BÜRGSCHAFT

Die merkwürdig formulierte Bürgschaft hat mich zu folgendem Schreiben inspiriert:

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser Mandant nimmt überrascht zur Kenntnis, dass Sie ihn aus der nicht datierten Erklärung auf Zahlung der regelmäßigen Miete in Anspruch nehmen. Herr N. hatte die Erklärung so verstanden, dass er lediglich für eventuelle Renovierungskosten bzw. nicht gezahlte Nebenkosten haftet.

Insoweit ist das von Ihnen verwendete Formular nicht klar und verständlich. Die Verwendung des Begriffs „Nutzungsgebühren“ für die monatliche Mietzahlung ist irreführend. Hieraus wird nicht hinreichend deutlich, was eigentlich gemeint ist. Man könnte auch von einer Verschleierung sprechen, da „Gebühren“ etwas völlig anderes sind als die vetraglich geschuldete Miete. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch spricht von „Miete“ und nicht von Nutzungsgebühren. Somit ist die Klausel nicht klar und verständlich.

Die Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der Klausel, § 307 Abs. 1 BGB, vgl. dort insbesondere Satz 2.

Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass unbeschränkte Bürgschaften für Mietverhältnisse ohnehin nur bis zur Drei-Monats-Kautionsgrenze wirksam sein können. Hierbei darf nur die monatliche Kaltmiete zugrunde gelegt werden. Soweit ersichtlich, fordern Sie jedoch die Warmmiete für drei Monate.

Bitte nehmen Sie den Mahnbescheidsantrag zurück.

Mit freundlichen Grüßen

MURMELTIER-TAG

Auf der Nordstraße in Düsseldorf wirbt ein Telefonladen mit folgendem, riesig gedruckten Slogan: „Keine Anschlussgebühr – nur heute!“

Schon seit Wochen.

VERSICHERUNG AUFLÖSEN ?

Einer mittellosen Prozesspartei darf Prozesskostenhilfe nicht mit mit dem Hinweis verweigert werden, dass sie zuerst eine bestehende Lebensversicherung auflösen muss. Das geht nach Auffassung des Oberlandesgericht Naumburg jedenfalls dann nicht, wenn die Lebensversicherung der vernünftigen Altersvorsorge dient.

Allerdings halten es die Richter für zumutbar, wenn der Betroffene seine Versicherung für die Prozessdauer beitragsfrei stellt. Mit den ersparten Beiträgen wäre dann das Verfahren zu finanzieren.

(MDR 2006, 237)

JETZT GEHT’S LOS – HEUTE MAL SPÄTER

In diesem Beitrag habe ich versucht zu begründen, warum der Satz „Ich steche dir die Augen aus“ nicht den Straftatbestand der Bedrohung erfüllt. Zumindest nicht, wenn er im Rahmen einer laufenden Attacke mit einem spitzen Stock geäußert wird, die – möglicherweise – genau auf dieses Ziel gerichtet ist. Damals gab es 34 Kommentare. Ich möchte deshalb die Fortsetzung nicht versäumen: Auch das Landgericht Düsseldorf teilt meine Meinung nicht. Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts, das meinen Mandanten immerhin teilweise freigesprochen hatte, wies die Strafkammer heute zurück.

Auch die Berufungsrichter sind der Meinung, dass das Abbrechen eines Stocks und die Verfolgung des Opfers noch keine „Ausführungshandlung“ darstellt. Damit habe der Versuch noch nicht begonnen; die mögliche Körperverletzung sperre also keinesfalls die Verwirklichung des Bedrohungstatbestandes.

Es ist schon erstaunlich, wie großzügig Richter den Versuchsbeginn hinausschieben, wenn es ins Konzept passt. Jemand, der mit einem erhobenen Stock hinter einem Flüchtenden herrennt, soll noch nicht die die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten haben? Es wäre wirklich nett, wenn das in anderen Fällen auch so großzügig gesehen würde.

Immerhin konzedierte der Vorsitzende, dass mein Mandant, der die Verfolgung ohne äußeren Druck abbrach, vom Versuch der schweren bzw. gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten wäre. Und zwar straflos.

Allerdings meint das Gericht, genau deswegen sei der Bedrohungstatbestand sowieso in keiner Weise tangiert. Die Strafbarkeit wegen Körperverletzung sei durch den Rücktritt eben entfallen, deshalb sei die Bedrohung durch nichts geblockt.

Auch wenn die Argumentation besser klingt als die des Amtsgerichts, ist sie nicht richtig. Eine Bedrohung ist etwas, das in der Zukunft liegt. Der Bundesgerichtshof formuliert es so (NStZ 1984, 454):

Eine Drohung kann nur als Inaussichtstellung, als Hinweis auf etwas Zukünftiges begriffen werden. In der Verwirklichung eines Geschehens kann aber nicht zugleich seine Inaussichtstellung liegen.

Keine Frage, der Satz „Ich steche dir die Augen aus“ kommt zu der Verfolgung mit dem spitzen Stock hinzu. Aber die Ankündigung bezieht sich eben nicht auf ein künftiges Übel, sondern auf ein gegenwärtiges. Das Übel wird gerade verwirklicht. Selbst wenn noch kein Versuch vorläge, handelt es sich um ein geschlossenes Geschehen. Es ist jedenfalls ganz, ganz dicht am Versuch dran. Darf man die Ereignisse dann tatsächlich so aufspalten, dass es genau zum Nachteil des Angeklagten ausgeht? Und wenn ja, worin liegt denn eigentlich das eigenständige Unrecht der angeblichen Bedrohung?

Die vorläufig letzte Antwort steht noch aus. Jetzt hat das Oberlandesgericht das Wort.

STRAFGERICHTE UNTER DRUCK

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Das Bundesverfassungsgericht verweist die Strafjustiz in immer engere Grenzen. Das erfahren gerade Staatsanwaltschaften und Gerichte in Nordrhein-Westfalen, die ein folgenschwerer Beschluss erreicht. Danach unterliegen selbst Verfahren, in denen ein Untersuchungshäftling gegen Auflagen bereits auf freien Fuß gesetzt worden ist, dem „Beschleunigungsgebot“ für Prozesse: „Allein die Existenz eines Haftbefehls kann für den Beschuldigten eine erhebliche Belastung darstellen“. Der Haftbefehl ist demnach schon dann völlig aufzuheben, wenn „Beginn, Dauer und Beendigung eines Verfahrens in keiner Weise konkret absehbar sind“.

Mit ihrer Entscheidung (AZ 2 BvR 1737/05) hat die 3. Kammer des Zweiten BVG-Senats der Ansicht des Oberlandesgerichts Köln deutlich widersprochen. Einem Beschuldigten wird von der Staatsanwalt Aachen gewerbsmäßige Hehlerei und unerlaubtes Glücksspiel vorgeworfen. Das Amtsgericht ordnete im Januar 2004 Untersuchungshaft an, deren Vollstreckung nach über einem Jahr ausgesetzt wurde. Der Beschuldigte zahlte eine Kaution, hinterlegte seine Ausweise und meldete sich regelmäßig bei den Behörden. Er drang aber auch darauf, den Haftbefehl völlig aufzuheben. Das Oberlandesgericht Köln verweigerte seine Zustimmung: Das Verfahren verzögere sich lediglich durch die Schwangerschaft einer Richterin. Dadurch werde das Beschleunigungsgebot für den Prozess nicht verletzt.

Außerdem sei es ja wohl die Strategie der Verteidigung, ihre Rechte „extensiv auszuschöpfen“. Beide Argumente wischte das BVG vom Tisch. Für die schwangere Richterin etwa hätte ein Ergänzungsrichter einspringen können. Und: Das Gericht muss darlegen, warum es mit den Verteidigern nicht klar kommt. Wörtlich heißt es in der Entscheidung unter Berufung auf im Grundgesetz garantierte Freiheitsrechte: „Der Staat kann sich dem Beschuldigten gegenüber nicht darauf berufen, dass er seine Gerichte nicht so ausstattet, wie es erforderlich ist, um die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abzuschließen“.

Auch ein nicht vollstreckter Haftbefehl ist mit einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit verbunden“. Jens Gnisa, der NRW-Landesvorsitzende des deutschen Richterbundes (DRB) sorgt sich jetzt: „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht deutlich, wie angespannt die personelle Situation bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften ist. Ein weiterer Personalabbau ist nicht zu verkraften, ohne die innere Sicherheit zu gefährden.“

Zudem fordert der DRB vom Gesetzgeber eine Reformierung des Strafverfahrens. Denn Gnisa sieht „Missbrauchsmöglichkeiten“ beim Stellen von Beweisanträgen durch Verteidiger. „Gegen Verschleppungsstaktiken müssen die Gerichte mehr freie Hand bekommen“. Lakonisch reagiert Ulrich Hermanski vom Justizministerium auf die Entscheidung des BVG: „Staatsanwaltschaften und Gerichte kennen und beachten die Karlsruher Rechtsprechung“. (pbd)

SO ERLEDIGT

Ich erinnere mich noch genau. Der Mandant war verzweifelt. Eine ARGE (formerly known as Sozialamt) verweigerte ihm und seiner Frau Zahlungen. Trotz etlicher, auch schriftlicher, Proteste erhielt er eine bestimmte Summe nicht ausgezahlt.

Ich legte Widerspruch ein und begründete diesen. Wenige Tage später rief eine Sachbearbeiterin an. Dem Widerspruch werde abgeholfen. Weitere zwei Tage meldete sich der Mandant. Das Geld sei da. Vielen Dank.

Auf den schriftlichen Bescheid der ARGE warte ich jetzt schon seit einigen Wochen. Hofft da jemand, dass die Sache sich so erledigt hat? War da nicht noch etwas? Zum Beispiel die Frage, wer die Anwaltskosten trägt.

Die Erinnerung ist unterwegs.

MONSTERMAHN AG

Die Technik ist beliebt. Obwohl man für den Mandanten – mit guten Gründen – die Zahlungsansprüche als unbegründet zurückgewiesen hat, schickt der Vertragspartner / Vermieter unermüdlich Mahnungen / Kontoauszüge.

Ruhig Blut, kann man da nur raten. Papier ist geduldig. Es hat, wird es nicht ans Gericht geschickt, auch noch nie zu einem Vollstreckungstitel geführt.

Jetzt fordert mich eine Mandantin aber auf, den „Mahnterror“ mit Hilfe des Gerichts zu beenden. Mit einer negativen Feststellungsklage kann ich feststellen lassen, dass die geltend gemachte Forderung nicht besteht. Folgt aus dieser Feststellung aber auch ein Anspruch, nicht mehr mit Mahnungen behelligt zu werden? Verletzung nebenvertraglicher Pflichten? Oder ist sogar die juristische Supernuke zu zünden, auch bekannt als allgemeines Persönlichkeitsrecht?

Die Klärung der Frage kann ich noch etwas verschieben. Vielleicht, ja vielleicht sieht es sogar die Monstermahn AG ein, dass nach einem solchen Urteil Mahnungen auch nichts mehr bringen. Ach, und vergessen: Von der Auftraggeberin lasse ich mir unterschreiben, dass negative Feststellungsklagen auch in die Hose gehen können.

PAUSCHAL

Sehr geehrter Herr Kollege B.,

in der im Betreff genannten Angelegenheit hat uns Jens Scholz wegen der von Ihnen am 17.03.2006 per E-Mail ausgesprochenen „Unterlassungsaufforderung“ mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt. …

I.
Sie behaupten in Ihrer Unterlassungsaufforderung vom 17.03.2006 über unseren Mandanten, dieser habe auf seiner Internetseite unter www.jensscholz.com (a) ein schädigendes Verhalten gegenüber Ihrer Mandantschaft gezeigt, (b) in verschiedenen Beiträgen und Kommentaren unwahre und beleidigende Behauptungen über Ihre Mandantschaft verbreitet, die diese auf das übelste herabwürdigen und verunglimpfen würden sowie (c) Ihre Mandantschaft unter Behauptung unwahrer Tatsachen angeschwärzt.

Mit diesen Äußerungen / Behauptungen soll unser Mandant in das „Persönlichkeitsrecht“ Ihrer Mandantschaft eingegriffen und ein Verhalten von strafrechtlicher Relevanz gezeigt haben, weshalb unser Mandant bis zum 20.03.2006 (12.00h) jegliche von ihm verbreitete, rechtswidrige Äußerungen über Ihre Mandantschaft zu beseitigen habe.

II.
Die von Ihnen ausgesprochene Unterlassungsaufforderung vom 17.03.2006 weisen wir namens unseres Mandanten aus formalen und rechtlichen Gesichtspunkten vollumfänglich zurück.

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QUICK READ

Thomas Thiemeyer, Medusa:

In stummer Ehrfurcht schritten die Mitglieder der Gruppe die Stufen empor und passierten die betenden Skulpturen, bis sie unmittelbar vor der Medusa standen. Schweigend betrachteten sie das dreilappige Auge, das wie ein fremder Stern auf sie herabschien. Das Material war in der Tat merkwürdig. Grobe Einsprengsel in einer feinkörnigen Grundmasse waren zu erkennen. Und der Glanz der Oberfläche vermittelte den Eindruck triefender Feuchtigkeit. Irene, die das seltsame Phänomen ebenfalls entdeckt hatte, hob die Lampe und ein großartiges Bild tat sich vor ihnen auf. Die Feuchtigkeit war nicht bloßer Schein, sondern Realität. Tränen rannen an den Seiten der Lider herab und sammelten sich in zwei Kanälen.

„Seht nur, sie weint“, hauchte Irene…

Das Buch ist besser als das Zitat. Wer für etwas Indi-Jones-Feeling James Rollins erträgt, Matthew Reilly, Steve Alten oder Preston/Child, kann durchaus auch Thiemeyer lesen. Und zwar mit Vergnügen.

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