Anwälte: Sensibel mit der Verfassung umgehen

Staatliche Terrorabwehr darf nicht zu Lasten der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger gehen, fordert der Deutsche Anwaltverein (DAV). Staatliches Handeln müsse immer verfassungsrechtlich legitimiert sein. Deshalb darf der Kampf gegen den Terrorismus nach Ansicht von Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorsitzender des DAV-Strafrechtsausschusses, nicht um jeden Preis geführt werden. Der Wunsch der Sicherheitsbehörden nach wirksamen Mitteln zur Terrorabwehr dürfe nicht dazu führen, dass der Rechtsstaat ausgehöhlt wird.

„Es ist viel wichtiger bei bestehender Gesetzeslage die tägliche Arbeit der notwendigen Sicherheitsbehörden besser zu organisieren, zu finanzieren und den heutigen Anforderungen anzupassen„, so Rechtsanwalt Hartmut Kilger, DAV-Präsident.

Die Wirklichkeit sehe anders aus. Der Ruf der Sicherheitsbehörden nach erweiterten Befugnissen werde lauter. Nach neusten Presseberichten wollen die Sicherheitsbehörden nicht nur an der geplanten Online-Durchsuchung festhalten, sie wollen künftig auch zur Gefahrenabwehr Wohnungen heimlich durchsuchen können und das “in-camera“-Verfahren in den Strafprozess einführen. Damit sollen auch die Gerichte den Verteidigern Beweismaterial vorenthalten können.

„Dies erinnert nicht nur an die Methoden der Geheimdienste“, mahnt König. “Dieser Vorstoß ist mit der Verfassung nicht zu vereinbaren und deshalb strikt abzulehnen.“ Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass das in-camera-Verfahren im Bereich des Strafprozesses tabu ist; es verstößt gegen Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz.

Der darin verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts “nicht nur ein prozessuales Urrecht des Menschen, sondern auch ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist“ (BVerfG, Beschl. v. 14.12.2006 – 2 BvR 1290/05).

Das in-camera-Verfahren gebe es lediglich im Verwaltungsprozess, weil dort nicht der Grundsatz “im Zweifel für den Angeklagten“ gelte, sondern der Bürger beweisbelastet sei.