Auch absoluter Schutz ist relativ

Die Kommunikation zwischen einem Verteidiger und seinem Mandanten ist besonders sensibel. Deshalb gibt es einschlägige Vorschriften, und auch das Bundesverfassungsgericht hat schon diverse Machtworte gesprochen. Die entsprechenden Paragrafen sind sehr kompliziert formuliert, deshalb zitiere ich das, was ein Kommentar zur Strafprozessordnung schön zusammenfasst:

Die Kommunikation des Beschuldigten mit seinem Verteidiger ist nahezu absolut geschützt.

Da ist man als Verteidiger natürlich nicht sehr erfreut, wenn man beim Durchblättern der Ermittlungsakte auf Mails stößt, die einem vertraut vorkommen. Weil man sie selbst mit dem Mandanten gewechselt hat. Gut, könnte man sagen, die Polizei hat halt einen Beschlagnahmebeschluss des Gerichts ausgeführt und sich vom E-Mail-Provider den gesamten Inhalt des Postfachs des Beschuldigten zusenden lassen. Woher sollten die denn auch vorher wissen, was sich im Postfach findet?

Angesichts der eingangs dargelegten Rechtslage wird es aber schon etwas bizarr, wenn die zuständige Polizeibeamtin dann gezielt nur die Mails zwischen Anwalt und Verteidiger raussucht (weil es darin ja auch um die betreffende Sache geht) – und diese Mails dann stolz als „Ermittlungsergebnis“ an die Staatsanwaltschaft übersendet. Nach dem Motto: Wir haben zwar keine Beweise, aber die Mails sind ja auch eine Art Geständnis.

Sind sie schon inhaltlich nicht, aber darauf kommt es gar nicht an. Als Verteidiger bleibt man notgedrungen Optimist. Wenn sich die Polizei nicht für die Rechtslage interessiert, dann wird es doch wenigstens der zuständige Staatsanwalt tun. An sich hätte dieser sämtliche Mails aus der Akte nehmen, die dazu gehörigen Dateien löschen und dokumentieren müssen, wie dies genau geschehen ist.

Passiert ist nichts von alledem. Stattdessen kriege ich als Verteidiger die Akte mit der Mandantenpost zur Einsicht zugesendet, obwohl sich aus Unterlagen ergibt, dass der Staatsanwalt noch diverse Male in die Unterlagen geguckt haben muss. Unbekannt waren ihm die Verteidigungsunterlagen also definitiv nicht. Getriggert hat’s bei ihm aber nicht.

Ich werde mal nachhelfen und den telefonisch fragen, ob er die fraglichen „Ermittlungsergebnisse“ nicht wenigstens jetzt noch aus der Akte nehmen will. Ich bin eigentlich guter Dinge, dass dies ohne großen Stress klappen wird. Wie gesagt, die betreffenden Paragrafen sind schon sehr kompliziert…

Mich selbst ziehe ich kräftig an den Ohren und nehme mir vor, Mandanten noch eingehender auf die Möglichkeit hinzuweisen, verschlüsselte Mails zu wechseln.