

Nur ganz am Ende des Schreibens erfährt der bis dahin schon eingeschüchterte Leser, dass gegebenenfalls ein förmlicher Bescheid erst noch erlassen wird, sollte er nicht kommen. Verbunden ist das dann mit dem Hinweis, dieser Bescheid könne „zwangsweise und kostenpflichtig durchgesetzt“ werden. Auch hier natürlich keinerlei Hinweis darauf, dass der mögliche Bescheid kein Gottesurteil wäre, sondern dass man sich dagegen juristisch immer noch ausgiebig wehren kann. Mit ganz guten Erfolgsaussichten übrigens.

Ich weiß nicht, ob Polizeibehörden stolz darauf sind, wenn sie solche Briefe verfassen. Mich hinterlässt es jedes Mal irritiert, wenn sich amtliches Pathos mit greifbarer Irreführung paart. Ich frage mich dann immer, ob sie das wirklich nötig haben. Womöglich ja.