Makler sind gefährlich. Oder so.

Rechtsanwalt und Immobilienmakler – das passt nicht zusammen. So sieht es jedenfalls der Anwaltsgerichtshof Berlin. Er entzog einem Anwalt die Zulassung, der gleichzeitig als Geschäftsführer einer Immobilienfirma arbeitete.

Die Richter betrachten die Doppeltätigkeit als gefährlich. Ein Rechtsanwalt erlange Kenntnisse von den Vermögensverhältnissen seiner Mandanten. Als Makler habe er ein Courtageinteresse und sei versucht, an der „Umschichtung“ des Mandantenvermögens zu verdienen. Potentielle Mandanten könnten deshalb begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz des Rechtsanwalts entwickeln. Das beeinträchtige auch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt.

Dass Maklerverbände dies umgekehrt auch so hochnäsig sehen, ist bislang nicht bekannt (Aktenzeichen II AGH 6/14).

Das letzte Wort ist nicht das letzte Wort

Manchmal ist das Gesetz erfrischend deutlich. Ein Zitat aus der Strafprozessordnung:

Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

Aber es wäre ja auch zu einfach, sich mal an diese Vorgabe zu halten. Stattdessen gibt es vom Bundesgerichtshof erfundene Ausnahmen noch und nöcher, weil Richter immer mal wieder nach dem letzten Wort doch noch etwas mehr sagen als den Satz: „Das Gericht zieht sich jetzt zur Beratung zurück. Ein Urteil ergeht in etwa einer Stunde.“

So zum Beispiel ein Vorsitzender am Landgricht Dresden. Der hatte nach dem letzten Wort des Angeklagten für das Protokoll festgestellt, dass es keine Verständigung gab. An sich gehört diese Feststellung ans Ende der Beweisaufnahm. Danach bekam der Angeklagte nicht mehr ein weiteres Mal das letzte Wort.

Korrekt, sagt der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Beschluss. Mit der Begründung, es handele sich ohnehin nur um eine Information, die keinen Einfluss auf das Urteil haben könne. Na ja, jedenfalls ist es schon eine wichtige Tatsache, die da mitgeteilt wird. Immerhin geht es um die Frage Deal oder nicht Deal.

Aber halten wir unabhängig vom Einzelfall folgende Erkenntnis fest:

Das letzte Wort ist auch nicht mehr das, als was es mal gedacht war (Aktenzeichen 5 StR 467/15).

Die Zeitung aus der 1. Klasse

Darf man mit einem 2.-Klasse-Ticket in der Bahn eine Zeitung aus der 1. Klasse „mitgehen“ lassen? Diese Frage wirft die aktuelle Geschichte eines Lehrers auf. Der Mann war mit einem Ticket 2. Klasse im ICE auf das Klo in der 1. Klasse ausgewichen und hatte sich bei der Gelegenheit am Ständer mit den Tageszeitungen bedient.

Der Fahrgast behauptet, nicht gewusst zu haben, dass die Gratiszeitungen in der 1. Klasse nur für Fahrgäste der 1. Klasse sind. Der Schaffner bezichtigte ihn, so wird berichtet, des Diebstahls und und sorgte mit Hilfe einer Polizistin dafür, dass der Mann den Zug verließ. Obwohl der Fahrgast die Zeitung freiwillig zurückgelegt hatte.

Betrachten wir die Sache der Einfachheit halber von hinten. Das Verhalten des Zugbegleiters geht im Ergebnis verdächtig in Richtung Nötigung. Denn es ist einem Fahrgast überhaupt nicht untersagt, mit einem 2.-Klasse-Ticket die 1. Klasse zu betreten. Nach Ziff. 2.6.2 der Beförderungsbedingungen der Bahn ist das Betreten der 1. Klasse ein durch schlüssiges Handeln erklärter sogenannter „Übergang“. Dieser verpflichtet den Fahrgast, den Differenzbetrag zur 1. Klasse zu zahlen. Zulässig ist der Übergang zu jedem beliebigen Zeitpunkt (Ausnahme: Zugbindung).

Den Übergang muss man auch keineswegs mitteilen, bevor man mit der Fahrkarte 2. Klasse in die 1. Klasse geht. Vielmehr genügt es im ICE und IC, wenn man „bei der Prüfung der Fahrkarten unaufgefordert meldet“, dass man keine Fahrkarte für die 1. Klasse hat. Man muss also nicht auf den Zugbegleiter zugehen oder ihn gar suchen. Vielmehr darf man abwarten, bis er zu einem kommt (Ziff. 3.8.2 der Beförderungsbedingungen). Diese Regelung gilt ausdrücklich auch für den Übergang (Ziff. 3.8.3).

Es kann also keine Rede davon sein, dass der Fahrgast sich keine Zeitung nehmen durfte, bloß weil er kein Ticket für die 1. Klasse hatte. Vielmehr ist auch die Selbstbedienung selbst erst mal höchstens ein schlüssiger Beleg für die Nutzung der 1. Klasse, ebenso wie schon das reine Betreten der 1. Klasse selbst.

Bis zur Kontrolle, die aktiv vom Zugbegleiter ausgehen muss, war der Fahrgast demnach berechtigt, sich eine Tageszeitung aus dem Ständer zu nehmen. Ebenso wie er berechtigt war, sich mit seinem Ticket 2. Klasse in der 1. Klasse hinzusetzen und die Füße auszustrecken. Und zwar ohne Angst, als Schwarzfahrer zu gelten. Im Zweifel hätte er nämlich immer nur für die 1. Klasse nachlösen müssen. Bis dahin hätte er sich also während seines gesamten Aufenthalts in der 1. Klasse einschließlich des Griffs nach der Zeitung rechtmäßig verhalten. Somit geht der Vorwurf des Schaffners grundsätzlich ins Leere.

Aber hinsetzen und bei einer eventuellen Kontrolle ein Ticket nachlösen – das wollte der Fahrgast ja gar nicht. Er wäre wahrscheinlich ganz einfach in die 2. Klasse zurückgegangen und hätte die Zeitung dort gelesen. Aber kann das aus einem rechtmäßigen Verhalten nachträglich ein unrechtmäßiges Verhalten machen? Kann also aus einem durch schlüssiges Handeln erfolgten Übergang im Sinne der Beförderungsbedingungen im nachhinein so was Böses wie ein Diebstahl werden?

Wohl kaum, zumal eigentlich auch hier die Beförderungsbedingungen der Bahn weiterhelfen. Diese lassen den Übergang nämlich ausdrücklich auch für „Teilstrecken“ zu. Daraus ist zu folgern, dass es nun rein gar keine Verpflichtung gibt, nach dem Übergang in die 1. Klasse zumindest so lange in der 1. Klasse auszuharren, bis man kontrolliert wird. So hätte es für den Fahrgast letztlich völlig gereicht, dass er nach der Rückkehr an seinen Platz in der 2. Klasse bei der Kontrolle angegeben hätte, dass er eine Teilstrecke in der 1. Klasse zurückgelegt hat. Was er aber gar nicht musste, weil ihn der Schaffner wohl gesehen und angesprochen hat, so dass sich gar nicht die Frage nach seiner „Ehrlichkeit“ stellt.

Aber selbst wenn er die kurzzeitige „Nutzung“ der 1. Klasse abgestritten und sich damit der Möglichkeit des Nachlösens beraubt hätte, wäre der Fahrgast jedenfalls nicht zum Dieb geworden. Vielmehr hätte er ein erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen müssen. Und die Bahn hätte ihn dann allenfalls der Beförderungserschleichung, aber nicht des Diebstahls beschuldigen können.

Falls der eine oder andere Bahnfahrer jetzt Lust auf Gratislektüre in der Bahn bekommen hat, wünsche ich viel Spaß. Legt dem Schaffner aber bitte keine Ausdrucke dieses Beitrags vor…

Papa und seine Erziehungsberechtigte

Der Ruhestand ist weiß Gott kein Segen. Das hat kurz vor Weihnachten einer meiner Mandanten erlebt. Mit seinen knapp 80 Jahren musste er mit Klagen und Strafanzeigen drohen – und das seiner eigenen Tochter.

Die Tochter lebt zwar etwas weiter entfernt, hat das Leben meines Mandanten aber gut im Blick. Jedenfalls kam sie mehr oder weniger per Ferndiagnose zu dem Ergebnis, dass mein Mandant altersbedingt nicht mehr Auto fahren darf.

Zunächst mal hat sie meinen Mandanten wohl beim Straßenverkehrsamt gemeldet. Doch dort dürfte man auf die Rechtslage verwiesen haben. Das Lebensalter als solches ist kein Grund, eine Fahrerlaubnis in Frage zu stellen.

So löste die Tochter das „Problem“ halt selbst. Kurzerhand tauchte sie in der Wohnung meines Mandanten auf, nahm ihm die Wagenschlüssel ab und nahm sein Auto mit. Mit der klaren Ansage, dass er es nur wiederkriegt, wenn er seinen Führerschein zurückgibt und mit einem Käufer für das Auto kommt.

Mein Mandant ging nach diesem Auftritt erst mal zur Polizei. Die Polizei nahm eine Anzeige auf. Und dann passierte – tagelang nichts. Na ja, so kam dann ich ins Spiel. Telefonisch war die Tochter für mich nicht zu sprechen, also setzte ich ein Schreiben auf, erklärte ihr in kurzen Worten die Rechtslage und erlaubte mir, eine eher knappe Frist zur Rückgabe des Autos zu setzen.

Wie nicht anders zu erwarten, änderte die Tochter nach Erhalt des Briefes ihre negative Grundhaltung gegenüber Telefonaten. Wie das bei Fällen mit großer Selbstbetroffenheit häufig geschieht, kam ich bei dem Gespräch wenig zu Wort und musste mich verfluchen lassen. Außerdem trage ich persönlich ab sofort die Verantwortung, wenn mein Mandant mit seiner Dreckskarre ein Kind totfährt.

Na ja, nachdem sie Luft abgelassen hatte, folgte die Tochter immerhin meiner Empfehlung, doch vielleicht mal selbst einen Anwalt zu fragen. Einen, der nicht so voreingenommen ist wie ich. Das ist manchmal gar kein schlechter Tipp. Denn was sollen die Kollegin bzw. der Kollege denn schon raten – außer das Auto zügig wieder vor die Tür meines Mandanten zu stellen?

Die betreffende Anwältin hatte sicher auch keine einfache Besprechung mit der Dame. Sie löste das aber ganz geschickt. Ihr zweiseitiges Schreiben wiederholte noch mal alles Böse, was es über meinen Mandanten zu sagen gibt. Und über mich. Es endete dann völlig unvermittelt mit dem Satz:

Meine Mandantin wird das Auto Ihrem Auftraggeber morgen vor die Tür stellen. Sie lehnt jede Verantwortung ab.

Der Wagen kam pünktlich zurück. Jetzt wird es sicher noch mal interessant, was die Polizei mit der Anzeige macht. Und auch über meine Kostenberechnung muss der Mandant sich noch Gedanken machen. An sich müsste die ja seine Tochter zahlen…

Mieterhöhung: Zustimmung ist nicht widerrufbar

Wer gegenüber dem Wohnungsvermieter einer Mieterhöhung zustimmt, kann diese Erklärung nicht widerrufen. Auch nicht nach dem Fernabsatzgesetz. Dies hat das Amtsgericht Berlin-Spandau entschieden.

Der Mieter eines Einfamilienhauses hatte einer Mieterhöhung zunächst zugestimmt, wollte sich nach einigen Monaten aber nicht mehr daran halten. Seinen Widerruf begründete er auch. Er machte vor Gericht geltend, auch ein Mieterhöhungsverlangen sei nichts anderes als ein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB. Deswegen stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.

Das Amtsgericht Berlin-Spandau erteilt dem eine Absage. Das Gericht begründet ausführlich, warum Mieterhöhungsverlangen nicht als Fernabsatzverträge einzuordnen sind. Im Ergebnis bleiben Mieter also auch künftig daran gebunden, wenn sie der Erhöhung zustimmen. Tun sie dies nicht, was ihr Recht ist, muss der Vermieter vor Gericht auf die Zustimmung klagen (Aktenzeichen 5 C 267/15).

Schnapspralinen

Heute mal wieder ein Gastbeitrag der Polizei-Pressestelle:

Am Montag, gegen 16.00 Uhr, kam eine 46-Jährige aus Landshut völlig aufgelöst zur Polizeidienststelle und zeigte folgenden Vorfall an:

Der 11-jährige Sohn hatte von der 67-jährigen Oma zu Weihnachten eine Schachtel Pralinen geschenkt bekommen. Bei einer Kostprobe kam zum Vorschein, was bis zu diesem Zeitpunkt keinem aufgefallen war, alle Pralinen waren mit Alkohol gefüllt. Die 11-jährige Tochter bemerkte dies noch rechtzeitig und spuckte die Pralinen sofort wieder aus. Anstatt den Sachverhalt mit der Oma familienintern zu klären, sah sich die erboste Mutter veranlasst, die Polizei damit zu beauftragen.

Mit einem Telefonat seitens des wachhabenden Beamten konnte der „Kriminalfall“ schnell geklärt werden. Die 67-Jährige gab glaubhaft zu Protokoll, dass ihr der Umstand betreffend der „Schnapspralinen“ nicht bewusst war. Sie wollte der Enkelin lediglich eine kleine Freude bereiten. Somit gelang es der Polizei in dieser Angelegenheit entsprechend zu vermitteln und den viel gerühmten Weihnachtsfrieden wiederherzustellen.

Die Oma hatte das Unrecht ihres Verhaltens eingesehen und zeigte nach den mahnenden Worten des Polizisten die nötige Reue. Damit war der Fall abgeschlossen und konnte zu den Akten gelegt werden.

„Im Interesse der Allgemeinheit“

In einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht geht es darum, ob mein Mandant bei der Polizei von sich Fotos machen lassen und seine Fingerabdrücke abgeben muss. Dazu ist er nach dem Gesetz in seinem Bundesland verpflichtet, wenn auch künftig Straftaten von ihm zu erwarten sind. Also über jene Tat hinaus, wegen der er bereits einen Strafbefehl bekommen hat.

Die Polizei begründet die Wiederholungsgefahr wie folgt:

Es darf daher im konkreten Interesse der Allgemeinheit nicht unterstellt werden, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt hat. Die Gefahr der Wiederholung besteht auch insbesondere deshalb, weil ein Sexualdelikt immer von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt ist. Schon deshalb muss von einer Wiederholungsgefahr, auch bei erstmaliger Begehung, ausgegangen werden.

Schauen wir uns die Aussagen mal an. „Im Interesse der Allgemeinheit“ darf also nicht unterstellt werden, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt. Mit anderen Worten: Wer einmal erwischt wurde, hat bislang doch sowieso nur Glück gehabt.

Es mag zwar sein, dass die Unschuldsvermutung im Verwaltungsrecht nicht so streng gilt wie in der Strafprozessordnung. Dass man aber einfach sagt, so lange du nicht belegst, dass du nur eine Straftat begangen hast, so lange gehen wir davon aus, dass du Mehrfachtäter bist, war mir bislang neu.

Wenn das zieht, ist künftig jede Gegenrede aussichtslos. Wie soll man denn belegen, dass man keine Straftaten begangen hat?

Interessant ist auch die Behauptung, dass ein Sexualdelikt immer von einer besonderen Veranlagung oder Neigung geprägt ist. Es wäre, um das naheliegendste Beispiel aufzugreifen, zum Beispiel einfach, wenn nur pädophil veranlagte Menschen Kinder missbrauchen. Tatsächlich gehen die weitaus meisten Missbrauchsfälle von Kindern aber auf das Konto von Menschen, die gar nicht pädophil im engeren Sinne sind.

Nun ja, lassen wir den Hinweis mal so stehen. Er dient ja auch nur zur rhetorischen Unterfütterung des Fazits vom Ganzen: Eine Wiederholungsgefahr muss schon bei erstmaliger Begehung angenommen werden, Ausnahmen gibt es nicht. Wobei die Betonung natürlich ganz stark auf muss liegt.

Als Anwalt regt man sich übrigens nur bedingt über so eine Argumentation auf. Schöner kann ein Polizeibeamter nämlich nicht dokumentieren, dass er sein Handwerk zumindest beim Abfassen von Bescheiden nicht versteht. Denn wenn das Gesetz der Behörde wie im vorliegenden Fall ein „Ermessen“ einräumt, muss der Beamte dieses Ermessen auch ausüben. Das tut er aber gerade nicht, wenn er auch noch hinschreibt, dass ihm nur eine bestimmte Entscheidung möglich ist.

Auch Verwaltungsrichter lesen derartiges in so kondensierter Form eher ungern. Deshalb bin ich jetzt erst mal guter Dinge, wenn die Sache demnächst verhandelt wird.

Wie wäre es mit Stroh?

Wie oft dürfen Strafgegefangene duschen? Zweimal pro Woche reicht, befindet das Oberlandesgericht Hamm. Das gelte jedenfalls, wenn der Inhaftierte eine Waschgelegenheit in der Zelle hat.

Ein Gefangener durfte (nur) zweimal in der Woche unter die Dusche. Dagegen wehrte er sich vor Gericht. Er stieß aber weder beim Landgericht Düsseldorf noch am Oberlandesgericht Hamm auf Hygienefanatiker. Mehr als zwei Duschgelegenheiten pro Woche seien nicht erforderlich, wurde er belehrt.

Dabei sorgen sich die Richter vordergründig gar um das Wohl des Gefangenen. Denn nach ihrer Auffassung ist keineswegs gesagt, dass tägliches Duschen das Wohlbefinden fördert. Für diese Erkenntnis haben die Juristen offenbar ein bisschen gegoogelt, denn als Beleg für ihre steile These führen sie an, dass Dermatologen „in der Tagespresse“ immer wieder mal vor zu häufigem Duschen warnen und verkünden, zwei bis drei Mal reiche doch völlig aus.

Ich vermute zwar stark, dass die Richter für sich persönlich diese „Warnungen“ in den Wind schlagen, aber so läuft es halt nun mal. Das Oberlandesgericht Hamm verweist außerdem darauf, nach offiziellen Statistiken würden ohnehin nur zwei Drittel der Bürger täglich duschen, schon deshalb sei die tägliche Dusche keineswegs eine „gesellschaftliche Norm“.

Die Norm bestehe allenfalls darin, dass man zumindest täglich zum Waschlappen greift. Dies wiederum weiß das Gericht, auch ohne eine passende Statistik gefunden zu haben. Das sei nämlich „allgemeinkundig“.

Am besten finde sind aber eigentlich folgende Feststellung:

Der Umstand, an fünf Tagen in der Woche bei der Körperpflege auf eine normale Körperwaschung ausweichen zu müssen, ist aber gegenüber der Inhaftierung als solcher von so geringem zusätzlichen Gewicht, dass allein hierdurch das soziale Wohlergehen nicht wesentlich beeinträchtigt ist.

Die Haft an sich ist also schon so be…scheiden, dass alles weitere keine Rolle mehr spielt. Mit der Begründung könnte man die Zellen auch wieder mit Stroh auslegen und Eimer statt Toiletten zur Verfügung stellen (Aktenzeichen 1 Vollz (Ws) 458/15).

Hochzeitsnacht in der Zelle

Einen durchwachsenen Auftakt für seine Ehe erwischte ein Paar aus Rödental in Oberfranken. Die Braut musste die Nacht zum Heiligabend im Polizeigewahrsam verbringen.

Das Paar war sich nach der Hochzeit am 23. Dezember in die Haare geraten. Beim ersten Besuch gelang es den herbeigerufenen Polizisten, die Gemüter zu beruhigen.

Als die Beamten am späten Abend zum zweiten Mal anrückten, sahen sie laut dem Polizeibericht keine andere Möglichkeit, als die Streithähne zu trennen. Die wohl stark alkoholisierte Braut musste auf der Wache schlafen.

Über den weiteren Gang der Ehe hat die Polizei bislang nichts Negatives vermeldet.

Das formbare Gedächtnis

Ein Zeuge ist der erste und beste Quell für ein Fehlurteil. Das wissen Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte gleichermaßen. Nur ist oft die Bereitschaft unterschiedlich ausgeprägt, diese Tatsache im konkreten Fall weichzublenden. Da finde ich es wirklich gut, wenn von Forschern aus den USA ein konkreter Denkanstoß kommt, um die Qualität von Zeugenaussagen jedenfalls etwas überprüfbarer zu machen.

Die Idee: Schon bei der ersten Befragung des Zeugen soll stets gefragt und dokumentiert werden, als wie „sicher“ der Zeuge seine Wahrnehmungen einstuft. Ob und wie das bei uns in Deutschland passiert, ist nach meiner Erfahrung völlig dem Zufall überlassen. Die explizite Frage ist jedenfalls die Ausnahme.

Laut der Studie, über die Spiegel Online berichtet, erweisen sich die Ersteinschätzungen durch die Zeugen selbst als ziemlich belastbar. Jedenfalls sind sie wesentlich besser, als wenn die entsprechende Frage erst im Gerichtssaal gestellt wird.

Dazu ein geradezu goldener Satz aus der Studie:

Es ist wohlbekannt, dass das Gedächtnis formbar ist, so dass eine anfänglich unsichere Identifizierung bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Zeuge vor Gericht oder in Anhörungen vor dem Prozess aussagt, zur Gewissheit wird.

Anders rum wird aber womöglich auch ein Schuh draus. Ich denke an die „100-Prozent-Zeugen“. Also jene, die – nach eigener Einschätzung – mit unbestechlichen Sinnen und messerscharfem Verstand gesegnet sind. Es wäre dann schon doppelt interessant zu sehen, ob sich deren Ein- bzw. Überschätzung erst im Laufe des Verfahrens entwickelt hat. Oder ob sie schon von Anfang an vorhanden war. In beiden Fällen ließen sich jedenfalls interessante Rückschlüsse ziehen.

Christstollen bei der Polizei

Hach, es ist ja nicht alles schlecht. Das dürfen wir heute dem Polizeiticker entnehmen:

Ihre ganz persönliche Weihnachtsgeschichte erlebte eine ältere Dame am Dienstag mit der Ludwigsburger Polizei.

Sie war gegen 16:00 Uhr mit dem Zug aus Hessen angereist, um die Weihnachtsfeiertage mit Angehörigen zu verbringen. Dabei hatte sie sich aber bei der Reisezeit vertan und war einen Tag zu früh unterwegs. Am Bahnhof wartete sie denn auch vergebens auf die vereinbarte Abholung.

Mitarbeiter des Reisezentrums wandten sich schließlich an die Polizei.

Da die Anschrift der Verwandten nicht bekannt war, brauchte eine Streifenbesatzung des Polizeireviers ein wenig Zeit, um die richtige Adresse zu finden. Da war aber niemand zu Hause. Also brachten die Beamten einen Zettel an der Wohnungstür an, nahmen die ältere Dame mit zum Polizeirevier und tischten ihr dort Kaffee und Christstollen auf.

Mit einem Erinnerungsfoto im Gepäck wurde sie am frühen Abend von ihrer etwas überraschten Tochter abgeholt.

Ein Bug, den alle liebten

Ein Softwarefehler hat in den USA zahlreichen Gefangenen zu einer vorzeitigen Haftentlassung verholfen. Das Programm berechnete im Bundesstaat Washington Bonusse wegen guter Führung etc. Durchschnittlich sollen sich die Inhaftierten 49 Tage gespart haben, berichtet golem.de.

Das Ganze soll seit 2002 funktioniert haben. Mit größeren Beschwerden war ja auch kaum zu rechnen. Dumm nur, dass sich die Justiz als schlechte Verliererin gibt. Nachsitzen ist wohl nicht ausgeschlossen.

Turban ersetzt keinen Motorradhelm

In Freiburg ist ein Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Sikhs vor Gericht gezogen. Er wollte durchsetzen, dass er beim Motorradfahren von der Helmpflicht befreit wird. Grund: Seine Religion gebiete ihm das Tragen eines Turbans.

Das Verwaltungsgericht Freiburg beleuchtet den Fall umfassend. Der vielseitige Beschluss kommt für den Antragsteller aber zu keinem erfreulichen Ergebnis. Nicht einmal die Religionsfreiheit reiche so weit, dass der Betreffende ohne Helm fahren darf.

Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, der Turban sei auch kein Helmersatz. Selbst wenn der Turban aus vielfach gewickeltem Stoff bestehe, bedürfe es keines wissenschaftlichen Nachweises, dass seine Schutzwirkung nicht der Helmnorm ECE Nr. 22 entspreche.

Der Kläger hatte geltend gemacht, er fühle sich „durch den Turban besser als durch jeden Helm“ geschützt. Dies wertet das Gericht jedoch nur als als spirituall/religiöse Meinungsäußerung (Aktenzeichen 6 K 2929/14).

Hotelportale sollen Preise nicht diktieren

Hotelbuchungsportale sollen sich von Hoteliers gar keine Bestpreise mehr garantieren lassen dürfen. Das Bundeskartellamt untersagte Booking.com entsprechende Bedingungen.

Booking.com verpflichtete Hotels früher, dem Hotelbuchungsportal den niedrigsten Zimmerpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die günstigsten Buchungs- und Stornierungsbedingungen anzubieten, und zwar auf allen Online- und Offline-Buchungskanälen („weite Bestpreisklausel“).

Im Laufe des Kartellverfahrens hatte das Unternehmen angeboten, eine modifizierte Bestpreisklausel einzuführen. Danach erlaubt Booking den Hotels zwar, ihre Zimmer auf anderen Hotelportalen preiswerter anzubieten, schreibt ihnen aber weiterhin vor, dass der Preis auf der hoteleigenen Website nicht niedriger sein darf als bei Booking („enge Bestpreisklausel“).

Diese veränderte Form der Bestpreisklauseln verwendet Booking.com seit dem Sommer in Deutschland. Allerdings hält das Bundeskartellamt auch diese enge Klausel für unzulässig. Dem Portal wurde sie jetzt deshalb förmlich untersagt. Gegen die Anordnung kann Booking.com klagen.

Vor einiger Zeit hatte das Bundeskartellamt bereits einen ähnlichen Streit mit dem Marktführer HRS.