Gerichtskostenmarken sterben aus

Kaufen, lecken, kleben – ganze Generationen haben so die Kosten für Zahlungsbefehle (die heutigen Mahnbescheide), für Klageschriften oder Anträge bezahlt. Denn klebte erstmal die entsprechende Gerichts- später: Justizkostenmarke fest auf der ersten Seite der Akte, dann war auch für immer der Nachweis für die nötige Vorauszahlung der Gebühren erbracht.

Das galt für Anwälte und deren Gehilfen ebenso wie für nach Recht suchende Bürger und Geschäftsleute. Auch für Menschen, die aus der Kirche austreten und lediglich eine amtliche Beglaubigung ihrer Unterschrift oder eine Abschrift haben wollten. Damit ist es bald vorbei. Die nordrhein-westfälische Justiz hat zwar noch rund 400 000 dieser bunten Marken. Wenn die aber ausverkauft sind, könnten sie bei spezialisierten Sammlern zu Raritäten werden: Der Gebührenstempler löst die Papier-Wertzeichen ab, beschafft werden keine mehr.

Sie entstanden in der Berliner Bundesdruckerei. Niemand hat dort festgehalten, wie viele für wie viel Geld jemals in die Gerichtskassen der Bundesländer geliefert worden sind. Diese Marke mit der gummierten Rückseite war Mittel zum Zweck, sie taucht kaum in Statistiken auf. Selbst das Internetlexikon „Wikipedia“ bietet mal gerade 46 Einträge. Und doch sind in NRW jährlich für bis zu zehn Millionen Euro verkauft worden – im vorigen Jahr waren es noch 483.000 Marken der unterschiedlichsten Werte zwischen fünf Cent und 200 Euro.

Schon 1949/51, in den Kindertagen der Bundesrepublik, hatten sich die Bundesländer auf eigene Marken geeinigt, die dennoch bundesweit anerkannt wurde. Nach der Wiedervereinigung zogen auch die neuen Länder mit.

Die wahrhaft neue Zeit kam Anfang 2002 mit der Währungsumstellung auf den Euro. Ab da gab es auch den neuen offiziellen Begriff „Justizkostenmarke“ und ein verändertes Gesicht. Die edle Justitia mit den berühmten verbundenen Augen und der Gerechtigkeit signalisierenden Waage rückte in den Mittelpunkt. Genau deshalb bietet der Abschied von der Justizkostenmarke bei aller Trauer nun einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Läutet er doch das Ende einer höchst unschicklichen Maßnahme ein. Niemand wird sich nämlich künftig noch veranlasst sehen, eine Gebühr zu entrichten – um danach einer sichtbehinderten Dame den Rücken abzuschlecken. (pbd)


Justizkostenmarken

Abspielgerät

Vor 27 Jahren wurde am Ammersee Ursula Herrmann entführt und in eine vergrabene Kiste gesperrt. Darin erstickte sie, während ihr Entführer Lösegeld von den Eltern der 11-Jährigen forderte. Der Täter wurde nie ermittelt. Jetzt soll es Fortschritte geben. Verdächtig ist ein 58-jähriger Mann, der damals in der Nähe des Kindes wohnte und auch 1981 schon beschuldigt wurde:

Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz mitteilte, haben die Ermittler in der Wohnung des mutmaßlichen Entführers nun ein Abspielgerät beschlagnahmt, auf dem sich eine Melodie befindet, die der Entführer immer dann abspielte, wenn er bei den Eltern des Mädchens anrief, um neue Bedingungen zu stellen. Außerdem würden noch DNA-Spuren überprüft, sagte Nemetz. (stern)

Dass ein mutmaßlicher Täter, der schon unmittelbar nach der Tat überprüft wurde und sich schon damals in Widersprüche verstrickte (BR-online), so ein „Abspielgerät“ und das verfängliche Tonband 27 Jahre aufbewahrt und zwischenzeitlich auch noch damit umzieht, ist schon bemerkenswert. Zumal bei ihm schon mehrfach durchsucht worden sein soll, wie es in diesem Bericht heißt. Aber man wird wohl annehmen dürfen, dass es sich um eine seltenere Melodie handelte als zum Beispiel diese.

Wollen sie „Wilde“ sein?

In Brasilien soll es noch Stämme geben, die bislang keinen Kontakt mit der Außenwelt hatten.

Spiegel online zeigt sehr eindrückliche Fotos von Kriegern, die das über ihnen schwebende Flugzeug mit Pfeilen beschießen. Außerdem wird der Sprecher einer Regierungskommission mit der Forderung zitiert, die Gebiete der Indianer zu schützen; die Rodung des Regenwaldes bedrohe ihren Lebensraum.

Unabhängig davon, dass der Regenwald natürlich schützenswert ist, stellt sich mir aber die Frage, ob es richtig ist, diese Menschen von oben herab von der Zivilisation auszuschließen. Ist es zum Beispiel in Ordnung, wenn in solchen Dörfern Kinder an Krankheiten sterben, die jeder Arzt mit einem Medikamentenkoffer problemlos retten könnte? Wer sagt denn, dass die Stammesangehörigen auch vor der Zivilisation geschützt werden wollen? Ihr Dorf sieht jedenfalls nicht so aus, als wäre der Alltag paradiesisch.

Natürlich ist es möglich, dass die Menschen vom Kontakt mit der Außenwelt überfordert sind. Aber rechtfertigt das, die Indianer in einem Ethnik-Zoo zu halten? Zumal der Kulturschock ja in absehbarer Zeit ohnehin eintreten wird. Journalisten und Abenteurer werden sicher nicht zögern und sich auf die Suche nach den jetzt zur Schau gestellten Stämmen machen.

Nachfolger in Sicht

So unentbehrlich der Eee PC mittlerweile für mich geworden ist, so wenig glaube ich, dass er bei mir alt werden wird. Zum einen wegen des 7-Zoll-Displays. Das lässt sich jetzt gut ertragen, aber nicht, wenn es gleichformatige Subnotebooks mit 9 Zoll gibt. Ein den Rahmen ausfüllende Bildschirm dürfte die Arbeit um etliches angenehmer machen.

Außerdem fürchte ich ohnehin, dass ich gerade dieser Neuerscheinung nicht widerstehen kann.

Man kann es ja mal probieren

Die Entlohnung von Rechtsanwälten geht mit der Zeit. Das Vergütungsverzeichnis nimmt nicht mehr an, dass Dokumente grundsätzlich auf Papier kopiert werden. Für die Überlassung elektronisch gespeicherter Dateien gibt es deshalb 2,50 Euro – pro Datei.

Am Buchstaben des Gesetzes orientierte sich jetzt ein Anwalt. Er war als Pflichtverteidiger in einem umfangreichen Strafverfahren tätig. Später bestellte das Gericht einen weiteren Pflichtverteidiger. Dem Kollegen stellte der erste Anwalt, in Absprache mit dem Vorsitzenden, die Gerichtsakte zur Verfügung. Die Akte war auf DVD gespeichert. Insgesamt handelte es sich um rund 23.000 Seiten und sonstige Dokumente, aufgeteilt auf 3.348 Dateien. Der erste Anwalt kopierte die DVD und schickte sie dem neu bestellten Pflichtverteidiger zu.

Für diese Tätigkeit stellte er 8.370,00 € (3.348 Daten á 2,50 €) zuzüglich 1.339,20 € Euro Umsatzsteuer in Rechnung.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat ihm dieses Honorar verweigert:

Bei der Bestimmung der Dokumentenpauschale von 2,50 Euro je Datei hatte der Gesetzgeber keinesfalls die Vorstellung, dass in einem Umfangsverfahren mit geringem tatsächlichen Aufwand große Mengen Dateien auf eine DVD kopiert werden und der Rechtsanwalt nach Maßgabe von VV 7000 Nr. 2 hierfür das Hundert- oder gar Tausendfache des tatsächlichen Aufwands vergütet erhält. Ein derartige Bereicherung wäre ungerechtfertigt und mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung auch unter Berücksichtigung der mit einer Pauschalierung stets verbundenen Spielräume schlechterdings nicht vereinbar.

Stattdessen billigt es dem Anwalt nur den tatsächlichen Aufwand zu. Diesen hatte das Landgericht auf 2,90 € geschätzt. Ein Betrag, an dem das Oberlandesgericht nichts auszusetzen hatte.

(OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.03.2008 – III-3 Ws 72/08)

Wegfall von Sachen

Das Oberlandesgericht Düsseldorf informiert:

Nach der Terminslage des Senats steht ein früherer Verhandlungstermin als der 27. Februar 2009 nicht zur Verfügung. Die Prozessbevollmächtigten werden deshalb gebeten, von überflüssigen Anträgen auf Vorverlegung des Termins abzusehen. Sollte sich durch den Wegfall von bereits früher terminierten Sachen die Möglichkeit zu einer Vorverlegung ergeben, wird der Vorsitzende sich mit den Prozessbevollmächtigten in Verbindung setzen.

Super!

(Wir vertreten die Beklagte.)

Wir und der Rest der Welt

Es geht darum, ob mein Mandant pfändbares Einkommen hat. Er verdient 750 Euro netto und hat keine weiteren Einnahmen oder Vermögen. So hat er es angegeben.

Der Anwalt der Gegenseite glaubt das nicht. Belegen kann er seinen Verdacht nicht. Deshalb zieht er seine Lebenserfahrung heran. Diese sage ihm, schreibt er trocken, dass man von so einer „geringen Summe nicht leben kann“.

In Oberkassel (Kanzleisitz) vielleicht nicht.

Einmal vergleichen, doppelt zahlen

Vor fünf, sechs Jahren hatte unsere Mandantin mächtig Ärger. Man hatte ihr nicht nur eine Schrottimmobilie in bester Duisburger Kraftwerkslage angedreht, sondern auch noch den Aufteilungsplan getürkt. Der als abgeschlossene Einheit mitverkaufte „Spitzboden“ floss voll ins Hausgeld ein, dabei ist er nicht nutzbar – außer zum Wäsche aufhängen.

Es gab viel Gerangel, Gerichtsverfahren inklusive. Schließlich wurde dann ein Vergleich geschlossen und der Abrechnungsmaßstab endlich so umgestellt, dass der Spitzboden nicht mehr als beheizte Wohnfläche gilt. Mit knapp viertausend Euro Nachzahlung für eine ganze Reihe von Jahren kam unsere Mandantin gut weg. Sie überwies den Vergleichsbetrag vollständig, und dann war erst mal lange Zeit Ruhe.

Bis kürzlich eine neue Verwaltung anfing, Mahnungen zu schicken. Angeblich sind Hausgelder rückständig, und zwar in Höhe der Vergleichssumme. Jetzt meldete sich auch noch ein frisch ins Rennen geschickter Anwalt, der die Kosten ebenfalls geltend macht, natürlich zuzüglich seiner Gebühren.

Vielleicht sollten die erst mal mal beim früheren Verwalter nachfragen. Oder beim ehemaligen Anwalt der Eigentümergemeinschaft, der die ersten Raten entgegengenommen hat. Ich fürchte nämlich, dass dort was versickert ist. Jedenfalls ist meine Mandantin froh, dass sie noch ihre alten Kontoauszüge hat. Die belegen nämlich, dass der Vergleichsbetrag bis auf den letzten Cent geflossen ist.

In einer guten Stunde

Anruf in einer Großkanzlei. „Die Anwälte aus der Abteilung sind alle zu Tisch“, flötet die Telefonistin. „Können Sie es in einer guten Stunde noch mal versuchen?“

Wahrscheinlich jammern sie beim Italiener über die brutalen Arbeitsbedingungen.

Geschäftsmodell

Telefonnotiz:

Der Anrufer wollte es erst noch einmal versuchen. Möchte anonym bleiben… Meinte Hr. Vetter würde anonyme SIM-Karten verkaufen.

Wäre mir neu.

Strafverfolger

Eine Verhandlungspause am Düsseldorfer Landgericht nutzte ein Angeklagter heute zur Flucht. Er rannte durch den Zuschauereingang nach draußen und sprang in ein für ihn bereitgestelltes Auto, berichtet die Neue Rhein Zeitung.

Natürlich haben Wachtmeister versucht, ihn aufzuhalten. Aber nicht nur die Wachtmeister. Auch ein beisitzender Richter der Strafkammer soll den Flüchtenden verfolgt haben. Genau das führt jetzt vielleicht sogar noch zu juristischem Geplänkel. Der Verteidiger des Angeklagten überlegt, den Richter als befangen ablehnen. Mit der Verfolgung habe er seine Kompetenzen überschritten.

Hut ab, ich bin mir nicht sicher, ob ich darauf gekommen wäre. Und wenn ja, ob ich das der Presse so in den Block diktiert hätte.

(Bild am 5. Juni 2008 entfernt.)
Der Flüchtige
(Foto: Polizei Düsseldorf)