KOMATÖS IN DEN MAI

Ah, der 30. April. Weil ich samstags grundsätzlich nicht weggehe (den Rest der Woche eigentlich auch nicht mehr, aber das ist ein anderes Thema), werde ich daran erinnert, dass eine Nachbarin schräg gegenüber an diesem Tag anscheinend Geburtstag hat.

Jedenfalls sieht oder hört man sonst praktisch nichts von dieser dicklichen Dame mit dem leicht aufgedunsenen Gesicht und der missglückten Dauerwelle. Außer, dass sie morgens schon mal auf ihrem Balkon Wäsche aufhängt und prüft, ob das das Katzennetz sitzt.

Am 30. April aber dröhnt dagegen schon ab 8.15 Uhr Volksmusik aus ihrer Wohnung. Das gilt zumindest für Jahre, in denen der 30. April auf ein Wochenende fällt und ich das mitbekomme. Marianne & Michael. Die Wildecker Herzbuben. Ich liebe es, ausschlafen zu können.

Abends ab 18 Uhr stehen dann dickliche Männer mit schwer aufgedunsenen Gesichtern auf dem Balkon. Das Katzennetz dient jetzt als Unterlage für ein weißes Bettlaken. Schutz gegen die Abendsonne. Lasst die Spiele also beginnen. Die Männer schimpfen zwischen hektischen Schlucken Bier über die Zigarettenpreise, die Fortuna, die Rheinarena, den Erwin und alles, was einem in Zeiten von Hartz IV auf der Seele drückt. Der Kundendienst von Opel, zum Beispiel.

Das Küchenfenster liegt gleich neben dem Balkon. Es steht auf kipp und verrät, dass sich dort die Damen versammelt haben. Stößchen. Ab 19 Uhr erfüllt alle paar Sekunden ein langgezogenes, hysterisches Lachen den Hinterhof. Das Geburtstagskind amüsiert sich. Gegen zehn wird es etwas leiser, denn nicht zu überhörenderweise musste sich das „Gabischen“ etwas hinlegen. Der Rest überlegt mit heiseren Stimmen, ob sie wohl noch einmal aus dem Koma erwacht. Aber man vertraut auf die Vorjahre, da hat sie es ja auch überlebt.

Jetzt beginnt die kritische Phase. Männer und Frauen, gemeinsam in der Küche. Scheint auch Verwandtschaft drunter zu sein. Letztes Jahr kam es gegen Mitternacht zu einem Streit. „Komm‘ doch her, eure Bagage haben wir schon immer vernatzt“, „Ich geb‘ dich gleich, du Sackgesicht“, „Jooooochen, Jooooooohen.“

Dann ein Knall, ein Küchenschrank polterte zusammen und ein Georg hatte sich den Arm gebrochen. Kompliment an die Düsseldorfer Polizei, die löst so eine Versammlung mit ruhigen, bestimmten Kommandos in drei Minuten auf.

Jedenfalls, und das stimmt mich nicht zuversichtlich für den Rest der Nacht, endete bisher jeder 30. April schräg gegenüber mit einer Katastrophe. Was man am nächsten Morgen auch daran merkt, dass aus dem Küchenfenster lautes Schluchzen und hektische Telefonate zu hören sind. Aber danach kehrt die Frau zuverlässig zu ihrem unauffälligen Verhalten zurück. Und es ist ein Jahr Ruhe.

Vielleicht spielen sich die Tragödien auch nur auf anderen Feiern ab. Aber das will ich, ehrlich gesagt, gar nicht wissen.

PICCOLO AUF DEM FLUR

Berlin arbeitet daran, das Zeugnisverweigerungsrecht für Verlobte abzuschaffen. Der Bundesrat hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der jetzt noch im Bundestag zur Abstimmung gestellt wird. Den Politikern ist ein Dorn im Auge, dass sich Zeugen immer wieder in Strafprozessen darauf berufen, mit dem Angeklagten verlobt zu sein. Nachzuprüfen ist das nur selten.

Jeder Strafverteidiger kann von endlosen Debatten mit Gerichten über die Frage berichten, was ein Verlöbnis an sich ist und ob im konkreten Fall eines vorliegt. Ich habe einen solchen Streit mal mit der Bitte um fünf Minuten Pause unterbrochen. Auf dem Flur haben sich mein Mandant und seine Freundin dann nochmals feierlich verlobt und das Ganze mit einem Piccolo aus der Gerichtskantine begossen. Selbst der Staatsanwalt, der auf dem Flur eine Zigarette rauchte und alles grinsend beobachte, akzeptierte dann das Verlöbnis.

Quelle Cartoon: wulkan (www.wulkan-comic.de) / (Link gefunden bei muepe.de)

DIE HEUSCHRECKEN

Münteferings Heuschreckenliste erinnerte mich vom Ansatz her gleich an Lucius Cornelius Sullas Proskriptionen. Irgendwie habe ich mich aber nicht getraut, darauf hinzuweisen. Die Aufgabe nimmt mir nun Roland Berger ab, der von Spiegel online wie folgt zitiert wird:

Roland Berger forderte Müntefering auf, auf persönliche Angriffe gegen Wirtschaftsführer zu verzichten. „Wenn einzelne Unternehmenspersönlichkeiten öffentlich verurteilt werden, muss man sich nicht wundern, wenn irgendwelche Verrückten schließlich RAF spielen. Wir haben ja erlebt, wie es enden kann, wenn solcher Hass gesät wird“, sagte Berger.

Da Müntefering aber angefangen hat, darf eine Frage nicht ungestellt bleiben. Wenn die bösen Aufkäufer (die in meist angeschlagene Firmen, die wie Nixdorf nix außer einem klangvollen Namen hatten, ja erst einmal auf eigenes Risiko Kapital reinpumpen, aber wen interessieren solche Kleinigkeiten?) Heuschrecken sind, welches Pendant aus dem Tierreich gebührt dann meinem Lieblingspolitiker?

Update: Arbeiterlieder zum Download. (gefunden bei Jurabilis)

BIIIIIG

Heute Nachmittag habe ich nicht gearbeitet. Sondern Sophie, mein achtjähriges Patenkind, an der Schule abgeholt. Nach einer Woche Jugendherberge hatte sie nicht nur Lust auf Kino („Robots“), sondern bestand auch auf altersgerechter Nahrungszufuhr.

Bei meinem Menü war ein Hamburger namens „Big Tasty“ dabei.

Börps.

„TATVORWURF“

Sie hielten bei einer Geschwindigkeit von 145 km/h den erforderlichen Abstand von 72,5 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein. Ihr Abstand betrug 24,2 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes.

Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie das nicht sofort verstehen. Ihrem Anwalt geht es auch nicht besser.

MÜNTES FEHLER ?

Die Welt berichtet über Münteferings Wirkung auf Kopf und Herz der Wähler in Nordrhein-Westfalen:

Münteferings Kampagne verfängt nicht. …. Die Kapitalismus-Kritik trifft zwar den Nerv der Bevölkerung, wird aber auch als Wahlkampfinszenierung empfunden. … Wie Frank Plasberg der WELT sagte, fand die Mehrzahl der Zuschauer, deren Anrufe den WDR erreichten, die Thesen Münteferings „hochinteressant“. Allerdings habe ebenfalls eine Mehrheit der Anrufer die Kritik des SPD-Chefs mit dem Wahlkampf in NRW in Verbindung gebracht und deswegen nach dem Motto kritisiert: „Man merkt die Absicht und ist verstimmt.“ …

Der Duisburger Politologe Karl-Rudolf Korte sieht als Grund für die mangelnde Durchschlagskraft der Müntefering-Thesen im NRW-Wahlkampf den Widerspruch zwischen der Kapitalismuskritik und der realen Politik von Rot-Grün in Berlin. Nach Kortes Meinung sieht die Bevölkerung im Vorstoß Münteferings „eine bloße Inszenierung, der keine politische Entscheidung folgt“. Zwar liefere Müntefering Feindbilder, biete aber keine Positivbotschaften.

Laut Emnid kriegte Schwarz-Gelb trotz Müntes Geklopfe derzeit 51 Prozent der Stimmen. Sollte mein Lieblingspolitiker doch aufs falsche Pferd gesetzt haben?

MAßLOS

Polizeiliche Durchsuchungen von Haus- und Büroräumen nach geringfügigen Delikten wie einer Geschwindigkeitsübertretung sind ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 28.04.2005 in Straßburg in einem Urteil gegen Deutschland, berichtet beck aktuell.

WERKTAG

In vielen (Alt-)Mietverträgen steht drin, dass diese spätestens bis zum dritten Werktag eines Monats gekündigt werden können (mit einer Frist von x Monaten). Der Bundesgerichtshof hatte laut Handelsblatt zu entscheiden, ob der Samstag ein Werktag ist und deswegen mitgerechnet werden muss.

Wie nicht anders zu erwarten, entschieden sich die Juristen für das Gegenteil von dem dem, was heute wohl die meisten Menschen bei Günther Jauch aussagen würden. Ein Samstag ist, so der BGH, ein Werktag. Basta.

Gleiches Problem übrigens auch bei Parkscheiben. „Werktags von 7 bis 19 Uhr“ gilt ebenfalls an Samstagen.

FREIBETRÄGE

Bei einem Alleinstehenden, der im Monat € 1.000,00 netto verdient, können Gläubiger € 10,40 pfänden. Das ergibt sich aus der neuen offiziellen Pfändungstabelle. Die Freibeträge sind mittlerweile so hoch, dass sich selbst ein Großteil der Schuldner mit Arbeit hinter den Freibeträgen verschanzen und „pfandfrei“ leben kann.

Das hat übrigens für Leute mit niedrigem oder mittlerem Einkommen indirekt negative Konsequenzen. Wir haben immer mehr Mandanten, die sich einfach nicht erklären können, warum ihnen ein Versandhaus nichts liefert. Oder ein Mobilfunkanbieter keinen Handyvertrag abschließen will. Von einem Autokauf auf Kredit ganz zu schweigen.

Da Schufa und ggf. Creditreform meist leidlich in Ordnung sind, bleibt eigentlich nur eine Erklärung: Großunternehmen selektieren ihre Kunden verschärft präventiv. Ich habe den Verdacht, dass dies mit der Einsicht zusammenhängt, dass im Ernstfall selbst bei einer Vielzahl von Berufstätigen nichts zu holen ist.

(Link gefunden in den Lichtenrader Notizen)

BGH: ERSCHLICHENES VISUM NICHT STRAFBAR

Machen sich Ausländer strafbar, wenn sie mit falschen Angaben ein Visum erschleichen? Zu dieser Frage hat der Bundesgerichtshof heute ein Grundsatzurteil gefällt. Danach kommt es lediglich darauf an, ob das Visum korrekt von der deutschen Auslandsvertretung erteilt worden ist. Ist das der Fall, macht sich ein Ausländer nicht strafbar, auch wenn er die zuständige Botschaft über seinen Reisezweck getäuscht hat.

Die Karlsruher Richter erteilen damit der Auffassung eine Absage, wonach ein Ausländer auch dann “unerlaubt” eingereist sein kann, selbst wenn er er ein formal korrektes Visum besitzt. Eine Einreiseerlaubnis sei grundsätzlich wirksam, heißt es in dem Urteil, selbst wenn sie “rechtsmissbräuchlich” erlangt worden ist. Das Gericht stützt sich auf das Bestimmtheitsgebot. Es sei unzulässig, die Rechtmäßigkeit einer Einreise von “der zufälligen Nachweisbarkeit der Tatumstände im Einzelfall” abhängig zu machen.

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs. Aktenzeichen: 2 StR 457/04.