Wohnungsmiete darf später gezahlt werden

Viele Wohnungsmieter können sich ab sofort mehr Zeit lassen, wenn sie die Monatsmiete überweisen. Entgegen dem Wortlaut der meisten Formularverträge ist es nicht erforderlich, das die Miete am dritten Werktag eines Monats beim Vermieter eingeht. Vielmehr genügt es, wenn das Geld bei der Bank eingezahlt ist bzw. der Dauerauftrag ausgeführt wird. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Die meisten Formularverträge orientieren sich am Gesetz. Danach muss die Miete bis zum 3. Werktag des Monats entrichtet werden (§ 556 BGB). Das wurde bisher so verstanden, dass die Miete spätestens am 3. Werktag des Monats beim Vermieter eingegangen sein muss. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wird „entrichten“ heute aber allgemein so verstanden, dass das Geld bei der Bank eingezahlt wird und dann auf die Reise zum Empfänger geht. Die schärfere Regelung bürde dem Mieter das Risiko für Verzögerungen bei der Bank auf. Das benachteiligt laut dem Gericht den Mieter, weswegen die Klausel unwirksam ist (Aktenzeichen VIII ZR 222/15).

Sie müssen erst den Nippel durch die Lasche ziehen

Sicherlich gibt es einige, die just in diesem Augenblick versuchen, ein mutmaßlich aus fernen Ländern importiertes, in Einzelteilen geliefertes Weihnachtsgeschenk zu montieren, einzurichten oder wenigstens zum Blinken zu bringen.

Falls das Ganze in Flüchen und Verwünschungen endet, hält vielleicht ausgerechnet das Bürgerliche Gesetzbuch ein wenig Trost bereit. Die frohe Botschaft stammt aus § 434 BGB:

Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist…

Vielleicht ist einviertelaufgebaut zurückgeben also seliger als behalten. In diesem Sinne: frohe und stressfreie Weihnachten.

Keine Marzipantorte für die Betriebsrentner

Ziemlich sauer auf ihren früheren Arbeitgeber scheinen einige Betriebsrentner gewesen zu sein. Sie verklagten die Firma, weil diese ihnen nicht nur das jährliche Weihnachtsgeld in Höhe von 105 Euro strich. Sondern auch die Marzipantorte, mit der die Firma ihren Ehemaligen Weihnachten versüßte.

Die Betriebsrenter verklagten den Nahrungsmittelhersteller aus Köln. Allerdings erfolglos. Das Arbeitsgericht Köln stellte nämlich fest, dass auch in der Vergangenheit nicht alle Betriebsrenter mit Geld und Torte beehrte wurden. Weil nicht alle profitierten, scheide eine „betriebliche Übung“ aus, die einen Anspruch auf die Gaben begründen könnte.

Außerdem, so das Arbeitsgericht, habe der Arbeitgeber in seiner Weihnachtspost immer darauf hingewiesen, dass es Torte und Geld nur als freiwillige Leistung gibt und kein Anspruch für die Zukunft ensteht. So ein Vorbehalt kann verhindern, dass eine betriebliche Übung entsteht (Aktenzeichen 11 Ca 3589/16).

Vater bot Kind auf ebay an – keine Strafe

Alles nur ein Scherz: Mit dieser Verteidigungsstrategie konnte ein 28-Jähriger in Duisburg die Staatsanwaltschaft überzeugen. Die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Der Mann hatte seine 40 Tage alte Tochter im Herbst für 5.000 Euro auf ebay zum Kauf angeboten.

Die Staatsanwaltschaft glaubte dem Mann, dass er lediglich eine Anzeige aus Großbritannien imitierte. Dort hatte ein Mann seine Ehefrau auf ebay zum Kauf angeboten; dieser sei dadurch „populär“ geworden. Letztlich hatte der Beschuldigte die Auktion auch schnell von sich aus wieder gelöscht.

Ohne Vorsatz keine Strafbarkeit wegen Kinderhandels, auch nicht wegen des Versuchs. Insofern eine nachvollziehbare Entscheidung des Staatsanwalts.

Bericht in der LTO

Danke, lieber Justizminister

Wer schon mal die Freude hatte, die Sitzung eines Strafrichters (Amtsgericht) ganz oder teilweise zu besuchen, wird sich gewundert haben. Unglaublich, wie viele Angeklagte doch tatsächlich ohne Anwalt erscheinen. In den niederen Sphären der Rechtspflege herrscht keine Anwaltspflicht, und beim Vorwurf einer kleineren Straftat kann ja auch nicht so viel passieren. Wird zumindest manche Frohnatur denken und sich die Kosten für den Anwalt sparen.

Den Rechtsanwälten, darunter natürlich vorrangig den Strafverteidigern, war das über Jahrzehnte ein Dorn im Auge. Dank einer ausgetüftelten Strategie ist es ihnen nun gelungen, dass Bundesjustizmninister Heiko Maas extra für sie ein Konjunkturprogramm ins Leben ruft. Stolz verkündete der Minister gestern, das Bundeskabinett habe seinen Gesetzentwurf einstimmig beschlossen, welcher die Einnahmesituation deutscher Strafverteidiger erheblich verbessern wird.

Verkauft wird das Ganze allerdings offiziell unter einem anderen Label. Denn mehr Geld für Anwälte ist nun ganz sicher nichts, mit dem man in der heutigen Zeit politisch punkten kann. Deshalb musste auch ein kleiner Trick angewendet werden. Statt die Anwaltspflicht auch bei kleineren Verfahren zu verankern, lähmt die Bundesregierung künftig auch den kleinsten Angeklagten mit so einer Heidenangst, dass dieser künftig absolut mit dem Klammerbeutel gepudert sein muss, wenn er sich auch jetzt noch den Anwalt spart.

Das alles funktioniert, indem man Strafrichtern künftig die Möglichkeit gibt, bei „jeder Straftat“ ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten zu verhängen. Also ganz konkret: Wenn sich jemand in der Kneipe prügelt, mit der Rheinbahn schwarz fährt oder im DM-Markt einen Deoroller klaut, muss der Betroffene nicht nur mit einer Geldstrafe rechnen, sondern auch mit einem Fahrverbot. Und das, auch wenn der Betreffende gar kein Auto hat. Oder das Auto zum Zeitpunkt der Tat brav zu Hause in der Garage stand.

Bisher war es für ein Fahrverbot notwendig, dass die Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs stand. Das fällt künftig komplett weg. Noch dazu wird die Höchstfrist des Fahrverbots verdoppelt. Nämlich von drei auf sechs Monate. Somit läuft also jeder Angeklagte mit Führerschein Gefahr, dass ihm ein Richter zu pädagogischen Zwecken noch ein Fahrverbot aufbrummt, vor allem wenn er das Gefühl hat, dass der Angeklagte seine Geldstrafe aus der Portokasse zahlen kann. Oder um es mit den Worten des Justizministers zu sagen:

Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.

Was trifft den mobilen Bundesbürger härter als der temporäre Verzicht auf sein Auto? Auf das er womöglich auch beruflich angewiesen ist. Nun ja, aber wenn dieses Risiko künftig ganz handfest vorhanden ist, werden die Betroffenen sich tendenziell nicht mehr ohne Rechtsbeistand in eine Hauptverhandlung trauen. Denn ab sofort steht wirklich was auf dem Spiel.

Natürlich kann man auch rechtspolitisch viel gegen diese neue Form einer Strafe einwenden. Mit einiger Sicherheit ist sie auch verfassungswidrig. Aber als Anwalt sage ich mal lieber nichts außer:

Danke, danke, danke, lieber Justizminister.

„Schummeln“ bei der Einbürgerung ist nicht unbedingt strafbar

Mit einem Satz entlastet der Bundesgerichtshof die deutschen Amtsgerichte um eine ganze Menge Arbeit. Immer wieder kommt es vor, dass Ausländer, die gerne deutsche Staatsbürger werden möchten, bei ihren Einbürgerungsanträgen etwas schummeln. Kleinere Geld- oder Freiheitsstrafen werden gern schon mal verschwiegen, und genau das führt dann wieder zu einem neuen Strafverfahren. Denn falsche Angaben beim Einbürgerungsantrag werden bestraft.

Die Frage war bislang allerdings, ob auch verschwiegene Vorstrafen geahndet werden können, selbst wenn diese an sich gar kein Grund sind, den Einbürgerungsantrag zurückzuweisen. Abgelehnt wird eine Einbürgerung nämlich nur dann, wenn eine Geldstrafe oder mehrere Geldstrafen von ingesamt mehr als 90 Tagessätzen in Rede stehen. Oder eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten auf Bewährung, sofern die Strafe noch nicht erlassen ist.

Trotzdem haben die Staatsanwaltschaften aber auch immer wieder Anklagen erhoben, wenn geringere Strafen verschwiegen wurden. Grundlage hierfür waren Entscheidungen des Kammergerichts Berlin. Laut diesen Beschlüssen spielt es keine Rolle, ob die verschwiegenen Strafen überhaupt zur Versagung der Einbürgerung führen können. Dem folgten die meisten Gerichte in Deutschland. Bis nun ein mutiger Amtsrichter in München mal anders entschied und das Oberlandesgericht München seine Auffassung teilte.

Auf die Vorlage des Oberlandesgerichts München erging nun folgender Beschluss des Bundesgerichtshofs, der die Streitfrage in einem Satz beantwortet:

Eine Strafbarkeit nach § 42 StAG ist nicht gegeben, wenn im Einbürgerungsverfahren unrichtige oder unvollständige Angaben über inländische Strafverurteilungen gemacht werden, die gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 und S. 2 StAG bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben.

Bereits rechtskräftig Verurteilte profitieren allerdings nicht von dieser überraschenden Wendung, denn diese wirkt sich nur für die Zukunft aus. Erwähnen möchte ich noch, dass es aber auch künftig keine gute Idee ist, Vorstrafen im Einbürgerungsantrag zu verschweigen. Die Vorstrafen sind alle im Bundeszentralregister gespeichert. Jedes Einbürgerungsamt besorgt sich vor seiner Entscheidung einen Registerauszug und erfährt schon auf diesem Weg von eventuellen Vorstrafen. Niemand verlässt sich also auf die Angaben, die der Antragsteller selbst macht.

Neue ARAG-Kolumne: Nutzungsausfall fürs Internet?

Von mir gibt es eine neue ARAG-Kolumne. Diesmal greife ich den Hackerangriff auf, der für viele tausend Telekom-Kunden einen Blackout ihrer Anschlüsse mit sich brachte. Die Frage ist, unter welchen Voraussetzungen man Nutzungsaufall oder Schadensersatz für einen Ausfall des Internets geltend machen kann.

Hier geht es zur neuen Kolumne.

Falls jemand zu Weihnachten eine Flugdrohne verschenkt oder als Geschenk erwartet, für den ist vielleicht noch meine ARAG-Kolumne „Geschenke überm Weihnachtsbaum“ interessant. Denn einfach losfliegen ist nicht. Es gibt einige wichtige Dinge zu beachten – vom Versicherungsschutz bis zu Flugverboten.

Hier geht es upgedateten Kolumne „Geschenke überm Weihnachtsbaum“.

Viel Spaß beim Lesen.

Gericht oder Lotteriebetrieb?

Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Möge die Macht der Schicksalslotterie also mit einem sein – auch vor Deutschlands höchsten Strafrichtern. Dabei hatte ein Angeklagter, der – zusammengefasst – einen anderen mit Gewalt um dessen Rauschgift brachte beziehungsweise hierzu anstiftete, sogar zuerst noch Glück.

Sein Fall kam zum 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs. Der vertrat in einem früheren Fall die Auffassung, dass man – auch wieder zusammengefasst – einem anderen dessen Betäubungsmittel zwar wegnehmen kann, sich aber deswegen nicht so richtig strafbar macht. Verbotene Ware sei nicht so von der Rechtsordnung geschützt wie etwa ein BMW X 5.

Da andere Strafsenate das seit jeher anders sehen und auch Drogenbesitzer vor Langfingern, Räubern und Erpressern „schützen“, tat der 2. Strafsenat seine abweichende Auffassung in einem Beschluss kund. Im Anschluss daran läuft – wiederum gerafft dargestellt – eine Art Abstimmungsverfahren, und falls die Meinungsverschiedenheit nicht beigelegt werden kann, entscheidet am Ende der Große Senat für Strafsachen.

Nun könnte man meinen, dass wenigstens der 2. Strafsenat sich bei künftigen Entscheidungen auch auf seine (neue) Rechtsauffassung stützt, die er gerade formuliert hat. Aber genau das ist nicht der Fall. Während die anderen Strafsenate noch über ihren Stellungnahmen zu dem Vorstoß brüten, hat der 2. Strafsenat jetzt den zunächst sicher extrem hoffnungsvollen Angeklagten ungerührt verknackt. Und zwar genau mit der juristischen Begründung, die der 2. Strafsenat eigentlich als überkommen ansieht.

So was fällt natürlich auf, und so rechtfertigt sich das Gericht in dem Beschluss vorsorglich selbst:

Ebenso wenig ist ein anfragender Senat gehindert, bei Vorliegen einer Binnendivergenz zwischen verschiedenen Sitzgruppen abweichend von seiner eigenen Anfrage zu entscheiden. Der Anfragebeschluss entfaltet keine Sperrwirkung.

Zur Erläuterung: Der Senat ist die Gesamtheit der Richter. Die „Sitzgruppe“ sind einzelne Richter aus dem Senat, die gemeinsam ein Urteil fällen. Im Senat gibt es normalerweise mehr Richter, als für ein Urteil erforderlich sind. Die Richter entscheiden also in wechselnden Zusammensetzungen. Wie sich so eine „Sitzgruppe“ zusammenwürfelt, ist auch so eine Frage endloser juristischer Debatten. Oft genug wird kritisiert, dass es mit der gebotenen Transparanz, welche Richter denn nun konkret welchen Fall bekommen, nicht zum Besten gestellt ist. Aber das ist ein anderes Thema.

Verblüffend an dem vorliegenden Fall ist, dass der arme Angeklagte nun von folgenden Richtern all seiner Hoffnungen beraubt wurde. Diese heißen:

Fischer, Zeng, Appl, Bartel, Eschelbach

Diese Richter distanzieren sich als gemäß dem obigen Zitat von den Kollegen im eigenen Senat, welche die neue Rechtsauffassung propagiert und die Anfrage bei den anderen Senaten angeschubst haben. Schauen wir uns die Mitglieder dieser ursprünglichen „Sitzgruppe“ an. Deren Mitglieder sind folgende Richter:

Fischer, Zeng, Krehl, Bartel, Eschelbach

Nur ein Richter ist also unterschiedlich. Und auch bei richterlichen Entscheidungen gilt im Kern das Mehrheitsprinzip. Aber dafür kann sich der nun abgeblitzte Angeklagte natürlich nichts kaufen. Wie es zu der Entscheidung kam, unterliegt dem Beratungsgeheimnis.

Ich frage mich nur, wie es die Richter denn empfinden, wenn sie jetzt den Angeklagten verurteilen, ihr ursprünglicher und ja durchaus nachvollziehbar begründeter Vorstoß aber irgendwann zur angestrebten Änderung der Rechtsprechung führt. Gilt natürlich nur für die Zukunft, können sie dann sagen. Merkwürdig bleibt das ganze aber schon. Wenn man Gerichtshöfe nicht für einen Lotteriebetrieb hält.

Zum Thema auch RA Detlef Burhoff, dort finden sich auch die Links zu den einzelnen Beschlüssen.

Kein Erfolg mit „The Beast“

In einem der zahlreichen Gerichtstermine, die mich momentan etwas vom Bloggen abhalten, ging es heute um Nötigung im Straßenverkehr. Mein Mandant soll einem Anwalt, der an einem sommerlichen Nachmittag mit seinem Z3 („mein sportlicher Zweitwagen“) unterwegs war, zu dicht aufgefahren sein. Der Mandant fuhr laut dem Zeugen einen „großen, bedrohlichen SUV“.

Ich hatte schon von Anfang an Probleme mit der Anklage. Denn die Geschichte spielt mitten in der Stadt. Auf den in Rede stehenden stehenden 800, vielleicht tausend Metern gilt logischerweise höchstens Tempo 50. Ein Viertel der Strecke ist sogar mit Tempo 30 ausgeschildert.

Der Zeuge behauptete gar nicht, mein Mandant habe ihm die Lichthupe gezeigt. Oder Gesten gemacht. Sondern halt nur, dass der SUV im Stadtverkehr doch schon sehr dicht hinter ihm gefahren sei – was bei ihm Schweißausbrüche und Angstattacken verursacht habe. Vermutlich fährt der Zeuge auch deswegen in der Region Düsseldorf/Köln gerne offen, weil sein Hemd sonst gar nicht mehr trocken wird.

So richtig arbeiten musste ich als Verteidiger allerdings nicht für mein Geld. Der Zeuge demontierte sich mit großer Energie gleich schon mal selbst. Er stellte zu Anfang seiner Aussage eines klar: „Ich habe den Angeklagten ja vorhin schon gesehen. Der hat seinen großen SUV in die Tiefgarage gefahren – obwohl das Auto dafür zu groß und somit nicht zugelassen ist.“ Das sei ja wohl eine Ordnungswidrigkeit. Mindestens.

Womöglich zur großen Überraschung des Zeugen zückten weder die Richterin noch der Anklagevertreter den Knöllchenblock. Auch von einer Nachtragsanklage und einer Saalverhaftung wurde abgesehen. (Bei einer sogenannten Saalverhaftung wird nicht der Saal verhaftet, sondern der Angeklagte überraschend im Sitzungssaal.) Aber jeder im Saal ahnte schon, mit welchem Typus Mensch man es hier zu tun hat. Wie zur Bestätigung holte der Zeuge – ich schwör’s – ein großes, tiefschwarzes, entfernt an Obamas „The Beast“ erinnerndes Spielzeugauto aus seiner Aktentasche. Und dann ein sehr flaches, kleines Matchbox-Cabrio. Spielzeugautos! Damit wollte er der Richterin anscheinend haarklein demonstrieren, wie sich die dramatische Geschichte zugetragen hat.

Dummerweise hatte in dem Augenblick aber schon niemand Fragen mehr. 45 Sekunden später war das Verfahren eingestellt.

Ich lache immer noch. Und ich bin mit Sicherheit nicht der einzige.

Ein paar tausend Vermutungen

Rund 4.500 Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Leipzig eingeleitet, nachdem sie letztes Jahr einen mutmaßlichen Drogendealer hochgenommen hat. Der Beschuldigte soll diverse Betäbungsmittel im Internet angeboten und per Brief geliefert haben. Bezahlt wurde in fast allen Fällen mit Bitcoins.

Auch mein Mandant hat einen Anhörungsbogen bekommen, nachdem die Leipziger Staatsanwaltschaft das Verfahren an die Staatsanwaltschaft seines Wohnsitzes abgegeben hat. Der zuständige Staatsanwalt hat sich bestimmt überlegt, ob der Vorwurf für eine Hausdurchsuchung reicht. Und sich, aus guten Gründen wie ich finde, dagegen entschieden. Immerhin kann jeder in fremdem Namen was bestellen und anonym bezahlen.

In meiner Verteidigungsschrift habe ich das auf den konkreten Fall meines Mandanten wie folgt runtergebrochen:

Herr N. kennt den fraglichen Internetshop nicht. Mein Mandant hat im Internet noch nie Betäubungsmittel bestellt. Er hat auch im echten Leben noch keine Betäubungsmittel erworben.

Vermutlich hat jemand den Briefkasten meines Mandanten missbraucht, um sich Bestellungen liefern zu lassen.

Die Wohnung meines Mandanten liegt in Millionenstadt unweit des Polizeipräsidiums. Es handelt sich um eine sehr zentrale, außerordentlich belebte Gegend. Im Wohnhaus meines Mandanten leben 10 Parteien. Besonders ist hier, dass sich die Briefkastenanlage vor dem Haus befindet. Die Briefkästen sind also von außen frei zugänglich. Die Einwurfschlitze sind groß und praktisch nicht gesichert.

Selbst wenn eine Sendung in den Briefkasten komplett eingeworfen wurde, kann man sie von außen herausfingern. In dieser belebten Wohnstraße gibt es faktisch keine soziale Kontrolle. Es fällt also überhaupt nicht auf, wenn sich jemand an einem Briefkasten zu schaffen macht.

Mein Mandant ist ganztägig berufstätig. Er verlässt jeden Morgen das Haus und kehrt erst abends zurück. Dieser Rhythmus ist von einem Beobachter einfach festzustellen. Dieser Beobachter hat dann problemlos die Möglichkeit, sich am Briefkasten meines Mandanten zu bedienen, sobald am Vormittag die Post ausgeliefert wurde.

Ich beantrage, das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten mangels Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.

Genau das ist dann auch geschehen.

Tauben gefüttert, Wohnung futsch

Wer aus dem Fenster einer Mietwohnung mehrmals täglich Tauben füttert, riskiert die Wohnungskündigung. So hat es das Amtsgericht Nürnberg entschieden.

Bis zu 30 Tauben lockte ein Wohnungsmieter an, wenn er mehrfach täglich Futter auf die Fensterbank seiner Wohnung streute. Die Wohnung liegt im vierten Stock. Nicht nur der Vermieter, auch Nachbarn hatten sich über die Taubenfütterung beschwert.

Da der Beklagte auf Abmahnungen und eine vorherige (ordentliche) Kündigung nicht reagierte, kündigte der Vermieter wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens fristlos. Zu Recht, so das Amtsgericht Nürnberg in seinem mittlerweile rechtskräftigen Urteil (Aktenzeichen 14 C 7772/15).

Jeder Fünfte muss zur Nacktkontrolle

Bei der Disziplinierung ihrer Truppen waren die Römer einfallsreich. Im Falle schwerer Vergehen, etwa Meuterei oder Feigheit vor dem Feind, konnte der Kommandant eine Dezimation anordnen. Jeder Soldat, auch die Offiziere (mit Ausnahme des Heerführers), mussten ein Los ziehen. Jeder zehnte hatte dann eine richtig fette Niete in der Hand, nämlich sein Todesurteil. Das durften die „glücklichen“ Kameraden dann gleich durch Prügel vollstrecken.

In einer Folge der Fernsehserie Spartacus (Amazon-Partnerlink) kann man sich das sehr schön anschauen. Und auch welche Tricks und Kniffe es gab, aus der Sache rauszukommen. Zumindest, wenn man der Sohn des Chefs ist.

Keine Regel also ohne Ausnahme. Bis zur bayerischen Justizverwaltung hat sich diese Erkenntnis aber noch nicht rumgesprochen, obwohl eigentlich ausreichend Zeit gewesen wäre. Zumindest in der Haftanstalt Straubing praktizierte man bisher nämlich ein Ritual, bei dem auch Gefangene nach strenger Arithmetik einem zwar nicht tödlichen, aber dennoch entwürdigenden Akt unterzogen wurden. Einer Nacktkontrolle nämlich, mit Inaugenscheinnahme aller Körperöffnungen. Jeden fünften Gefangenen, der Besuch von draußen erwartete, musste es laut Anordnung treffen.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Pauschalkontrolle in der praktizierten Form nun kassiert. Und zwar mit einer Begründung, die auf viele Standardmaßnahmen zutreffen wird, die so in Gefängnissen praktiziert werden. Dass jeder Fünfte kontrolliert werden soll, lässt das Gericht noch als „Einzelanordnung“ durchgehen, wenn auch mit Bauchschmerzen. Was aber gar nicht gehe sei das Fehlen jeder Ausnahme für diesen heftigen Grundrechtseingriff. Das heißt, zumindest in den Fällen, in denen auch das Personal beim besten Willen nicht davon ausgehen kann, dass der Gefangene das Besuchsrecht missbraucht, muss von der Kontrolle abgesehen werden können.

Nur so, befindet das Gericht, sei ein „gerechter Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen und dem Sicherheitsinteresse der Vollzugsanstalt zu erreichen“ (Aktenzeichen 2 BvR 06/16).

Vorsicht vor Word-Dateien

Auf etwas verschlungenen Wegen ist den Behörden eine Word-Datei in die Hände gefallen. Den Ausdruck kann man mit etwas Anstrengung so lesen wie das Protokoll von Drogenkonsum. Oder, aus anderer Richtung betrachtet, als Dokumentation eines längerdauernden, wechselhaften Entzugs („heute viel geschwitzt, trotzdem 36 Stunden durchgehalten“).

In dem Papier steht nicht konkret, was für Betäubungsmittel konsumiert wurden. Es sei denn natürlich, „1/8 Nase“ ist nur mir nicht als eindeutige Stoffbezeichnung bekannt. Aber die werte Staatsanwaltschaft betrachtet das Papier tatsächlich als hinreichenden Beleg dafür, dass mein Mandant in dem fraglichen Zeitraum jeweils „Konsumeinheiten“ zu sich genommen hat. Und zwar, da legt man sich einfach mal fest, Heroin.

Mir fällt dazu erst mal ein, dass man so eine Word-Datei auch als Entwurf einer Kurzgeschichte oder den Anfang eines Romans lesen kann. Beweise, dass hier tatsächlich ein echter Drogenkonsum dokumentiert wird, nennt die Anklageschrift nicht. Es gibt auch keine. Jedenfalls keine, die ich in der Ermittlungsakte hätte finden können.

Überhaupt nichts gibt das Dokument im übrigen dafür her, woher die vermeintlichen Betäubungsmittel kamen oder wo sie mein Mandant konsumiert haben soll. Das ist insofern wichtig, weil die Anklage ja auf Besitz lautet. Lauten muss. Denn, das weiß natürlich eine bemühte Staatsanwältin, der bloße (sofortige) Konsum von Betäubungsmitteln ist gar nicht strafbar.

Zu so einer Anklage kann ich nur sagen: So was könnte man sich auch sparen – wenn man nicht auf Bauchplatscher vor Gericht steht. Ich wette gegen mich schon mal fünzig Nasen (hier bitte beliebige Währung und Stückelung einsetzen) zu Gunsten von Amnesty International, dass diese Anklage nicht zugelassen wird.

Ach, sagen wir hundert Nasen.

Anwälte: Keine Dienstreisen vor sechs Uhr morgens

Mal wieder eine Entscheidung für den vielreisenden Anwalt. Sie stammt vom Oberlandesgericht Naumburg:

Erstattungsfähige Prozesskosten sind auch die Übernachtungskosten eines Rechtsanwalts, wenn es diesem nicht zuzumuten ist, am Terminstag anzureisen. Ihm kann nicht abverlangt werden, die notwendige Anreise zum Terminsort zur Nachtzeit anzutreten. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen.

Bei der Anreisezeit darf laut dem Beschluss nicht die bloße Fahrtzeit angesetzt werden. Zunächst ist der Anwalt nicht verpflichtet, erst in letzter Minute zu erscheinen. Darauf legen ja auch die Gerichte durchaus Wert, wie zutreffend festgestellt wird. Außerdem muss bei der Reisezeit ein Puffer für eventuelle Staus eingerechnet werden und auch für Pausen (zumindest bei einer Strecke von knapp 300 Kilometern). Interessanterweise erwähnt das Gericht, dass der Anwalt damals schon „über 70 Jahre alt“ war, weswegen ihm mutmaßlich eine extralange Pause zugebilligt worden wäre.

Letztlich kommt es also darauf an, ob man als Anwalt unter Einrechnung all dieser Faktoren vor sechs Uhr morgens losfahren musste, um pünktlich bei Gericht zu sein. Ist das der Fall, darf eine Übernachtung berechnet werden.

Link zur Entscheidung / Detlef Burhoff zum gleichen Thema

Sehr schöner Einstieg

Wie spricht man per Mail einen Anwalt auf ein Beratungsmandat an? Der Einstieg in einer Mail hat mir sehr gut gefallen. Deswegen möchte ich die Mail einfach zitieren:

Guten Tag Herr Vetter,

recht herzlichen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort.

Ich würde Ihnen, wenn ich darf, kurz die Situation schildern um eventuell zu erfahren wie die Erfolgschancen für mich stehen. Selbstverständlich bin ich bereit für Ihre Auskünfte zu bezahlen – hierfür finden Sie meine Rechnungsadresse am Ende dieses Schreibens.

Ich lebe in der Nähe von …