Verspannt

Spar-Markt. nah & gut. Ich bin dritter in der Schlange an der Kasse. Eine junge Frau steht plötzlich neben dem vorderen Kunden, eine Cola-Flasche in der Hand. „Kann ich die auch beim Bäcker zahlen?“ „Neeeeein.“ Das Mädchen inszeniert einen herrlich ratlosen Blick. Dann gibt sie sich einen Ruck. „Darf ich schnell zwischendurch bezahlen?“

Die Kassiererin zuckt mit den Schultern. Die Leute vor mir verspannen zwar, sagen aber nichts. Die junge Frau kriegt ihre Cola und stapft gut gelaunt davon. „Die soll sich lieber beim Friseur vordrängeln“, tobt der Mann ganz vorne in der Schlange. „Unverschämtheit“, zischelt die Frau hinter ihm. „Wir warten doch auch.“ Die Kundin vor mir dreht sich zu mir um. Ich kenne sie, weiß aber nicht von wo. Ihre Gesichtsmuskeln zucken. „So eine Gör, als wenn wir unsere Zeit gestohlen haben.“

„Also, ich hätte sie vorgelassen.“ Sage ich in die neue Stille und die fragende Miene der Vorderfrau hinein. „Und wenn Sie was dagegen haben, dann müssen Sie es der Kundin sagen. Und nicht später schimpfen.“ Mist, denke ich, jetzt gibt’s überflüssiges Theater.

Doch eigentlich sollte ich es schon besser wissen. Die Leute vor mir gucken kurz, als wäre ich vom Mond. Doch keiner sagt was. Ich nehme an, das heben sie sich auf, bis ich um die Ecke verschwunden bin.

Teures Knöllchen

Der Lkw-Fahrer, dem hellseherische Fähigkeiten zugemutet wurden, kommt ohne Bußgeld davon. Die Richterin am Amtsgericht Montabaur konnte ebenfalls nicht erkennen, dass ein Kraftfahrer bei einem Miet-Lkw vor Fahrtantritt überprüfen muss, ob der Geschwindigkeitsbegrenzer auf die korrekte Geschwindigkeit eingestellt ist. Ohne Spezialkenntnisse dürfte das bei einem modernen Lastwagen ohnehin nicht zu machen sein.

Das Verfahren ist eingestellt worden. Weil die Bußgeldbehörde auch vorher hätte merken können, dass an der Sache nichts dran ist, muss die Staatskasse nicht nur die Verfahrens-, sondern auch meine Kosten übernehmen. Letztlich kein billiges Knöllchen. Für den Steuerzahler.

Lauter nette Kerle

Heute ging es am Amtsgericht darum, wer wen misshandelt hat. Der Bundespolizist, als er meinen Mandanten schwarzer Hautfarbe bei einer Ausweiskontrolle in den Knebelgriff nahm, obwohl der Angehaltene schon seine Brieftasche rausgeholt hatte. Oder der Angeklagte, der auf die höfliche Bitte nach seinem Ausweis im Hauptbahnhof den Beamten unvermittelt zu Boden geschlagen und auf ihn eingetreten haben soll.

Die Vernehmung des Bundespolizisten brachte jedenfalls ein erstaunliches Ergebnis. Stand in der Anzeige noch, mein Mandant habe wütend zugeschlagen, war jetzt nur noch von einer „Abwehrreaktion“ die Rede. „Das war kein bewusster Schlag, und verletzt worden bin ich auch nicht.“ Daran, dass mein Mandant ihn laut Anzeige mehrfach getreten hat, konnte sich der Beamte nicht mehr erinnern. Er war sich sogar sicher, dass der Angeklagte „so was“ nicht gemacht hat.

Wir haben die Frage offengelassen, wieso man Dinge in die Anzeige schreibt, die nicht stimmen. Denn beide Seiten beteuerten unvermittelt, der andere sei doch eigentlich ein netter Kerl. Und keiner habe es böse gemeint hat, was auch immer genau vorgefallen ist.

Das Verfahren konnte also eingestellt werden. Mit einer korrekten Anzeige hätte der Steuerzahler allerdings eine Menge Geld gespart. Denn eine „unbewusste Abwehrreaktion“ ohne Folgen hätte selbst der schärfste Staatsanwalt in die Tonne gekloppt.

Mikado: The Final Round

Die angekündigte Verfassungsbeschwerde gegen die Operation Mikado ist eingereicht. Ich bedanke mich bei Jens Ferner. Er hat den Schriftsatz maßgeblich vorbereitet.

Sobald ich etwas aus Karlsruhe höre, sage ich Bescheid.

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Mikado

Vollmacht für mich selbst

Ich habe mich selbst und meine Kollegin Annette Mertens gemäß § 22 Bundesverfassungsgerichtsgesetz gerade schriftlich bevollmächtigt, mich in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu vertreten.

Nicht, dass es von interessierter Seite noch heißt, der Antragsteller Udo Vetter hat dem Verfahrensbevollmächtigten Udo Vetter keine ordnungsgemäße Vollmacht erteilt, deshalb ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.

Man muss heutzutage ja mit allem rechnen.

Akten auf Reisen

Habe mich gerade geärgert, dass es bei einer bestimmten Staatsanwaltschaft nicht einmal möglich ist, über die Telefonzentrale hinwegzukommen. Einfach, weil sich dort in den meisten Fällen niemand meldet. Nicht nur heute, sondern schon seit Monaten, wenn nicht Jahren.

Aber was rege ich mich auf? Woanders ist es auch nicht besser, wie Berliner Kollegen gerade erfahren.

Kein Interesse

Ein Mann verprügelt seine Freundin. Und zwar heftig. Die Tat geschieht in einem Wohnheim für Asylbewerber. Vor den Augen der Mitbewohnerinnen des Opfers.

Die Staatsanwaltschaft stellt das Ermittlungsverfahren ein und verweist das Opfer auf eine Privatklage. Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung kann die Staatsanwältin nicht erkennen.

Man könnte ja mal darüber nachdenken, ob das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung sich nicht schon daraus ergibt, dass sich die Tat in einem öffentlichen Wohnheim zugetragen hat, in dem die Frauen sich zwangsweise aufhalten müssen.

Bin gespannt, wie die Staatsanwältin sich dazu stellt. Um eine Entscheidung kommt sie nicht herum. Ich habe Beschwerde eingelegt.

Setup

Florian Holzhauer verrät, wie es beim law blog hinter der Kulisse aussieht:

Der lawblog nutzt die jeweils aktuelle Version von WordPress mit mehreren Plugins, wp-cache, Spam Karma, Link Truncator und einige von mir handgeschriebene Patches und Plugins, die alle eher administrativer Natur sind. Das ganze dann verpackt in einen lighttpd mit chroot environment.
In dieser Kombination wuppt der Webserver, irgendein Standard-2Ghz-1GB-Ding, ohne nennenswerte Last alle Weblogs, die der Rechner beherbergt. Für den Fehlerfall wird Datenbank und Documentroot regelmässig auf zwei andere Maschinen gespiegelt, die gegebenenfalls Hot-Failover machen können.

Das muss allerdings absichtlich manuell passieren.

Als nächstes Bastelprojekt für die Zeit nach dem Camp steht dann an, die Datenbank in Echtzeit zu syncen, um so bei extrem hoher Last auch DNS-RoundRobin mit zwei Webservern zu fahren. Realistisch betrachtet ist das Overkill, da selbst eine Spon- oder Heise-Verlinkung den aktuellen Server nicht sonderlich kratzen, aber ich finde das Projekt spannend.

Quelle

Die beabsichtigte Vernichtung desselben

Großaufgebot der Polizei. Schlägerei in einem Bistro. Nach einigen Zeugenvernehmungen stellt sich heraus: Es gab zwar einige hitzige Wortgefechte, passiert ist zwischen den beteiligten Gruppen aber nichts. Die Verfahren werden eingestellt.

Ein Opfer bleibt allerdings zurück. Es handelt sich um einen fabrikneuen Baseballschläger. Dem hat der Staatsanwalt ein besonderes Schicksal zugedacht:

Einer Anhörung des letzten Gewahrsamsinhabers des sichergestellten Baseballschlägers = Mustapha N. zur beabsichtigten Vernichtung desselben bedarf es nicht, da dieser gegenüber den aufnehmenden Polizeibeamten angegeben hat, den Baseballschläger zufällig in einem Gebüsch vor dem Bistro gefunden zu haben. … Asservat (Baseballschläger) vernichten.

Mustapha N. ist nicht mein Mandant, so bleibt mir eine Baseballschläger-Rettungsaktion erspart.

Verständnisvolle Partner

Die Hauptverhandlungs-Mittagspause neigt sich dem Ende zu. Meine Tischnachbarin im Woyton telefoniert mit ihrem Liebsten:

Honey, du kannst ruhig zum Griechen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn du heute Abend stinkst.