Gerichtstermin am 2. Januar

Das Amtsgericht schickt in einer Bußgeldsache die Ladung:

In dem Bußgeldverfahren gegen B. A. ist Termin zur Hauptverhandlung … auf Montag, 02.01.2017, 13.50 Uhr, Erdgeschoss, Sitzungssaal 1 … bestimmt.

Ich persönlich überlege, ob die Ladung hundertprozentig ernstgemeint ist. Vielleicht hat der Richter ja auch nur mal seinen Kalender studiert und festgestellt, wie ungünstig Weihnachten / Silvester diesmal für das werktätige Volk liegen. Vielleicht ist das also so was wie ein Frusttermin, wobei es mich dann hoffentlich nur zufällig getroffen hat.

Noch wahrscheinlich scheint mir allerdings, dass der Richter ohnehin schon zwinkernden Auges mit einem Verlegungsantrag rechnet. Weil entweder der Anwalt, sein Mandant oder beide am 2. Januar (noch) im Urlaub sind. Ein ganz klein wenig spricht dafür, dass in dem Fall Anfang Oktober die sechsmonatige Verjährungsfrist abgelaufen wäre, die den Richter dazu zwingt, Bußgeldsachen nicht auf die lange Bank zu schieben.

Also muss die Verjährung unterbrochen werden. Der zuverlässigste Weg hierfür ist die Ansetzung eines Verhandlungstermins. Gut möglich also, dass auch der Richter am 2. Januar doch nicht so tatkräftig ins neue Jahr durchstarten will, wie es sich auf dem Papier liest. Ich werde mal mit dem Mandanten reden, ob er nicht vielleicht sogar Zeit hat. Ich könnte nämlich nach meinem Terminkalender grundsätzlich kommen, auch wenn ich diese Einstellung am Morgen des 2. Januar sicher bereuen werde.

Bis aufs Stützgerüst

Bei uns hat ein Beschuldigter ein sehr weitgehendes Schweigerecht. Außerdem gilt der Grundsatz, dass das Schweigen eines Beschuldigten nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden kann. Jedenfalls so lange, wie er gar nichts sagt. In Vereinigten Königreich Großbritannien ist das anders. Dort können die Gerichte nach aktueller Rechtslage negative Schlüsse ziehen, wenn der Beschuldigte sich nicht zu den Vorwürfen äußert. Die Frage ist, ob wegen dieser rechtsstaatlichen Differenzen Beschuldigte überhaupt nach Großbritannien ausgeliefert werden dürfen.

Ja, sagt nun das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Beschluss. In dem Fall geht es um einen Mann mit irischer und kroatischer Staatsbürgerschaft, der wegen Mordes im englischen Herfortshire gesucht wurde. Der Mann wurde in Berlin festgenommen und wehrte sich bis vors Verfassungsgericht gegen seine Auslieferung.

Die Karlsruher Richter bejahen zwar, dass die britische Regelung gegenüber der deutschen zurückbleibt. Allerdings sei dies nicht so weit der Fall, dass der Selbstbelastungsdruck bei Strafverfahren im Vereinigten Königreich die Menschenwürde verletze. Immerhin werde kein Beschuldigter zu einer Aussage gezwungen. Außerdem dürfe auch im Vereinigten Königreich Schweigen nur negativ ausgelegt werden, wenn es „weitere Beweismittel“ gebe und eine Gesamtwürdigung des Falles erfolge.

Damit, so das Gericht, sei die Menschenwürde noch nicht verletzt. Das Gericht spaltet das in Deutschland geltende Schweigerecht also ausdrücklich in zwei Teile auf. Einen Kernbereich, der vom unveräußerlichen Grundrecht der Menschenwürde gedeckt ist. Und einen, der nur nachrangig und somit disponibel ist.

Hinter dem Beschluss steckt ein, wie ich finde, sehr gefährliches Argumentationsmuster. Wenn’s in der Sache passt oder zumindest notwendig erscheint, wird das Grundgesetz bis auf sein Stützgerüst reduziert und der Rest für notfalls verzichtbar erklärt.

Dann bleibt am Ende aber wirklich nicht mehr viel Verfassung übrig (Aktenzeichen 2 BvR 890/16).

Bewährungsstrafe für Staatsanwalt

Wegen dreier Vergehen hat das Amtsgericht Frankfurt am Main einen Gießener Staatsanwalt zu zehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der 38-Jährige soll unter anderem einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle geschlagen und beleidigt haben.

Außerdem soll der Staatsanwalt einen Notruf bei der Polizei abgesetzt haben, bloß weil er nicht in eine Diskothek hineingelassen wurde. Weiter wurde ihm vorgeworfen, ohne dienstlichen Grund die getrennt lebende Ehefrau eines Freundes mit seinem offiziellen Briefpapier angeschrieben zu haben und sie zur Herausgabe einer Skiausrüstung und anderen Gegenständen aufgefordert haben.

Vor Gericht bedauerte der Staatsanwalt sein Verhalten, wie man in diesem Bericht nachlesen kann. Immerhin verliert der Mann durch die zehnmonatige Strafe nicht seinen Beamtenstatus. Wäre er zu 13 Monaten verurteilt worden, wie es die Anklage gefordert hatte, hätte er aus dem Dienst entlassen werden müssen. Das ist bei einer Freiheitsstrafe ab zwölf Monaten bei Beamten so vorgeschrieben. Allerdings läuft gegen den Mann noch ein Disziplinarverfahren.

Kurze Vorlauffrist fürs Halteverbot

Kurzfristige Halteverbote, etwa für Umzüge, dürfen in Nordrhein-Westfalen mit einer Vorlauffrist von 48 Stunden eingerichtet werden. Wer dann noch an der fraglichen Stelle parkt, darf auf eigene Kosten abgeschleppt werden. Das Oberverwaltungsgericht in Münster bestätigt diese Rechtsprechung in einem aktuellen Urteil.

Eine Frau hatte ihren Wagen in Düsseldorf ordnungsgemäß geparkt und war in den Urlaub geflogen. Eine Umzugsfirma richtete eine Halteverbot ein, das nach etwas mehr als zwei Tagen in Kraft trat. Der Wagen wurde abgeschleppt. Zu Recht, sagen die Richter. Die „heutigen großstädtischen Bedingungen“ machten so kurze Vorlaufzeiten erforderlich.

Das OVG Münster grenzt sich mit seinem Urteil ausdrücklich von anderen Gerichten ab, die teilweise längere Vorlauffristen fordern. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat etwa eine Vorlaufzeit von zwei Tagen als zu kurz angesehen (Aktenzeichen 1 S 2805/89). Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hält das Abschleppen eines Fahrzeugs (erst) nach drei Werktagen für zulässig (Aktenzeichen 11 UE 284/96), ebenso der Verwaltungsgerichtshof München (Aktenzeichen 10 B 08.449). Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat in einem Urteil gefordert, dass eine dreitägige Frist eingehalten wird und mindestens ein Sonn- oder Feiertag dazwischen liegt, weil Großstädter oft nur am Sonntag mit dem Auto fahren (Aktenzeichen 11 UE 284/96).

Buchverlosung: Die Gewinner stehen fest

Die Gewinner der Buchverlosung stehen fest. Es gab zehn Exemplare des neuen Buches „Juristen!“ des Karikaturisten und Richters Tim Oliver Feicke zu gewinnen.

Gewonnen haben:

Andreas
PF
The Shadar
Thomas
Lars
Marco1977
Maximilian Plenert
chlorophyllosoph
Harald Ebner
Lucy Lawful

Die Gewinner werden per Mail benachrichtigt. Viel Spaß mit dem Buch und vielen Dank für die Teilnahme.

Den Band „Juristen!“ und Tim Oliver Feickes andere Werke gibt es auch im Buchhandel, zum Beispiel hier bei Amazon. „Juristen!“ kostet geschenkefreundliche 9,99 Euro (ISBN-13: 978-3830343899). Die Homepage von Tim Oliver Feicke: www.feickecartoons.de

FEICKE 11 Recht auf

Richter müssen sich täglich filmen lassen

Das Bundesverfassungsgericht attestiert dem Oberlandesgericht München in einer einstweiligen Anordnung Defizite im Umgang mit der Pressefreiheit. Konkret geht es um das Verfahren gegen die mutmaßliche Terrorvereinigung „Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten“.

Unter anderem hatte der Gerichtsvorsitzende angeordnet, dass auch die Richter nur an drei Terminen zu Beginn der Sitzung gefilmt oder fotografiert werden dürfen. Insgesamt sind 34 Verhandlungstage vorgesehen. Diese Einschränkung akzeptiert das Bundesverfassungsgericht nicht. Karlsruhe sieht ein öffentliches Interesse auch den „Personen, die als Mitglieder des Spruchkörpers an der Rechtsfindung im Namen des Volkes mitwirken“.

Auch wenn die Richter die Anwesenheit von Presse und Rundfunk als „lästig“ ansähen, begründe das keine Einschränkung der Pressefreiheit. Soweit in der Begründung der Anordnung darauf verwiesen wird, dass es den Sitzungsablauf erheblich beeinträchtigen würde, wenn an jedem Sitzungstag abgewartet werden müsse, bis Fotografen und Kameraleute ihre Aufnahmen beenden, um mit der Sitzung beginnen zu können, sei dies nicht ausreichend.

Weiter kassieren die Verfassungsrichter eine Regelung, wonach Verfahrensbeteiligte nicht gefilmt werden dürfen, wenn sie erkennbar dagegen sind. Die Frage der Rechtmäßigkeit dürfe nicht in die Hände der Beteiligten gelegt werden. Außerdem reiche es regelmäßig aus, wenn die Verpixelung angeordnet werde. Das sei ein milderes Mittel als ein komplettes Aufnahmeverbot (Aktenzeichen 1 BvR 2022/16).

Letzte Chance

Kleine Erinnerung: Hier im law blog läuft noch die Verlosung von 10 Cartoon-Bänden des Karikaturisten und Richters Tim Oliver Feicke.

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Mitmachen ist ganz einfach. Einfach einen Kommentar mit gültiger E-Mail-Adresse in diesem Beitrag oder in der Ankündigung hinterlassen. Das war’s schon.

Die Teilnahme ist noch bis morgen im Laufe des Tages möglich, je nachdem, wann ich dazu komme, die Gewinner zu ermitteln.

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Journalist in Meck-Pomm freigesprochen

Ein Journalist des „Nordkurier“ wird nun doch nicht wegen Beleidigung bestraft. Das Oberlandesgericht Rostock sprach ihn frei. Der Redakteur hatte einen Jäger, der ein totes Reh an einem Abschleppseil hinter seinem Auto hergeschleift hatte, in seinem Bericht als „Rabauken-Jäger“ bezeichnet.

Das Amtsgericht hatte den Journalisten noch zu 1.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Eine unhaltbare Sicht der Dinge, stellt nun das Oberlandesgericht klar. Die Bewertungen seien von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt. Ähnlich sah es anfangs auch die Staatsanwaltschaft vor Ort. Diese wollte den Redakteur nicht anklagen, wurde aber von der Generalstaatsanwaltschaft dazu angewiesen. Der Jäger ist ehemaliger CDU-Kommunalpolitiker und Mitglied im selben Kreisverband wie die Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern.

Die FAZ bericht weitere Einzelheiten zu dem Freispruch.

Richter billigen Ohrfeige von der Klassenaufsicht

Dürfen die Betreuer in einer Ganztagesschule ihre Schützlinge ohrfeigen? Unter Umständen ja, meint zumindest das Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Richter sprachen jetzt einen Ein-Euro-Jobber vom Vorwurf der Körperverletzung frei.
Der als Schulhofaufsicht eingesetzte Mann war von den spielenden Kindern, die ihn auch bedrängten, so genervt, dass er einem Erstklässler zur Abschreckung aller anderen eine runterhaute. Das ist durch Notwehr gerechtfertigt und somit ok, befindet das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer bemerkenswerten Entscheidung.

Der Mann hatte zunächst mit etwa 5 bis 10 Jungen aus der ersten Klasse auf dem Schulhof gespielt. Dabei ging es, so das Gericht, „wild“ zu. Irgendwann sei dem Ein-Euro-Jobber der Trubel zu viel geworden. Er habe sich dann in einen hinteren Teil des Hofes zurückgezogen. Die Jungs merkten nicht, dass der Mann seine Ruhe haben wollte und bedrängten ihn. Dabei schlugen die Erstklässler teilweise auch auf ihn ein. Zwei Jungs spuckten wohl auch in Richtung des Mannes, wobei dieser sich aber nach eigenen Angaben nicht in seiner Ehre verletzt oder ernsthaft angegriffen fühlte. Ihm sei stets seine Überlegenheit gegenüber den Schülern bewusst gewesen, heißt es in dem Beschluss.

Um die tobenden und auf ihn einstürmenden Kinder loszuwerden, verteilte der Mann dann die Ohrfeige. Das war in Ordnung, urteilt das Oberlandesgericht. Und das, obwohl dem Betroffenen auch andere Möglichkeiten geblieben wären. So hätte er sich problemlos in das Schulgebäude zurückziehen können. Das tat er aber nach eigenen Angaben nicht, weil er dann Ärger wegen des „Verlassens seines Arbeitsplatzes“ fürchtete. Ebenso hätte der Mann einen hauptamtlichen Pädagogen rufen können, der ebenfalls mit ihm auf dem Pausenhof Dienst hatte. Das tat er jedoch nicht, weil er sich als 1-Euro-Kraft von dem Pädagogen herablassend behandelt fühlte.

Für das Oberlandesgericht Düsseldorf waren diese Handlungsalternativen ohnehin nicht zumutbar. Schon deshalb, weil sie nicht in gleicher Weise geeignet waren, den „rechtswidrigen Angriff“ der Kinder zuverlässig zu stoppen. So sei ein Ausweichen in das Schulgebäude nicht erfolgversprechend gewesen, weil die Kinder dem Mann auch schon vorher gefolgt seien. Außerdem hätten die Kinder schon vorher nicht auf den Angeklagten gehört. Deshalb sei es fraglich, ob ein Einschreiten des hauptamtlichen Pädagogen gewirkt hätte.

Insgesamt, so das Gericht, sei die Ohrfeige in der Situation das einzige angemessene Mittel gewesen. Erfolgreich war sie jedenfalls, denn die Kinder ließen nach dem Schlag sofort geschockt von dem Mann ab. Die vorherigen Instanzen haben den Fall noch komplett anders beurteilt. Sowohl das Amts- als auch das Landgericht Düsseldorf verurteilten den Mann zu einer Geldstrafe von 30 bzw. 25 Tagessätzen; nun wurde er freigesprochen (Beschluss vom 2. Juni 2016, Aktenzeichen III-1 Ws 63/16).

Kein Gottesurteil

Ein Strafbefehl ist kein Gottesurteil. Das allerdings scheint eine junge Mutter geglaubt zu haben, die nach einem Bericht des Focus eine Geldstrafe über 20 Tagessätze wegen eines angeblichen Diebstahls akzeptiert hat. Dabei hätte es für die junge Frau durchaus nahelegen, sich gegen den Strafbefehl zu wehren.

Den Diebstahl hat nach ihrer eigenen Schilderung nämlich gar nicht die junge Mutter begangen. Sondern ihr sieben Monate altes Baby, das sie im Kinderwagen durch einen Drogeriemarkt schob. Bei einer Kontrolle an der Kasse entdeckte der Ladendetektiv in der Kinderhand eine Haarkur für 65 Cent. Den eigentlichen Einkauf hatte die Frau auf das Kassenband gelegt.

Trifft die Schilderung der jungen Frau zu, hat sie sich nicht strafbar gemacht. Einen fahrlässigen Diebstahl, etwa durch fehlende Aufsicht gegenüber dem Kind, gibt es nicht. Das Verhalten des Kindes kann der Mutter deshalb strafrechtlich nicht zugerechnet werden. Jedenfalls so lange nicht, wie sie ihr Kind nicht zu Diebstählen „motiviert“.

Eine andere Frage ist natürlich, ob das Gericht die Geschichte glaubt. Wertet man die Story als unglaubwürdig, kann die Mutter durchaus als Diebin verurteilt werden. Aber selbst in diesem Fall hätte es sich wahrscheinlich gelohnt, den Strafbefehl anzufechten. Es handelt sich um eine geringwertige Sache. Beim ersten Ladendiebstahl im Bagatellbereich stellen Staatsanwaltschaften das Verfahren schon normalerweise von sich aus ein.

Wenn die Mutter allerdings schon einschlägig vorbestraft war, kann auch ein Bagatelldiebstahl zu einer Vorstrafe führen. Ist sie vorbestraft, würde der Focus-Bericht in dem Punkt nicht zutreffen, dass die Frau sich immerhin noch über eine Vorstrafe unter der Eintragungsgrenze freuen kann. Wenn es schon die zweite Strafe ist, spielt die Eintragungsgrenze von 90 Tagessätzen keine Rolle mehr. Dann stehen alle Vorstrafen im Registerauszug; auch die unter 90 Tagessätzen.

Der Justillon zum gleichen Thema

Gericht: Auch die Polizei sollte bei Spam nicht die Nerven verlieren

Eine Wohnung darf nicht einfach deshalb durchsucht werden, um mutmaßliche Spam-Mails an die Polizei zu verhindern. Auch die Beschlagnahme der Hardware des Spammers ist nicht zulässig, entschied jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe.

Es ging um einen Mann, der einige Polizeiwachen in seiner Gegend über Nacht mit 57 E-Mails bombardiert hatte. In den kaum verständlichen Mails wollte sich der Betroffene wohl über Behörden beschweren. Zwei Tage vorher hatte der Mann schon einmal 39 Mails geschickt.

Die Polizei reagierte auf ihre Weise, besorgte sich beim willigen Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss und konfiszierte die Computeranlage des Mannes. Ansonsten, so die Begründung, bestehe die Gefahr, dass bei der „Flut“ von Mails wichtige Schreiben untergehen.

Eine Argumentation, welche das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht sonderlich beeindruckt. Es gebe durchaus mildere Mittel als einen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung, erläutern die Richter. So sei es problemlos möglich gewesen, die Domain des Absenders auf die Blacklist für normalen E-Mail-Spam zu setzen. Mit dem bei den Landesbehörden verwendeten Programm „Outlook“ sei das ohne großen Aufwand möglich, selbst wenn der Betreffende mehr als eine E-Mail-Adresse verwendet haben sollte.

Wegen dieser einfacheren Möglichkeit, das Problem in den Griff zu bekommen, sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen. Das Gericht hat außerdem Zweifel, ob es sich überhaupt um eine taugliche Maßnahme handelte. Selbst wenn man dem Betroffenen den Computer wegnehme, sei es heute doch recht leicht möglich, E-Mails übers Handy (oder im Internetcafé) zu versenden (Link zum Beschluss).

Gericht rät zur Hornhautcreme

Ein Richter soll Sachkunde haben. Und Lebenserfahrung. Beides konnte ein Strafsenat am Oberlandesgericht Celle jetzt voll ausspielen – mit hilfreichen Tipps zur Hornhautentfernung an den Füßen. Mechanisches Gedöns wie Hornhautraspeln und Honrhauthobel, so das Fazit der Richter, sind hierfür nur bedingt zu empfehlen.

Ausgangspunkt war der Wunsch eines Gefangen, in seiner Zelle eine Hornhautraspel und einen Honrhauthobel nutzen zu dürfen. Seine Hornhaut wachse sehr stark, klagte der Inhaftierte. Deshalb müsse er sich regemäßig gut pflegen. Das Gefängnis wiederum hatte Sicherheitsbedenken. Immerhin hätten Raspel und Hobel scharfkantige Metalleinsätze. Damit könne man auch Sachen anspitzen und Waffen schärfen.

Das Gericht folgte den Sicherheitsbedenken der Anstalt. Dem Gefangenen entstehe auch kein Nachteil, denn Raspel und Hobel seien heute ohnehin nur zweite Wahl. Wörtlich heißt es in dem Gerichtsbeschluss:

Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden, zumal es neben der vom Antragsteller bislang praktizierten mechanischen Hornhautentfernung bekanntlich auch wirksame Cremes zur Hornhautentfernung gibt, die aus medizinischer Sicht ohnehin regelmäßig gegenüber einer mechanischen Hornhautentfernung mittels Raspel und Hobel wegen der damit verbundenen Verletzungs- und Infektionsgefahr vorzugswürdig sind.

Aktenzeichen 1 Ws 323/16; RA Detlef Burhoff zum gleichen Thema

„Juristen!“ und andere Menschen – zehn Bücher zu gewinnen

Juristen wird oft nachgesagt, sie müssten schon von Berufs wegen möglichst komplett humorbefreit sein. Einer, der das Gegenteil beweist, ist Tim Oliver Feicke. Feicke ist im Hauptberuf Richter, kondensiert seine täglichen Beobachtungen aber mit ebenso großer Begeisterung in Cartoons.

FEICKE 108 Glauben law blog

Schon seit zehn Jahren zeichnet Feicke den ganz normalen Wahnsinn vor Gericht. Dramen im Beratungszimmer, keifende Mandanten und der tägliche Kampf mit der Akte – das sind die Themen, die ihm zum Glück nie ausgehen. Pünktlich
zum Cartoonisten-Jubiläum ist in diesen Tagen der Band „Juristen!“ erschienen. Er enthält eine Auswahl der besten Cartoons von Tim Oliver Feicke.

Damit sich die Leser selbst ein Bild machen können, verlose ich ab heute hier im law blog zehn Exemplare der „Juristen“! Fünf Bücher wirft Tim Oliver Feicke in den Korb, die anderen spendiere ich.

Wer bei der Verlosung sein Glück versuchen möchte, schreibt bitte bis spätestens Montag, 12. September 2016, einen Kommentar unter diesen Beitrag. Wichtig ist, dass eine gültige E-Mail-Adresse angegeben ist. Die E-Mail-Adresse wird nicht nicht veröffentlicht, weitergegeben und nur zur Benachrichtigung der Gewinner genutzt.

Den Band „Juristen!“ und Tim Oliver Feickes andere Werke gibt es auch im Buchhandel, zum Beispiel hier bei Amazon. „Juristen!“ kostet geschenkefreundliche 9,99 Euro (ISBN-13: 978-3830343899). Die Homepage von Tim Oliver Feicke: www.feickecartoons.de

Viel Glück!

FEICKE 109 Erstes Date law blog

Nachfragen bitte an Frau Merkel

Laut Anhörungsbogen der Polizei war die Sache klar:

„In Auswertung des XY-Forums durch das LKA wurde festgestellt, dass Sie als User „schnepfe“ in der Zeit vom 18.02.2008 bis 14.06.2012 mindestens 3625 Beiträge verfasst haben. Ihre Beiträge haben zum Fortbestand und damit zur Unterstützung des Forums als kriminelle Vereinigung beigetragen…“

Dass „schnepfe“ nicht immer freundliche Dinge geschrieben hat, war klar. Aber wie kam die Polizei darauf, dass mein Mandant „schnepfe“ ist? Lediglich darüber, dass der Nutzer „schnepfe“ bei Anlage seines Foren-Accounts eine E-Mail-Adresse bei einem bekannte Freemailer angegeben hatte. Diese E-Mail-Adresse war wiederum registriert worden unter Angabe von zwei E-Mail-Adressen für eventuelle Rückfragen oder Systemnachrichten, von denen eine meinem Mandanten gehörte.

Nun wies schon der Freemailer in seiner Auskunft an die Polizei darauf hin, dass er die Anmeldedaten nicht überprüft. Und dass er auch die E-Mail-Adressen nicht kontrolliert, die als Kontaktmöglichkeit genannt werden. Das wiederum schien der Staatsanwalt aber nicht gelesen zu haben, denn er klagte den Sachverhalt ebenso selbstsicher an wie schon das LKA den Anhörungsbogen formuliert hatte.

Tja, dann saßen wir also in der Hauptverhandlung, und selbst die nicht sehr IT-affine Amtsrichterin hielt eine nicht verifizierte E-Mail-Adresse für kein schlagkräftiges Indiz (von einem Beweis konnte man ja ohnehin kaum sprechen). „In das Anmeldeformular kann man ja alles eintragen“, stellte sie zutreffend fest. „Möchte nicht wissen, wie oft Angela Merkel genannt wird…“

Zwei Minuten später war das Verfahren eingestellt, sogar die Anwaltskosten fallen der Landeskasse zur Last.

Angeklagter wurde scharf beobachtet

Der Angeklagte sitzt in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht und tut das, was viele Angeklagte auch besser tun sollten. Er schweigt. Das wiederum gefällt dem Gericht ganz und gar nicht, wie sich aus dem Urteil ergibt. Darin heißt es über den Angeklagten:

Auch sein nonverbale Verhalten in der Hauptverhandlung lies nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag erkennen.

Dem Angeklagten wird also strafschärfend zur Last gelegt, dass er nichts sagt. Mehr noch: Offenbar begutachtete das Gericht Mimik, Bewegungen oder Haltung des Angeklagten und schloss daraus auf fehlende Unrechtseinsicht und fehlendes Problembewusstsein.

Wären solche Rückschlüsse erlaubt, wäre das grundlegende Schweigerecht praktisch nicht mehr allzu viel wert. Denn ein schweigender oder leugnender Angeklagter kann ja schlecht Unrechtseinsicht zeigen, ohne damit mittelbar ein Geständnis abzugeben. So sieht es auch das Oberlandesgericht Hamm. Es hob die Entscheidung auf und ordnete eine Neuverhandlung an (Aktenzeichen 1 RVs 20/16).