ERSATZELTERN

Wer Kinder hat, wird sich die Frage schon mal gestellt haben: Was passiert eigentlich mit den Kleinen, wenn Mama und Papa gleichzeitig sterben?

Auf jeden Fall haben erst mal Gericht und Jugendamt das Sagen. Was die Bürokratie aus so einem Fall machen kann, wollen wir uns lieber nicht ausmalen. Auf jeden Fall gibt es häufig Verwandte, Paten oder Freunde, die wesentlich besser als Ersatzeltern in Frage kommen als Oma und Opa.

Für Bekannte habe ich geklärt, was da zu machen ist. Meine mail:

„Hallo K.,

die Sache ist im Gesetz relativ klar geregelt. Es geht um die §§ 1773 ff. BGB.

Grundsätzlich könnt Ihr als Eltern für den Fall Eures (gleichzeitigen) Todes einen Vormund und Ersatzvormünder benennen. Das geschieht durch Testament (§ 1777 Abs. 3 BGB).

Ich würde das Testament beim Notar errichten, weil es dann in sicheren Händen ist und inhaltlich kaum angegriffen werden kann.

Außerdem würde ich reinschreiben, warum die betreffende Person Vormund sein soll.

Wenn es vernünftige Gründe sind, fällt es dem Vormundschaftsgericht umso schwerer, eine abweichende Entscheidung nach § 1779 Abs. BGB zu treffen, weil der mutmaßliche Wille ja nicht vermutet werden muss, sondern im Testament ausdrücklich festgelegt und begründet ist.

Außerdem würde ich die Personen festlegen, die auf keinen Fall Vormund werden sollen (§ 1782 BGB).

Die Bestellung der Vormünder richtet sich nach § 1775 BGB: Grundsätzlich einen Vormund für alle Kinder. Andere wären dann „Ersatzvormund“ und würden erst benannt, wenn der Vormund ausfällt.

Wenn die Ausschließungsgründe (§§ 1780 bis 1785 BGB) nicht vorliegen – was ja wahrscheinlich ist -, dürfte es mit der Benennung des Vormundes im Fall der Fälle kein Problem geben.“

Die Paragrafen finden sich übrigens hier.

AUSREDE, WASSERDICHT

AUSREDE, WASSERDICHT

Aus einem Vernehmungsprotokoll der Polizei:

„Ihnen wird zur Last gelegt, am 9. November 2002 dem Kevin S. einen Discman geraubt zu haben.“

„Ich gebe den Vorwurf des Raubes nicht zu. Zu dieser Zeit war Ramadan und während dieser Zeit begehe ich keine Straftaten.“

VERSCHWENDUNG

Eine Mandantin kriegt 5.100,00 Euro von einem ehemaligen freien Mitarbeiter. Gegen den Mahnbescheid legt er keinen Widerspruch ein, so dass gegen ihn ein Vollstreckungsbescheid ergeht. Aus dem kann man vollstrecken, zum Beispiel sein Konto pfänden.

Gegen den Vollstreckungsbescheid erhebt der Anwalt des Beklagten Einspruch. Um des lieben Friedens und zur Abkürzung des Verfahrens einige ich mich mit dem Gegenanwalt darauf, dass seinem Mandanten 100,00 Euro erlassen werden. Vor dem Amtsgericht schließen wir heute morgen einen entsprechenden Vergleich.

Die Richterin bewilligt dem Gegner ohne großes Aufhebens Prozesskostenhilfe. Obwohl in dem Rechtsstreit bislang keine Seite etwas zur Sache geschrieben hat. Die Richterin kann also gar nicht beurteilen, ob die Verteidigung des Gegners überhaupt Aussicht auf Erfolg hat. Dass zu prüfen, ist sie von Gesetzes wegen verpflichtet. Nicht einmal die Tatsache, dass der Beklagte 98 % (!) der Forderung zahlt, gibt ihr zu denken.

Prozesskostenhilfe bedeutet, dass der Staat dem Beklagten seine vollständigen Anwaltskosten ersetzt. Das sind 1.200,00 Euro. Aus unseren Steuergeldern. Da fällt einem echt nichts mehr ein…

LAHM

Auf dem Gerichtsflur nimmt mich ein Richter zur Seite:

„Sagen sie mal, warum stimmen sie eigentlich der Einstellung nicht zu? Billiger kommt ihr Mandant in einer Hauptverhandlung garantiert nicht weg.“

Ich bin hoch erfreut, muss aber zugeben:

„Bei mir ist das Angebot nicht angekommen.“

Am nächsten Tag ruft der Richter an:

„Davon können sie ja noch gar nichts wissen. Der Brief liegt seit 4 Monaten in unserer Schreibkanzlei.“

So wie´s aussieht, muss ich nur noch 3 bis 6 Wochen warten…

FREIGANG

In der Strafsache

gegen

K., Tobias

beantrage ich,

Tobias zur Teilnahme an der Konfirmation seines Bruders am 11. Mai 2003 zwischen 8.45 und 18 Uhr Freigang zu gewähren.

Tobias´ Bruder hat am 11. Mai 2003 Konfirmation. Die Feier beginnt um 9.30 Uhr in der M.kirche.

Nach der Kirche gibt es eine geschlossene Familienfeier.

Die Eltern würden den ganzen Tag auf Tobias aufpassen und dafür sorgen, dass er sich nicht von ihnen entfernt. Sie würden Tobias auch an der JVA persönlich abholen und dort wieder abgeben.

Weitere Details hat die Mutter bereits persönlich mitgeteilt. Falls zusätzliche Informationen erforderlich sind, werden diese gerne nachgereicht.

Danke im Voraus.

Rechtsanwalt

Tobias ist bereits dreimal verurteilt: gemeinschaftlicher schwerer Raub, räuberische Erpressung, Diebstahl, Unterschlagung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Zuletzt 2 Jahre auf Bewährung.

Jetzt sitzt Tobias wieder in Unterschungshaft. Vorwürfe: siehe oben.

Tobias ist 16 Jahre alt.

Nachtrag am 8. Mai 2003: Der Staatsanwalt sagt nein. Die Familie feiert ohne Tobias.

Nachtrag am 12. Mai 2003: Der Richter hat gegen die Staatsanwaltschaft entschieden. Respekt. Tobias durfte mit der Familie feiern. Er ist auch abends wieder ins Gefängnis.

MARKTLÜCKE

MARKTLÜCKE

Auch im Tatoo-Shop kommt ein Werkvertrag zu Stande.

§ 633 Abs. 1 BGB: „Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.“

Anscheinend massieren sich in diesem Bereich die Probleme, wie die Fälle Claudia Strunz und Michelle Plummer zeigen.

Sieht nach einer Marktlücke aus. Das riecht nach Minderung, Schadensersatz, Schmerzensgeld. Also junge, pfiffige, unterbeschäftigte Kollegen – ran an die Fleischtöpfe.

Ich persönlich würde gern Effe gegen Claudia vertreten, weil ich aussichtslose Fälle mag. (Der Text war seine Idee, jede Wette.) Aber mangels Mandat muss ich mich erstmal um Karina kümmern. Die Gute rief mich heute morgen ganz aufgelöst an. Sie hat ihr Flugbegleiterinnen-Gehalt in einen neuen Busen investiert. Das Ergebnis entspricht allerdings nicht den Beispielfotos eines rund um die Kö recht bekannten Fettgewebe-Modellators, dessen Name ich mir mühsam verkneife.

Für Montag haben wir einen Besprechungstermin vereinbart. Notiz an mich selbst: Das Besprechungszimmer geht auf die Straße; unbedingt die Jalousien schließen.

KEIN WITZ

Aus einem außergerichtlichen Vorschlag für eine Restschuldbefreiung:

„Herr M. arbeitet derzeit als Taxifahrer. Die pfändbaren Einkommensanteile betragen EUR 0,00. Herr M. stellt den Gläubigern freiwillig im Monat einen Betrag von EUR 0,00 zur Verfügung. Nach Ablauf von 6 Jahren nach Inkrafttreten des Planes wird der Schuldner von allen ausstehenden Forderungen freigestellt, die Gläubiger verzichten auf diese Forderungen.“

Eine Zumutung? Es kommt noch besser. Der Vorschlag stammt von einer Schuldnerberatung, die aus Steuergeldern finanziert wird…

POOR MOORE

Ich lese Stupid White Men von unserer Heiligkeit Michael Moore. Vielleicht sollten das auch mal jene machen, die in Blogs und im wirklichen Leben so von der neuen Lichtgestalt schwärmen. Lesen, meine ich.

Das Buch ist ein Sammelsurium an Banalitäten, Unterstellungen und 1/3-Wahrheiten. Vom Niveau entspricht das Buch den 50 besten Schröder-Witzen bei Focus.

Also eine Lachnummer, und das ist durchaus anerkennend gemeint. Als solche kann man das Werk auch zu Ende lesen.

KEIN GESCHÄFT

KEIN GESCHÄFT

Ein harmloser Auffahrunfall. Herr P. ging davon aus, dass die gegnerische Versicherung seinen Schaden schnell ersetzt. Dabei lag er nicht mal falsch. Nach vier Tagen kriegte er Geld. Die Versicherung zahlte wie folgt:

Nettoschaden laut Gutachten EUR 1.734,86

Gutachterkosten EUR 246,35

Aber Herr P. ist nicht doof. Er weiß, dass ihm als Geschädigten auch eine Pauschale zusteht. Für Porto, Telefon und Fahrtkosten. Der Sachbearbeiter bei der Versicherung hielt Herrn P. aber für doof. „Da müssen sie mir schon Belege reinreichen. Ohne konkreten Nachweis dürfen wir nichts auszahlen.“

Herr P. hat was dagegen, dass man ihn für dumm verkauft. Also beauftragte er seinen Anwalt damit, die Auslagenpauschale geltend zu machen. Der schickte ein kurzes Fax. Zwei Tage später waren auch die 25,00 Euro auf dem Konto, die Herrn P. als Unfallopfer zustehen.

Ach ja, die Anwaltskosten hat die Versicherung auch anstandslos gezahlt. Die waren mit 50,03 Euro doppelt so hoch wie die Pauschale selbst.