Peppig

Der Maschinenraum des Lawblog überraschte mich als Urlaubsvertretung heute mit einem neuen WordPress, nämlich der aktuellen Version 2.5. Ohne jegliche Ankündigung fand ich eine andere Verwaltungsoberfläche vor – da sind nicht nur einige Knöpfe anders geworden, auch das schöne WP-Blau ist verschwunden.
So viel habe ich aber schon herausgefunden: Im Profil lassen sich die Farben auswählen, und zwar entweder der neue Standard „peppig“ oder das bisherige Blau „klassisch“. Ich habe mich sofort für die Klassik-Variante entschieden.

Nachtrag (um weitere Missverständnisse zu vermeiden)
„Maschinenraum“:
Damit ist FH in Berlin gemeint, der sich um die Technik kümmert, also auch Updates.
„Verwaltungsoberfläche“:
Das ist mein vielleicht misslungener Versuch gewesen, Backend zu übersetzen.
„Knöpfe“:
Damit sind die Verwaltungsfunktionen im Backend gemeint.

Kündigung i.A. unwirksam

Wer von seinem Arbeitgeber die Kündigung bekommen hat, sollte immer erst mal kühlen Kopf bewahren und mit einem Experten darüber sprechen (wobei ich hier keine Werbung für Rechtsanwälte machen will).
Schon aus formalen Gründen kann die Kündigung unwirksam sein.
Dafür reicht z.B. schon aus, weil jemand aus der Personalabteilung lediglich i.A. unterschrieben hat, also „im Auftrag“. Damit ist die Schriftform nicht gewahrt, da der Beauftragte im eigenen und nicht in Vertretung des Arbeitgebers in dessen Namen handelt. So entschied das Landesarbeitsgericht Mainz (Az: 7 Sa 530/07). Rechtsanwalt Dr. Philipp Brügge erläutert das Urteil in einem Artikel.
Auch das Hamburger Arbeitsgericht hat in einem früheren Urteil (Az: 27 Ca 21/06) eine i.A.-Kündigung als unwirksam beurteilt. Ein i.V. (in Vertretung) muss es schon sein.
Die Zahl der Unterschriften kann ebenso entscheidend sein. So müssen bei einer Firma mit drei Geschäftsführern alle drei eine Kündigung unterschreiben, damit sie wirksam ist. So entschied das Bundesarbeitsgericht jedenfalls im Fall einer Zahnarztpraxis, die in der Rechtsform einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) geführt wurde (Az: 2 AZR 162/04). Da alle drei Gesellschafter den Arbeitsvertrag unterschrieben hatten, hätten auch alle drei die Kündigung unterschreiben müssen.

SEK-Leute als Privatlehrer in Libyen

Schwarzarbeit im grünen Rock: Aktive und ehemalige Polizeibeamte von Spezialeinsatzkommandos (SEK) haben gegen Geld in ihrer Freizeit ohne jede Genehmigung in Libyen Sicherheitskräfte der Islamisch-Sozialistischen Volksrepublik geschult. Das räumte gestern das nordrhein-westfälische Innenministerium auf Anfrage ein: „Das Verhalten der Polizisten ist völlig inakzeptabel“, kritisierte Minister Ingo Wolf (FDP) – Disziplinarmaßnahmen sind inzwischen eingeleitet worden.

Gegen einen der Beamten besteht sogar der Verdacht, er habe Dienstgeheimnisse an Libyen verraten. Er soll in seinem Urlaub den libyschen Schutzleuten deutsche Polizei-Strategie beigebracht und dabei vertrauliche Unterlagen benutzt haben. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf war gestern nicht in der Lage, über Einzelheiten ihres Verfahrens zu informieren und will das heute nachholen. Fest steht aber: Das Verhalten von acht Polizisten wird noch strafrechtlich geprüft. Bei einer Verurteilung könnte es Haft- und Geldstrafen geben.

Im Juni vorigen Jahres hatte das Landeskriminalamt einen Tipp auf die illegale Tätigkeit bekommen. Das Innenministerium hatte daraufhin sofort die Kriminalpolizei Düsseldorf eingeschaltet und mit den Ermittlungen betraut. Spekulationen zufolge hatte ein ehemaliger Bundespolizei-Beamter der GSG 9 eine Sicherheitsfirma gegründet – um dann in Bielefeld, Essen und Köln die Landes-Beamten der jeweiligen SEK anzuwerben. Die haben angeblich für ihre Schwarzarbeit in Nord-Afrika bis zu 15 000 Euro bekommen.

Die nordrhein-westfälische Nebentätigkeitsverordnung regelt in 23 Paragrafen ziemlich streng, was Beamte neben ihrem Beruf dürfen – und was eben nicht. So wird „für jede einzelne Nebentätigkeit“ eine Genehmigung der Behörde verlangt. Selbst Arbeiten, die nicht genehmigungspflichtig sind, müssen den Vorgesetzten angezeigt werden. Darüber werden alle Beamten auch immer wieder belehrt. Die jetzt eingeleiteten Disziplinarmaßnahmen können sogar dazu führen, dass die Helfer von Libyen ihren grünen Rock an den Nagel hängen müssen. Für immer. (pbd)

Nachtrag 5.4.:
Laut Medienberichten sollen der BND sowie die deutsche Botschaft in Tripolis involviert gewesen sein, siehe unter anderem
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/28/0,3672,7223452,00.html

Von offenen Blogs und Urheberrechten

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein, wie ich finde, aufwändig gemachtes Dossier zum Urheberrecht ins Netz gestellt. Lesenswert ist das ganz bestimmt. Mir hat zum Beispiel sehr gut die Gegenüberstellung von Urheberrecht und Copyright gefallen.

Ob diese Veröffentlichung allerdings dazu beiträgt, mit populären (und mitunter wegen Abmahnungen sehr teuren) Irrtümern übers Urheberrecht aufzuräumen – das möchte ich bezweifeln. Dafür ist mir die Darstellung zu komplex und teilweise zu schöngeistig.

Ein einfaches „Das geht, das geht nicht“ wäre m.E. hilfreicher. Wie ich vor kurzem im Zusammenhang mit der Raubkopie eines Artikels gemerkt habe, fehlen mitunter selbst bei Rechtsanwälten die Grundlagen des Urheberrechts (zumindest führte der Rechtsanwalt das zu seiner Entschuldigung an.)

Häufig anzutreffen ist z.B. der Irrglaube: „Ohne Copyright-Vermerk ist ein Text oder Foto frei“. Völliger Quatsch, Urheberrechtsschutz besteht ohne weiteres Zutun in dem Moment, wo das Werk geschaffen wird. Oder: „Wenn ich die Quelle angebe, darf ich einen Artikel auf meiner Homepage verwenden.“ Ebenfalls Quatsch: Ohne Genehmigung (und i.d.R. Honorierung) geht nichts. Das ist ungefähr so, als wäre Radklau legal, wenn man einen Aufkleber aufs Rad pappt „Geklaut bei Karstadt“.

An einer Stelle finde ich das Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung sogar problematisch – und zwar da, wo es um „offene Inhalte“ und Blogs geht. Da steht:

Auch die Anzahl von Weblogs (kurz Blogs) ist binnen fünf Jahren von nahezu Null auf über 72 Millionen weltweit im April 2007 gestiegen. Wohlgemerkt: Hier geht es nur um die Zahl der Blogs, nicht die Zahl der einzelnen Blog-Einträge. Zwar erscheinen viele Blogs nicht unbedingt unter einer Open-Content-Lizenz. Da sie aber zum allergrößten Teil kostenfrei im Netz lesbar sind und eine Kultur des wechselseitigen Verlinkens, Zitierens und Kopierens pflegen, kann man sie dennoch zu offenen Inhalten im Netz zählen.

Das erweckt den Eindruck, als sei kostenlos rechtelos. Dem ist aber gerade nicht so. Egal, ob es sich um Blogs, Zeitungen oder Werbefotos handelt, die man allesamt kostenlos im Internet bewundern kann: Nur wenn ein Rechteinhaber ausdrücklich auf Rechte verzichtet, ist man vor späterem Stress einigermaßen geschützt. Im Zweifel würde ich mir immer eine schriftliche Bestätigung holen. Auch die nett gemeinten Open-Content-Lizenzen helfen im Ernstfall nicht weiter, wenn so ein Open-Content-Freak Material geklaut haben sollte.
Wer das dann weiterverwendet, sitzt trotz der Lizenz in der Grütze: Es gibt nämlich keinen gutgläubigen Erwerb von nicht vorhandenen Nutzungsrechten.

Landgericht: Eva Herman falsch zitiert

Moderatorin Eva Herman hat es nun schriftlich, und zwar als Urteil des Landgerichtes Köln (Az: 28 O 10/08): Sie ist jedenfalls von der Deutschen Presseagentur (dpa) nach der Kerner-Sendung im Oktober vergangenen Jahres falsch zitiert worden. In der Meldung zu ihrem Auftritt, der mit einem Rauswurf endete, hat dpa laut Urteil unter anderem als indirektes Zitat veröffentlicht:

Wenn man nicht über die Familienwerte der Nazis reden dürfe, könne man auch nicht über die Autobahnen sprechen, die damals gebaut wurden.

Gegen diese Darstellung wehrte sich Eva Herman. Sie forderte den Erlaß einer Verfügung, wonach dpa diese Aussage nicht mehr verbreiten darf. Das Landgericht Köln sah das auch so, denn die dpa gewählte Form der Zitierung sei unzulässig gewesen. Urteilsauszug:

Die Verfügungsklägerin hat selbst den Zusammenhang zwischen der Familienpolitik der Nationalsozialisten und den in dieser Zeit errichteten Autobahnen nicht hergestellt. Durch die verkürzte Zitierung, die beide Äußerungen der Verfügungsklägerin zu einer verknüpft, wird beim Durchschnittsleser der Eindruck erweckt, die Verfügungsklägerin habe unter Berufung auf die heute noch benutzten Autobahnen eine Diskussion über Familienpolitik im Nationalsozialismus bzw. die in dieser Zeit vermittelten Werte führen wollen und habe beabsichtigt, von den Nationalsozialisten geprägte Werte auch in der heutigen Zeit Geltung verschaffen zu wollen. Dieser Zusammenhang war allerdings zumindest in der streitgegenständlichen Sendung nicht gegeben.

Für Journalisten ist das Urteil m.E. generell lesenswert, welche Ansprüche an korrekte Zitate gestellt werden.

Gefunden bei Dr. Bahr
http://www.Dr-Bahr.com/news_det_20080328094918.html

Kein Zwang beim Umgang

„Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt“, heißt im Paragraph 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Vorschrift nach meiner Einschätzung heute teilweise außer Kraft gesetzt. Jedenfalls dürfen Elternteile nicht zum Umgang gezwungen werden, da dies in der Regel nicht dem Kindeswohl dient (1 BvR 1620/04).

In dem Fall ging es um einen verheirateten Mann, der mit einer Ehefrau zwei Kinder hat. Aus einer außerehelichen Beziehung stammt ein 1999 geborenen Sohn, für den Unterhalt zahlt, zu dem er aber keinen persönlichen Kontakt möchte. Der Mann befürchtet, seine Ehe könnte daran zerbrechen. Ihm wurde eine Ordnungsgeld von bis zu 25.000 Euro angedroht, sollte er den Umgang weiter verweigern. Dagegen wehrte er sich vor dem Bundesverfassungsgericht.

Mehr dazu in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichtes:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20080401_1bvr162004.html

Handy als Akkurasierer

Autofahrer (oder ihre Anwälte) sind offenbar ziemlich einfallsreich, wenn es darum geht, sich gegen Bußgelder für verbotene Handy-Telefonate am Steuer zu wehren. Aber einfallsreich ist nicht unbedingt erfolgreich, wie eine lesenswerte Urteilssammlung in der WAZ zeigt:

Ein Autofahrer gab zu Protokoll, er habe sich mit einem Akkurasierer den Bart gestutzt und die Lippen zur Radiomusik bewegt. Die Richter am OLG Hamm seiften ihn nachträglich ein, weil er die Aussage nicht schon – belegt durch den vermeintlichen „Rasierapparat“ – gegenüber der Polizei getroffen hatte (AZ: 2 Ss OWi 528/06).

Man sollte vielleicht vorsorglich einen Akku-Rasierer ins Auto legen.

Auskunftsanspruch ja, aber…

Wenn Behörden Daten über Bürger sammeln, so haben die Betroffenen einen Auskunftsanspruch, was genau über sie vorliegt. So regelt das Paragraph 19 des Bundesdatenschutzgesetzes – gibt aber gleichzeitig den Behörden die Möglichkeit, weiter ihre Geheimnisse zu pflegen.
Eine Auskunft gibt es unter anderem dann nicht, wenn

die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde

Ob diese ziemliche weit auslegbare Formulierung wegen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung haltbar ist, musste das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Ein Unternehmer hatte sich beschwert, weil das Bundeszentralamt für Steuern nichts über ihn rausrücken wollte. Die Behörde hatte argumentiert, die Infos über den Mann würden dann wertlos, weil er sein Verhalten dann darauf einstellen könne.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Behörden-Notausgang beim Auskunftsanspruch von Bürgern als verfassungsgemäß beurteilt. Das Informationsinteresse des Beschwerdeführers wiege in diesem Fall gegenüber dem mit der Geheimhaltung verfolgten Ziel der gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung von Steuern vergleichsweise geringer (1 BvR 2388/03)

Immerhin weiß der Mann jetzt, dass 13 Aktenordner über ihn gesammelt wurden.

Mehr unter anderem hier
http://www.focus.de/finanzen/steuern/verfassungsgericht_aid_267292.html

Pause

Ich mache eine Urlaubspause – bis zum 13. April.

Andreas Kunze wird wie auch schon bei den letzten Gelegenheiten die Urlaubsvertretung übernehmen. Ich wünsche gute Unterhaltung.

NRW-Justiz: Bündeln und helfen

Die sozialen Dienste der Justiz sollen gebündelt und damit die Rückfallquote von rund 30 Prozent bei Bewährungsstrafen gesenkt werden. Dieses Projekt soll am 1. Juni anlaufen, sagte gestern Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU).

Bislang arbeiten die 668 Bewährungshelfer, 29 Sozialarbeiter und 42 Gerichtshelfer nebeneinander her. Mit der neuen Vernetzung soll es zur Zusammenarbeit, auch gegenseitigen Vertretungen kommen. Das soll Verstöße gegen Bewährungsauflagen mindern – zur Vermeidung von Haftantritten. Denn: Bei knapp jedem Dritten wurde die Bewährung wegen einer erneuten Straftat oder anderer Verstöße gegen die Auflagen widerrufen.

„Hier können wir noch besser werden und weitere Rückfälle und Haft vermeiden“, sagte die Ministerin. Bei knapp jedem Dritten sei die Bewährung wegen einer neuen Straftat oder anderer Verstöße gegen die Auflagen widerrufen worden.

Die Bewährungshilfe in Köln geht mit ihrem Projekt der „ambulanten intensiven Betreuung“ (AIB) für Jugendliche und Heranwachse bereits neue Wege. Wie, zeigt das Beispiel der 19-jährigen Nadja. Sie war zu einer zweijährigen Jugendstrafe mit Bewährung verurteilt worden, weil sie gewerbsmäßig Ausländer eingeschleust hatte. Mit AIB bekam sie einen Platz in einer betreuten Wohneinrichtung. Und Unterstützung zum Schulabschluss. Eine psychotherapeutische Behandlung rundete die Betreuung erfolgreich ab.

Unterdessen wurde bekannt, dass Detektoren, die in den Gefängnissen Rückstände von Drogen erkennen sollten, nicht zum landesweiten Einsatz taugen. Das räumte die Ministerin gestern ein. Das Gerät schlug zwar in Tests bei Rauschgiftspuren auf der Kleidung an, nicht aber bei verdeckter Aufbewahrung – etwa bei Haschisch in den Taschen.

Im Bochumer Gefängnis suchen inzwischen Spürhunde der Polizei nach Betäubungsmitteln. Auch der Versuch, mit einem Stör-Sender Mobilfunkgespräche in Gefängnissen zu verhindern, ist bislang erfolglos. Sie werde dafür demnächst eine gesetzliche Grundlage schaffen, sagte die Ministerin. Allerdings müsse, um an geeignete Technik zu kommen, der Markt noch „sondiert“ werden. (pbd)

Bitte beachten Sie

Die moderne Form des E-Mail-Disclaimers:

Bitte beachten Sie, daß dem [grundgesetzwidrigen] Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zufolge, seit dem 1. Januar 2008 jeglicher elektronische Kontakt (E-Mail, Telefongespräche, SMS, Internet-Telefonie, Mobilfunk, Fax) mit mir oder anderen Nutzern verdachtsunabhängig für den automatisierten geheimen Zugriff durch Strafverfolgungs- u. Polizeivollzugsbehörden, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Zollkriminal- und Zollfahndungsämter, die Zollverwaltung zur Schwarzarbeitsbekämpfung, Notrufabfragestellen, Verfassungsschutzbehörden, den Militärischen Abschirmdienst, Bundesnachrichtendienst sowie 52 Staaten wie beispielsweise Aserbeidschan oder die USA sechs Monate lang gespeichert wird, einschließlich der Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern wie Ärzten, Journalisten und Anwälten. Mehr Infos zur totalen Protokollierung Ihrer Kommunikationsdaten auf www.vorratsdatenspeicherung.de.

Quelle

Mit 67 Jahren

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Gejammer auf der Gegenseite stimmt. Eine heute 62-jährige Frau soll angeblich erst mit 67 Jahren in Rente gehen können. Rente mit 67 – noch nie was davon gehört? Die Anwältin auf der Gegenseite klang ziemlich oberlehrerhaft.

Ein Blick auf die Internetseite der Deutschen Rentenversicherung lohnt sich auch für Oberlehrer. Wer vor 1947 geboren ist, für den gilt weiter das Renteneintrittsalter von 65 Jahren.

Erkenntnis nebenbei: Mein Jahrgang ist der erste, der mit 67 Jahren in Rente geht.

Sieben Stunden

Der Mandant erwähnte es eher beiläufig: „Die haben mich schon um acht Uhr gebracht.“ Das ist in der Tat zeitig, für einen Haftprüfungstermin um 15 Uhr. Aber was macht es für einen Unterschied, ob jemand im Gefängnis oder in der Zelle des Gerichts sitzt? Sieben Stunden bleiben sieben Stunden.

Wäre da nicht der Umstand, dass die Einzelzellen im Gericht aus nichts als einer Holzbank und einem in die Wand verbauten Massivtisch bestehen. Es gibt keinerlei weitere Einrichtung. Aber auch nichts zu lesen, zu hören oder gar zu tun. Eventuell mitgebrachte Zeitschriften oder Bücher müssen draußen abgelegt werden, wie auch sonstiges Gepäck.

Sieben Stunden die Wand anstarren. Das ist wirklich ein bemerkenswertes Programm. Zumal für einen Untersuchungsgefangenen, der die Unschuldsvermutung für sich in Anspruch nehmen darf.

Porno-Abmahnungen kosten Millionen

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Die Schweinerei liegt auf der Hand: Die Pornoindustrie missbraucht neuerdings Staatsanwälte für ihre Zwecke. Denn die Hersteller kleiner Schmuddel-Filmchen erstatten Anzeige gegen jeden Internetnutzer, der sich für lau die Sex-Szenen aus einer Internet-Tauschbörse herunterlädt. Die Folge: Die juristische Maschinerie läuft an. Das kostet den Staat inzwischen Millionen. Die in den Sand gesetzt sind.

Alles was die Pornohersteller wollen: Sie sind lediglich an den Namen und den Anschriften der Internetnutzer interessiert – um sie dann abmahnen zu können. Um ihrerseits Geld zu kassieren. „Ein Riesenproblem“, sagt Peter Lichtenberg von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Dort hatte sich ein Rechtsanwalt aus Regensburg darüber beschwert, dass seine Strafanzeigen in Wuppertal nicht bearbeitet werden.

Wozu auch, wurde er dort von der Staatsanwaltschaft gefragt: Ermittlungen seien nämlich „offensichtlich unverhältnismäßig“. Was auf den ersten Blick nur wie ein juristisches Gerangel wirkt, hat tatsächlich mit Geld zu tun, mit sehr viel Geld.

In den Tauschbörsen des Internets wimmelt es von Bildern und oft nur kurzen Sex-Filmen. Wer sich nun so etwas wie „Anal-Qual 7“ oder „Drunken zugeritten“ auf seinen heimischen Computer lädt („download“) und dann wieder anderen Teilnehmern zur Verfügung stellt („upload“), gerät in die Fänge von speziellen Fahndern. Es sind Firmen, die ständig diese Tauschbörsen beobachten. Und sofort dokumentieren, auf welchen Computer der Schmuddel-Film gelandet ist.

Diese „IP-Adressen“ melden sie dem Hersteller des Films. Der schaltet seinen Anwalt ein. Und der behauptet nun, der Streifen sei „eine persönliche geistige Schöpfung“, der „upload“ also ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz, folgerichtig eine Straftat. Doch einige Staatsanwaltschaften haben jetzt begriffen: Es geht gar nicht darum, einen mutmaßlichen Täter zu bestrafen. Nein, die Strafverfolger sollen lediglich ermitteln, wer hinter der „IP-Adresse“ steckt und ihr Ergebnis dem Anwalt mitteilen. Damit der vom vermeintlichen Sünder Schadensersatz fordern und ihn teuer abmahnen kann.

„Wir sollen letzlich nur zivilrechtliche Interessen bedienen“, heisst es bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal, „dabei entstehen dem Staat hohe Kosten.“ Da ist einmal der Aufwand. Allein in Wuppertal hagelte es innerhalb von zwei Monaten 4.000 solcher Anzeigen. Bei der Staatsanwaltschaft Essen waren es innerhalb eines Quartals 10.000 Verfahren. In Düsseldorf wurden an die 2.700 gezählt. Im Jahr kommen so landesweit etliche zehntausend Verfahren zusammen.

Abgesehen von den – noch nicht ermittelten – Personalkosten für die Arbeiter, Angestellten und Staatsanwälte in der Justiz kostet die Ermittlung nur einer „IP-Adresse“ den Staat bis zu 50 Euro. Hochgerechnet allein für Düsseldorf, Essen und Wuppertal also 2.100.000 Euro. Das ist verlorenes Geld, weil die Staatsanwaltschaften es nicht von den Anwälten zurückfordern können. Die dagegen kassieren pro Abmahnung zwischen 200 und 300 Euro.

Ein offenbar einträgliches Geschäft, das auf dem Rücken der Steuerzahler entsteht. Die Flut der Strafanzeigen jedenfalls wertet die Staatsanwaltschaft Wuppertal süffisant so: „Dieselbe Pornoindustrie, die Jugendlichen zu leicht pornografisches Material zugänglich macht und sie zudem mit Abmahnungen überzieht“, die gaukele jetzt vor, „sich für den Jugendschutz stark machen zu müssen.“ Das sei wenig überzeugend.

Und doch: Es gibt noch keine einheitliche Haltung der Strafverfolger im Lande. Während die in Wuppertal und – wie zu hören ist – auch die in Duisburg sich verweigern, sind die in Düsseldorf und Kleve fleißig mit von der Partie. Denn ihre Arbeit wird, wie das Justizministerium auf Anfrage bestätigt, durch ein internes Personalbedarfsberechnungssystem („Pebb§y“) belohnt.

Ihre Ermittlungen bringen mehr Stellen. Aber deswegen nicht mehr Anklagen. Denn die Verfahren werden zum Schluß durchweg – sang- und klanglos – eingestellt. Entweder weil die Tat nicht nachzuweisen ist (wer weiß schon, wer innerhalb einer Familie die Tauschbörse besucht hat?). Oder die Schuld ist zu gering. Zigtausende dieser Akten verstauben schließlich in den Kellern. (pbd)

Hintergrund

Das Tauschen von Sex-Filmen im Internet („filesharing“) kann strafbar sein. Die Urheber solcher Filme können zwar feststellen, von welchem PC aus jemand ihre Rechte verletzt hat – nicht aber, wem der PC gehört. Denn die jeweiligen Internet-Anbieter müssen keine Auskunft geben. Deswegen erstatten die Urheber ihre Anzeigen bei den 19 Staatsanwaltschaften in NRW. Denen muss Auskunft gegeben werden. Die Strafverfolger aber reagieren neuerdings unterschiedlich auf Anzeigen insbesondere aus der Porno-Industrie. Die einen lehnen Ermittlungen von vornhein ab, weil sie sich ausschließlich als Beschaffer von Personalien für die Porno-Industrie erkannt haben. Die anderen leiten zunächst Verfahren ein, ermitteln auch die gewünschten Personalien und geben sie weiter, klagen aber die angezeigten Tausch-Börsianer nicht an. Unterm Strich bleibt: Die allermeisten Verfahren werden eingestellt. Eine Lösung erhofft sich die NRW-Justiz vom Bundesverfassungsgericht. Das hatte kürzlich, wie berichtet, in einem vorläufigen Beschluss entschieden: Die Personalien dürfen an Strafverfolgungsbehörden nur bei besonders schweren Delikten herausgegeben werden. Wozu die Urheberrechtsverletzung nicht gehört. Ein endgültiges Urteil steht allerdings noch aus. (pbd)

Kalte Füße

Sehr interessant an über den Bekanntenkreis vermittelten Kleingartenfällen ist, dass man es auf der anderen Seite in der Regel mit anwaltlichem Urgestein zu tun hat. Die Briefe mit Dellen auf der Rückseite (von den Typen der Schreibmaschine), Durchschläge aus Butterbrotpapier, keine E-Mail-Adresse auf dem Briefbogen.

Leider korreliert mit all dem häufig auch eine gewisse Halsstarrigkeit. Diese äußert sich nicht nur im Ton der Korrespondenz, sondern auch in abenteuerlichen Schlussfolgerungen zur Rechtslage. Bei denen kann man nur hoffen, dass es bis zur vorvorvorletzten Zivilrechtsreform vielleicht wirklich noch so geregelt war.

Immerhin ist die Sache gut ausgegangen. Fragt sich nur, wer kalte Füße bekommen hat. Der Anwalt. Oder seine Mandantin. Ich tippe auf die Mandantin.