Alles, nur kein Betrug

Im Wirtschaftsleben ist es ja fast schon üblich geworden, Streitigkeiten nicht nur zivilrechtlich auszutragen. Vielmehr muss auch gleich noch Strafanzeige erstattet werden. Wofür wir Strafveteidiger uns natürlich ausdrücklich bedanken. Gar nicht selten wird der größte Humbug behauptet. Und bedauerlicherweise fallen Staatsanwälte sogar darauf rein, was ihnen Anwälte so schreiben, die mal nebenher jeden zivilrechtlichen Pups mit einer Strafanzeige verstärken.

Bei dem aktuellen Fall, über den ich erzählen möchte, rettet mich an sich nur die Hoffnung, dass die fragliche Anklage hoffentlich von Juristenazubi geschrieben wurde und dem verantwortlichen Staatsanwalt nur Zeit oder Lust zum Lesen fehlten.

Es geht um folgendes: Ein Bauherr zahlte an einen Bauunternehmer immer die vollen Rechnungsbeträge, obwohl für einige Zeiträume gesetzlich vorgesehene Freistellungsbescheinigungen (noch) nicht vorlagen. Der Bauherr wusste, dass er wegen der fehlenden Bescheinigungen an sich einen Teil des Geldes einbehalten kann. Er machte es aber nicht. Wahrscheinlich, weil er davon ausging, es gehe schon alles gut. Oder weil er keine Diskussionen wollte. Ebenso war dem Bauherren bekannt, dass er möglicherweise gegenüber dem Finanzamt in eine Zweithaftung rutscht, wenn er trotz fehlender Bescheinigungen den vollen Rechnungsbetrag bezahlt.

Genau das passierte dann auch. Das Finanzamt wollte noch mal Geld. Was den Bauherren schäumen ließ wie Henckell Trocken. In seiner Strafanzeige ließ er seinen Anwalt erklären, der Unternehmer habe ihm doch mehrfach zugesagt, dass er die Bescheinigungen nachreicht, sobald er sie vom Finanzamt bekommt. Was dann leider nicht passierte.

Das reichte wiederum der Staatsanwaltschaft für eine Anklage. Wegen Betruges. Dumm nur, dass Betrug eine Täuschung voraussetzt. Und zwar eine über Tatsachen, die gegenwärtig sind. Was möglicherweise in der Zukunft passiert, ist in diesem Sinne keine Tatsache, sondern höchstens eine Erwartung oder Aussicht.

So einfach ist das, und damit hat sich die Anklage schon im ersten Prüfungsschritt erledigt. Es kämen dann noch etliche weitere rechtliche Aspekte, wegen denen ein Betrug ebenfalls ausscheidet. Nur wenige Stichworte: Kausalität zwischen Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung. Stoffgleichheit zwischen Vermögensverfügung und Schaden. Und das alles selbst dann, wenn man den Sachverhalt sklavisch exakt so zu Grunde legt, wie ihn die Anklageschrift darstellt.

In dem Fall schicke ich dem Mandanten ausnahmsweise mal keine Vorschussrechnung für die vier kurzen Absätze, die ich nun ans Gericht geschrieben habe. Es ist ja jetzt schon klar, dass diese Anklage hier zu Ende ist und am Ende die Staatskasse zahlt.