90 Prozent gegen Internetsperren

Umfragen belegen nicht unbedingt, was die Bevölkerung meint. Sie bestätigen eher das, was der Umfragende gerne hören möchte. Vor allem, wenn er suggestive Fragen stellt. Mit einer repräsentativen Gegenumfrage durch infratest dimap entlarvt der Verein „Mogis – Missbrauchsopfer gegen Internetsperren“ jetzt eine schlagzeilenträchtige Behauptung der Deutschen Kinderhilfe. Diese hatte letzte Woche unter Berufung auf eine ebenfalls bei infratest dimap in Auftrag gegebene Umfrage getönt, 92 Prozent der Deutschen seien für Internetsperren.

Mit etwas anders gestellten Fragen sieht das Ergebnis ganz anders aus. Nun sind 90 Prozent der Befragten gegen Netzsperren.

Eine Demaskierung erster Güte – auf Zeit.de.

Kerngeschehen

Mal wieder eine Beweisaufnahme mit unterirdischem Ergebnis. Die beiden Zeuginnen erinnern sich an so gut wie gar nichts. Sie wissen nicht mehr, wo sie standen, wie viele Personen beteiligt waren, wer wann hinzukam und wieder weg ging, ob sie selbst von Anfang etwas mitbekommen haben, wer was im einzelnen machte, wo die Autos geparkt waren, wie die Beteiligten genau aussahen und was sie anhatten.

Aber eines wissen sie genau: Mein Mandant hat sich an der Schlägerei beteiligt. Ob nun mit Tritten oder Fausthieben, das wissen sie zwar nicht. Aber er hat mitgemacht. Das steht für sie ebenso fest, wie für sie die Auferstehung Christi ein gesichertes historisches Ereignis ist (ich hätte fast danach gefragt).

Das Dilemma: Staatsanwaltschaft und Gericht werden den beiden glauben. Ich höre schon die Argumente: Es ist doch klar, dass man sich nach einigen Monaten nicht an jedes Detail erinnern kann. Gerade Erinnerungslücken zeigen doch, dass die Zeuginnen den Angeklagten nicht belasten wollen. Hauptsache ist außerdem, dass das „Kerngeschehen“ dargestellt wird.

Würden sich die Zeuginnen übrigens an die meisten Details erinnern, wäre das natürlich auch super. Denn dann bestünde ja ohnehin kein Grund, an der Richtigkeit ihrer Beobachtungen zu zweifeln.

Wenn die nötige Kritikfähigkeit fehlt, sind selbst Wackelzeugen ein No-Win für den Angeklagten. Oft bleibt dann nur die Hoffnung auf die nächste Instanz, wo etwas mehr Skepsis herrscht. Hoffentlich.

Computer-GEZ geht vielleicht in letzte Instanz

Ob für ausschileßlich beruflich genutzte internetfähige PCs GEZ-Gebühren anfallen, ist bei den Verwaltungsgerichten umstritten. Es gibt Urteile in beide Richtungen. Gestern hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf die Seite derer geschlagen, welche die Rundfunkgebühr bejahen.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision zugelassen worden. Möglicherweise wird nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden.

Geschmeidig angepasst

Meine Mandantin nutzte einen verfälschten EU-Reisepass, um sich ein Zimmer in einem Bordell zu mieten. Bei der nächsten Razzia flog sie natürlich auf und durfte mit zur Polizei. Da es rechtlich nicht möglich war, sie in Abschiebehaft zu nehmen, durfte sie wieder gehen.

Vorher wurde aber ihr ganzes Geld als „Sicherheitsleistung“ einbehalten. Außerdem erklärte sie sich schon im vorhinein schriftlich mit einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Auflage einverstanden.

Nicht gerade überraschend hat die Staatsanwaltschaft jetzt das Verfahren eingestellt. Die Auflage beläuft sich auf 2.500 Euro, genau der Betrag, den meine Mandantin bei sich führte.

Erfahrungsgemäß wäre es bei 300 oder 15.000 Euro ebenso gelaufen. Für die Betroffenen ist das natürlich nicht schlecht, denn normalerweise kommt man, zumal als Wiederholungstäter, für Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Ausländergesetz nicht so gut weg.

Trotzdem ist es schon interessant, wie geschmeidig sich das Sanktionsinteresse des Staates dem Inhalt der jeweiligen Geldbörse anpasst.

Drei Tage

Drei (Werk-) Tage vor einer Hauptverhandlung nehme ich den Einspruch gegen einen Strafbefehl zurück. Vorab per Fax; damit hatte sich der Termin erledigt.

Nun weiß ich, bei manchen Amtsgerichten kann man nicht damit rechnen, dass dem Richter ein Fax nach 72 Stunden vorliegt. Eine Woche müsse man kalkulieren, sagte der Richter, als er sich freundlicherweise aus dem Gerichtssaal erkundigte, wo ich bleibe.

E-Mail hat er zwar, aber da schaut er nur selten rein.

Ich habe gehört

E-Mail:

Guten Tag Herr Vetter,

ich habe bereits von mehreren Freunden gehört, dass Sie gerne eine kostenlose Einschätzung über die rechtliche Lage geben. Ich würde mich über Ihre Einschätzung zu folgendem Fall freuen:

Ein Freund von mir…

Antwort:

Ihre Freunde scherzten. Das ist Ihnen wahrscheinlich entgangen.

Derzeit

Ursula von der Leyen:

Der § 184 b des Strafgesetzbuches, der sexuelle Missbrauch von Kindern, ist ein klar abgrenzbarer Bereich. Auf dieser Grundlage sollen die Listen durch das Bundeskriminalamt unter der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erstellt werden. Dies und nur dies sind die zu sperrenden Inhalte, über die wir derzeit sprechen.

Und worüber sprechen wir demnächst?

Polizisten sollen U-Haft kontrollieren

Das geplante Gesetz stellt die Rechtssicherheit in Nordrhein-Westfalen auf den Kopf – der Deutsche Richterbund warnt schon davor und hat „verfassungsrechtliche Bedenken“. Denn künftig sollen die Kriminalbeamten, die einen vermeintlichen Rechtsbrecher ermittelt und festgenommen haben, auch dessen Briefe in der Untersuchungshaft kontrollieren dürfen.

Sie sollen auch weiter darüber entscheiden, ob und wer den Gefangen im Knast besuchen darf. So jedenfalls sieht es ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor. Es geht um die Ausübung einer Macht, die bislang nur Richtern zusteht. Und im Notfall den Staatsanwälten.

Die beiden Berufsgruppen schon sind unterschiedlich. Während die Richter verfassungsgemäß zur unabhängigen Rechtsprechung gehören, sind die Staatsanwälte weisungsgebundene Beamte. Die wiederum haben – so heißen sie in der Strafprozessordnung – Ermittlungspersonen. Das sind meistens ausgesuchte, erfahrene Beamte der Kriminal- und der Schutzpolizei. Nur sie dürfen etwa bei „Gefahr im Verzuge“ unter engen Grenzen die Entnahme einer Blutprobe oder eine Hausdurchsuchung anordnen.

Dass sie künftig zusätzliche, also bislang fremde Aufgaben übernehmen sollen, begründet der Gesetzesentwurf der Bundesregierung mit der Überlastung der Staatsanwaltschaften. Die soll allerdings weiter die Verantwortung dafür tragen, was ihre Ermittlungspersonen künftig entscheiden.

Wie das demnächst in der Praxis funktionieren soll, weiß selbst das nordrhein-westfälische Justizministerium nicht. „Das lässt schwerlich schon heute mitteilen“, sagt Behördensprecher Ulrich Hermanski. Er meint, noch sei alles „im Schwange“.

Dem Deutschen Richterbund ist das Gesetz ein Gräuel. Der DRB skizziert diesen Fall: Der Beschuldigte wird von der Polizei festgenommen. Nach einem kurzen Intermezzo beim Richter ist wieder die Polizei gefragt. Damit entstehe der Eindruck, dass aus einer Untersuchungs- eine Polizeihaft werde. „Es wäre besser, die Staatsanwaltschaften personell aufzustocken“, heißt es in der NRW-Richterzeitung. (pbd)

Wir werden sehen

Herr N. hat mich mit seiner Verteidigung in einer Strafsache beauftragt. Es geht um das Berufungsverfahren. Ich lege Berufung ein, erhalte die Akte. Nach einiger Zeit dann der Anruf des Kammervorsitzenden.

Ich bin nicht da. Er lässt ausrichten, ich solle mich auf einen langen Tag einstellen. Er werde alle Zeugen vernehmen, notfalls bis 20 oder 21 Uhr. Für ihn sei das kein Problem. Ende der Botschaft.

Ob da auch was zwischen den Zeilen steht? Wir werden sehen…