FERIENPLANUNG

In der Strafsache

gegen

Ö., Mohamed

bitte ich darum, Mohamed vom 29. Juli 2003 bis zum 26. August 2003 davon zu befreien, dass er sich zweimal in der Woche auf der zuständigen Polizeistation melden muss.

Seine Eltern fahren nach Hause in die Türkei und möchten Mohamed mitnehmen, da er auch Ferien hat. In der Türkei wäre Mohamed unter Aufsicht seiner Eltern. Wenn er alleine in Düsseldorf bleibt, besteht die Gefahr, dass er mangels Kontrolle durch die Eltern in Versuchung gerät, gegen den Haftverschonungsbeschluss zu verstoßen.

Da Mohamed deutscher Staatsbürger ist und seit seiner Geburt in Deutschland lebt, dürfte das Risiko, dass er in der Türkei bleibt und sich der Hauptverhandlung entzieht, geringer sein.

Rechtsanwalt

GRUND GENUG

Ein Düsseldorfer Sportstudio bestätigt meinem Mandanten die Kündigung. Der Besitzer scheint etwas traurig über den Entschluss. Handschriftlich hat er dem Formschreiben folgendes hinzugefügt:

P.S: Ihre Vertrachsende 31.10.1003 dieses mal Welsche Grund Haben Sie denn?

Der Inhaber ist übrigens Deutscher. Mit der Hygiene im Studio nimmt er es ähnlich genau wie mit der Rechtschreibung. Sagt mein Mandant.

Dann hat er sicher Grund genug.

RESTEVERWERTER

Graue Anzüge, S-Klasse und riesiges Ansehen. Dass Rechtsanwälte und Justizbedienstete auch als Insolvenzverwalter fehlbar sind, beschreibt ein faktenreicher Artikel in Spiegel online.

Immer wieder beauftragen die Gerichte dieselben Anwälte, die Beziehungen zwischen Verwaltern und Richtern sind eng. Wie eng, hat ein Verfahren gegen den Mannheimer Insolvenzrichter Jesco F. deutlich gemacht. Der hatte jahrelang einem Rechtsanwalt lukrative Firmenabwicklungen zugeschanzt. Dafür konnte der Richter Fahrzeuge, zuletzt einen Alfa Romeo, aus den Pleitebetrieben kostenlos nutzen. Und für den Sohn des Richters gab es ein flottes BMW Cabrio aus der Konkursmasse. Wegen Bestechlichkeit wurde der Richter im Februar zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Die Namen sind so schlau abgekürzt, dass ich behaupten kann, zumindest mit 2 der erwähnten Personen schon mal persönlich zu tun gehabt zu haben. So leid es mir tut, aber die Grundaussage des Artikels kann ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen mit diesen Herren nicht dementieren…

TIPPS VOM GUTEN ONKEL

Tausende Studenten sollen dem BaföG-Amt ihre Ersparnisse verschwiegen haben (Spiegel online).

Interessant, dass der ermittelnde Staatsanwalt gleich Rechtsberatung betreibt:

„Wer seine Einkommensverhältnisse nicht korrekt angegeben hat, sollte sich schleunigst gegenüber dem Amt für Ausbildungsförderung offenbaren.“ Eine Strafbefreiung könne keine Staatsanwaltschaft garantieren – aber wenn ein Bafög-Empfänger sich selbst melde, sei das ein „gewichtiges Argument, das durchaus honoriert werde“, lässt Schweer durchblicken.

Ob das für Betroffene wirklich so eine gute Idee ist?

Der rasterfahndungsähnliche Datenabgleich zwischen BaföG-Amt und Banken ist möglicherweise rechtswidrig. Das könnte ein Verwertungsverbot für die so gefundenen „Beweise“ bedeuten. Dann hätte sich jeder Selbstanzeiger durch sein Geständnis sozusagen unnötigerweise selbst ans Messer geliefert.

Im übrigen haben Massenverfahren es heute so an sich, dass sie mit Elan beginnen und dann mitunter den Fahndern schnell die Puste ausgeht. An der nächsten Ecke wartet heutzutage außerdem immer schon der nächste unglaubliche Verbrechenssumpf, mit dessen unnachsichtiger Verfolgung man sich im Licht der Medien sonnen kann. Gut möglich, dass „Altfälle“, die ja kompliziert recherchiert werden müssen, dann plötzlich nicht mehr so wichtig sind.

law blog intern: KOMMENTARE

law blog intern: KOMMENTARE

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SOZIALE WIRKLICHKEIT

Für einen Drogenentzug benötigt ein Strafgefangener einen Sozialbericht. Erst auf dieser Grundlage entscheidet der „Kostenträger“ darüber, ob eine Therapie Sinn macht. Einer meiner Mandanten stand in der Justizvollzugsanstalt A auf der Warteliste. Es hätte voraussichtlich 7 Monate gedauert, bis jemand den Sozialbericht geschrieben hätte.

Nun ist mein Mandant nach knapp 4 Monaten in die Justizvollzugsanstalt B verlegt worden. Bürokratie rulez. Und so ist es kein Wunder, dass er sich auf der dortigen Warteliste wieder hinten einreihen muss. Bis zum Sozialbericht wird es nunmehr weitere 6 Monate dauern – eine erneute Verlegung nicht eingerechnet.

Bei einem Besuch fragte ich Herrn C., ob man im Gefängnis nicht kalt entzieht. Gezwungenermaßen. Mangels Nachschub. Er guckte mich an, schüttelte ungläubig den Kopf und kriegte schließlich einen Lachanfall.

Wieder was gelernt.

DIE GRÄTE

DIE GRÄTE

Der Rechtsanwalt Hans Theisen, 48, aus Dortmund, der seit der Wende in Dresden praktiziert, ist ein eigenwilliger Mann. Auch sein Handwerk betreibt er auf seine etwas umständliche, doch gradlinige und unverblümte Art. Er sagt, was er denkt. Wo andere elegant taktieren und sich arrangieren, eckt er an und stört. Einzuschüchtern ist er auch nicht. Mancher Richter mag ihn empfinden wie eine im Hals stecken gebliebene Gräte.

Vielleicht ganz gut, dass manche Anwälte nicht nur elegant taktieren und sich arrangieren. Sonst wäre dieser Justizkrimi um die Vergewaltigung einer Polizistin möglicherweise anders ausgegangen.

UNGLAUBLICH 2

UNGLAUBLICH 2

Ende 2001 zieht eine Ehefrau von zu Hause aus. Und bei ihrem Geliebten ein. Im Januar 2002 reicht sie bei Gericht eine Unterhaltsklage ein und beantragt eine einstweilige Anordnung, dass der Ehemann ihr die Prozesskosten vorschießen soll.

Das ist übrigens eine, wie ich finde, typisch deutsche Regelung. Das Gericht kann anordnen, dass ein Ehegatte dem anderen sämtliche Prozesskosten im Voraus überweist – damit dieser ihn nach Geldeingang nach Strich und Faden verklagen kann. Das Schöne für den Berechtigten: Wenn er verliert, muss er in aller Regel noch nicht mal was zurückzahlen. Gibt´s so eine Vollkaskomentalität noch irgendwo anders?

In unserem Fall lässt sich das Gericht Zeit. Viel Zeit. Die Parteien beharken sich zwar in Schriftsätzen. Aber das Gericht heftet nur ab und döst ansonsten vor sich hin.

Mittlerweile ist – in einem anderen Verfahren – sogar die Ehe geschieden. Aber der rückständige Unterhalt hängt noch immer in der Luft. Dann, völlig überraschend, haut das Gericht im Juli 2002 eine einstweilige Anordnung raus. 18 Monate für eine eilige Entscheidung – kein schlechter Schnitt.

Der Mann soll also zahlen. Dabei übersieht das Gericht nur folgendes:

1, Die Frau hat mittlerweile selbst erklärt, dass sie nicht mehr bedürftig ist. Sie arbeitet schon seit einem Jahr (!) ganztags. Seitdem macht sie gar keinen Unterhalt mehr geltend.

Voraussetzung für einen Prozesskostenvorschuss ist aber Bedürftigkeit. Davon kann ja keine Rede sein, wenn die Klägerin jetzt wieder Einkommen hat. Jedenfalls ist sie nicht mehr mittellos, wie sie es anfangs von sich behauptet hat.

2. Eine der Töchter, für die ebenfalls Unterhalt geltend gemacht wird, ist mittlerweile volljährig. Logischerweise kann die Mutter dann gar keinen Prozess mehr für das Kind führen. Das Kind müsste selbst klagen. Aber das ist dem Gericht egal: Es ordnet den Vorschuss an – auch für den vermeintlichen Unterhatlsrückstand der volljährigen Tochter.

3. Der Prozesskostenvorschuss wird für Klageanträge bewilligt, die die Klägerin selbst gar nicht mehr stellt. Vor einem knappen Jahr hat sie nämlich ihre Ansprüche komplett neu gefasst. Aber auch das ficht das Gericht nicht an. Es entscheidet auf einem Sachstand, als bestünde die Akte nur aus den ersten 5 Seiten. Aber vielleicht hat ja auch jemand wirklich nicht weiter gelesen…

Na ja, kann sich das Gericht zurücklehnen, lasst den Anwalt mal schimpfen. Das stört mich gar nicht. Aus gutem Grund: Der Beschluss, mit dem der Ehemann zu fast 3.000 Euro Vorschuss verdonnert wird, ist laut Gesetz nämlich unanfechtbar.

UNGLAUBLICH 1

UNGLAUBLICH 1

Welcher Paketdienst stellt einen Bewerber als Auslieferungsfahrer ein, der ausweislich seines Führungszeugnisses folgende Vorstrafen hat: 3 x Diebstahl, 1 x Unterschlagung, 3 x Betrug, schwere Körperverletzung und Unterhaltsverletzung.

Gibt es nicht? Gibt es doch!

Mal sehen, ob der Richter auch über soviel Blauäugigkeit den Kopf schüttelt und sich einen (kleinen) Strafrabatt entlocken lässt.

RISIKO

Gleich habe ich einen heiklen Verhandlungstermin.

Es geht um Überweisungsbetrug. Als meine Mandantin in einer Bank verhaftet wurde, hatte sie es mit einem supernetten Haftrichter in einer Nachbarstadt zu tun. Der war nach längerem Hin und Her bereit, den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen. Obwohl der Schaden fast sechsstellig ist.

Eindreiviertel Jahre sind vergangen, bis die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat. Gut, als Beschuldigter soll man es nie eilig haben. Denn die Zeit hat meine Mandantin gut genutzt. Sie arbeitet wieder als Angestellte und hat sich, wie es aussieht, von fremden Bankformularen ferngehalten.

Das Risiko ist jetzt: Bewährung oder nicht. Wenn es das Gericht nicht so locker sieht und eine Haftstrafe über 2 Jahren für erforderlich hält, wird es eng, weil es nur bis 2 Jahren Bewährung geben kann.

In schlimmsten Fall könnte die Mandantin direkt im Gerichtssaal festgenommen werden, wegen Fluchtgefahr aufgrund des harten Urteils. Das ist natürlich ein Supergau, auch für einen Verteidiger.

In 2 Stunden sind wir schlauer.

Nachtrag 11:25 Uhr: Ich komme ja selten in die Verlegenheit, eine Staatsanwältin (für informierte Leser: nicht die) zu loben. Aber diesem sachlichen, fairen und zurückhaltenden Plädoyer hatte ich nur wenig hinzuzufügen. Vor allem nicht dem geforderten Strafmaß. 1 Jahr auf Bewährung war wirklich das unterste Limit. Erfreulicherweise hat sich das Gericht dem angeschlossen.

ICH GEB´S AUF

ICH GEB´S AUF

„Die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.“

Schöne Sache, so ein Freispruch.

Die Probleme fangen damit aber erst an. Denn an jedem Gericht sitzen sogenannte Kostenbeamte. Diese überprüfen tagein, tagaus nur eins: ob der Anwalt nicht einen Cent zu viel abrechnet.

Ich habe jetzt wieder so eine Sache auf den Tisch. Die Ermittlungsakte ist 319 Seiten lang. Daraus habe ich 249 Seiten kopieren lassen. Das kostet nach der Gebührenordnung EUR 54,85 netto. Berechnung: Für die ersten 50 Kopien gibt es jeweils EUR 0,50; jede weitere kostet 15 Cent.

Die Kostenbeamtin weigerte sich zu zahlen. Statt dessen verlangte sie eine Liste der kopierten Seiten. Denn, so teilte sie mir mit, es dürfen nur Seiten kopiert werden, die für die Verteidigung erforderlich sind. Das müsse überprüft werden.

Man kann sich gut auf den Standpunkt stellen, dass jede Seite einer Ermittlungsakte für die Verteidigung von Bedeutung ist. Woher weiß ich denn, ob im Laufe des Verfahrens ein Vordruck, eine Ladung oder eine Empfangsbestätigung nicht doch wichtig wird?

Das spielt in unserem Fall aber eigentlich keine Rolle, weil das Verhältnis der kopierten zu den nichtkopierten Seiten (319 zu 249) schon zeigt, dass ich – in vorauseilendem Gehorsam- unbedeutende Blätter weggelassen habe.

Aber nein, ohne Liste wollte die Dame nicht zahlen. Es sei ihre, nicht meine Aufgabe, die „konkret kopierten Seiten auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Ein Durchschnittswert kann hierzu nicht herangezogen werden“.

Eine Mitarbeiterin war 15 Minuten damit beschäftigt, die Liste zu tippen. Wenn ich noch den Zeitaufwand und die Kosten für die Korrespondenz mit der Kostenbeamtin hinzurechne, lohnte sich die Sache betriebswirtschaftlich schon lange nicht mehr.

Aber es kommt noch grausamer. Die Kostenbeamtin hat sich tatsächlich hingesetzt und jedes Blatt überprüft, das in der Liste auftaucht. Sie erklärte mir dann auf 1,5 eng bedruckten Seiten, warum bestimmte Kopien überflüssig seien.

Es handelte sich um immerhin 6 Stück!

Der fiskalische Erfolg der Aktion beträgt also exakt 90 Cent…

Aber nur, wenn man das Beamtensalär der Rechtspflegerin sowie die Büro- und Schreibkosten des Gerichts außer acht lässt. Und ich kein Rechtsmittel einlege, um doch noch an meine 90 Cent zu kommen. Dann dürften sich am Ende 3 Richter am Landgericht den Kopf darüber zerbrechen. (Keine Sorge, liebe Steuerzahler unter den Lesern, ich habe längst resigniert.)

Am besten ist übrigens die Begründung, warum ich das Deckblatt der Akte nicht mitkopieren durfte:

„Der Aktendeckel enthält keine weiterführenden Informationen. Es ist dem Verteidiger zuzumuten, den auf dem Aktendeckel vermerkten Behördennamen und das Aktenzeichen von Hand zu übertragen.“

ZITATE

Was steht eigentlich in anderen blogs über den law blog? Eine Auswahl:

M-E-X BlOG:

Mehr dazu erfährt Ihr auf meinem persönlichen Top 10 Lieblingsblog: richtig, dem „Law Blog“ und vaD sind auch super Tips drin, worauf man zu achten hat. … Udo, Du bist langsam mein Lieblingsanwalt. Ich schau schon nicht mehr TV Gerichtsshows, ich les lieber Deinen Blog :-)

Industrial Technology & Witchcraft:

Aus der Rechtsanwälte Udo Vetter & Annette Mertens law blog, vom täglichem Kampf für Recht & Gesetz, speziell das im Düsseldorfer Landgericht. Eine sprudelnde Quelle stillen Vergnügens…

o-y-d-t:

Actually, I won’t even provide my own content now, but just links to two other blogs. First blog is Udos Life. It’s a blog by a German lawyer and despite the bad reputation of his profession, this one seems to be on the bright side of humanity. Plus, he has an excellent sense of humor.

E-business Weblog:

Ich bin gerade in das law blog eines anonym schreibenden „udo“ gefallen. Ein Rechtsanwalt der über seine Fälle schreibt. Absolut faszinierend.

Vertretbar.de:

Man mag es kaum glauben, aber gelegentlich lassen sich Dinge, mit denen man sich im Verlauf des Studiums beschäftigt hat (oder beschäftigt haben sollte) auch in der Praxis noch fruchtbar machen – das zeigen die Gedanken von Udo im Law Blog zum Öffentlichkeitsgrundsatz in der Hauptverhandlung im Strafverfahren…

Nochmal M-E-X BLOG

Mr. Law-Blog ist wirklich jemand, der mir durch seine täglichen Berichte das Rechtswesen näherbringt und mich immer wieder zum Schmunzeln bringt. Lesen!

Da in der blogosphere ein rauer Wind weht (Beispiel), möchte ich doch hoffen, dass auch der law blog schon mal eins auf die Mütze gekriegt hat.

Hat vielleicht jemand einen link?

Nachtrag: Der erste Verriss ist schon online:

Auf der Welle lehrreicher Gerichtssendungen, die erfolgreich den schwierigen Alltag des deutschen Juristen darstellen, reiten nun auch zunehmend andere Vertreter ihres Berufsstandes, die – vermutlich aus guten Gründen – bisher nicht in die Lage gekommen sind, täglich vor das TV-Publikum zu treten. Exemplarisch sei hier der „sogenannte“ Rechtsanwaltsblogger Vetter genannt – schon der bloße Name sollte Warnlampen aufblitzen lassen.(Quelle)

FREIBRIEF

Verteidiger-Fossil. So nennt sich Rolf Bossi selbst. Darüber hinaus möchte er, dass Tempolimits für ihn nicht gelten. Berichtet zumindest die Netzeitung (via o-y-d-t).

Der Schuss kann auch nach hinten losgehen. Führt so ein Getöse nicht zum Verdacht, dass seinem Urheber die charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlen könnte? In diesem Fall hat das Straßenverkehrsamt die Möglichkeit, gemäß § 2 Abs. 8 Straßenverkehrsgesetz eine MPU anzuordnen – auch bekannt als Idiotentest.

Man darf gespannt sein.