Völlig überraschend

Auch dieses Jahr ist wieder völlig überraschend am Donnerstag vor Rosenmontag „Altweiber“. Dies hat nun auch das Landgericht Düsseldorf in letzter Minute mitbekommen. Und sagt heute eine seit Monaten anstehende Beweisaufnahme kurzerhand ab:

160129c

Der Kläger und sein Anwalt werden sich freuen.

Leicht fassungslos

Manche Presseberichte (hier noch ein weiterer) lassen mich dann doch fassungslos zurück. Weil sie zeigen, wie groß in unserem Land die Bereitschaft ist, sich Recht und Gesetz passend zu biegen. Die Kieler Polizei hat wohl im Herbst eine Richtlinie an Polizeibeamte herausgegeben, wonach die Beamten bei möglichen Bagatellstraftaten durch Flüchtlinge gar nicht mehr ermitteln müssen. Was konkret heißt: Der Verdächtige darf gehen bzw. die Polizei kommt gar nicht, die Personalien werden erst gar nicht festgestellt.

Auch die Kieler Polizei sollte eigentlich schon mal was vom Legalitätsprinzip gehört haben. Ansonsten würde schon ein Blick in die Wikipedia helfen. Die Polizei hat bei einem hinreichenden Anfangsverdacht auf eine Straftat zu ermitteln. Da steht ihr auch kein Ermessen zu. Ob ein Verfahren später eingestellt wird, zum Beispiel wegen Geringfügigkeit, entscheidet allein der Staatsanwalt. Der Staatsanwalt kann diese Aufgabe auch nicht an die Polizei delegieren.

Natürlich kann man die praktischen Probleme zur Kenntnis nehmen, die es möglicherweise gibt, wenn Flüchtlinge wegen kleinerer Delikte wie Ladendiebstahl oder Sachbeschädigung in Verdacht geraten. Aber man kann diese Probleme nicht dadurch lösen, dass man kurzerhand und eigenmächtig die Aufgaben der Polizei umdefiniert. Diese Aufgaben ergeben sich nämlich nicht aus den Rundschreiben eines Polizeipräsidenten, sondern aus dem Gesetz.

Gesetzestreue ist genau das, was die Polizei vom Bürger einfordert. Ebenso wie die Justiz ist sie die letzte Institution, die das Vertrauen ins Gesetz untergraben sollte. Das geschieht durch solche Vorgaben.

An sich müsste nun die Staatsanwaltschaft einschreiten. Wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt, §§ 258 StGB und § 258a StGB.

Beleidigungsfreier Raum

Hier mal ein kleiner, sich weitgehend selbsterklärender Text aus der Praxis. Es handelt sich um den Antrag, eine Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen. Die Polizei hat in einem längeren Ermittlungsverfahren What’s-App-Chats beschlagnahmt. Dabei stellten die Beamten fest, dass ihre Arbeit von den Beschuldigten auch schon mal „kritisch“ diskutiert und mit despektierlichen Bildchen gewürdigt wurde. Hier der Antrag:

Die Anklage übersieht, dass sich die fraglichen Äußerungen jedenfalls auf den sogenannten „beleidigungsfreien Raum“ erstrecken (vgl. hierzu Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, § 185 Rdnr. 12 a).

Die Staatsanwaltschaft geht in den umfangreichen Ermittlungsverfahren selbst davon aus, dass Herr J. und die Angeklagten Mitglieder einer maximal fünfköpfigen angeblichen Motorradfahrergruppe mit dem Namen … sind. Sollte das Gericht mit dem Komplex bislang nicht betraut sein, wird beantragt, die Akte der Strafsache …. beizuziehen.

Es handelt sich schon auf der Grundlage der Feststellungen der Polizei um einen engsten Freundeskreis, man könnte auch sagen eine „verschworene Gemeinschaft“.

Innerhalb dieses Kreises fehlt der für eine Beleidigung erforderliche Kundgabecharakter. Die Kommunikation war auch nicht für eine wie auch immer geartete Öffentlichkeit gedacht. Unter normalen Umständen, das heißt den aus völlig anderen Gründen erwirkten Durchsuchungsbeschluss, wäre die What’s-App-Kommunikation auch nicht nach außen gedrungen, schon gar nicht zu den möglicherweise gemeinten Polizeibeamten.

Da die Äußerungen lediglich in einem beleidigungsfreien Raum gefallen sind, ist eine Strafbarkeit nach § 193 StGB ausgeschlossen (s. auch Fischer, StGB, wie oben).

Die Anklage ist deshalb aus rechtlichen Gründen nicht zuzulassen.

Schauen wir mal, was der Richter davon hält.

Nur ein Kind „in falschen Kreisen“?

Ein Kriminalfall aus Berlin sorgt jetzt sogar für diplomatische Verwicklungen. Russland protestiert aufs Schärfste dagegen, dass die Berliner Polizei ein mögliches Sexualdelikt gegen ein 13-jähriges Mädchen mit russischer Abstammung herunterspielt. Russland spricht von dem Verdacht, das Kind sei von einem oder mehreren Flüchtlingen vergewaltigt worden. Von einer Vergewaltigung will die Polizei aber nicht sprechen.

Zu der Vorgeschichte finden sich nicht so viele Presseberichte, die inhaltlich was hergeben. Aber hier und hier gibt es detailliertere Informationen.

Wenn ich diese Berichte lese, kann ich die Aufregung aus Russland inhaltlich schon nachvollziehen. Die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft machen nach meiner Meinung den Fehler, dass sie in den Vordergrund stellen, nach den bisherigen Ermittlungen spreche viel für einen einvernehmlichen sexuellen Kontakt der 13-Jährigen („Sie ist offenbar in falsche Kreise geraten“). Solche Aussagen erwecken durchaus den Eindruck, es handele sich um so was wie ein Bagatelldelikt, bei dem man mit angezogener Handbremse ermitteln darf.

Stattdessen sollten die Ermittler vielleicht mal klipp und klar kommunizieren, dass es sich selbst bei einem unterstellten Einverständnis der 13-Jährigen um eine durchaus schwere Straftat handelt, die schon im Grundtatbestand mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft wird (§ 176 StGB). Sexuelle Handlungen mit unter 14-Jährigen (Kind) sind nämlich auch dann verboten, wenn das Kind damit einverstanden ist oder gar die Initiative von dem Kind ausgeht.

In besonders schweren Fällen wird der sexuelle Missbrauch von Kindern mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bestraft (§ 176a StGB). Und das wiederum unabhängig davon, ob das Kind einverstanden war oder nicht. Ein schwerer Fall liegt zum Beispiel vor, wenn ein über 18-Jähriger den Geschlechtsverkehr ausführt, die Tat von mehreren begangen wird oder durch die Handlungen die körperliche oder seelische Entwicklung des Kindes gefährdet wird. Das alles wären nicht nur Vergehen, sondern Verbrechen.

Die Ermittler werden sich auch fragen lassen müssen, wieso sie zum jetzigen Zeitpunkt eine Vergewaltigung (§ 177 StGB) ausschließen. Allein der Umstand, dass eine ärztliche Untersuchung keine Gewaltspuren ergibt, schließt Gewalt ja nicht unbedingt aus. Eine Drohung mit „gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ hinterlässt ohnehin keine Spuren. Und dann gibt es ja noch die Tatbestandsalternative des Ausnützens einer schutzlosen Lage. Sicher auch etwas, bei dem man gerade im Fall einer 13-Jährigen genauer hinschauen könnte. Sollte. Und wohl auch muss. Man kann nur hoffen, dass dies in der Kürze der Zeit auch schon hinreichend sorgfältig geschehen ist.

Das von der russischen Regierung geäußerte Unbehagen hat also schon etwas mehr Substanz als eine bloße Verwirrung über den Unterschied zwischen Vergewaltigung und Kindesmissbrauch. Die Fragen aus Russland sind jedenfalls mehr als Propaganda.

Nicht unter 5 Prozent

Vor Gericht haben wir vor einiger Zeit für einen Mandanten einen Vergleich geschlossen. Der Vergleich sieht vor, dass der Mandant „an den Kläger 3.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2013 zahlt“.

Unser Zinsrechner warf hierfür folgendes Ergebnis aus:

Hauptforderung 3.000,00 €
Zinsen bis 25.01.2016 279,56 €
Tageszinsen ab 25.01.2015 0,3418 €

Das Geld wollte mein Mandant seinem Kontrahenten heute bar übergeben. Das ist ihm auch gelungen, aber er kriegte auch gleich gesagt, dass er doch bitte noch 48,35 € vorbeizubringen hat. Denn, so der Prozessgegner, die Zinsen seien zu niedrig berechnet. Mein Mandant schulde ja wohl „mindestens 5 Prozent Zinsen“, also 327,91 €.

Ich habe versucht dem Mann telefonisch zu erklären, dass 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz auch weniger als 5 Prozent sein können. Ganz einfach deswegen, weil der Basiszinssatz § 247 BGBseit geraumer Zeit negativ ist, wie man auch dieser Tabelle entnehmen kann.

Ich muss ehrlich sagen, ich hatte keinen Erfolg. Der Betreffende will seine 5 Prozent, und das mit den negativen Zinsen will er einfach nicht glauben. Sein Argument: Wenn der Basiszinssatz eines Tages unter minus 5 Prozent liegt, müsste er dann wohl noch Zinsen an meinen Mandanten zahlen. Höhö. Gut, soll er seine Unterlagen halt an den Gerichtsvollzieher schicken. Der wird ihm das mit dem Basiszins sicher auch gern noch mal näherbringen. Und zwar gebührenpflichtig.

Flucht aus dem Klo war keine Straftat

Die Polizei hat heute in Brühl den Sicherungsverwahrten festgenommen, der letzte Woche bei einem Ausgang im Kölner Früh dem Begleitpersonal entkommen war.

Nach den bisher vorliegenden Informationen nutzte der Mann wahrscheinlich die Unaufmerksamkeit seiner Aufpasser. Nach offiziellen Angaben hatte ihn ein Mitarbeiter der JVA auf die Toilette begleitet, sich aber dann selbst zum Pinkeln an die Wand gedreht. Diesen Moment soll der Sicherungsverwahrte genutzt haben, um in dem belebten Brauhaus zu entwischen. Die Presse berichtet aber auch, es gebe Zeugenaussagen, nach denen die Bewacher im Gastraum blieben.

Welche Variante auch stimmen mag, so bietet der Fall in juristischer Hinsicht einen sehr interessanten Aspekt. Nämlich den, dass sich der Flüchtige selbst nicht strafbar gemacht haben dürfte. Das Strafgesetzbuch respektiert den Freiheitsdrang der Menschen. Die gewaltlose Selbstbefreiung ist schlicht und einfach nicht strafbar. Den Tatbestand der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) kann der Gefangene selbst gar nicht erfüllen, sondern allenfalls seine Helfer.

Strafbar ist eine Selbstbefreiung aber dann, wenn der Gefangene andere Delikte verwirklicht. Körpververletzung zum Beispiel. Nimmt der Gefangene einem Wärter die Schlüssel ab, kann das eine Nötigung sein. Sperrt er den Wärter ein, liegt vielleicht eine Freiheitsberaubung vor. All das scheint im vorliegenden Fall aber nicht der Fall zu sein.

Dem Betroffenen droht deshalb keine Strafe, sondern allenfalls ein Entzug seiner Lockerungen.

Keine höheren Grenzwerte für kiffende Autofahrer

Wenn es nach dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geht, verlieren Autofahrer auch künftig ihre Fahrerlaubnis, wenn sie mit mehr als 1 Nanogramm/ml THC (Marihuana) im Blutserum am Steuer erwischt werden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen lehnt es in fünf aktuellen Urteilen ab, einem höheren Richtwert zu folgen.

Dieser Richtwert stammt nicht von irgendwem, sondern von der Grenzwertkommission. Die Grenzwertkommission ist eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Bundesregierung berät. Gegründet wurde sie von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie.

Die Experten der Grenzwertkommission hatte im September 2015 empfohlen, den Mindestwert auf 3 Nanogramm/ml THC im Blutserum zu erhöhen. Das Gericht hörte sogar den Vorsitzenden der Kommission, den Düsseldorfer Rechtsmediziner Thomas Daldrup, an. Jedoch wollten sich die Richter nicht zu dem höheren Grenzwert durchringen, und zwar aus „juristischer Sicht“, wie es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen heißt. Bislang wurden Vorgaben der Grenzwertkommission gerade von den Gerichten kaum angezweifelt.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wies dementsprechend die Klagen von fünf Autofahrern ab, die wegen Werten zwischen 1,1 und 2,8 Nanogromm/ml THC ihre Fahrerlaubnis verloren hatten. Die schriftlichen Urteilsbegründungen liegen noch nicht vor (9 K 1253/15 u.a.).

Oma bleibt Oma

Großeltern können nicht aus eigenem Recht klären lassen, ob ein Enkelkind tatsächlich von ihrem eigenen Sohn abstammt. Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde einer Frau zurück, die nach dem Tode ihres Sohnes die von diesem angestoßene Vaterschaftsanfechtung für sein (angebliches) Kind weiterführen wollte.

Der Sohn war verstorben, bevor über seine Vaterschaftsanfechtung entschieden war. Seine Mutter wollte das Verfahren zu Ende geführt wissen, da sie sich kein Enkelkind „aufdrängen“ lassen wollte. Laut dem Verfassungsgericht erfordern die Grundrechte es nicht, dass einer Großmutter die Möglichkeit gegeben werden müsse, das Verwandtschaftsverhältnis zu einem möglicherweise nicht biologisch mit ihr verwandten Kind zu lösen (Aktenzeichen 1 BvR 2269/15).

Klare Vorgaben

Aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft:

Anliegend wird Ihnen die Akte für 2 Wochen mit der Bitte um Rücksendung übersandt. Dem Eingang einer Stellungnahme wird binnen 2 Wochen nach erfolgter Akteneinsicht entgegengesehen.

So, welche Frist sollen wir jetzt für die Stellungnahme notieren:

-> 2 Wochen nach Eingang der Akte bei uns?

-> 2 Wochen, nachdem die Akteneinsicht „erfolgt“ ist, ich mir die Akte also tatsächlich angesehen habe?

-> 2 Wochen nach dem Rücksendedatum der Akte?

-> 2 Wochen nach Eingang der zurückgesendeten Akte bei der Staatsanwaltschaft?

Sachdienliche Hinweise bitte in die Kommentare. Wir notieren dann ganz demokratisch die Frist, welche die meisten Stimmen erhält.

Auf dem Wachtisch nachts um halb zwei

Ich möchte mich – insbesondere auch für meinen Mandanten – bei der Polizei bedanken. Die Beamten der Nachtschicht in einer Großstadtwache haben meinem Mandanten ein anstrengendes Verfahren erspart. Gut, am Ende hätte vielleicht ein Freispruch gestanden. Aber man weiß ja nie…

So ganz rosig war die Lage für meinen Mandanten am Einsatzort jedenfalls nicht. Besagter Einsatzort war die Wohnung meines Mandanten, in welche diverse Polizisten eindrangen. Sie waren auf der Suche nach dem Besitzer eines Beutels mit Marihuana, der in der Nachbarschaft herrenlos aufgefunden worden war.

Was es mit dem allein gelassenen Tütchen auf sich hatte, ist bis heute nicht geklärt. In der Wohnung meines Mandanten fand sich jedenfalls etwas, das Marihuana zumindest zum Verwechseln ähnlich sah. Und auch so roch. Immerhin 53 Gramm Marihuana könnten es gewesen sein.

So genau lässt sich aber auch das nicht mehr feststellen. Denn die Beamten beschlagnahmten die Substanz zwar nach allen Regeln der Kunst. Darüber gibt es ein Protokoll. Danach soll die für den Papierkrieg verantwortliche Beamtin den Plastikbeutel mit den möglichen Rauchwaren weit nach Mitternacht in einen offenen Karton für Druckerpapier gelegt haben. Diesen Karton will sie auf den Wachtisch gestellt haben, wo er demnächst von den Kollegen aus dem Drogenderzernat abgeholt werden sollte.

Sollte.

Denn als die Drogenfahnder aus dem Polizeipräsidium eintrafen, hatte sich die Substanz offenbar verkrümelt. Ob sich nun ein Beamter insgesamt bedient hat oder mehrere jeweils ein bisschen, ist unbekannt. Fest steht nur, dass der Tisch in dem Wachraum zur fraglichen Zeit nur für Polizeibeamte zugänglich war.

Die gesamte Mannschaft aus der Nacht wurde auf Drängen der Staatsanwaltschaft befragt, aber keiner erinnert sich an was. So kam es dann dazu, dass sich die zuständige Staatsanwältin dazu entschloss, die Sache mit den 53 Gramm nicht mehr weiter zu verfolgen. Ohne Beweismittel ist das ein nachvollziehbarer Ansatz.

Ob wegen der verlorenen Beweismittel jemals gegen Polizeibeamte ermittelt wurde, ist mir nicht bekannt. Nach Aktenlage sieht es eher nicht so aus. Aber ist ja auch vertretbar. Wahrscheinlich wird es gar kein Marihuana gewesen sein. Es hat halt nur so ausgesehen.

Neues zum Handy am Steuer

Auch ein Autofahrer, der sein Handy nur ans Ladekabel anschließt, muss ein Bußgeld zahlen und kassiert einen Punkt. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden.

Die verbotene Nutzung eines Mobiltelefons umfasst laut dem Gericht nicht nur die Nutzung aller Funktionen des Mobiltelefons. Vielmehr seien auch alle „Tätigkeiten zur Vorbereitung der Nutzung“ umfasst. Dazu gehöre auch das Anschließen eines Ladekabels (Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 290/15).

Verteidigerwechsel ist möglich

Wer mit seinem Pflichtverteidiger unglücklich ist, aber selbst keinen Anwalt bezahlen kann, darf seine Anwälte unter Umständen trotzdem auswechseln. Das gilt jedenfalls, wenn alle Beteiligten einverstanden sind, der neue Anwalt für das Verfahren zur Verfügung steht und der Staatskasse keine zusätzlichen Kosten entstehen. So ein Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe.

In dem entschiedenen Fall hatte ein Inhaftierter seinem bisherigen Pflichtverteidiger das Misstrauen ausgesprochen. Dieser wies die Vorwürfe zwar zurück, teilte dem Gericht aber mit, dass er sich gegen eine Auswechslung nicht sperrt. Der neue Verteidiger hatte versichert, dass er keine Kosten geltend macht, die der bisherige Verteidiger schon abgerechnet hat. Der neue Anwalt konnte auch belegen, dass er die Verteidigung durchführen kann.

In so einer Konstellation gibt es laut dem Oberlandesgericht Karlsruhe keinen Grund für das Gericht, sich gegen den Anwaltswechsel zu stellen. Fairerweise möchte ich anmerken, dass viele Richter mittlerweile ohnehin großzügig sind, wenn es um einen Wechsel des Pflichtverteidigers geht.

Das gilt jedenfalls für die Fälle, in denen dem Beschuldigten in der Hektik der ersten Ereignisse (Verhaftung, Vorführung) keine ausreichende Zeit blieb, einen Anwalt zu suchen oder zu benennen. In solchen Fällen wir der Anwaltswechsel dann auch schon mal ohne den Kostenverzicht gestattet (Aktenzeichen 2 Ws 582/15).

Gericht schaut sich Dashcam-Video an

Dashcams dürfen in Autos betrieben werden. Jedenfalls sind die Aufnahmen aber als Beweismittel im Zivilprozess zulässig. Zu diesem Ergebnis kommt das Landgericht Landshut in einem Hinweisbeschluss, den es in einer ganz normalen Unfallsache verkündet hat.

Die Richter sehen in einer Dashcam weder einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz noch gegen Persönlichkeitsrechte. Aber selbst für diesen Fall tendieren sie dazu, die konkrete Aufnahme als Beweismittel in einem Schadensersatzprozess zuzulassen.

Nicht jeder denkbare Verstoß gegen Rechtsvorschriften führe auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr könne auch das Interesse einer Prozesspartei vorgehen, einen Schadenshergang zu belegen.

Das Urteil kann man hier nachlesen.

Besser gar nichts sagen

Wer sich auf Kokain einlässt, riskiert seinen Führerschein. Das Verwaltungsgericht Trier lässt zum Beispiel selbst bei erst- oder einmaligem Kokaingenuss keine Gnade walten. Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis geht in solchen Fällen stets in Ordnung, heißt es in einem aktuellen Beschluss (Aktenzeichen 1 L 3706/15.TR).

So eine harte Linie ist kein Einzelfall. In Nordrhein-Westfalen reicht es zum Beispiel aus, wenn der Autofahrer bei der Verkehrskontrolle gar nicht unter Kokaineinfluss stand, er aber bei der Gelegenheit mehr beiläufig zugibt, irgendwann mal in der Vergangenheit Kokain konsumiert zu haben.

In dem konkreten Fall war bei einem Autofahrer, der auf dem Weg zu einem Festival war, eine ganz geringe Menge Kokain gefunden worden. Bei der Gelegenheit gab der Autofahrer zu, dass er in der Vergangenheit schon mal Kokain genommen hat, auch wenn er an dem betreffenden Tag nichts im Blut hatte.

Schon allein das reicht dem Oberverwaltungsgericht Münster, die Fahrerlaubnis dauerhaft zu kassieren (Aktenzeichen 16 B 777/15). Bereits der einmalige Drogenkonsum einer „harten Droge“ macht danach ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Als Autofahrer kann man aus solchen Urteilen nur die Konsequenz ziehen, sich gegenüber der Polizei gar nicht zu äußern. Hätte der Autofahrer in der Situation von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, hätte ihm allenfalls der Besitz der geringen Menge nachgewiesen werden können. Was natürlich noch nichts darüber sagt, dass er diese Substanz auch selbst konsumiert.

Jede spontane Äußerung kann überdies im Führerscheinverfahren auch viel leichter verwertet werden als im Strafprozess. So was wie Verwertungsverbote kennen die Verwaltungsgerichte nämlich so gut wie gar nicht. Ob und in welchem Umfang ein Beschuldigter zum Beispiel über sein Schweigerecht belehrt wurde, spielt vor dem Verwaltungsgericht meistens überhaupt keine Rolle. Ebenso wenig, ob eine Aussage nicht sogar regelrecht aus ihm rausgekitzelt wurde.