NOTWEHR IM GERICHTSSAAL

Das Oberlandesgericht Köln verneint ein „prozessuales Notwehrrecht“ von Strafverteidigern. In einem Aachener Prozess hatten Anwälte das Gericht boykottiert, nachdem ihnen mehrmals Pausen verweigert wurden. In den Unterbrechungen hatten sie Anträge zum Verfahren formulieren wollen.

Wie nicht anders zu erwarten, werden die Kollegen in der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts als ziemliche Deppen dargestellt, die jetzt sogar die Kosten tragen müssen.

Wenn sich alle Seiten etwas anstrengen, sollte es normalerweise nicht zu so einer Situation kommen. Allerdings fällt schon auf, dass bei diversen Strafkammern nicht erst seit gestern folgende Maxime gilt: Wenn es dem Gericht unbequem wird, wird von einer Minute auf die andere unterbrochen. Am besten zwei Stunden. Damit sich alle erst mal auf dem Flur die Beine in den Bauch stehen. Und garantiert nicht vor 19 Uhr wieder im Büro sind.

In Zeiten von UMTS schreckt das allerdings längst nicht mehr so wie früher. Neulich musste so ein Richter notgedrungen in einer Gerichtskantine an mir vorbei. „Na, ein bisschen Daddeln?“ fragte er mit Blick auf mein Notebook. „Nö, ich lese gerade die Post von heute.“ Mehr als ein verwirrtes Grinsen war da nicht mehr drin.

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TOILETTENSCHLAF

Leitsatz zu einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm:

Der einmalige Schlaf auf einer Betriebstoilette rechtfertigt weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn dieses seit 18 Jahren beanstandungsfrei besteht.

Einzelheiten stehen bei beck.

(Danke an Aguirre für den Link)

RAUBOPFER IN PETERSBURG

Zu den Verhältnissen in russischen Gefängnissen äußert sich im Strafverteidiger (2005, 401) Professor Dr. Dr. hc. Friedrich-Christian Schroeder aus Regensburg:

Die Zustände in den russischen Straf- und Untersuchungshaftvollzugsanstalten sind, wie auch das OLG Köln ausführt, katastrophal. Dem Verf. wurde mit einer Gruppe deutscher Studenten im Herbst 2003 die Besichtigung des Petersburger Untersuchungsgefängnisses »Kresty« ermöglicht. Die für den Besuch ausgewählte, im letzten Jahrhundert für eine Person gebaute, Zelle war von acht Personen belegt. Der Raum reichte gerade für zwei dreistöckige, bis dicht unter die Decke reichende, Betten. Von den Inhaftierten mußte daher jeweils einer auf der notdürftig abgedeckten Toilette, der andere auf einer Bettkante sitzen. Wegen der unerträglichen Hitze drückten sich die Inhaftierten mit nacktem Oberkörper an die Gitterstäbe der Fenster.

Dem Verf. verschlug es allerdings die Kritik an diesen Zuständen, als ihm am folgenden Tag auf einen U-Bahnhof das Portemonnaie geraubt wurde.

Hervorhebung von mir.

Quelle: wulkan (www.wulkan-comic.de)

DROGENTEST AM ARBEITSPLATZ

Drogentests gehören nach einem Bericht des Handelsblatts zum Arbeitsalltags in den USA. Allein wegen anonymer Anrufe müssten mitunter ganze Belegschaften zum Screening antreten. In Deutschland gibt es größere rechtliche Hürden, vor allem für Routinetests.

Ganz unumstritten sind die Tests auch nicht. Auch weil man fudeln kann und häufig „Unschuldige“ in Verdacht geraten:

Menschen mit dunklen Haaren sind demnach benachteiligt, weil die Restkonzentration von Drogen in dunklen Haaren höher sei als die in blonden und roten Haaren. Selbst wer Mohnbrötchen isst oder Hustensaft mit Kodein einnimmt, kann schnell als Drogenkonsument erscheinen.

ALLEIN UNTER MÄUSEN

Es war heute Abend ja grauenhaft leer auf der Größten Kirmes am Rhein. Die Menschen haben doch nicht etwa zu Hause gesessen und Verfassungs-TV geguckt? O.k., der Mäusezirkus kostet wenigstens keinen Eintritt.

GERNE

E-Mail:

Sehr geehrte Kollegin Mertens, sehr geehrter Herr Kollege Vetter,

durch eine Mandantin haben wir erfahren, dass Sie auch mit Fällen der Abmahnung durch … zu tun haben. Wir würden einen möglichen Austausch in der vorbezeichneten Angelegenheit begrüßen. Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Rechtsanwältin

Gerne. Aber eine Adresse oder eine Telefonnummer wären hilfreich.

PS. Yahoo hat geholfen.

FEHLER MIT FOLGEN

Keine Ahnung, aber die Schreibfehler in gerichtlichen Schriftstücken nehmen doch bedrohlich zu.

Jetzt ist eine Hauptverhandlung am Landgericht geplatzt, weil alle Beteiligten auf 9.00 Uhr geladen waren. Nur der Angeklagte nicht. Er war schriftlich für 13.30 Uhr bestellt.

Wenn das kein glasklarer Wiedereinsetzungsgrund ist. Aber ich will den Tag nicht vor dem Abend loben.

HOCHACHTUNGSVOLL

Die Gefängnisstrafe aus Versehen ist abgewendet. Das Amtsgericht teilt mit, bei den neun Monaten auf Bewährung handele es sich um einen Schreibfehler. Tatsächlich sei in der Sache gar kein Strafbefehl erlassen worden.

Natürlich ohne Entschuldigung. Oder eine kleine Floskel des Bedauerns.

SCHWER ERKENNBAR

Immer häufiger werden Täter durch Überwachungskameras identifiziert. Oder sollen zumindest. In der Praxis stellen sich aber viele Aufnahmen als unbrauchbar heraus, weil sie von zu schlechter Qualität sind.

Es ist relativ einfach festzustellen, dass der Verdächtige nicht die Person auf dem Foto ist. Hierzu reicht in der Regel ein kar zu unterscheidendes anthropologisches Merkmal. Um den Tatnachweis zu führen, muss dagegen eine Vielzahl von Merkmalen eindeutig übereinstimmen. Gutachten scheitern häufig daran, dass die Bilder nicht von ausreichender Qualität sind.

Deshalb gibt der Bundesgerichtshof im Urteil vom 15. Februar 2005 (Strafverteidiger 2005, 374) praktische Tipps:

Je höher die Auflösung der Tataufnahmen ist, desto detailreicher ist die Wiedergabe. Diese wird durch die Kameraoptik bestimmt. Ebenso sind die Brennweite und das Objektiv von Bedeutung. Durch die verlustbehaftete Bilddatenkompression werden Bildartefakte wie tatsächlich nicht vorhandene Linien und Muster erzeugt. Je stärker die Bilddaten komprimiert werden, um möglichst viele Bilder auf der Festplatte archivieren zu können, desto geringer ist die Erkennbarkeit. Die Perspektive bei Raumüberwachungskameras von oben ist von vornherein wenig geeignet für Vergleichsuntersuchungen, weil wesentliche Informationen durch die Verzerrung verloren gehen. Allgemein gilt: Je mehr dieser Kriterien beachtet werden, desto höher ist die Qualität der Bilder und desto größer die Chance auf ein aussagekräftiges Gutachten.

(Fast) passend zum Thema: Zeigt das Radarfoto die längst verstorbene Schwester?

(Danke an Torsten Kleinz für den Link)