Das Land haftet für seine Lehrer

Auch Schulen müssen das Urheberrecht beachten, wenn sie Inhalte auf ihre Homepage einstellen. Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte jetzt den Unterlassungsanspruch eines Cartoonisten gegen das Land Hessen. Der Künstler war nicht damit einverstanden, dass auf der Internetpräsenz einer Schule einer seiner Cartoons veröffentlicht wurde. Ihn hatte vorher auch niemand gefragt.

Das Gericht bestätigte dem Grunde nach, dass das Land Hessen unmittelbar haftet. Das Land hatte sich damit verteidigt, es handele sich um eine kommunale Schule. Deshalb sei allenfalls der örtliche Schulträger in der Pflicht. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ergibt sich die Verantwortung des Landes aus dessen Aufsichtspflicht über alle Schulen. Es gehe um pädagogische Inhalte, diese seien Sache des Landes (Aktenzeichen 2-6 O 175/16).

Die Deutsche Bank Bauspar AG möchte kein Präzedenzurteil

Mein Rechtsstreit mit der Deutsche Bank Bauspar AG ist schon zu Ende, bevor er so richtig begonnen hat.

In dem Prozess geht es um die Darlehensgebühr für die Auszahlung eines Bauspardarlehens. Ausgezahlt wurde das Darlehen vor (fast) zehn Jahren. Nachdem der Bundesgerichtshof Ende letzten Jahres aber solche Darlehensgebühren in Bausparverträgen für unwirksam erklärt hat, habe ich den von mir gezahlten Betrag zurückgefordert. Es geht um knapp 600 Euro.

Zunächst berief sich die Deutsche Bank Bauspar AG auf Verjährung, wie ich hier berichtet habe. Das wäre aber nur dann richtig, wenn die sogenannte Regelverjährung greift. Warum die Verjährungsfrist ausnahsweise aber länger ist (nämlich zehn Jahre), habe ich in meiner Klageschrift begründet.

Am Samstag kriegte ich Post vom Amtsgericht Frankfurt am Main. Die Deutsche Bank Bauspar AG lässt über ihre Anwälte mitteilen, dass sie die Klageforderung in den nächsten Tagen überweist. Die Anwälte hängen die ausdrückliche Erklärung an, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu 100 % übernehmen wird – und zwar, wie es wörtlich heißt, zur „Vermeidung einer Meinungsbildung des Gerichts“.

Okay, den Hinweis hätte ich persönlich mir doch eher gespart.

Nachtrag: Der Bundesgerichtshof hat jetzt auch noch die „Kontogebühr“ für unwirksam erklärt, die etliche Bausparkassen ihren Kunden während der Darlehensphase berechnet haben (Pressemitteilung).

Ist der Transit schon Europa?

Dass man bei der Ein- oder Ausreise aus der EU Barmittel über 10.000 Euro anmelden muss, ist bekannt. Wer sich nicht daran hält, riskiert ein Bußgeld bis zu einer Million Euro – und unangenehme Nachfragen. Wie ist das aber, wenn jemand europäischen Boden nur in der Transitzone eines internationalen Flughafens betritt?

Diese Frage hat nun der Europäische Gerichtshof beantwortet. Es ging um einen Geldkurier. Dieser reiste von Benin in den Libanon, wobei er einen Zwischenstopp auf dem Pariser Flughafen hatte. In der Transitzone wurde der Mann kontrolliert und es wurde festgestellt, dass er rund anderthalb Millionen Dollar bei sich hatte.

Auch in diesem Fall gilt die Deklarationspflicht, so der Europäische Gerichtshof. Auch die Transitzonen gehörten zum Hoheitsgebiet der EU, so das eine „Einreise“ im Sinne der Bargeldverordnung vorliege. Ziel sei die (weltweite) Bekämpfung illegaler Geldströme. Somit gebe es auch keinen sachlichen Grund, Durchreisende von der Anmeldepflicht auszunehmen.

Ich habe schon diverse Betroffene vor Gericht verteidigt. Allerdings war niemand darunter, der sich nur im Transitbereich eines deutschen Flughafens aufgehalten hätte. Gut möglich also, dass dort bis dato auch tatsächlich nicht kontrolliert wurde. Dann hätten die Behörden ja ein ganz neues Betätigungsfeld (Aktenzeichen C-17/16).

Infoseite des Zolls über die Anmeldepflicht

Früher Richter, heute Anwalt

Sie sind eine besondere, aber gar nicht seltene Spezies: Pensionierte Richter, die sich noch mal als Rechtsanwälte versuchen. Dagegen spricht grundsätzlich nichts, die Berufsfreiheit gilt auch für Richter in Rente. Allerdings erweckt es immer einen unschönen Schein, wenn sich die betreffenden Neu-Anwälte bevorzugt an ihrem ehemaligen Gericht austoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat da auch Bauchschmerzen. In einer Entscheidung billigen die Richter deshalb eine dreijährige Karenzzeit für „Heimspiele“ ehemaliger Richter.

Das Auftreten eines vor kurzem pensionierten Richters als Anwalt könne den Anschein erwecken, dass dieser durch seine persönlichen Kontakte zu früheren Kollegen ungebührliche Vorteile rausschlagen kann. Deshalb sei es grundsätzlich in Ordnung, wenn die Justizverwaltung dem einen Riegel vorschiebe. In dem entschiedenen Fall durfte ein Richter nicht am Landgericht als Anwalt arbeiten, an dem er viele Jahre selbst Urteile gefällt hatte.

Allerdings könne dem Neu-Anwalt nur direkter Kontakt mit dem Gericht verboten werden. Also Terminsvertretungen, telefonische Kontakte zum Gericht und die Unterzeichnung von Schriftsätzen ans Gericht. Ein weitergehendes Verbot sei dagegen unwirksam. So könne dem Ex-Richter keine „of counsel“-Tätigkeit verboten werden, in deren Rahmen er für das Prozessgericht gar nicht namentlich in Erscheinung trete. Mehr als drei Jahre Sperre seien aber nicht zulässig. Insoweit billigte das Bundesverwaltungsgerichts die Auffassung der 1. Instanz.

Solche Karenzzeiten setzen aber immer voraus, dass die Justizverwaltung sie auch tatsächlich verhängt. Mitunter soll es auch schon mal vergessen werden, habe ich gehört (Aktenzeichen 2 C 45/16).

Die Vernehmung

Aus einer Vorladung der Polizei:

In der Ermittlungssache wegen Vernehmung ist Ihre Vernehmung als Beschuldigter erforderlich. Sie werden daher gebeten, bei der Polizeiinspektion … vorzusprechen.

So eine aussagekräftige Beschreibung des „Tat“vorwurfs ist natürlich nicht sehr hilfreich. Gerade dann nicht, wenn der Mandant nicht mal ansatzweise damit gerechnet hat, dass ihm Ärger mit der Polizei droht. Leider konnte ich den Beamten gerade telefonisch nicht erreichen, um mich mal zu erkundigen.

Er ist in einer Vernehmung.

Ein paar Worte zu viel

Der deutsche Anwalt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat sein Mandat niedergelegt. Michael Hubertus von Sprenger möchte für Erdogan nicht mehr arbeiten, weil er dessen Nazi-Vergleiche nicht mehr erträgt. Von Sprenger erklärte laut meedia.de, sein Vater sei im Nationalsozialismus verfolgt worden, ihm habe sogar Konzentrationslager gedroht.

Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Anwalt einen Gefallen tut. Damit meine ich nicht die Mandatsniederlegung an sich. Ein Anwalt ist zur Kündigung des Mandats selbst gegenüber einem Präsidenten berechtigt, und das auch ohne Grund. (Mit der Einschränkung, dass die Kündigung nicht zur „Unzeit“ erfolgen darf, zum Beispiel am Morgen eines wichtigen Verhandlungstermins.) Sorgen könnte von Sprenger aber der Umstand bescheren, dass er öffentlich die Gründe für seinen Ausstieg benennt.

Stichwort: anwaltliche Schweigepflicht. Die Schweigepflicht ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung so definiert:

Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

Grundsätzlich muss der Anwalt also über sein Mandat schweigen. Und das eisern. Die Enttäuschung von Sprengers über seinen Mandanten ist wohl keine „offenkundige“ Tatsache. Denn das Gefühlsleben des Anwalts in Bezug auf den Mandanten, mit dem er seinen Rückzug begründet, kennen wir ja erst seit seiner Äußerung. Sonst könnten wir nur darüber spekulieren, warum er nicht weiter macht.

Ebenso lässt sich fragen, ob von Sprengers Angaben tatsächlich „keiner Geheimhaltung bedürfen“. Wenn sich der eigene Anwalt mit solchen Gründen öffentlich vom Mandanten distanziert, wirft das in jedem Fall ein schlechtes Licht auf den Mandanten. Ob zu Recht oder Unrecht, darauf kommt es überhaupt nicht an. Ein Geheimhaltungsbedürfnis wird also kaum zu verneinen sein. Denn die Geheimhaltung dient ja dazu, Schaden vom Mandanten abzuwenden. Ich meine jedenfalls, dass von Sprenger besser gar nichts gesagt hätte. Wobei ich mal unterstelle, dass er Erdogan vor seinen Äußerungen nicht gefragt und dessen Einverständnis bekommen hat.

Genau darin liegt mutmaßlich auch das juristische Risiko. Erdogan ist als klagefreudig bekannt. Ob er neben den Gerichten auch noch eine deutsche Anwaltskammer beschäftigt, dürfte für ihn kaum eine Rolle spielen.

Gehen Sie ins Gefängnis! Gehen Sie direkt dorthin …

Man kann natürlich auch sehenden Auges in sein Unglück rennen. So macht es gerade ein Angeklagter, der wegen gefährlicher Körperverletzung vom Amtsgericht verurteilt worden ist. Und zwar zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Und das ohne Bewährung. Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten zur Katastrophenvermeidung gegeben…

… wie ich finde. Das sage ich jetzt mal aus einer etwas anderen Perspektive. Denn in diesem Fall vertrete ich den Verletzten. Dem Opfer – es handelte sich um eine Messerattacke – ist natürlich auch daran gelegen, dass die Tat angemessen strafrechtlich geahndet wird. Allerdings ist es dem Verletzten natürlich noch wichtiger, vom Angeklagten angemessen entschädigt zu werden. Das bedeutet Schmerzensgeld, Schadensersatz. Auch eine glaubhafte Entschuldigung kann nie schaden.

Doch was kam bisher? Nichts. Selbst die Entschuldigung, zu der sich der Angeklagte – interessanterweise erst auf meine ausdrückliche Aufforderung hin – vor Gericht aufraffte, war wie Wackelpudding. Zahlungen? Bislang gibt es noch nicht mal ein Angebot. Natürlich kann sich der Angeklagte bequem darauf zurückziehen, dass er sowieso kaum mehr verdient als Hartz IV. Und das auf Dauer. Zu pfänden wird bei ihm also wenig sein.

Dennoch: Wir hatten es von Anfang an mit einem Fall zu tun, in dem ein freundlicher Richter problemlos eine kleine Freiheitsstrafe verhängen kann. Ein strenger Richter aber ebenso problemlos die schon erwähnten 16 Monate. Genau so bei der Bewährung, was ja fast noch wichtiger ist als die Höhe der Strafe. Bewährung kann man geben. Muss man aber nicht.

Deshalb bin ich in diesem Fall etwas fassungslos, dass von der Seite des Angeklagten rein gar nichts gekommen ist. Sein Anwalt wird ihm ja klar gemacht haben, wie wichtig in solchen Grenzfällen Wiedergutmachung ist. Oder zumindest entsprechende Bereitschaft, so sie denn glaubwürdig rüberkommt. Wenn der Angeklagte beispielsweise ein paar Monate vor der Verhandlung damit angefangen hätte, 30 Euro im Monat auf das zu erwartende Schmerzensgeld zu zahlen, hätte es die Bewährung gegeben. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Nun ja, womöglich vertraut der Angeklagte voll und ganz auf die Berufungsinstanz. Ich habe dem jetzt schon mal einen kleinen Riegel vorgeschoben. Indem ich den Angeklagten erneut schriftlich aufgefordert habe, sich doch mal ein klein wenig auf meinen Mandanten zuzubewegen. Zum Beispiel mit der Zahlung eines monatlichen Betrages. Das Schreiben kann ich dann in der Hauptverhandlung vorlegen. Hat es bis dahin wieder keinerlei sinnvolle Reaktion gegeben, dürfte am Ende des Weges wirklich der Knast warten.

Vermeidbar wäre er gewesen.

Richtervorbehaltsfreie Zone

Der Richtervorbehalt wird ja gemeinhin als sehr hohes Gut gepriesen. Um so erstaunlicher ist eigentlich, dass er nur zu bestimmten Uhrzeiten gilt. Grund: Praktisch in ganz Deutschland gibt es keine richterlichen Eildienste, die wirklich rund um die Uhr erreichbar sind. Zwischen 22 Uhr und 7 Uhr morgens ist das Land fast flächendeckend richtervorbehaltsfreie Zone – so zumindest meine Erfahrung.

Wenn der Richtervorbehalt so wichtig ist, kann das eigentlich nicht richtig sein, meint auch die Bundesrechtsanwaltskammer in einer aktuellen Stellungnahme. Darin geht es unter anderem um die Frage, wieso in einer (gar nicht mal so kleinen) Stadt wie Rostock um 4.40 Uhr morgens kein Ermittlungsrichter zu erreichen ist, der über Eilfälle entscheiden kann. Und das, obwohl 4.40 Uhr morgens nach derzeitiger Rechtslage zumindest im Sommer als „Tagzeit“ gilt.

Die Stellugnahme ist sehr lesenswert. Nicht nur wegen der Ausführungen zur Uhrzeit. Sondern weil sie sehr schön darstellt, welche hohen Anforderungen die obersten Gerichte zu Recht an die Umsetzung des Richtervorbehalts stellen. Und wie erbärmlich er in der täglichen Praxis umgesetzt wird.

Link zur Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer

Desaster in Koblenz

Heute der Koblenzer Großprozess um das „Braune Haus“ vorläufig zu Ende gegangen. Weit über 300 Tage wurde dort seit dem 20. August 2012 gegen mutmaßliche Neonazis verhandelt. 26 Angeklagte waren es zunächst, denen 52 Pflichtverteidiger zur Seite standen. Ein greifbares Ergebnis gibt es allerdings nicht. Vielmehr hat die Strafkammer erkannt, was sich schon seit gut anderthalb Jahren abzeichnete. Dass das Gericht den Prozess auf keinen Fall bis Juni 2017 zu Ende bringen kann. Zu diesem Zeitpunkt geht der Vorsitzende Richter in Rente; ein Ersatzrichter steht nicht zur Verfügung. Eine Verlängerung des Justizdienstes ist für einen Richter gesetzlich nicht vorgesehen. Somit werden in Koblenz nach knapp fünf Jahren Prozessdauer die Uhren wieder komplett auf null gestellt.

Vom Aufwand der Behörden ist das Verfahren durchaus zu vergleichen mit dem NSU-Prozess. Die den Angeklagten zur Last gelegten Taten hatten aber nie ein vergleichbares Gewicht. In dem Prozess ging es um Steinewürfe bei Demonstrationen. Oder um politische Aufkleber auf Straßenschildern. Zu den schwersten Vorwürfen zählte ein angeblicher Brandstiftungsversuch am Auto eines Kommunalpolitikers, wobei das Auto aber kein Feuer fing.

Ich habe als Verteidiger knapp 180 Verhandlungstage in dem Verfahren miterlebt und kann somit auch dessen Scheitern etwas bewerten. Der Geburtsfehler lag schon in der Anklage begründet. Diese jazzte auf knapp 1.000 Seiten die sicherlich stramm rechte Gruppierung zu einer ernsten, quasi terroristischen Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland hoch. Wenn man in der Chronologie etwas zurückgeht, stellt man schnell fest, warum: Das NSU-Debakel war zu dieser Zeit offenkundig geworden. Somit brauchte man nichts so dringend wie spektakuläre Fahndungserfolge. Wo allerdings schwere Straftaten rund um das „Braune Haus“ fehlten, mussten halt geringere Delikte ausreichen. Den Klebstoff für die Anklage an eine Staatsschutzkammer lieferte einzig der Vorwurf, die Angeklagten hätten eine kriminelle Vereinigung gegründet.

Dieser Mörtel erwies sich allerdings im Laufe langer Monate als außerordentlich brüchig. Dem Gericht blieb kaum etwas anderes übrig, als auch den kleinsten Stein umzudrehen, um vielleicht doch etwas zu finden. Daraus resultierte eine schier endlose, ermüdende und oftmals bizarre Beweisaufnahme zu den unbedeutendsten Details. Wären die Angeklagten wegen der einzelnen Vorwürfe getrennt zur Rechenschaft gezogen worden, hätten die dann zuständigen Amtsgerichte vielleicht einen, maximal zwei Tage zur Aufklärung gebraucht.

Nun endet der Prozess in einem juristischen Desaster und in einem riesigen Fiasko für den Steuerzahler. Alleine die Anwaltskosten dürften mit etwa 15 Millionen Euro zu Buche schlagen. Der Prozess ingesamt hat sicher ein Mehrfaches gekostet. Dementsprechend groß sind jetzt die Fragezeichen, wie es weitergeht. An sich müsste das Verfahren nun mit einem neuen Vorsitzenden ganz von vorne beginnen. Ich nehme aber an, dass es nicht so weit kommt. Immerhin haben sämtliche Angeklagte jetzt schon knapp fünf Jahre ihres Lebens in das Verfahren „investiert“; weit über ein Jahr waren etliche sogar in Untersuchungshaft.

Wenn jetzt das Verfahren durch Versäumnisse der Justiz sein vorläufiges Ende gefunden hat, könnte diese krasse Verletzung des Anspruchs auf ein zügiges Verfahren eine gute Grundlage bieten, etwa für Einstellungen oder Geld- bzw. Bewährungsstrafen. Gescheitert ist das bisher immer nur an der Staatsanwaltschaft Koblenz, die in dem Prozess so verbissen und uneinsichtig agiert hat, wie ich es in mehr als 20 Jahren Berufstätigkeit noch nicht erlebt habe.

Nackt ist nicht mehr sachlich

Also, mal ehrlich: Die Klientel eines Strafverteidigers wäre doch überwiegend ziemlich aufgeschlossen gegenüber einer Werbekampagne, wie sie ein Kölner Rechtsanwalt führen wollte. Vermute ich jedenfalls, ohne diesen Befund in irgendeiner Form gutheißen zu wollen. Der Anwalt hatte die Idee, an seine Kundschaft Werbekalender mit nackten und spärlich bekleideten Frauen zu verteilen.

Der Rechtsanwalt hat sich schon öfter bemüht, das Werberecht für Anwälte zu liberalisieren. Er hatte auch schon mal die Idee, Tassen mit Schockwerbung zu bedrucken. Was aber durch alle Instanzen nicht gut ankam. Grund ist, dass uns Anwälten nur „sachliche Werbung“ erlaubt ist, wobei bedruckte Kugelschreiber, Parkscheiben oder Schlüsselanhänger-Lämpchen nach meiner Kenntnis jedenfalls nicht schon per se als „unsachlich“ gelten.

Nackte Frauen gehen dagegen eindeutig zu weit, meint das Landgericht Köln. Und das, obwohl sich der aktuellste Kalender des Rechtsanwalts von einer früheren Ausgabe deutlich unterschied. Der jetzt streitige Kalender zeigt nur schwarz-weiße Bilder und ist, meint der Kläger zu seiner Verteidigung, insgesamt deutlich geschmackvoller angelegt. Dem wollte sich das Gericht nach Einnahme des Augenscheins nicht anschließen. Stattdessen attestiert es dem Anwalt einen „starken Drang“ zur Umgehung des Werbeverbots, außerdem ziele er vorwiegend nur auf öffentliche Aufmerksamkeit ab (Aktenzeichen 24 S 22/16).

All I Wanna Do Is Make Love To You

Mit der schönen Überschrift „Väterroulette“ betitelt das Amtsgericht München seine neueste Pressemitteilung. Es geht um eine Frau, die sich im Sommer 2010 für vier Tage in einem Hotel in Halle einmietete. Während des Aufenthalts dürfte ihr Sohn Joel gezeugt worden sein. Problem: Die Frau kennt nur den Vornamen ihres damaligen „Mitbewohners“. Dieser soll sich Michael genannt haben.

Vom Hotelbetreiber wollte die Frau nun wissen, ob der Begleiter damals nähere Angaben zu seiner Person gemacht hat, und wenn ja welche. Das Hotel weigerte sich. Es seien immerhin vier „Michael“ im Hotel zu Gast gewesen. Da die Klägerin den möglichen Vater ihres Kindes nicht beschreiben könne, sei es dem Hotel auch nicht möglich, die Personengruppe näher einzugrenzen.

Das Hotel hat die Auskunft zu Recht verweigert, urteilt das Amtsgericht München. Die betroffenen Männer hätten ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, den Schutz ihrer eigenen Ehe und Familie und außerdem könnten sie Achtung ihrer Privat- und Intimsphäre verlangen. Die Weitergabe der Daten würde „die Möglichkeit einer geschlechtlichen Beziehung zu der Klägerin“ in den Raum stellen, was alle diese Rechte gefährde. Der Anspruch der Mutter und des Kindes (auf Unterhalt gegen seinen Erzeuger) träten gegenüber den gewichtigen Interessen der in Frage kommenden Männer zurück.

Immerhin, so das Gericht, sei sich die Klägerin noch nicht mal sicher, ob Michael der einzige Vorname des Mannes gewesen sei. Sie wisse noch nicht einmal, ob es sich bei dem Vornamen um den richtigen Vornamen handelt. So ein Auskunftsverlangen „ins Blaue“ sei vom Gesetz nicht gedeckt. Das Urteil ist rechtskräftig (Aktenzeichen 191 C 521/16).

PS: Meine Überschrift bezieht sich auf diesen Song, der aber deutlich älter ist als die Geschichte