DIE GRENZE

Gibt es eine Grenze? Wenn ja, wo liegt sie? Bei der anwaltlichen Vertretung eines grausamen Mörders? Bei der Verteidigung eines Kinderschänders? Die Kommentare zum Blog-Eintrag „presumed innocent“ vom 28. April 2003 werfen einige wichtige Fragen auf. Ich habe darüber nachgedacht. Meine Antwort:

Es gibt keine Grenze.

Das klingt provokant. Dennoch gibt es, so meine ich, gute Gründe:

Zunächst mal sollte man sich vor Augen führen, dass ein Straftäter im Regelfall alleine da steht. Er hat die Polizei in dem Sinne „gegen“ sich, dass er überführt werden soll. Gleiches gilt für den Staatsanwalt und, mit Einschränkungen, für Richter.

Ein faires Verfahren, wie es unser Rechtsstaat garantiert, kann der Beschuldigte aber nur bekommen, wenn man ihm die Möglichkeit gibt, in diesem Verfahren auch seine Rechte zu artikulieren und die Umstände anzubringen, die zu seinen Gunsten sprechen.

Insoweit ist der Verteidiger der unverzichtbare Helfer, damit der Beschuldigte nicht zum bloßen Objekt in einem staatlichen Verfahren verkommt. Es dürfte auch keine Frage sein, dass dieser Schutz in einem Rechtsstaat jedem zusteht. Jedenfalls würde sich der Rechtsstaat selbst entwerten, wenn er die Gewährung von Verfahrensrechten von der Art des Tatvorwurfs abhängig machen würde.

Ich halte es dann auch nicht für verwerflich, als Verteidiger die Rolle wahrzunehmen, die mir der Staat zuweist: die Interessen des Beschuldigten zu vertreten. Das kann man dann aber auch nicht halbherzig tun oder sich gar von einer persönlichen Meinung über die Sache zu Lasten des eigenen Mandanten beeinflussen lassen.