„Gelbe Karte“ für junge Straftäter

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

In ihrem Bemühen, die Jugendkriminalität zu bewältigen, füllt Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) alten Wein in neue Schläuche. Das allerdings mit hoch gekrempelten Ärmeln. Das Motto „Erziehung statt Strafe“ heißt seit gestern nicht mehr fachlich-hochgestochen „Diversion“. Stattdessen wird gefährdeten Jugendlich ab sofort die „Gelbe Karte“ gezeigt.

Polizei- und Kriminalbeamte tun das – einvernehmlich mit Angehörigen der Jugendämter und den Staatsanwälten. „Bislang fehlte eine Vernetzung, eine gemeinsame Strategie“, sagte die Ministerin. Jetzt sollen junge Kriminalitätseinsteiger frühzeitig „abgefangen“ werden, bevor sie massiv auf die schiefe Bahn geraten.

In den nächsten zwei bis drei Jahren müsse das Projekt in allen mittleren und großen Städten des Landes umgesetzt sein. In Remscheid etwa hat es schon funktioniert: Gegen mehrere jugendliche Neo-Nazis war ermittelt worden. Die Staatsschutz-Abteilung der Kripo arrangierte einen sozialen Trainingskurs. Die Beteiligung daran machte der Staatsanwalt zur Auflage. Keiner der Beteiligten fiel noch mal einschlägig auf.

Die Diversionstage in Remscheid gibt es seit fünf Jahren. Und der Erfolg scheint beachtlich zu sein. In 52 Terminen sind 1 200 Verfahren mehr erzieherisch als strafrechtlich verhandelt worden: Die Polizei musste gegen 95 Prozent der Jugendlichen nicht mehr einschreiten. „Diese Erfolgsgeschichte möchte ich fortschreiben“, hob die Justizministerin hervor und erklärte auch gleich den Namenswechsel. Den Begriff „Gelbe Karte“ hält sie für eminent wichtig. Er hat die bekannte, eindeutige (Fußball-) Botschaft: Nach „Gelb“ kommt bei erneutem Fehlverhalten „Rot“, also beispielsweise Jugendarrest oder sogar Jugendstrafe.

Das Verfahren wird auf einen Tag begrenzt, soll schnell, konzentriert und ortsnah sein und mit einer Entscheidung enden. Die kann – etwa bei einer leichteren Straftat und einem einsichtigen Jugendlichen – gemeinnützige Arbeit zum Ziel haben. Zeigt der Betroffene aber keine Einsicht, wird sofort Anklage zum örtlichen Jugendrichter erhoben.

Damit das Projekt auch flächendeckend umgesetzt werden kann, wird es wissenschaftlich in drei Gemeinden des Bergischen Lands und in Köln (auch in Schulen) begleitet. „Wir brauchen einen Leitfaden für die spätere Praxis“, begründete Müller-Piepenkötter diese kriminologische Projektanalyse.

Noch ein Modell will sie schaffen. Ab September wird ein Jugend-Staatsanwalt aus Wuppertal sein Büro im Amtsgericht Remscheid beziehen. Die Vorteile, sagt die Justizministerin, lägen auf der Hand: „Der Staatsanwalt vor Ort kennt innerhalb kürzester Zeit seine ‚Pappenheimer’“. Er könne deshalb in enger Abstimmung mit dem Jugendgericht, der Polizei, dem Jugendamt und der Jugendarrestanstalt „sehr schnell die erzieherisch wirksamsten Mittel einsetzen“. (pbd)