SCHMERZ

Eine Frau will in die Straßenbahn einsteigen. Ein 83-jähriger Autofahrer fährt auf der rechten Spur einfach weiter. Sein Auto erfasst die Frau. Sie stirbt vier Tage später, ohne nochmals aus dem Koma zu erwachen.

Das Schmerzensgeld wird sehr gering ausfallen. Es ist nicht einfach, den Hinterbliebenen dies zu erklären. Die Gerichte gehen in Deutschland davon aus, dass Schmerzensgeld in nennenswerter Höhe nur erhält, wer auch tatsächlich leidet. Mit anderen Worten: Wer schnell schnell stirbt oder lange bewusstlos ist und somit nicht leidet, spart dem Schädiger oder seiner Versicherung mächtig Geld.

Für mich ist diese Rechtsprechung nicht verständlich. Profitiert nicht der Schädiger, der – wenn auch nur fahrlässig – „ganze Arbeit“ leistet, auf geradezu perverse Art und Weise indirekt vom größtmöglichen Leid, das er seinem Opfer zufügen kann? Wäre es nicht fairer, den Tod schmerzensgeldmäßig mit Siechtum oder schwerer Behinderung zumindest gleichzustellen?

Wie zu erwarten, haben auch die Angehörigen in dieser Sache fassungslos reagiert. Nicht, dass ihnen Geld die Angehörige wieder bringt. Dass aber die Versicherung des Schädigers sich wegen des Todes besser stellt, ist auf jeden Fall ein Ergebnis, das ihren Schmerz vertieft.

Vielleicht sollte man mal Richter solche Gespräche führen lassen…

DIE GRENZE

Gibt es eine Grenze? Wenn ja, wo liegt sie? Bei der anwaltlichen Vertretung eines grausamen Mörders? Bei der Verteidigung eines Kinderschänders? Die Kommentare zum Blog-Eintrag „presumed innocent“ vom 28. April 2003 werfen einige wichtige Fragen auf. Ich habe darüber nachgedacht. Meine Antwort:

Es gibt keine Grenze.

Das klingt provokant. Dennoch gibt es, so meine ich, gute Gründe:

Zunächst mal sollte man sich vor Augen führen, dass ein Straftäter im Regelfall alleine da steht. Er hat die Polizei in dem Sinne „gegen“ sich, dass er überführt werden soll. Gleiches gilt für den Staatsanwalt und, mit Einschränkungen, für Richter.

Ein faires Verfahren, wie es unser Rechtsstaat garantiert, kann der Beschuldigte aber nur bekommen, wenn man ihm die Möglichkeit gibt, in diesem Verfahren auch seine Rechte zu artikulieren und die Umstände anzubringen, die zu seinen Gunsten sprechen.

Insoweit ist der Verteidiger der unverzichtbare Helfer, damit der Beschuldigte nicht zum bloßen Objekt in einem staatlichen Verfahren verkommt. Es dürfte auch keine Frage sein, dass dieser Schutz in einem Rechtsstaat jedem zusteht. Jedenfalls würde sich der Rechtsstaat selbst entwerten, wenn er die Gewährung von Verfahrensrechten von der Art des Tatvorwurfs abhängig machen würde.

Ich halte es dann auch nicht für verwerflich, als Verteidiger die Rolle wahrzunehmen, die mir der Staat zuweist: die Interessen des Beschuldigten zu vertreten. Das kann man dann aber auch nicht halbherzig tun oder sich gar von einer persönlichen Meinung über die Sache zu Lasten des eigenen Mandanten beeinflussen lassen.

PRESUMED INNOCENT

Tempomessung durch Nachfahren. Immer eine heikle Angelegenheit. Eine Mandantin hatte auf der A 3 die Herren in Zivil hinter sich. Die Polizisten stellten auf einer längeren Strecke 2 Geschwindigkeitsverstöße fest: 150 km/h bei Tempo 100 und 120 km/h in einer Baustelle mit 80.

Das Protokoll liest sich überzeugend. Insbesondere haben die Beamten 15 % Toleranz abgezogen, wie sich das gehört. Weil mir sonst nichts einfiel, kritisierte ich in meiner Verteidigungsschrift auf gut Glück die Ableswerte. Oder ist es nicht seltsam, dass meine Mandantin so runde Geschwindigkeiten gefahren sein soll?

Der „Messtruppführer“ schreibt in seiner Stellungnahme:

„Die Ablesewerte werden der Einfachheit halber grundsätzlich auf- oder abgerundet.“

Gegen eine Abrundung hätte keiner was einzuwenden. Doch eine Aufrundung verstößt gegen den ehernen Grundsatz presumed innocent = in dubio pro reo = im Zweifel für den Angeklagten.

Wahrscheinlich geht der Polizist – wie lange eigentlich schon ? – davon aus, dass er mit der ohnehin abzuziehenden Toleranz die Aufrundung zu Lasten der Betroffenen auffangen kann. Irrtum: Die Toleranz soll die technische Ungenauigkeit nicht geeichter Tachos (Stichwort: abgenutztes Reifenprofil) unschädlich machen. Und natürlich die unvermeidlichen Ablesefehler bei analogen Anzeigen mildern. Sie legitimiert aber keine bewusste Falschablesung.

Ich schätze mal, jetzt ist eine Einstellung des Bußgeldverfahrens drin. Zumindest werden sich die Beamten das Fahrverbot abschminken können, das sie meiner Mandantin noch auf der Autobahn in Aussicht gestellt haben.

WEGNAHME

Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft:

„Sie entwendeten aus dem Sternverlag 2 Bücher zum Preise von jeweils 19,50 Euro.“

Aus meiner Verteidigungsschrift:

„Herr P. ist das Opfer eines übereifrigen Detektivs. Dies begründe ich wie folgt:

Herr P. hatte das Buch „Die Schule der Mönche“ in der ersten Januarwoche beim Sternverlag bestellt, da es nicht vorrätig war. Am 17. Januar 2002 holte mein Mandant das Buch in der Abteilung ab. Auf dem Rückweg schlenderte er an den Buchregalen vorbei und sah sich verschiedene Bücher an.

Darunter war auch das Werk „Sag mir, dass Du mich liebst“. Dieses Buch wollte sich mein Mandant näher ansehen. Zu diesem Zweck klemmte Herr P. „Die Schule der Mönche“ zwischen Mantel und Arm. Das war notwendig, weil Herr P. nur mit Lesebrille lesen kann. Diese Brille musste er aus seiner Tasche holen. Nachdem Herr P. die Brille aufgesetzt hatte, blätterte er in dem Buch „Sag mir, dass Du mich liebst“.

Er entschloss sich, auch dieses Werk zu kaufen und legte es kurz auf einen Bücherstapel, um seine Brille weg zu stecken. Noch während Herr P. versuchte, die Brille abzunehmen und wieder in die Tasche zu stecken, wurde er von dem Detektiv angesprochen.“

Beschluss des Amtsgerichts:

„Der Angeschuldigte ist des ihm zur Last gelegten Diebstahls, auch in der Versuchsform, nicht hinreichend verdächtig (§ 408 Abs. 2 S. 1 StPO).

Er wurde vor der Kasse von dem Personal angesprochen, so dass er eine Wegnahme oder eine Zueignungsabsicht nicht gezeigt hat, indem er an der Kasse etwa vorbeigegangen ist, ohne zu bezahlen.

Das Verbringen des Buches unter die Jacke und der Umstand, dass er sich immer wieder umsah, sind allein keine Indizien, die Wegnahme und Zueignungsabsicht hinreichend ergeben. Beides könnte aus anderen Gründen geschehen sein.“

Die Kosten trägt die Staatskasse.

GEHT NICHT

Durch die Presse ist in den letzten Tagen folgende Meldung gerauscht: Hacker ergreifen Besitz von einem x-beliebigen ebay-account. Im Namen des ebay-Nutzers ersteigern sie ein Haus im Wert von 1,2 Millionen.

Groß und breit wurde dann teilweise die Frage diskutiert, ob der arme Mensch jetzt ruiniert ist, weil ihn der Anbieter in Grund und Boden klagen kann.

Dabei braucht er sich keine Sorgen zu machen.

Grundstücke kann man nicht online verkaufen. Für den Erwerb eines Grundstückes ist die notarielle Beurkundung erforderlich (§ 311 b BGB). Das ist zwingend und gilt immer. Nicht notariell beurkundete Verträge sind schlicht und einfach nichtig.

Das ist übrigens vielen Maklern ein Dorn im Auge. Deshalb versuchen sie immer wieder, Interessenten über sog. „Vorverträge“ zu binden. Auch die sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, weil es eben erst beim Notar bindend wird. (Der Makler wird Ihnen das Gegenteil erzählen.)

Verkäufer, Makler oder beide lassen sich im Vorvertrag häufig eine „Aufwandsentschädigung“ für den Fall versprechen, dass es nicht zum Notarvertrag kommt, weil der Käufer es sich anders überlegt. Solche Klauseln sind fast immer unwirksam. Auf keinen Fall darf die Aufwandsentschädigung so hoch sein, dass auf den Interessenten ein „wirtschaftlicher Druck“ ausgeübt wird, doch noch zum Notar zu gehen.

Und was ist, wenn Hacker bei ebay Autos oder Edelsteine in fremdem Namen ersteigern? In diesem Fall wird die Luft schon dünner. Dann muss der account-Inhaber beweisen, dass er das Angebot nicht abgegeben hat. Das kann natürlich ganz schön schwierig werden.

BRUCHPILOT

Als Script für ein Drehbuch wäre das jedem Produzenten zu platt. Sogar bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Doch im wirklichen Leben werden selbst die plattesten Klischees grausame Wirklichkeit. Auszug aus meinem Schriftsatz in einem Prozess, der gerade vor dem Landgericht läuft:

„Die Parteien waren im September 1997 im Urlaub. Zum damaligen Zeitpunkt ging die Beklagte davon aus, dass mit ihrer Ehe alles in Ordnung ist. Ausgerechnet im Urlaub, am 18. September 1997, offenbarte der Kläger ihr, dass er eine um 20 Jahre jüngere Freundin hat.

Es handelte sich hierbei um eine Stewardess bei der Fluglinie, für die der Kläger als Pilot arbeitet.

Der Kläger informierte die Beklagte aber nicht nur über seine außereheliche Affäre.

Er rechtfertigte die Affäre vielmehr sogar noch damit, dass es sich bei der Stewardess um die erste Frau handele, die er wirklich liebe. Deshalb müsse er die Beklagte nach zwölfjähriger Ehe verlassen, weil er jetzt überhaupt erst wisse, was Liebe ist.

Doch noch nicht einmal hierbei beließ es der Kläger.

Er begründete seinen Wunsch, von heute auf morgen mit der Stewardess eine Familie zu gründen, auch mit dem Hinweis, er habe schon immer Kinder gewollt. Die Beklagte könne jedoch keine Kinder bekommen. Sie sei zu alt und wegen einer früheren Erkrankung wahrscheinlich sowieso unfruchtbar.

Der Kläger reiste noch am selben Tag aus dem Urlaub ab. Als die Beklagte nach Hause kam, war die Ehewohnung schon leer geräumt. Exakt neun Monate nach Rückkehr der Beklagten kam bereits das erste Kind des Klägers zur Welt.“

VERLUST

Neulich war ich bei einem Kollegen. Vergleichsgespräche. In der reception area zwischen der Yucca-Palme und dem Rex-Rotary-Kopierer erwartete mich kurzweilige Lektüre: „Die Pirsch – das Magazin für Jagd, Wild, Natur“, einzelne Ausgaben der Jahrgänge 1998 und 1999. Der „Düsseldorfer Anzeiger“ aus der Vorwoche. Und das Monatsmagazin einer Mettmanner Kirchengemeinde („Die frohe Botschaft – aktuell wie nie zuvor“).

Ich will unser Büro ja nicht loben. Aber unsere Auslage hat Kurzweiligeres zu bieten: Financial Times Deutschland, Rheinische Post, Focus, MAX. Sogar Petra, Cosmopolitan und so was, aber für die Rubrik „100 knackige Singles zum Verlieben“ ist meine Partnerin zuständig.

Ganz frei vom Pirsch-Effekt sind wir bei selbstkritischem Blick in den Zeitschriftenständer aber auch nicht. Oder finden es die zahlreichen (?) Waidmänner unter meinen Mandanten lustig, dass ich ihnen mit „Damals“ und „P.M. history“ komme? Auch meine MAD-Hefte und „Simpsons“-Comics haben schon für Irritationen gesorgt.

Doch die Männer habe ich schon seit längerem ganz gut im Griff. Mit reichlich „FHM“, „Maxim“, „GQ“ und der unschlagbaren „Men´s Health“. Das sind die Zeitschriften, bei denen die testosterongesteuerte Zielgruppe zwischen 14 und 78 Jahren jede Wartezeit verzeiht. Ist mir schön öfter passiert, dass der Kunde sichtlich enttäuscht J.Lo zuklappt, bloß weil sein Anwalt sich an Termine hält.

Etwas verärgert stelle ich bei den Recherchen zu diesem Beitrag fest, dass schon wieder jemand Sonya Kraus geklaut hat.

PROZESSORDNUNG

Hinweis eines Richters am Amtsgericht Herne:

„Die Versäumung richterlicher Fristen um weniger als 3 Werktage bleibt ohne Folgen, wenn die Partei darauf verzichtet, ihre Schriftsätze dem Gericht per Fax oder vorab per Fax zuzuleiten.“

Die Idee ist ausbaufähig:

„Die Versäumung richterlicher Fristen um bis zu 5 Werktage bleibt ohne Folgen, wenn die Partei ihren Schriftsatz selbst locht, ihn persönlich vorbei bringt und an der richtigen Stelle in die Gerichtsakte einheftet.“

Oder:

„Die Partei, die am wenigsten schreibt, gewinnt den Prozess. Gefaxte Seiten zählen 5-fach.“

STRICH

„Stellen sie mal ihre Parkscheibe richtig ein“, faucht die Politesse mich an. „Habe ich doch.“ „Ne, haben sie nicht. Jetzt haben wir 14.13 Uhr, dann kommt der Pfeil zwischen die beiden Striche.“

Ich diskutiere in solchen Situationen nicht gern. Aber eigentlich sollte einer Fachkraft § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 der Straßenverkehrsordnung vertraut sein. Danach wird der „Zeiger der Scheibe auf den Strich der halben Stunde eingestellt, die dem Zeitpunkt des Anhaltens folgt“.

„Mich brauchen sie nicht zu belehren“, kontert die die Politesse. „Hier an dieser Stelle gilt das aber nicht. Die Höchstparkdauer beträgt sowieso nur 30 Minuten. Wenn sie da noch auf die nächste halbe Stunde aufrunden, können sie ja immer länger als 30 Minuten parken. Sogar bis zu 59 Minuten.“

Wo diese Ausnahme denn steht, will ich von ihr wissen. „Für diese Ausnahme brauchen wir kein Gesetz. Das machen wir schon 5 Jahre so. Und meinen sie, wir haben hier in der City Parkplätze zu verschenken?“

Na gut, ich gebe auf. „Geben sie mir halt ein Knöllchen, weil ich die Zeit falsch eingestellt habe.“ „Da können sie sich drauf verlassen.“ Während ich gehe, hebt sie schon drohend ihren elektrischen Notizblock. Ich bleibe unbeeindruckt. Wozu hat man Verkehrsrechtsschutz?

Als ich – pünktlich – wiederkomme, klemmt kein Knöllchen unterm Scheibenwischer. Die Politesse ist gegenüber noch an der Arbeit. „Wollten sie mich nicht aufschreiben?“ „Ich habe mit unserem Chef telefoniert.“ Das Ergebnis des Gesprächs: „Anscheinend haben wir das nicht richtig gehandhabt.“

Was die gute Frau natürlich nicht daran hindert, gleich dem nächsten Opfer wieder ein Knöllchen zu verpassen…

KANDIDAT

Manche Jugendliche sind echt ein Arbeitsbeschaffungsprogramm. Auf Karsten L. kann ich mich verlassen. Im Schnitt hat er alle zwei Monate Ärger mit der Polizei. Spritztour mit Papas Auto. Ladendiebstähle ohne Ende. Etwas Vandalismus. Einbrüche in Schulen und Getränkemärkte. Das gab zuletzt anderthalb Jahre auf Bewährung.

Jetzt wird es aber knapp für ihn.

Zusammen mit ein paar Buddies hat er ein Pizzataxi angerufen und in eine dunkle Ecke bestellt. Dem Pizzaboten haben sie mit Knüppeln niedergeschlagen und 150 Euro geklaut. Sehr schlau, denn der Pizzabote war ein Bekannter der Clique. Nachdem er aufgewacht war, lieferte er der Polizei Namen, Adressen und Handynummern.

Der Haftrichter hat sich geziert. Aber weil die Tat so dämlich war, hat er Karsten L. noch mal gegen Auflagen rausgelassen. „Das wär´ nicht passiert“, schimpfte Karsten L. auf dem Weg aus dem Gericht, „wenn die mich bei Big Brother genommen hätten.“ Wundert mich auch, dass es nicht geklappt hat – von der Intelligenz her hätte er gut ins Haus gepasst.

PFLICHT

Ich lese „Der Kalte Krieg“ von Jeremy Isaacs und Taylor Downing. Die ersten 80 Seiten sollte man zur Pflichtlektüre für alle Antiamerikaner in unserem Land machen. Dann würden sie realisieren, dass Europa ohne die Amerikaner die letzten 55 Jahre „Heil Hitler!“ oder „Es lebe der Genosse Stalin!“ gebrüllt hätte.

ELVI UND NATASCHA

Prostituierte können jetzt ihren Lohn einklagen. Das erinnert mich an einen Fall vor zwei Jahren:

Mein Mandant ist blind, aber lebenslustig. Zu seinem Geburtstag will er sich einen Traum erfüllen: Sex mit zwei Frauen. Also begibt er sich mit seinem Blindenhund Peterle in die Hand von Fachkräften, und zwar ins größte Bordell der Stadt. Die Damen sind auch nett zu ihm. Allerdings reicht sein Bargeld nicht für den vereinbarten Preis von 2.500 Mark für eine halbe Nacht zu dritt. Mein Mandant händigt deshalb seine diversen EC-Karten aus und verrät die Geheimzahlen.

Eine der Damen macht sich auf den Weg. Am hausinternen Cashpoint kriegt sie schon mal um die 3.000 Mark. Bei der Sparkasse nebenan spuckt der Automat nochmal zwei Tausender aus. Dann geht sie erstmal zurück, muss aber kurz nach Mitternacht nochmal dringend weg. Klar, um 24 Uhr wird an den Geldautomaten das neue Tageslimit freigeschaltet. Insgesamt gehen in den nächsten Tagen 9.500 Mark von den Konten meines Mandanten runter.

Es war überraschenderweise kein Problem, die Klarnamen von „Elvi“ und „Natascha“ zu ermitteln – wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt, der wiederum Zugriff auf die ordentliche Buchführung des Etablissements hat.

Auf außergerichtliche Schreiben reagieren die beiden nicht. Zum Gerichtstermin kommen sie aber. Und bestreiten, dass ein Pauschalpreis von 2500,00 Mark vereinbart war. Der Richter ist überraschend sachkundig. Fast zehntausend Mark seien doch ganz schön happig. Und dass die Scheckkarten regelrecht geplündert worden seien, werfe auch kein gutes Bild auf die Damen.

Die räumen schließlich ein, dass einige „Extras“ berechnet worden sind. „Wissen sie eigentlich“, faucht mich Natascha über den Kopf ihres Anwalts – schönen Gruß an den Kollegen aus Köln – an, „was ihr Mandant für ein Perversling ist.“

Gutes Stichwort für den Richter. Der bringt die Sache auf die juristische Schiene. „Es handelt sich um einen Werkvertrag“, erklärt er den Damen. „Geld kriegen sie nur, wenn sie alle Dienste erbracht haben, die vereinbart waren. Und dann dürfen dem Kläger auch keine Mängelrügen zustehen. Könnte ja sein, dass er mit einer Leistung nicht zufrieden war. Könnte ja sein…“

Die Folge: Der Richter möchte von den Damen im Detail hören, was auf dem Programm stand. „Wenn ein Installateur sein Geld haben will, muss er mir ja auch beweisen, dass er seine Rohre richtig verlegt hat.“ Dieser Satz ist ein Zugeständnis an die Vertreter der Lokalpresse, die sich inzwischen eingefunden haben.

Obwohl sie doch von Berufs wegen eigentlich nicht prüde sein sollten, weigern sich die Beklagten, Details zu nennen. Auch ihr Anwalt ist entsetzt. „Soll das hier alles ausgebreitet werden? Unter dem Bild des Bundespräsidenten?“ Der Richter bleibt stur. „Für mich ist das ein Fall wie jeder andere. Vielleicht muss ich später sogar einen Sachverständigen einschalten, der das Preis-Leistungsverhältnis überprüft.“ Die Lokalpress gluckst vor Behagen. Der Gerichtsbericht für morgen ist im Sack.

So kommt Bewegung in die Sache. Mein Mandant erklärt, dass er nicht knauserig sein will. Er würde gerne 500 Mark drauflegen. „Schön war es eigentlich schon“, sagt er, „aber halt viel zu teuer.“ Auch die Beklagten zeigen sich einsichtig. Wir einigen uns auf DM 3.250,00. Der Rest wird innerhalb von zwei Wochen zurück gezahlt.

Elvi hat mich später sogar mal einer Kollegin empfohlen. Aber die hatte nur Probleme mit der Krankenkasse.

GROSSE KLAPPE

Wenn man seinen Fitnessvertrag kündigen will, ist es mit der Freundlichkeit oft vorbei.

„Ihre Kündigung per Fax ist unwirksam“, belehrte das Studio meine Mandantin. „Nach unseren Geschäftsbedingungen muss die Kündigung schriftlich per Einschreiben erfolgen. Ihre Mitgliedschaft hat sich mangels Kündigung also um ein Jahr verlängert. Wir buchen den Beitrag weiter ab. Bitte sorgen Sie für ausreichende Deckung auf Ihrem Konto. Für jede geplatzte Lastschrift berechnen wir € 15,00 Bearbeitungsgebühr. Außerdem werden wir Sie an die Schufa melden.“

Große Klappe, nichts dahinter.

1.

Die Wirksamkeit einer Kündigung kann in allgemeinen Geschäftsbedingungen wie einen Fitnessvertrag nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie per Einschreiben erfolgt. Nach § 309 Nr. 13 BGB darf höchstens „Schriftform“ verlangt werden. Einschreiben oder sogar „persönliche Abgabe gegen Quittung des Geschäftsführers“ (was es nicht alles gibt) gehen über die Schriftform hinaus und sind somit verboten.

2.

Auch das mit dem Fax ist kein Problem. Schriftform bedeutet zwar grundsätzlich, dass die Kündigung auf Papier erfolgt, und zwar mit eigenhändiger Unterschrift. Das gilt aber nur für die gesetzlich angeordnete Schriftform in dieser Strenge.

Bis zu Studiobesitzern noch nicht rumgesprochen hat sich aber offensichtlich, dass nach der BGB-Reform zwar die Schriftform vertraglich vereinbart werden kann. Selbst wenn dies der Fall ist – wie im Fitnessvertrag – kann die Schriftform aber durch „telekommunikative Übermittlung“ ersetzt werden (§ 127 Abs. 2 BGB).

Das heißt: Ein Fax reicht aus, selbst wenn im Vertrag Schriftform steht. Eine e-mail genügt übrigens auch, sogar ohne elektronische Signatur.

3.

Die Drohung mit der Schufa soll nur einschüchtern. Denn an die Schufa können nur deren Mitglieder säumige Zahler melden – das Fitnessstudio gehört gar nicht dazu. Außerdem ist die Meldung nur zulässig, wenn der Kunde die sog. Schufa-Klausel unterschrieben hat. Er muss sich also bei Vertragsschluss mit der Datenübermittlung einverstanden erklärt haben. So eine Klausel hat meine Mandantin aber nicht unterschrieben.

Mit dieser Klarstellung war die Sache erledigt. Möchte aber nicht wissen, wie viele Kunden aus Angst vor Äger ein Jahr lang weiter zahlen…