VERTRAUENSSACHE

Ein Autofahrer hatte ein Fahrverbot kassiert. Das Urteil war rechtskräftig. Der Anwalt des Mannes hatte allerdings noch einen „Gnadenantrag“ beim Justiziministerium eingereicht. Seinem Mandanten erklärte er, das Fahrverbot werde erst wirksam, wenn über den Gnadenantrag entschieden ist.

Die Auskunft war grottenfalsch. Der Mann wurde prompt am Steuer erwischt, aber – nicht verurteilt. Denn, so das Oberlandesgericht Frankfurt, der Autofahrer habe sich auf die Auskunft seines Anwaltes verlassen dürfen:

Der bereits seit Jahren für ihn tätige Verteidiger war mit allen Umständen des Einzelfalles vertraut und aufgrund seiner anwaltlichen Tätigkeit zu derartigen Auskünften berufen. Anhaltspunkte, um an seiner Neutralität zu zweifeln, bestanden nach den Feststellungen des Landgerichts nicht. Aufgrund dessen handelte es sich bei dem Verteidiger aus Sicht des Angeklagten um eine kompetente und unvoreingenommene Auskunftsperson, auf deren Rat er grundsätzlich vertrauen durfte.

Sehen wir da schon die neuen Werbetafeln:

– „Unsere Auskunft – Ihr Ruhekissen für das Gewissen“

– „Schlechter Rat ist Vertrauenssache“

– „Nobody is perfect – fordern Sie uns“.

Das Urteil als PDF.

ERWISCHT

Für 29,90 Euro werden künftig die Ausreden knapp. Das gilt für übermäßig coole Kinder wie für aufgedrehte Lebenspartner. Zu diesem Preis gibt es nämlich den „Gecko“-Drogentest für zu Hause. Aus der Gebrauchsanweisung:

Manchmal passiert es, dass beim Waschen der Kleidung eine Tablette oder Kapsel aus der Hosentasche des Kindes fällt. Es kann auch sein, dass im Aschenbecher zwischen dem Tabak kleine “Brocken” zu erkennen sind oder dass auf dem Tisch eine Spur von weissem Pulver zu erahnen ist. Es muss sich hier nicht zwangsläufig um Drogen handeln, jedoch ist es nicht auszuschließen.

Mit dem GECKO Drogennachweis können Sie diese Substanzen auf ihren Drogengehalt überprüfen. Der Nachweis ist hoch empfindlich, d.h., dass bereits wenige Körnchen der suspekten Substanz ausreichen, um ein zuverlässiges Ergebnis zu liefern.

Erfahrungsberichte oder Boykottaufrufe bitte in die Kommentare.

LÖSCHMITTEL

LÖSCHMITTEL

Der PISA-Test außerhalb der Schulen läuft auch nicht besser:

Ein elfjähriger Junge hat am Montagnachmittag ein Auto auf der Schiessstraße in Heerdt in Brand gesetzt , als er und sein gleichaltriger Freund mit Wunderkerzen spielten. Das Kind warf eine der Kerzen auf den Wagen, die zwischen Windschutzscheibe und Motorhaube landete. Plötzlich fing auch der Motor Feuer. Der erschrockene Junge versuchte noch, den Brand mit Apfelsaft zu löschen, sah aber schnell ein, dass er damit keinen Erfolg hatte. (NRZ)

FAXEN

Schon mal über ein unverlangtes Werbefax geärgert? Dann hopplahopp den Staatsanwalt in Marsch gesetzt. Mit einer Strafanzeige wegen Sachbeschädigung. In der Neuen Zeitschrift für Strafrecht (2003, 515) vertritt Stöber ernsthaft die Auffassung, dass der – unerwünschte – Toner- und Papierverbrauch nicht nur ärgerlich, sondern strafbar ist.

Die Thesen sind reichlich gewagt und strapazieren den Tatbestand aufs Äußerste. Aber vor allem sind sie ein weiterer Beitrag dazu, die Ermittlungsbehörden mit noch ein paar tausend popeligen Minimalverfahren zu blockieren.

Es sollte mal erwähnt werden, dass das Strafrecht nicht das erste, sondern das letzte Mittel ist, um Rechtsverstössen zu begegnen. Und eindeutig ist zumindest, dass jeder Empfänger von unverlangten Werbefaxen ausreichend zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche hat. Nur die muss man halt selbst und auf eigene Kosten durchsetzen…

UNFALLFREI

Ein wichtiges Urteil bei beck-aktuell:

Wer ein Gebrauchtfahrzeug von einem Privatmann kauft, muss sich die Unfallfreiheit ausdrücklich garantieren lassen. Nur dann kann er, wenn sich später herausstellt, dass das gekaufte Kfz einen Unfallschaden hatte, vom Kaufvertrag zurücktreten. Die vorformulierte Erklärung «das Kfz ist unfallfrei» genügt hierfür nicht. Sie erfasse keine dem Verkäufer nicht bekannten Unfallschäden aus der Zeit des Vorbesitzers und keine Bagatellschäden, befand das Landgericht München I (Urteil vom 02.10.2003, Az.: 32 O 11282/03).

UDO RETTER

Der M-E-X-Blog zeigt mir ganz neue Märkte auf:

Kunde zur Fleischtheken Bedienung: „100 Gramm Gelbwurst bitte“ Bedienung: „Noch etwas?“ Kunde: „Nein, danke“ da ertönt eine Stimme hinter dem Kunden „HALT lieber Kunde, das wäre nun fast ins Auge gegangen! Haben sie bemerkt, daß man ihnen 110 Gramm berechnet hat? Sie wollten doch nur 100 Gramm. *Kunde schaut perplex* Wenn man schon bei kleinen Dingen nicht aufpasst, was ist dann erst bei den großen Dingen des Lebens? Darf ich mich vorstellen? RA Udo Retter, Ihr Anwalt des Vertrauens. *schaut zur kleinen Tochter des Kunden* „Darf es etwas Fleischwurst für die Kleine sein?“

Hat jemand eine Idee für das passende Cape?

PEEP-SHOW

Der Tagesspiegel berichtet über Discount-Anwälte:

Karstadt am Hermannplatz, erster Stock, hintere Ecke. Kaffee-Bar, Reinigung, Rechtsanwälte, Geschenkverpackung. Rechtsanwälte? Das ist neu. Seit dem Sommer firmiert die Kanzlei „Resch & Gut“ im Kaufhaus – und verspricht, alles sei ganz einfach. Das Recht soll zum Kunden kommen, das ist der tragende Gedanke. Laut Eigenwerbung ist die Kanzlei Deutschlands erster Anbieter „qualifizierter, preisgünstiger und schnell zugänglicher Rechtsberatung in Supermärkten, Kaufhäusern, Einkaufszentren, Poststellen und Fußgängerpassagen“. Mit einer Peep-Show hat das zweierlei gemein: die Abrechnung im Minutentakt (pro Minute ein Euro) und die freie Einsehbarkeit. Denn der Kunde sitzt ziemlich auf dem Präsentierteller.

Die Zielgruppe sollen „Leute mit wenig Geld“ sein. Und wieso gibt es dann so viele Kritiker? Ich jedenfalIs wünsche den Kollegen viel Erfolg bei ihrer segensreichen Tätigkeit.

(link über Vertretbar.de und Der Schockwellenreiter)

SCRATCHEN

Nach dem Sprühen kommt jetzt das Scratchen. Die NRZ berichtet über den Trend, sich dauerhaft in den Scheiben von Bussen und Bahnen zu verewigen. Am besten dafür geeignet soll pikanterweise die alte Version der bordeigenen Nothammer sein.

Die im Artikel genannten Höchststrafe von zwei Jahren sollten „Trendsetter“ mit Vorsicht genießen. Schon das Reichsgericht hat entschieden, dass Straßenbahnen und Busse von „öffentlichem Nutzen“ sind. Somit kommt auch „gemeinschädliche Sachbeschädigung“ in Betracht. Höchststrafe: drei Jahre Gefängnis.

ARBEITSVERTRAG

Windrider beklagt sich darüber, dass sie 14 Tage nach Beginn ihres Jobs als Buchhändlerin keinen schriftlichen Arbeitsvertrag hat:

So kann das nicht weitergehen, der Arbeitgeber mag zwar im Superstress sein, aber ohne Arbeitsvertrag bin ich doch regelrecht „aufgeschmissen“ – da braucht ja bloß eine Kontrolle zu kommen (heut‘ stand vor meinem Schaufenster ein Polizist und hat freundlich reingeguckt!) und sowohl mein Arbeitgeber als auch ich sind dann „dran“. Ich bin wirklich genervt wegen dieses blöden Vertrages! Ich kann nur ja jedem raten niemals ohne Vertrag irgendwo anzufangen – man hat ja irgendwie offensichtlich nur Ärger deswegen. Wirklich schade!

Grundsätzlich ist auch ein mündlicher Arbeitsvertrag wirksam. Die Behörden interessiert es nur, ob schwarz gearbeitet wird. Dass dies nicht der Fall ist, kann man locker mit der Anmeldung zur Sozialversicherung belegen. (Wenn sich auch die verzögert, ist der Arbeitgeber nicht seriös.)

Aber auch den Wunsch nach einem schriftlichen Vertrag kann man durchsetzen. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag ausstellt und unterschreibt (§ 2 Nachweisgesetz). Pflichtangaben sind alle wesentlichen Daten, also Vertragsparteien, Beginn des Arbeitsverhältnisses, eventuelle Befristungen, Beschreibung der Tätigkeit, Höhe des Lohnes, Dauer der Arbeitszeit etc.

Dieser Vertrag muss spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn vorliegen. Ist das nicht der Fall, kann der Arbeitnehmer auf Aushändigung des Papieres vor dem Arbeitsgericht klagen. Wenn der Arbeitgeber trotz Mahnung den Vertrag nicht rausrückt, kann der Arbeitnehmer sogar die Arbeit einstellen.

Ob man einen schriftlichen Vertrag wirklich einfordert, ist allerdings Geschmackssache. Viele Gerichte gehen mittlerweile soweit, dass sie im Streitfall die Angaben des Arbeitnehmers (zum Beispiel zum Gehalt, zu Überstundenzuschlägen oder zur Dauer des Urlaubs) als richtig unterstellen und dem Arbeitgeber die volle Beweislast für das Gegenteil aufbürden. Begründung: Der Arbeitgeber darf nicht davon profitieren, dass er seine gesetzlichen Pflichten schludert.

RISIKO

Den Rechtsschutzversicherungen geht anscheinend das Geld aus. Jedenfalls zicken sie in letzter Zeit noch schlimmer herum, als man das vorher schon gewohnt war. Jetzt wollte eine Versicherung partout keine Kostendeckung für einen bestimmten Antrag in einer Klage vor dem Arbeitsgericht übernehmen. Begründung: „Wir können nicht nachvollziehen, welchen Sinn dieser Antrag hat.“

Ich habe dann zurückgeschrieben: „Wenn Sie meinen, dass der Antrag keinen Sinn hat, werden wir ihn selbstverständlich auch nicht stellen. Allerdings ist es dann erforderlich, dass Sie uns schriftlich zusichern, für sämtliche Nachteile aufzukommen, die dem Versicherungsnehmer möglicherweise daraus entstehen, dass der Antrag nicht gestellt wurde. Da Sie sich ja sicher sind, dass der Antrag zu nichts nutze ist, wird Ihnen diese Zusage nicht schwer fallen.“

Ein paar Tage später die Antwort: „Wir übernehmen Rechtsschutz für sämtliche Anträge.“

SCHLAMPEREI

Am Flughafen Düsseldorf soll nach wie vor geschlampert werden, so der Express:

Weiterhin bezichtigt der ehemalige Sicherheitsexperte seine Ex-Kollegen des Diebstahls. Messer und andere gefährliche Gegenstände, die sie den Passagieren abgenommen hätten, würden einfach eingesteckt. Dazu Staatsanwalt Mocken: „Da die meisten Urlauber auf die Rückgabe der Messer verzichten und diese Dinge nicht als Sondergepäck aufgeben, sind sie herrenloses Gut. Wer sie mitnimmt, macht sich nicht strafbar.“

Mit dieser Auffassung dürfte der Staatsanwalt daneben liegen. Im Zweifel sind als gefährlich eingestufte Gepäckstücke nicht herrenlos, d.h. gewahrsamslos. Zumindest wird es einen potenziellen Gewahrsamswillen der Sicherheitsfirma, für die die Mitarbeiter ja tätig sind, oder des Bundesgrenzschutzes geben. Außerdem dürfte auch nach öffentlichem Recht kein Sicherheitsmitarbeiter berechtigt sein, möglicherweise später noch benötigte Beweisstücke einfach mit nach Hause zu nehmen.

Falls sowohl die Sicherheitsfirma als auch der Bundesgrenzschutz den Mitarbeitern gestatten sollten, eingesammelte Sachen zu behalten, wäre das im Übrigen ja auch ein schöner Skandal. Nach dem Motto: Wir zahlen euch einen geringen Lohn, knöpft den Passagieren das Trinkgeld doch in Form von Schweizer Messern ab.

PFLICHTEN

In den Straßenbahnen der Duisburger Verkehrsbetriebe hängt diese hübsche Warnung:

Pflicht des Fahrgastes ist es, sich sofort auf dem Wagen einen festen Halt zu verschaffen. Etwaige Folgen der Außerachtlassung dieser Bedingung sind selbstverschuldet.

Anscheinend arbeitet dort ein Volljurist.

FAHRLÄSSIGE ÄRZTE

FAHRLÄSSIGE ÄRZTE

Klinikärzte, die einem Gewaltverbrecher leichtfertig Ausgang gewähren, müssen ggf. für dessen Taten einstehen. Der Bundesgerichtshof bestätigte jetzt, dass zwei Ärzte u.a. wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden können, weil sie einem Straftäter möglicherweise pflichtwidrig die Tür der Anstalt öffneten. Den Ausgang nutzte der Straftäter, um zwei ältere Frauen zu ermorden und acht weitere zu verletzten.

Das höchste Strafgericht hob damit einen Freispruch des Landgerichts Potsdam auf. Die Richter am Landgericht hielten das Verhalten der Ärzte schon gar nicht für ursächlich, weil der Täter auch auf andere Art und Weise hätte fliehen können. So sei er schon zweimal vorher aus dem altersschwachen Gebäude entkommen.

Das Urteil könnte zu riesigen Problemen führen. Denn demnächst wären dann ja auch Sachverständige verantwortlich, wenn sich ihre günstige Rückfallprognose nicht bewahrheitet. Da jedoch auch die besten Ärzte nicht in die Zukunft blicken können, würde sich wohl kaum noch ein medizinischer Sachverständiger überhaupt bereit finden, sich dazu zu äußern, ob und inwieweit ein Gewalttäter so geheilt worden ist, dass von ihm keine Straftaten mehr zu erwarten sind.

Aus dem letzten Satz der bislang zu dem Urteil vorliegenden Pressemitteilung ergibt sich aber teilweise Entwarnung. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung wohl eher auf eine altbekannte strafrechtliche Grundregel gestützt. Diese lautet, dass ein tatsächlicher Geschehensablauf nicht ohne weiteres durch hypothetische Kausalverläufe entwertet werden kann.

Schulbeispiele:

Ein Mord bleibt nicht straflos, weil sich bei der Obduktion des Opfers herausstellt, dass es nächste Woche an einer unheilbaren Krankheit gestorben wäre. Ein Unfallverursacher kann sich nicht mit dem Hinweis entlasten, dass seine Opfer, die einen bestimmten Flug erreichen wollten, später mit dem Flugzeug abgestürzt wären.

Bei der neuen Verhandlung wird es also darauf ankommen, ob die Ärzte tatsächlich ihre Pflichten verletzt haben und ob ein eventueller Verstoß so gravierend ist, dass sie wegen der Gewalttaten ihres Patienten bestraft werden können.

(link gefunden bei Handakte WebLAWg)

OFFENE RECHNUNGEN

Über ein Schauboxen im Amtsgericht Düsseldorf berichtet der Express:

Oberstaatsanwalt Heinz Bremer (wegen seiner Härte gefürchtet) traf auf den liberalen Amtsrichter Dirk Kruse (sprach sich mal für die Legalisierung von Hasch aus). … Rüde Angriffe und hochrote Gesichter im Gerichtssaal. Oberstaatsanwalt und Amtsrichter gerieten sich so sehr in die Wolle, dass sich die Angeklagten nur noch wunderten. … Den Zuhörern war klar: Hier sind noch alte Rechnungen offen. … „Das lasse ich mir nicht bieten“, konterte Kruse und schickte einen Brief an Bremers Vorgesetzten mit der Bitte, den Ankläger abzusetzen. Retourkutsche Bremers: Er lehnte seinerseits Kruse ab, der habe den Pfad der Unparteilichkeit verlassen.

Hmmm, mal überlegen. Über den Richter kann ich echt nichts Negatives sagen.